Verwaltungsgericht München Urteil, 20. Sept. 2016 - M 3 K 15.3637

bei uns veröffentlicht am20.09.2016

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Streitgegenstand ist die Verpflichtung des Beklagten als Aufgabenträger, die Kosten für die Beförderung des Klägers zu der von ihm besuchten Realschule im Schuljahr 2014/2015 zu übernehmen.

Der 2002 geborene Kläger besuchte im Schuljahr 2013/2014 eine 5. Klasse des Gymnasiums … und wechselte dann auf die …Realschule in München, die er seither besucht. Im Schuljahr 2014/2015 besuchte er dort eine Klasse der 6. Jahrgangsstufe.

Am 03.06.2014 wurde für den Kläger bei dem Beklagten ein „Antrag auf Kostenfreiheit des Schulwegs“ für das Schuljahr 2014/2015 gestellt.

Mit Bescheid vom 15.09.2014 lehnte der Beklagte diesen Antrag im Wesentlichen mit der Begründung ab, eine Beförderungspflicht des Aufgabenträgers bestünde nur zum Pflicht- und Wahlunterricht der nächstgelegenen Schule. Die nächstgelegene Schule, welche ein gebundenes Ganztagsangebot anbiete, seien die …Realschule, die …Realschule oder die …Realschule in München. Nach § 2 Abs. 4 Nr. 3 SchBefV könnten die Beförderungskosten zu einer anderen (* …Realschule) als der nächstgelegenen Schule (* …Realschule) nur übernommen werden, wenn die Beförderungskosten zur …Realschule die Beförderungskosten zur …Realschule um nicht mehr als 20% überstiegen. Die maßgeblichen Kostengrenzen lägen hier bei 60,00 € (Ausbildungstarif I) und 64,32 € (Ausbildungstarif II); bei einer Fahrt zur …Realschule jedoch bei 73,70 € bzw. bei 79,00 €, sodass die 20%-ige Toleranzgrenze überschritten würde. Der Beklagte habe den gesetzlich vorgegebenen Ermessensspielraum des § 2 Abs. 3 und Abs. 4 SchBefV erkannt und nach den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entschieden. Fiktive Kosten, die beim Besuch der nächstgelegenen Schule entstanden wären, würden nicht übernommen.

Hiergegen legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 16.10.2014 Widerspruch ein. Die …Realschule sei die nach § 2 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 SchBefV nächstgelegene Schule, die mit dem geringsten Beförderungsaufwand zu erreichen sei. Denn es sei die einzige Schule im Ganztagesbereich, die mit der S-Bahn ohne Umsteigen zu erreichen sei. Der Fahr Weg von der S-Bahn-Station … bis zur Schule betrage 29 Minuten. Aufgrund des Alters des Klägers (12/13 Jahre während des Schuljahrs 2014/2015) sei ihm ein mehrfaches Umsteigen unzumutbar gewesen. Die S-Bahn-Verspätungen führten bei Umsteigeverbindungen zu einem deutlich höheren Beförderungsaufwand. Jedes Umsteigen berge zusätzliche Gefahren für den Schüler. Auswahlkriterium für die …Realschule sei unter anderem gerade der durchgehende Schulweg gewesen. Weiteres Auswahlkriterium für die …Realschule sei das besondere pädagogische Konzept der Schule gewesen, das speziell für den Kläger von der Grundschullehrerin empfohlen worden sei, wonach bei einem gebundenen Ganztagsangebot auf die Unterrichtsstunde eine Stunde für Nacharbeit unter Betreuung des Fachlehrers des jeweiligen Unterrichtsfachs stattfände, also ausschließlich eine Unterrichtung in Doppelstunden; außerdem sei an vier Tagen Sportunterricht vorgesehen. Des Weiteren befände sich der Kläger in ergotherapeutischer Behandlung. Die Kosten für den Schulweg zur …Realschule seien exakt gleichhoch wie die zu den vom Beklagten genannten Alternativschulen. Bei durchschnittlich 20 Schultagen pro Monat handele es sich um einen Betrag von 52,- EUR pro Monat, sodass die 20%-Toleranzgrenze eingehalten würde. Der Kläger kaufe täglich Einzelfahrkarten, um somit die Kosten gering zu halten. Außerdem befänden sich in der Klasse des Klägers drei weitere Schüler/innen aus …, denen allen die Kostenfreiheit des Schulwegs bei unveränderter Gesetzeslage bescheinigt worden wäre. Jedenfalls seien zumindest die fiktiven Fahrtkosten zur nächstgelegenen gebundenen Ganztagsschule zu bezahlen gewesen, da die Ablehnung jeglicher Kosten eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen Kindern darstelle, die dort zur Schule gingen und Fahrtkosten dafür ersetzt bekämen.

Der Beklagte hat dem Widerspruch mit Schreiben vom 28.10.2014 nicht abgeholfen und den Widerspruch der Regierung von Oberbayern vorgelegt, die den Widerspruch mit Bescheid vom 14.07.2015 zurückgewiesen hat. Die Behörden tragen dazu im Wesentlichen vor, dass die obergerichtliche Rechtsprechung bestätigt habe, dass die nächstgelegene Schule i.S. von § 2 SchBefV nach dem Beförderungsmittel zu ermitteln sei, welches den Schüler mit den geringsten Kosten zu einer in Frage kommenden Schule transportiere. Der zeitliche Aufwand oder die Wegstrecke seien hier nicht entscheidend. Der Schulweg zu den Alternativschulen weise keine Gefahrenstellen auf und sei von einem durchschnittlichen Realschüler der 6. Klasse problemlos zurückzulegen. Die …Realschule weise neben dem gebundenen Ganztagsangebot keine pädagogische Eigenheit auf. Der Beklagte könne als Gesellschafter des MVV nicht die Streifenkartenvariante für die Kostenfreiheit des Schulwegs nutzen. Er müsse der insgesamt wirtschaftlichsten Lösung entsprechen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SchBefV), der eine Prüfung der rechtmäßigen Verwendung jedes einzeln entwerteten Streifen entgegenstünde. Um den Verwaltungsaufwand möglichst gering zu halten, würde der MVV personifizierte Fahrausweise (Kundenkarten und Wertmarken zu einem Ticket) ausgeben, was auch vom BayVGH anerkannt worden sei. Darüber hinaus habe der Beklagte festgelegt, dass die 20%ige Toleranzgrenze seit dem Schuljahr 2014/2015 nur für Schulen innerhalb des Landkreises Anwendung fände. Zu dem Schuljahr 2014/2015 beginnende Schüler könnten daher nur zur nächstgelegenen Schule befördert werden; eine Anwendung der 20%-Regel fände nicht statt. Ältere Schüler würden hier evtl. Bestandschutz genießen. Die Beweggründe des Klägers für den Besuch der …Realschule stellten keine außergewöhnliche Härte im persönlichen oder familiären Bereich dar, die im Rahmen der Ermessenentscheidung nach § 2 Abs. 4 Nr. 4 SchBefV zu berücksichtigen sei.

Mit Schriftsatz vom 19. August 2015, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am 20. August 2015, erhob der Prozessbevollmächtigte des Klägers Klage und beantragte,

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 15.09.2014 (Az. 33-204-3) in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern vom 14. Juli 2015 (Az. 12.2-5052-LRA-FFB-.../15) den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die Fahrtkosten für den Besuch der …Realschule in München für das Schuljahr 2014/2015 zu erstatten.

Ergänzend zu den bisherigen rechtlichen Ausführungen wurde darauf hingewiesen, dass der Beklagte gegen den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung verstieße, wenn er von seiner bisherigen Praxis einer Anwendung der 20%igen Toleranzgrenze abweiche. Die Gleichbehandlung wäre nicht gewährleistet. Die drei Mitschüler/innen aus …, denen die Fahrtkosten bei gleichem Schulweg wie dem Kläger ersetzt worden seien, hätten keine Nichtaufnahmebescheinigungen von den nähergelegenen Schulen vorgelegt und auch keine diesbezüglichen Anträge bei diesen Schulen gestellt. Ein solcher Nachweis sei nie von ihnen verlangt worden. Dass ein Sachbearbeiter des Beklagten vielleicht („z.B.“) bei einer nähergelegenen Schule nachgefragt habe, wüssten die Mitschüler nicht; dies sei somit keine Pflicht der Schüler gewesen. Auch ein weiterer Schüler aus … habe für das Schuljahr 2015/2016 die Schulwegkosten zur …Realschule erstattet bekommen. Hierzu hätte der Vater des Schülers dem Beklagten nur telefonisch mitgeteilt, dass die nächstgelegene Schule keine diesbezügliche schriftliche Bestätigung vorlegen würde, da noch Änderungen auftreten könnten. Nur dem Kläger habe der Beklagte die Erstattung mit dem Argument verweigert, keinen Nachweis erbracht zu haben. Es würde hier mit zweierlei Maß gemessen werden und am Kläger ein Exempel statuiert. Seit der Kläger im Schuljahr 2015/2016 in die Wirtschaftsschule der …Realschule ginge, würde er Reisekostenerstattung ohne jeglichen Nachweis einer Nichtaufnahme an anderen Schulen erhalten.

Mit Schreiben vom 5. Oktober 2015 beantragte der Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte teilte ergänzend mit, dass die zwei vom Kläger benannten Mitschüler keine Bezugsfälle darstellten, da beide bereits in der 5. Jahrgangsstufe zum Schuljahr 2013/2014 die Beförderung zur …Realschule beantragt und jeweils Nachweise der Nichtaufnahmefähigkeit für die nächstgelegenen Schulen erbracht worden seien (z.B. durch Nachfrage der Sachbearbeiter bei den fraglichen Schulen). Der Kläger sei dagegen erst zur 6. Jahrgangsstufe in die …Realschule aufgenommen worden und hätte keinen Nachweis der Nichtaufnahmefähigkeit der nächstgelegenen Schulen erbracht. Die seit dem Schuljahr 2014/2015 zu verwendenden Formulare sähen entsprechende Erklärungen vor.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte, wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung vom 20. September 2016 auf die Niederschrift hierüber verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Der streitgegenständliche ablehnende Bescheid des Beklagten vom 15.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern vom 14.07.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO); der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der Schulwegbeförderungskosten im Schuljahr 2014/2015 (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die ablehnende Entscheidung des Beklagten ist auch unter Ermessensgesichtspunkten nicht zu beanstanden, § 114 VwGO.

Einzelheiten des Anspruchs auf Übernahme der notwendigen Beförderung der Schüler auf dem Schulweg ergeben sich aus der Schülerbeförderungsverordnung (SchBefV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. September 1994 (GVBl. S. 953, BayRS 2230-5-1-1-K), die zuletzt durch § 1 der Verordnung vom 1. Juli 2016 (GVBl. S. 193) geändert worden ist.

1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SchBefV besteht die Beförderungspflicht zur nächstgelegenen Schule; diese ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV diejenige Schule der gewählten Schulart (z.B. Gymnasium, Realschule), Ausbildungs- und Fachrichtung (bei Realschulen: mathematisch-naturwissenschaftlicher, wirtschaftlicher oder fremdsprachlicher Bereich), die mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbar ist. Nächstgelegene Schulen in diesem Sinne sind für den Wohnort der Klägers die …Realschule, die …Realschule oder die …Realschule in München.

a. Bei den drei Schulen handelt es sich – wie bei der …Realschule – um Realschulen mit gleichem Wahlpflichtfächer- und mit gebundenem Ganztagesangebot. Die Frage, ob das gebundene Ganztagesangebot bereits unter „Ausbildungs- und Fachrichtung“ im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 SchBefV zu subsumieren ist, oder aber erst im Rahmen des § 2 Abs. 3 S. 1 SchBefV zum Tragen kommt, der explizit das gebundene oder offene Ganztagesangebot nennt, kann somit im vorliegenden Fall dahinstehen.

b. Die drei von dem Beklagten genannten Schulen sind mit dem geringsten Beförderungsaufwand im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV zu erreichen. Es ist in ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof geklärt, dass für die Bestimmung der nächstgelegenen Schule grundsätzlich nicht auf die Entfernung oder auf den Zeitaufwand abzustellen ist, sondern auf den finanziellen Aufwand der Beförderung durch Vergleich der anfallenden Fahrtkosten (BayVGH, B.v. 20.4.2009 – 7 ZB 08.3048 –, juris; BayVGH U.v. 8.1.2008 - 7 B 07.1008 -, juris). Der finanzielle Aufwand der Beförderung ist durch Vergleich der anfallenden Beförderungskosten zu ermitteln. Während der Ausbildungstarif I für die vom Kläger besuchte Realschule 73,70 Euro monatlich beträgt, liegt er bei den anderen Realschulen jeweils bei 60,- Euro, sodass sie mit dem geringerem Beförderungsaufwand zu erreichen sind.

c. Beim Vergleich der Beförderungskosten ist es auch sachgerecht, als Maßstab der Berechnung auf die personalisierten Zeitkarten (Monatsfahrkarten) des öffentlichen Nachverkehrs abzustellen und nicht z.B. Einzelfahrkarten oder Streifenkarten heranzuziehen. In Massenverfahren mit zahlreichen beförderungsberechtigten Schülern ist eine solche Praxis nicht zu beanstanden. Der Beklagte weist insoweit zu Recht darauf hin, dass eine individuelle Berechnung unter Berücksichtigung der (jährlich wechselnden) Ferientermine mit einem Vergleich der Kosten für die Monatsfahrkarten auf der einen Seite und für Einzelfahrscheine oder Streifenkarten auf der anderen Seite für jeden einzelnen Schüler mit vertretbarem Aufwand nicht zu bewältigen ist und damit unwirtschaftlich wäre. Eine individuelle Berechnung ist weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn und Zweck der einschlägigen Bestimmungen erforderlich. Vielmehr ist dem Aufgabenträger insoweit ein Organisationsermessen zuzubilligen, das auch zur Erfüllung der Beförderungspflicht in der beschriebenen Weise berechtigt (vgl. BayVGH B.v. 31.5.2011 - 7 ZB 10.2930 -, juris, Rn. 13; BayVGH, B.v. 4.5.2012 - 7 ZB 11.2910 -, juris, Rn. 13).

d. Sofern überprüfbar dargelegt wird, dass der Schüler von der mit dem geringeren Beförderungsaufwand zu erreichenden Schule tatsächlich (z.B. aus Kapazitätsgründen) nicht aufgenommen wurde, erweitert sich die Schulbeförderungspflicht auf die dann nächstgelegene Schule (s. VG München, U.v. 10.02.2015 - M 3 K 12.5937 -, juris, Rn. 26). Im vorliegenden Fall konnte jedoch weder von Klägernoch von Beklagtenseite belegt werden, dass dem Kläger in der 6. Jahrgangsstufe des Schuljahrs 2013/2014 ein Besuch in einer der vom Beklagten vorgeschlagenen drei Schulen (* …Realschule, …Realschule oder …Realschule in München) nicht möglich gewesen wäre.

Dem Beklagten ist diesbezüglich auch kein Ermessenfehlgebrauch vorzuwerfen, da dem Aufgabenträger der Schulbeförderungspflicht im Rahmen der Prüfung der nächstgelegenen Schule i.S.v. § 2 Abs. 1 SchBefV kein Ermessen zusteht. Sofern der Schüler an der mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbaren Schule nicht aufgenommen werden konnte, hat der Aufgabenträger die Beförderungspflicht zu der dann nächstgelegenen Schule; anderenfalls beschränkt sich die Beförderungspflicht des Aufgabenträgers auch auf die mit geringstem Beförderungsaufwand erreichbaren und somit nächstgelegenen Schulen im Sinne des Schülerbefördernungsrechts.

Die Nichtaufnahme ist für jedes Schuljahr und jede Jahrgangsstufe gesondert zu ermitteln. Eine pauschale Aussage für Schüler unterschiedlicher Jahrgangsstufen und Eintrittsjahre kann nicht getroffen werden. Erfahrungsgemäß ist ein Übertritt in eine 6. Jahrgangsstufe einer weiterführenden Schule leichter möglich, da üblicherweise bereits während oder nach der 5. Jahrgangsstufe Schüler und Schülerinnen, die sich den Anforderungen nicht gewachsen sehen, ausscheiden. Daher war vorliegend ein Vergleich zu den vorgetragenen anderen Schülern, die den gleichen Wohnort und die gleiche Schule wie der Kläger besuchten, nicht möglich. Der Kläger wechselte – anders als die von ihm vorgetragenen Schüler - im Schuljahr 2014/2015 und zudem nicht in die 5. sondern in die 6. Klasse der Realschule. Aufgrund der ungleichen zugrunde liegenden Tatsachenverhältnisse fehlt es an einer Vergleichbarkeit, sodass keine Ungleichbehandlung vorliegt.

Das weitere Argument des Klägers, der Beklagte hätte sich anders als bei anderen Schülern bei ihm nicht um die Klärung der möglichen Aufnahme in die Alternativschulen gekümmert, führt ebenfalls nicht zum Erfolg der Klage. Es ist Sache des Schülers bzw. seiner Personensorgeberechtigten, wenn die Übernahme der Fahrkosten für die Wahl der Schule ausschlaggebendes Kriterium ist, vor dem Schulwechsel zu klären, zu welcher Schule eine Beförderungspflicht besteht und sich um Aufnahme an dieser Schule zu bemühen. Geschieht dies nicht, sondern wird die Schule wegen anderer Kriterien, unabhängig von der Beförderungspflicht, ausgewählt, so geht der Schüler das Risiko ein, dass zu dieser Schule keine Beförderungspflicht besteht. Die Frage, ob eine mit geringerem Beförderungsaufwand erreichbare Schule zu seiner Aufnahme bereit gewesen wäre, stellt sich im Verfahren um die Übernahme der Beförderung dann nicht, wenn der Schüler – wie hier – gar nicht seine Aufnahme an diesen Schulen beantragt hatte, so dass dann auch die Behörde keine weitere Verpflichtung zur Nachforschung hat. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte hierauf sogar im Antragsformular mit folgendem Hinweis in Fettdruck darauf aufmerksam gemacht: „Falls die gewählte Schule nicht die nächstgelegene Schule ist, muss deren Nichtaufnahmemöglichkeit zum Anmeldedatum nachgewiesen werden“.

2. Schließlich ist dem Kläger der Schulweg von seinem Wohnort zu den drei Alternativschulen auch nicht unzumutbar. Ausnahmsweise kann auf den zeitlichen Aufwand eines Schulwegs abgestellt werden, falls der Besuch der (kostenmäßig) „nächstgelegenen Schule“ unzumutbar wäre (BayVGH, U.v. 12.2.2001 - 7 B 99.3719 -, juris, Rn. 28). Der Vortrag des Klägers, dass die …Realschule die einzige Schule im Ganztagesbereich ist, die mit der S-Bahn ohne Umsteigen zu erreichen ist und der Fahrt Weg von der S-Bahn-Station … bis zur Schule nur 29 Minuten beträgt, führt jedoch noch nicht zu dieser Ausnahme. Aus dem Schülerbeförderungsrecht lässt sich weder ein Anspruch auf bestmögliche Beförderung entnehmen noch besteht ein Automatismus dahingehend, dass bei mehreren Beförderungsmöglichkeiten die Beförderung mit dem schnelleren Verkehrsmittel verlangt werden könnte (BayVGH München, B.v. 3.12.2010 - 7 ZB 10.1843 -). Störungen des öffentlichen Nahverkehrs sind für die Zumutbarkeitsbetrachtung irrelevant. Stellt sich im Laufe des Schuljahres heraus, dass es nicht nur vereinzelt zu Verspätungen kommt und deshalb nicht gewährleistet ist, dass die Schüler den Unterricht rechtzeitig erreichen, hat der Aufgabenträger, der seine Verpflichtung grundsätzlich im Zusammenwirken mit Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs erfüllt (Art. 1 Abs. 2 S. 1 SchKfrG), darauf hinzuwirken, dass das Beförderungsunternehmen für eine pünktliche, dem Fahrplan entsprechende Ankunft Sorge trägt und gegebenenfalls seine Fahrpläne anpasst. Etwaigen Defiziten hat der Aufgabenträger somit zwar nachzugehen, wenn Verspätungen gehäuft und nicht nur in Ausnahmesituationen auftreten, jedoch führt die rein abstrakte Möglichkeit ihres Eintritts nicht zu einem Anspruch auf Beförderung mit einem anderen Verkehrsmittel zu einem höheren Tarif (vgl. BayVGH, B.v. 3.12.2010, a.a.O. juris Rn. 25).

3. Die vom Kläger vorgetragene besondere Konzeption des gebundenen Ganztagesangebots der …Realschule stellt auch keine pädagogische oder weltanschauliche Eigenheit dar, die zu einer Beförderungspflicht nach § 2 Abs. 3 S. 1 SchBefV führt. Nach § 2 Abs. 3 S. 1 SchBefV soll die Beförderung zu einer anderen als der nächstgelegenen Schule übernommen werden, wenn diese Schule wegen ihrer pädagogischen oder weltanschaulichen Eigenheit besucht wird, „insbesondere“ eine Tagesheimschule, eine Schule mit gebundenem oder offenem Ganztagesangebot, eine nicht-koedukative Schule oder eine Bekenntnisschule. Davon abgesehen, dass es sich um eine Sollvorschrift handelt, die bei Vorliegen besonderer Gründe auch Raum für eine ablehnende Entscheidung lässt (BayVGH, U.v.9.8.2011 - 7 B 10.1775 -), geht das Gericht davon aus, das das vom Kläger beschriebene gebundene Ganztagesangebot der …Realschule nicht in dem Maße von den gebundenen Ganztagesangeboten der Alternativschulen abweicht, dass es eine pädagogische Eigenheit im Sinne des § 2 Abs. 3 S. 1 SchBefV darstellen würde.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist § 2 Abs. 3 S. 1 SchBefV eng auszulegen (BayVGH, U.v. 19.2.2013 – 7 B 12.2441- juris, Rn. 33; U.v. 5.3.2012 – 7 ZB 11.2092 – juris, Rn. 2). Die Vorschrift will nur Schulen mit einem besonderen pädagogischen oder weltanschaulichen Konzept erfassen, das dem Unterricht in allen Klassen einen eigenständigen, an anderen Schulen auch nicht ansatzweise vorhandenen Charakter gibt und das die Schule damit deutlich von anderen vergleichbaren Schulen unterscheidet (BayVGH, U.v. 10.1.1996 – 7 B 94.1847).

Zunächst spricht generell gegen eine weitere Differenzierung zwischen den einzelnen Schulen mit gebundenem Ganztagesangebot bereits der klare Verordnungswortlaut. Das gebundene oder auch offene Ganztagesangebot wird in § 2 Abs. 3 S. 1 SchBefV im Wege einer „insbesondere“-Aufzählung als Beispiel für eine pädagogische oder weltanschauliche Eigenheit aufgeführt. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass bereits das gebundene Ganztagesangebot im Sinne des Art. 6 Abs. 5 S. 1 BayEUG an sich eine pädagogische Eigenheit darstellt und eine nochmalige Abstufung zwischen den Schulen mit gebundenem Ganztagesangebot grundsätzlich nicht mehr erfolgen soll.

Der Kläger führt für die …Realschule das besondere pädagogische Konzept der Schule an, das das Lernen ausschließlich in Doppelstunden beinhalte, sowie eine erhöhte Anzahl von Sportstunden. Die Doppelstunden sind so aufgebaut, dass auf eine Unterrichtsstunde jeweils eine Stunde für Nacharbeit unter Betreuung des Fachlehrers des jeweiligen Unterrichtsfachs erfolgt. Das dargelegte Doppelstundenkonzept müsste derart prägend sein, dass es sich in pädagogisch-konzeptioneller Hinsicht evident von anderen gebundenen Ganztagsschulen abheben würde (BayVGH, U.v. 19.2.2013, a.a.O. juris, Rn. 34). Selbst wenn man in der Gestaltung der Doppelstunden einen Unterschied zu vergleichbaren anderen gebundenen Ganztagsschulen sehen mag, so ist dieser dennoch nicht in der Weise prägend, dass er einen schulwegkostenrelevanten Unterschied darstellt.

Das Konzept der Doppelstunden ist inzwischen an einer Vielzahl von Schulen sämtlicher Schularten – auch Schulen ohne Ganztagesangebot – verbreitet; dass dieses Konzept an anderen als der …Realschule „auch nicht ansatzweise“ vorhanden wäre, wie vom BayVGH (U.v. 10.1.1996, a.a.O.) gefordert, kann daher nicht festgestellt werden. Das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung, München, sieht das Doppelstunden-Modell als zentralen Baustein der Stundenplanstruktur (S. 7 ff. des Berichts „Ganztägiger Unterricht am G8 – Leitfaden mit Anregungen und Empfehlungen, München 2006) an und führt u.a. aus, dass in den letzten Jahren zunehmend auch in Fächern wie Deutsch, Mathematik und den Naturwissenschaften positive Erfahrungen beim Unterrichten in Doppelstunden gemacht werden. Ebenso stellt der Aspekt der Nacharbeit kein wesentliches Differenzierungskriterium zu anderen Doppelstundensystemen dar; Hintergrund einer Doppelstunde ist gerade die Vertiefung und Intensivierung eines Unterrichtsinhalts. Auch ermöglicht sie den Schülern, das neu Gelernte in Übungen zu erproben, mehr Ruhe mit einem methodisch abwechslungsreicheren Unterricht und mehr Zeit für das selbstständige Arbeiten. Hierunter kann auch die vom Kläger vorgetragene „Nacharbeit“ verstanden werden. Inhaltlich geht somit das Konzept der …Realschule nicht in der vom BayVGH geforderten prägenden Weise über das Unterrichtskonzept anderer, ansonsten vergleichbarer Schulen hinaus. Ebenso stellt der Sportunterricht, der an 4 Tagen die Woche stattfindet, keine pädagogische Eigenheit dar. Sowohl gebundene als auch offene Ganztagsschulen stellen ihren Schülern regelmäßig ein großes Sportangebot zum Ausgleich zur Verfügung.

Des Weiteren ist das Schulwegkostenrecht stets vor dem Hintergrund zu beurteilen, dass es auf freiwilliger Basis der Landesgesetzgeber besteht und eine verfassungsrechtlich nicht gebotene Leistung der öffentlichen Hand darstellt. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat bereits mehrfach entschieden, dass kein verfassungsrechtlich garantierter Anspruch auf kostenfreien Transport zur Schule besteht (BayVerfGH B.v. 27.7.1984 – Vf.17-VII-83 -; BayVerfGH E.v. 28.10.2004 – Vf.8– VII-03-; BayVerfGH, E.v. 7.7.2009 – Vf.15 –VII/08). Weder dem Grundgesetz (vgl. BVerwG, B.v. 22.10.1990 - 7 B 128/90) noch der Bayerischen Verfassung ist zu entnehmen, dass sämtliche mit dem Schulbesuch verbundenen Aufwendungen vom Staat oder von den Kommunen zu tragen wären. Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar in einer Entscheidung (BVerwG, B.v. 15.1.2009 - 6 B 78/08 -) offen gelassen, ob sich aus dem durch Art. Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten Recht der Erziehungsberechtigten, den Bildungs Weg ihrer Kinder zu bestimmen, und aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Schüler (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. Abs. GG) Auswirkungen auf die Erstattungsfähigkeit privater Schülerbeförderungskosten ergeben. Selbst wenn dies zu bejahen wäre, stünde dem Landesgesetzgeber - so das Bundesverwaltungsgericht - ein sehr weiter Ausgestaltungsspielraum hinsichtlich der Zumutbarkeit des Beförderungsangebots im öffentlichen Personennahverkehr zu. Die gegen diese Entscheidung erhobene Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, B.v.16.6.2009,BvR 419/09 -). Eine Beförderungspflicht des Beklagten ergibt sich daher auch nicht aus § 2 Abs. 3 SchBefV.

4. Schließlich war die Ablehnung der kostenfreien Beförderung des Klägers zur …Realschule auch nicht im Hinblick auf § 2 Abs. 4 SchBefV zu beanstanden. Nach § 2 Abs. 4 Nr. 3 SchBefV kann der Aufgabenträger die Beförderung zu einer anderen als der nächstgelegenen Schule ganz oder teilweise übernehmen, wenn der Beförderungs-aufwand die ersparten Beförderungskosten zur nächstgelegenen Schule um nicht mehr als 20 v. H. übersteigt. Zum einen grenzt der Kläger die 20%ige Toleranzgrenze ermessensgerecht auf innerhalb des Landkreises liegende Schulen ein, zum anderen wäre die Toleranzgrenze bei Vergleich der Ausbildungstarife (60,00 € für Tarif I - 73,70 € für Tarif II, s.1.b.) im vorliegenden Fall auch bei ihrer Anwendung überschritten. Es war auch nicht ermessensfehlerhaft im Sinne des § 2 Abs. 4 Nr. 4 SchBefV, dass der beklagte Aufgabenträger im Hinblick auf das allgemeine öffentliche Interesse an einer Begrenzung der finanziellen Aufwendungen auch unter Berücksichtigung der Belange des Klägers einer Übernahme der Beförderungskosten zur …Realschule nicht zugstimmt hat. Die Zustimmung nach dieser Vorschrift ist nur in außergewöhnlichen Fällen zu erteilen (BayVGH, U.v. 19.2.2013, a.a.O, juris, Rn. 42). Bei der Entscheidung hierüber durfte der beklagte Aufgabenträger das öffentliche Interesse an einer sparsamen Mittelverwendung (Art. 2 Abs. 1 Satz 3 SchKfrG) als prägenden Grundsatz des Schülerbeförderungsrechts berücksichtigen (vgl. BayVGH, U.v. 10.1.1996 – 7 B 94.1847 – BayVBl. 1996, 434).

5. Der Kläger kann auch nicht verlangen, dass der Beklagte die Beförderungskosten wenigstens insoweit zu übernehmen hat, als sie bei einem Besuch zu den alternativ vom Beklagten vorgeschlagenen nächstgelegeneren Realschulen, d.h. in Höhe von 60,- EUR pro Monat angefallen wären. Es handelt sich insoweit nicht um eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung des Klägers gegenüber denjenigen Kindern, die dort zur Schule gehen und Fahrtkosten dafür ersetzt bekommen. Die so genannten fiktiven Fahrtkosten werden nach eindeutiger obergerichtlicher Rechtsprechung im Bayerischen Schulwegkostenrecht nicht erstattet (BayVGH, B.v. 30.01.2007 – 7 ZB 06.781 -, juris, Rn. 13; BayVGH, U.v. 12.02.2001 – 7 B 99.3719 -, juris, Rn. 34, m.w. Nachw.), diese Auslegung von § 2 SchBefV verstößt nicht gegen die Bayerische Verfassung (BayVerfGH, E.v. 20.4.1990 - Vf. 28-VI-89 in NVwZ-RR 1991, S. 74). Danach kann ein Schüler nicht die (fiktiven) Beförderungskosten zur nächstgelegenen Schule verlangen, wenn er tatsächlich eine weiter entfernte Schule besucht. Darin liegt kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 118 Abs. 1 BV, da der BayVerfGH hinreichende sachliche Gründe darin sieht, dass es nicht im Interesse einer auf den näheren Einzugsbereich abstellenden Schulplanung liege, durch Übernahme von Beförderungskosten zu entfernter liegenden Schulen die Schülerzahl der nächstgelegenen Schulen zu gefährden. Auch das Recht der Eltern auf Wahl der Schule für ihr Kind aus Art. 6 Abs. 2 GG bleibt unberührt. Ein allgemeiner Anspruch auf Subventionierung von Ausbildungskosten in Gestalt der Übernahme der Beförderungskosten in jedem Fall lässt sich der Verfassung nicht entnehmen.

Mithin bestand für die vom Kläger besuchte …Realschule im Schuljahr 2014/2015 keine Beförderungspflicht des Beklagten, da es sich weder um diejenige Schule im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SchBefV handelte, die mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbar war, noch eine Ausnahme von dieser Anspruchsvoraussetzung – etwa durch Vorliegen einer pädagogischen oder weltanschaulichen Eigenheit der Schule – bestand, sodass die Klage keinen Erfolg hatte.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Ab. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

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Tenor I. Der Bescheid des Beklagten vom ... Oktober 2012 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, im Schuljahr 2012/2013 die Kosten für die Beförderung der Schülerin ... von der Wohnung ihrer Eltern zur ...-schule ..., .

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tenor

I.

Der Bescheid des Beklagten vom ... Oktober 2012 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, im Schuljahr 2012/2013 die Kosten für die Beförderung der Schülerin ... von der Wohnung ihrer Eltern zur ...-schule ..., ... und zurück mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu übernehmen.

II.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Streitgegenstand ist der Anspruch der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) (im Folgenden: die Kläger) auf Übernahme der Kosten, die für die Beförderung ihrer Tochter ... von ihrer Wohnung zur ...-schule ... der ... in ..., ..., im Schuljahr 2012/2013, angefallen sind.

... wechselte zum Beginn des Schuljahres 2010/2011 von der Grundschule auf die ...-schule in ... Nach Vortrag der Kläger ergab sich während des zweiten Halbjahres des Schuljahres 2010/2011 die Notwendigkeit eines Schulwechsels, wozu auch die ...-schule ... dringend geraten habe. Sie wechselte nach den Pfingstferien, am 23. Mai 2011, in eine Klasse der 5. Jahrgangsstufe der ...-schule ... der ... in ... Nach Vortrag der Kläger hatten sie auch bei den in München gelegenen drei ...-schulen in Trägerschaft der ... nachgefragt, jedoch die Auskunft erhalten, dass dort alle Klassen voll besetzt seien.

Den Antrag auf Kostenfreiheit des Schulwegs für das Schuljahr 2011/2012 lehnte der Beklagte ab, da die besuchte Schule nicht die mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbare Schule sei. Der Klägerin wäre ein Wechsel an die ...-...-schule in München-... zum Beginn des Schuljahres 2011/2012 laut der von dort eingeholten Auskunft vom 1. August 2012 möglich gewesen. Die Entscheidung über den gegen den ablehnenden Bescheid erhobenen Widerspruch wurde einvernehmlich zurückgestellt bis zum Ausgang des vorliegenden Klageverfahrens.

Am ... September 2012 stellten die Kläger Antrag auf Kostenfreiheit des Schulwegs für das Schuljahr 2012/2013.

Laut dem im Klageverfahren vorgelegten Ausdruck des E-Mail-Verkehrs hatten die Kläger per E-Mail am ... Juli 2012 beim Sekretariat des ...-Gymnasiums ... die Aufnahme ihrer Tochter in eine 7. Klasse der ...-schule im Wahlzweig BWR beantragt und gebeten, falls eine Aufnahme, wie telefonisch bereits mitgeteilt worden sei, nicht möglich sein sollte, dies schriftlich zu bestätigen. Der Antrag wurde - nach Auskunft der Kläger - nicht versehentlich, sondern auf telefonische Empfehlung der ...-schule an die E-Mail-Adresse des Gymnasiums gerichtet. Am ... Juli 2012 übersandten die Kläger die E-Mail vom ... Juli 2012 nochmals an das Sekretariat der ...-...-schule. Mit Schreiben vom ... Juli 2012 bestätigte die Schulleiterin der ...-...-schule in ... den Klägern, dass sie im Schuljahr 2012/2013 keinen freien Platz für deren Tochter „in der Wahlpflichtfachgruppe IIIb/BWR“ anbieten könne.

Auf Anfrage des Beklagten bestätigte die ...-...-schule ... mit Schreiben vom ... Oktober 2012, „dass im Schuljahr 2012/13 an der ...-...-schule ... in der 7. Jahrgangsstufe in den Wahlpflichtfächern IIIa (Französisch) und in II(BWR) jeweils ein freier Platz“ für die Tochter ... zur Verfügung gestanden hätte. Die Klägerin habe nach einem Platz im Kunstzweig nachgefragt, für diese Wahlpflichtfächergruppe habe aus Platzmangel eine Absage erteilt werden müssen.

Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom ... Oktober 2012 lehnte der Beklagte den Antrag ab.

Kostenfreiheit des Schulweges werde grundsätzlich nur gewährt, wenn die nächstgelegene Schule besucht werde (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SchBefV). Das sei diejenige Schule der gewählten Schulart, Ausbildungs- und Fachrichtung, die mit dem geringsten Beförderungsaufwand (Kosten) erreichbar sei (§ 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV). Nächstgelegene ...-schule sei die ...-...-schule ... der ... Dort hätte ... einen Schulplatz im Zweig III sowie in dem nunmehr in der ...-schule ... besuchten Zweig II erhalten. Die Beförderungskosten zur nächstgelegenen Schule würden monatlich 46,50 € betragen, für die beantragte Schule 140,90 €. Diese Preisdifferenz liege nicht mehr im Rahmen einer möglichen, höchstens 20%igen Zusatzleistung durch den Lehrkraft München (§ 2 Abs. 4 Nr. 3 SchBefV). Fiktive Kosten, die beim Besuch der nächstgelegenen Schule entstanden wären, würden nicht übernommen.

Mit der am ... November 2012 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Rechtsschutzbegehren weiter.

Sie beantragten,

den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom ...10.2012 zu verpflichten, im Schuljahr 2012/2013 die Kosten für die Beförderung des Kindes ... von der Wohnung der Eltern zur ...-schule ..., ... und zurück mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu übernehmen.

... besuche hier im Schuljahr 2012/2013 die 7. Klasse mit der Ausbildungsrichtung II mit Schwerpunkt im wirtschaftlichen Bereich (BWR). Die Entscheidung für eine Wahlpflichtfächergruppe träfen die Eltern am Ende der 6. Jahrgangsstufe. Die Schule ... biete die Ausbildungsrichtungen I (Schwerpunkt mathematisch-naturwissenschaftlicher Bereich), II (Schwerpunkt wirtschaftlicher Bereich), IIIa (2. Fremdsprache Französisch), IIIb (Schwerpunkt hauswirtschaftlicher oder sozialer Bereich) an. Die Kläger hätten sich für die Wahlpflichtfächergruppe II, Profilfach Betriebswirtschaftslehre (BWR) entschieden. Die Kläger hätten sich an die nächstgelegenen Schulen mit entsprechender pädagogischer und religiöser Ausbildungsrichtung II mit Schwerpunkt im wirtschaftlichen Bereich gewandt, das seien die ...-...-schule, die ...-...-schule in ... und die ...-...-schule in München... Die Kläger hätten von sämtlichen Schulen eine Absage erhalten. Für eine Aufnahme in die ...-...-schule ... seien zunächst mehrere Telefonate geführt und Emails versandt worden. Da ein Wechsel an eine nähere Schule nicht möglich gewesen sei, sei die Tochter der Kläger weiterhin auf der nächstgelegenen Schule mit entsprechendem Platzangebot, nämlich der ...-schule ... in ..., geblieben. Die Kläger hätten zum maßgeblichen Zeitpunkt für einen möglichen Schulwechsel nur Absagen von den näher gelegenen Schulen erhalten.

Mit Schreiben vom ... Juli 2012 hat der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Tochter der Kläger hätte bereits für das Schuljahr 2011/2012 einen Platz in der ...-...-schule ... bekommen können, auch im Schuljahr 2012/2013 wäre dort nach der vom Beklagten eingeholten Auskunft der Schulleiterin ein Platz im Zweig II frei gewesen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht München am 19. November 2013 verwies der Beklagte darauf, dass Ende Juli 2012 deshalb kein freier Platz mehr für ... an der ...-Schule in ... zur Verfügung gestanden habe, weil sich die Kläger erst am Schuljahresende um einen Schulwechsel bemüht hätten. Aus dem Schreiben der Schule vom ... Oktober 2012 gehe hervor, dass tatsächlich ein freier Platz zur Verfügung gestanden hätte, der bei früherer Bewerbung auch an die Tochter der Kläger hätte vergeben werden können. Die Eltern einer Schülerin, die nicht die nächstgelegene Schule besuche, müssten sich bereits zum Zeitpunkt der allgemeinen Anmeldung, also jeweils im Mai, um einen Platz für das darauffolgende Schuljahr bemühen. Andernfalls hätten es die Eltern durch eine verspätete Anmeldung an der nächstgelegenen Schule in der Hand, die Beförderungskosten für die gewünschte, nicht nächstgelegene Schule zu erhalten. Ein Wechsel in eine näher gelegene Schule sei der Tochter der Kläger jedenfalls bereits zum Schuljahr 2011/2012 möglich gewesen; die Kläger äußerten hierzu, dies sei im Hinblick auf den erst im Mai 2011 erfolgten Wechsel an die ...-schule ... für ein Kind dieses Alters unzumutbar gewesen.

Mit Schreiben vom ... November 2013 bat das Gericht die Rektorin der ...-...-schule ... um Auskunft zur Vergabepraxis der Plätze für die höheren Jahrgangsstufen, insbesondere, nach welchen Kriterien, falls mehr Bewerberinnen als Plätze vorhanden seien, die Schülerinnen ausgewählt würden und ob bei dieser Auswahl der Zeitpunkt, zu dem nach einem Platz nachgefragt worden sei, eine Rolle spiele, so dass eine möglichst frühzeitige Bewerbung größere Erfolgsaussichten habe. Die Rektorin teilt mit Schreiben vom ... Februar 2014 mit, eine endgültige Zu- oder Absage könne immer erst in der letzten Schulwoche nach der Jahreszeugniskonferenz erfolgen, da erst dann feststünde, wie viele Schülerinnen ein Schuljahr nicht erfolgreich bestanden hätten. In der Zeit vor den Osterferien müssten sich die Eltern der Schülerinnen der 6. Jahrgangsstufe für einen Wahlpflichtfachbereich entscheiden, die Schule biete drei Wahlpflichtfachbereiche an, II (BWR), IIIa (Französisch) und IIIb (Kunst). Es habe im Schuljahr 2011/2012 nur zwei voll besetzte 6. Klassen gegeben. Daher habe sie den Klägern für den gewünschten Termin sowie den Wahlfachzweig eine Absage zukommen lassen und gleichzeitig auf die Warteliste und die Möglichkeit einer späteren Zusage im Juli verwiesen.

Der Beklagte nahm zu dieser Auskunft mit Schreiben vom ... Mai 2014 Stellung. Die Klägerin habe sich nicht rechtzeitig in den nächstgelegenen Schulen aktiv um einen Schulplatz bemüht, sondern um Nichtaufnahmebescheinigungen nachgesucht, nachdem die ...-schule ... den Hinweis gegeben habe, dass die Kosten für den Schulbeuch erstattet werden könnten, wenn ein Platz in einer der nächstgelegenen Schulen nicht zur Verfügung stünde. Die Auskünfte der Schulleiterin gegenüber dem Beklagten und dem Gericht seien widersprüchlich und die Widersprüchlichkeit sei mit der Erklärung der Schulleitung vom ... Februar 2014 bislang nicht hinreichend aufgeklärt. Somit sei festzustellen, dass die Tochter der Kläger seit dem Übertritt in eine weiterführende Schule keine nächstgelegene Schule i. S. d. Schülerbeförderungsrechts besuche. Eine Schule könne nur dann nicht als nächstgelegene gelten, wenn sie aufgrund von Bedingungen nicht aufnahmefähig und -bereit sei, die der Schüler nicht beeinflussen könne. Sofern eine Aufnahme an persönlichen Voraussetzungen scheitere, wie z. B. der rechtzeitigen Abgabe des Aufnahmeantrags, hier zum Schuljahr 2011/2012 in die 6. Klasse, ändere dies nichts an der Nächstgelegenheit der Schule. Der Beklagte könne keinen echten Wunsch eines Schulwechsels in die nächstgelegene Schule erkennen.

In der weiteren mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht München am 28. Januar 2015 erläuterte die Schulleiterin der ...-...-schule ... die schriftlich erteilten Auskünfte. Ein Schreiben, das so formuliert sei wie das von ihr mit Datum ... Juli 2012 unterzeichnete Schreiben, stelle eine definitive Absage dar. Auch bei einer Anmeldung zu einem früheren Zeitpunkt hätte sie keine Zusage geben können. Es sei immer völlig offen, wie viele Schülerinnen die Schule letztlich besuchen wollten, es komme auch oft zu Mehrfachanmeldungen einer Schülerin an mehreren Schulen, so dass dann eine Bewerbung wieder zurückgezogen werde. Mit ihrem Schreiben vom ... Oktober 2012 habe sie sich nur auf die Auslastung der Klassen im Zeitpunkt dieses Schreibens bezogen. Zum damaligen Zeitpunkt hätte ein nach Schuljahresbeginn frei gewordener Platz auch im Wahlpflichtbereich II/BWR zur Verfügung gestanden. Da sie jedoch zum Schuljahr 2012/2013 nur 2 Klassen in der damaligen 7. Jahrgangsstufe habe bilden können, habe sie auch insgesamt nur 64 Plätze vergeben können. Sie habe daher auch anderen Schülerinnen außer der Tochter der Kläger eine Absage erteilen müssen.

Die Klägerin ergänzte zur Frage eines möglichen Schulwechsels zum Beginn des Schuljahres 2011/2012, sie habe bei der Nachfrage nach freien Plätzen während des Schuljahres 2010/2011 von der ...-Schule nicht nur eine Absage für diesen Zeitpunkt erhalten, sondern gleichzeitig auch die Auskunft, dass auch für das kommende Schuljahr nicht mit einem freien Platz in der 6. Jahrgangsstufe gerechnet werden könne. Abgesehen davon habe auch die ...-schule ... dringend von einem erneuten Schulwechsel bereits zum Schuljahresende abgeraten.

Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte, wegen des Verlaufs der beiden mündlichen Verhandlungen auf die Niederschriften hierüber Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der streitgegenständliche ablehnende Bescheid des Beklagten vom ... Oktober 2012 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO); die Kläger haben Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten ihrer Tochter zur ...-schule ... der ... in ..., ..., im streitgegenständlichen Schuljahr 2012/2013 (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Einzelheiten des Anspruchs auf Übernahme der notwendigen Beförderung der Schüler auf dem Schulweg ergeben sich aus der Verordnung über die Schülerbeförderung (Schülerbeförderungsverordnung - SchBefV) i. d. F. der Bek. vom 8. September 1994 (GVBl S. 953) mit weiteren Änderungen. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SchBefV besteht die Beförderungspflicht zur nächstgelegenen Schule; diese ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 diejenige Schule der gewählten Schulart, Ausbildungs- und Fachrichtung, die mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbar ist; jedoch soll nach § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV die Beförderung zu einer anderen als der nächstgelegenen Schule übernommen werden, wenn diese Schule wegen ihrer pädagogischen oder weltanschaulichen Eigenheit besucht wird, insbesondere wenn die besuchte Schule eine nicht-koedukative Schule oder eine Bekenntnisschule ist. Um eine solche Schule i. S. d. § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV handelt es sich bei der von der Tochter der Klägerin im streitgegenständlichen Schuljahr besuchten...-schule der ... Unstreitig wären die drei in München gelegenen, vergleichbaren - d. h. ebenfalls monoedukativen und in Trägerschaft der ... geführten - ...-schulen mit geringerem Beförderungsaufwand zu erreichen.

Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der sich das erkennende Gericht anschließt, lässt die Sollvorschrift des § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV zwar bei Vorliegen besonderer Gründe auch Raum für eine ablehnende Entscheidung (BayVGH, U. v. 9.8.2011 - 7 B 10.1775 -). Der Beklagte hat die streitgegenständliche Ablehnung jedoch nicht auf den Umstand gestützt, dass der Besuch einer mit geringerem Beförderungsaufwand erreichbaren öffentlichen ...-schule möglich gewesen wäre, sondern auf die Möglichkeit des Besuchs einer ebenfalls monoedukativen und in Trägerschaft der ... geführten, jedoch mit geringerem Beförderungsaufwand erreichbaren ...-schule verwiesen, für deren Besuch er die Kostenfreiheit des Schulwegs bewilligt und die Kosten für die Beförderung mit öffentlichen Verkehrsmitteln übernommen hätte.

Zwar besteht auch im Rahmen des § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV die - vom Kostenträger grundsätzlich zuerkannte - Beförderungspflicht nur zur nächstgelegenen, d. h. mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbaren Schule der jeweiligen pädagogischen oder weltanschaulichen Eigenheit. Auch insoweit kann jedoch der Kostenträger den Schüler auf die Möglichkeit des Besuchs einer mit geringerem Beförderungsaufwand erreichbaren Schule derselben pädagogischen oder weltanschaulichen Eigenheit nur dann verweisen, wenn dem Schüler der Besuch dieser näher gelegenen Schule im streitgegenständlichen Schuljahr auch tatsächlich möglich gewesen wäre. § 3 Abs. 1 Satz 3 SchBefV ist verfassungskonform in der Weise zu verstehen, dass nächstgelegene Schule i. S. d. Schülerbeförderungsrechts diejenige Schule ist, die mit dem geringsten Beförderungsaufwand zu erreichen ist und deren Besuch der Schülerin oder dem Schüler im streitgegenständlichen Schuljahr auch tatsächlich möglich wäre.

Im vorliegenden Fall war es der Tochter der Kläger nicht möglich, zum Beginn des streitgegenständlichen Schuljahres 2012/2013 an eine der - unstreitig - mit geringerem Beförderungsaufwand erreichbaren, vergleichbaren ...-schulen in München zu wechseln. Im Streit ist zwischen den Parteien in diesem Zusammenhang nur, ob die Aufnahme der Tochter in die ...-...-schule ... zum streitgegenständlichen Schuljahr möglich gewesen wäre; hinsichtlich der beiden anderen in München gelegenen, mit geringerem Beförderungsaufwand erreichbaren ...-schulen der ... erkennt auch der Beklagte die Unmöglichkeit des Schulwechsels aufgrund des hierzu von den Klägern vorgelegten Schriftwechsels an.

Es ist dem Beklagten zuzugeben, dass ein von Eltern eines Schülers bewusst vereitelter oder nur „pro forma“ gestellter und dann von der angefragten Schule abgelehnter Aufnahmeantrag nicht ausreichen würde, um die Unmöglichkeit des Besuchs einer näher gelegenen Schule zu belegen. Dies war hier jedoch nicht der Fall. Aufgrund der eindeutigen Aussage der Schulleiterin in der weiteren mündlichen Verhandlung steht fest, dass für die Tochter der Kläger zum Beginn des streitgegenständlichen Schuljahres in der von ihr gewählten - und aktuell auch besuchten - Wahlpflichtfächergruppe II /BWR kein freier Platz zur Verfügung stand. Das Datum des gestellten Antrags ist bei der Auswahl der für eine höhere Jahrgangsstufe zu vergebenden freien Plätze nach der Aussage der Schulleiterin kein Kriterium. Das Anmeldedatum im Mai des jeweils vorangehenden Schuljahres, auf das sich der Beklagte insoweit berufen hat, hat nur Bedeutung für eine Aufnahme in die 5. Jahrgangsstufe, nicht in eine höhere Jahrgangsstufe. Für die Vergabe der in höheren Jahrgangsstufen zur Verfügung stehenden Plätze gibt es nach Aussage der Schulleiterin - wohl auch im Hinblick auf die private Trägerschaft der Schule - keine im Vorhinein festgelegten Kriterien. Da erst am Ende des vorangegangenen Schuljahres feststeht, wie viele Plätze überhaupt vergeben werden können, ob die Zahl der Anmeldungen für die Bildung einer 3. Klasse in einer Jahrgangsstufe ausreicht und ob die Bildung einer weiteren Klasse vom Schulträger genehmigt wird, werden nach Aussage der Schulleiterin alle am Schuljahresende noch aktuellen Bewerbungen zeitgleich behandelt und verbeschieden. Der Anmeldezeitpunkt spielt bei dieser Entscheidung keine Rolle.

Damit steht fest, dass die Nachfrage der Kläger vom ... und vom ... Juli 2012 bei Vorhandensein freier Plätze rechtzeitig genug gewesen wäre, um berücksichtigt zu werden, und dass auch eine frühere Nachfrage die Aussichten, einen der freien Plätze zu erhalten, nicht erhöht hätte. Darüber hinaus steht nach der Aussage der Schulleiterin in der weiteren mündlichen Verhandlung auch fest, dass das Schreiben vom ... Juli 2012 eine endgültige Absage enthielt, dass also auch eine weitere Nachfrage wenige Tage später kein anderes Ergebnis gebracht hätte. Zwar hat die Schulleiterin in ihrem Schreiben vom ... Oktober 2012 gegenüber dem Beklagten, in Beantwortung einer vom Beklagten eingeleiteten Überprüfung der Richtigkeit der schriftlichen Absage der Schulleiterin vom ... Juli 2012, erklärt, dass „im Schuljahr 2012/2013 auch in der Wahlpflichtfächergruppe II /BWR ein freier Platz“ zur Verfügung gestanden hätte. Wie die Schulleiterin jedoch in der weiteren mündlichen Verhandlung klargestellt hat, hat sie sich bei dieser Auskunft ausschließlich auf den Zeitpunkt der Nachfrage des Beklagten bezogen; zu diesem Zeitpunkt wäre tatsächlich ein frei gewordener Platz in der Wahlpflichtfächergruppe II /BWR vorhanden gewesen, da bereits nach den ersten Leistungserhebungen in einem Schuljahr Schülerinnen die Schule bereits wieder verlassen würden.

Durch Vorlage des entsprechenden E-mail-Verkehrs haben die Kläger auch nachgewiesen, dass sich ihre Anfrage tatsächlich auf den von ihrer Tochter nun besuchten Zweig II/BWR bezogen hat; von der gegenteiligen Aussage der Schulleiterin in der vom Beklagten nachträglich, im Oktober 2012, eingeholten Auskunft hat sich die Schulleiterin später distanziert und auf die damalige Verwaltungspraxis hingewiesen, nach Schuljahresbeginn sämtliche Unterlagen zu vorangegangenen Anfragen und Anmeldungen zu vernichten, so dass ihr zum Zeitpunkt dieser Auskunft Details zur Anfrage der Kläger nicht mehr in Erinnerung gewesen waren.

Für die Frage, ob ein Anspruch auf Kostenfreiheit des Schulwegs zu einer nicht nächstgelegenen Schule besteht, ist jedoch umfassend zu prüfen, ob seitens des Schülers tatsächlich alles getan wurde, um eine näher gelegene Schule besuchen zu können; selbst bei Unmöglichkeit des Schulwechsels an eine näher gelegene Schule im streitgegenständlichen Schuljahr ist daher in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob der Besuch einer näher gelegenen Schule zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen wäre. Die Unmöglichkeit eines Schulwechsels an eine näher gelegene Schule im beantragten Schuljahr reicht dann nicht aus, um die Kostenfreiheit des Schulwegs zu einer nicht nächstgelegenen Schule zu begründen, wenn das Risiko, dass die Beförderungskosten für den Besuch dieser Schule nicht übernommen werden würden, bewusst in Kauf genommen worden ist, obwohl auch der Besuch einer näher gelegenen Schule möglich gewesen wäre. An einer solchen Entscheidung muss sich der Schüler auch in darauffolgenden Schuljahren festhalten lassen, selbst wenn er sich dann um eine Aufnahme an einer mit geringerem Beförderungsaufwand erreichbaren Schule erfolglos bemüht. Denn ein Schüler, der ohne Rücksicht auf die Frage der Kostenfreiheit des Schulwegs eine nicht nächstgelegene Schule ausgewählt hat, kann sich nicht ab einem späteren Schuljahr darauf berufen, nunmehr sei ein Wechsel an eine Schule, die kostengünstiger zu erreichen wäre, nicht mehr zumutbar (BayVGH, B. v. 20.4.2009 - 7 ZB 08.3048 - m. w. N.). Hätten sich die Kläger daher beim Übertritt von ... für die Schule ... in ... entschieden, obwohl ... damals auch in einer näher gelegenen ...-...-schule der ... hätte aufgenommen werden können, müssten sie sich diese Entscheidung auch in den Folgejahren, ungeachtet erfolgloser Bemühungen um einen Schulwechsel an eine näher gelegene gleichartige Schule, entgegenhalten lassen.

Ein solcher Fall liegt hier jedoch gerade nicht vor. Zum Zeitpunkt der Entscheidung für die ...-schule ... war eine Aufnahme von ... an einer mit geringerem Beförderungsaufwand erreichbaren, vergleichbaren Schule nicht möglich. Die Kläger haben sich also nicht ungeachtet der Frage der Kostenfreiheit des Schulwegs für die Schule ... in ... entschieden, sondern lediglich die einzige Möglichkeit des Besuchs einer ...-schule in Trägerschaft der ... wahrgenommen.

Der Zeitpunkt des Wechsels an diese Schule, nämlich während eines Schuljahres, kann den Klägern nicht entgegengehalten werden. Es mag zwar zutreffen, dass während eines laufenden Schuljahres grundsätzlich weniger freie Plätze zur Verfügung stehen als zum Schuljahresende. Es ist jedoch das Recht der Eltern, nicht nur die Schulart oder die pädagogische Eigenart der zu besuchenden Schule zu bestimmen, sondern auch den Zeitpunkt eines Schulwechsels. Für die Frage der Kostenfreiheit des Schulwegs ist der Zeitpunkt eines Schulwechsels nur insoweit relevant, als der gewählte Zeitpunkt nicht zu einer missbräuchlichen Inanspruchnahme der Kostenfreiheit führen darf, indem an die „Wunsch-Schule“ nur deshalb während des Schuljahres gewechselt wird, damit zu diesem Zeitpunkt die näher gelegenen, vergleichbaren Schulen voll belegt sind, während bei Abwarten des Schuljahresendes ein Wechsel an eine vergleichbare, näher gelegene Schule problemlos möglich wäre.

Für eine solche Annahme bestehen jedoch im vorliegenden Fall keinerlei Anhaltspunkte. Das Gericht hat keinen Anlass, die Aussage der Eltern, der Schulwechsel sei durch die Entwicklung in der Klasse während des Schuljahres notwendig geworden und auch von der ...-schule ... selbst empfohlen worden, in Frage zu stellen. Der Gesichtspunkt der Übernahme der Beförderungskosten wird für verantwortungsvolle Eltern, wie das Gericht die Kläger in den beiden mündlichen Verhandlungen erlebt hat, keine Rolle spielen angesichts der Unannehmlichkeiten und Schwierigkeiten, die jeder Schulwechsel während einer Schullaufbahn, insbesondere aber ein Schulwechsel während eines laufenden Schuljahres bedeutet.

Es ist auch, von der Vermeidung einer rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme der Kostenfreiheit abgesehen, kein Grund ersichtlich, weshalb eine Entscheidung der Eltern für eine Schule mit besonderer pädagogischer oder weltanschaulicher Ausrichtung im Rahmen des § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV nur dann anerkannt werden könnte, wenn diese Entscheidung zum Schuljahreswechsel getroffen wird. Hätten sich die Kläger bereits zu Beginn des Schuljahres 2010/2011 dafür entschieden, dass ... eine ...-schule in Trägerschaft der ... besuchen solle, und wäre zu diesem Zeitpunkt eine Aufnahme in den vergleichbaren, mit geringerem Beförderungsaufwand erreichbaren ...-schulen nicht möglich gewesen, wäre die Schule ... in ... als nächstgelegene Schule im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV anerkannt worden. Dann ist aber die von den Eltern während des Schuljahres 2010/2011 getroffene Entscheidung für den Besuch einer monoedukativen ...-schule in Trägerschaft der ... vom Schulaufwandsträger ebenso zu respektieren. Dass dieser Zeitpunkt auf „persönlichen Gründen“, nämlich der zu groß gewordenen psychischen Belastung der Tochter für eine Fortsetzung des Besuchs der öffentlichen Schule beruhte, ist insoweit unbeachtlich, da - wie ausgeführt - der Zeitpunkt eines Schulwechsels von Missbrauchsfällen abgesehen kein Kriterium ist, das im Rahmen des Schülerbeförderungsrechts eine Rolle spielen würde. Dass „persönliche Gründe“ (das an der öffentlichen Schule erlebte Mobbing) den Ausschlag gegeben haben mögen für die Entscheidung, künftig eine monoedukative und von der ... geführte ...-schule zu besuchen, ist ebenfalls unbeachtlich. Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der sich das erkennende Gericht anschließt, reicht für die Übernahme der Beförderung zu einer nicht nächstgelegenen, pädagogisch besonders geprägten Schule grundsätzlich der Wunsch aus, eine solche Schule zu besuchen, ohne dass die dafür maßgeblichen Gründe näher zu prüfen wären; anders wäre nur zu entscheiden, wenn offensichtlich wäre, dass die besonderen pädagogischen Eigenheiten bei der Schulwahl keine Rolle gespielt haben (BayVGH, B. v. 9.8.2011 - 7 B. 10.1775 -). Gerade das an der koedukativen öffentlichen Schule erlebte Verhalten der Mitschüler oder Mitschülerinnen macht die Entscheidung der Kläger nachvollziehbar, mit der Wahl einer reinen ...-schule in Trägerschaft der ... Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine Wiederholung derartiger Vorfälle bereits wegen der pädagogischen und weltanschaulichen Ausrichtung der Schule möglichst unwahrscheinlich machen.

Soweit sich der Beklagte für seine Rechtsauffassung, persönliche Gründe für den Besuch einer bestimmten Schule könnten im Schülerbeförderungsrecht nicht berücksichtigt werden, auf die Entscheidung des BayVGH im Beschluss v. 2.5.2014 - 7 ZB 14.647 - bezieht, ist der dieser Entscheidung zugrunde gelegene Fall mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Im Fall der Entscheidung des BayVGH hatten die Eltern ein nur mit erhöhtem Beförderungsaufwand erreichbares Gymnasium ausgewählt, obwohl ihr Sohn auch ein näher gelegenes Gymnasium hätte besuchen können. Die entfernter gelegene Schule war jedoch gewählt worden, weil der Sohn unter einem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS) litt und der ihn behandelnde Facharzt gerade zum Besuch des entfernter gelegenen Gymnasiums geraten hatte. Im vorliegenden Fall hatten jedoch die Kläger im Zeitpunkt ihrer Entscheidung für die ...-schule ... in ... gar keine Auswahl unter mehreren gleichartigen Schulen, die mit unterschiedlichem Beförderungsaufwand erreichbar waren. Vielmehr gab es keine andere ...-schule in Trägerschaft der ..., die mit geringerem Beförderungsaufwand erreichbar gewesen wäre und die ... aufgenommen hätte, vielmehr war - insoweit unbestritten - zu diesem Zeitpunkt die Schule ... die einzige ...-schule in Trägerschaft der ..., die der Klägerin einen Platz in einer Klasse der 5. Jahrgangstufe anbieten konnte.

Auch der zum Schuljahr 2011/2012 mögliche, aber nicht erfolgte Schulwechsel von ... an die ...-...-schule ... kann dem streitgegenständlichen Anspruch - ungeachtet der rechtlichen Erforderlichkeit eines jährlich zu versuchenden Schulwechsels - nicht entgegengehalten werden. Denn ein Schulwechsel zu Beginn des Schuljahres 2011/2012 wäre der Tochter der Kläger nicht zumutbar gewesen.

Im Rahmen der Beurteilung der Zumutbarkeit eines Schulwechsels wird gerade auf persönliche Umstände abgestellt. Der Tatbestand des § 2 Abs. 4 Nr. 2 SchBefV setzt außergewöhnliche individuelle Umstände voraus, die zum Ausgleich der durch die Beschränkung der Beförderungspflicht auf die nächstgelegene Schule verursachten Härten zu berücksichtigen sind (BayVGH, B. v. 4.8.2003 - 7 C 03.800 -). Bei den Umständen, die die Unzumutbarkeit eines Schulwechsels begründen, darf es sich nicht um typische Fallgestaltungen handeln. Eine typische Fallgestaltung mit der Folge, dass ein Schulwechsel für zumutbar gehalten wird, besteht z. B. dann, wenn in Folge eines Umzugs Schulen zur Verfügung stehen, die mit geringerem Beförderungsaufwand erreichbar sind als die bisher und weiterhin besuchte Schule. In solchen Fällen ist ein Schulwechsel grundsätzlich zumutbar, denn die Situation, dass ein Umzug auch einen Schulwechsel nach sich zieht, trifft alle Kinder, die umziehen, in gleicher Weise und ist daher nicht geeignet, eine Härte zu begründen (BayVGH, B. v. 4.8.2003 a. a. O.). .

Wie sich aus dieser Entscheidung weiter ergibt, können aber die sich aus einem Schulwechsel ergebenden schulischen Problemen eine solche individuelle Härte mit der Folge der Unzumutbarkeit eines Schulwechsels begründen. Denn der BayVGH stellt in dieser Entscheidung fest, dass derartige „außergewöhnliche individuelle Umstände im Hinblick auf sich gerade aus einem Schulwechsel ergebende schulische Probleme“ „von den Klägern nur allgemein ohne nähere Konkretisierung behauptet“ wurden. Das bedeutet, dass derartige (schulische) Probleme grundsätzlich geeignet sind, eine Härte mit der Folge der Unzumutbarkeit eines Schulwechsels zu begründen, jedoch konkretisiert werden müssen.

Solche individuellen Umstände, die einen Schulwechsel zum Beginn des Schuljahres 2011/2012 unzumutbar gemacht haben, haben die Kläger im vorliegenden konkret und nachvollziehbar dargelegt. Wäre ... bereits zum Schuljahr 2011/2012 an die ...-...-schule in ... gewechselt, hätte sie innerhalb eines Kalenderjahres drei Schulwechsel bewältigen müssen: Zunächst im September 2010 den Wechsel von der Grundschule an die ...-schule in ..., dann ab Mai 2011 den Wechsel zur ...-schule ... und schließlich ab September 2011 den Wechsel an die ...-...-schule in ... Es ist nachvollziehbar, dass die Eingewöhnung in drei jeweils neue, nicht nur Klassen-, sondern auch Schulgemeinschaften innerhalb eines Kalenderjahres für ein ..., das in diesem Kalenderjahr erst ... Jahre alt geworden ist, eine sehr große Verunsicherung und psychische Belastung bedeutet hätte, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es in diesem Zeitraum bereits einer so gravierenden psychischen Beeinträchtigung ausgesetzt war, dass diese als wichtiger Grund im Sinne von § 34 Abs. 2 RealschulO für einen während des Schuljahres erfolgten Schulwechsel anerkannt wurde. Es wäre der Tochter der Kläger in dieser Situation, am Ende des Schuljahres 2010/2011, nicht zumutbar gewesen, die durch den Austritt aus der belastenden schulischen Situation an der ...-schule ... und den Wechsel an die Schule ... eingeleitete Stabilisierung aus Gründen einer Kostenersparnis von weniger als 100 € monatlich (Kosten zur Schule ...: 140,90 €; Beförderungskosten zu einer der nächstgelegenen ...-schulen in Trägerschaft der ... in München: 46,40 €) zu gefährden. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ein Schulwechsel an eine mit geringeren Beförderungskosten erreichbare Schule „allein aus Kostenersparnisgründen kaum zuzumuten sein dürfte (vgl. § 2 Abs. 4 Nr. 2 SchBefV)“ (BayVGH, B. v. 31.5.2011 - 7 ZB 10.2930 - ). Im Hinblick auf die Besonderheiten des vorliegenden Falles wäre daher ein Schulwechsel der Tochter der Kläger zum Beginn des dem streitgegenständlichen Schuljahr vorangegangenen Schuljahres nicht zumutbar gewesen, so dass die Möglichkeit des Wechsels an eine näher gelegene Schule gleicher pädagogischer und weltanschaulicher Eigenheit zum Beginn des vorangegangenen Schuljahres dem Anspruch auf Übernahme der Beförderungskosten für das streitgegenständliche Schuljahr nicht entgegensteht.

Der Klage auf Übernahme der im Schuljahr 2012/2013 angefallenen Kosten der Beförderung von ... zur ...-schule ... der ... in ... war somit deshalb stattzugeben, weil ein Wechsel an eine mit geringerem Beförderungsaufwand erreichbare Schule vergleichbarer pädagogischer und weltanschaulicher Eigenheit in diesem Schuljahr nicht möglich war, weil die Schule ... zu dem Zeitpunkt, zu dem sich die Kläger zu einem Wechsel von ... an eine monoedukative ...-schule in Trägerschaft der ... entschlossen, die einzige derartige Schule war, die ... aufnehmen konnte, und weil für ... ein Wechsel an eine mit geringerem Beförderungsaufwand erreichbare ...-schule in Trägerschaft der ... zum Beginn des Schuljahres 2011/2012 nicht zumutbar war.

Kostenentscheidung: § 154 Abs. 1 VwGO

Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff ZPO

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.