Verwaltungsgericht Augsburg Beschluss, 06. Mai 2019 - Au 8 K 18.1467

bei uns veröffentlicht am06.05.2019

Gericht

Verwaltungsgericht Augsburg

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine auf die Gewährung von Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit gerichtete Klage.

Der am ... 1959 geborene Kläger war seit 2008 bei der ... tätig. Dort wurde er von April 2014 bis Dezember 2016 nach Auseinandersetzungen freigestellt. Bis 1. August 2017 war er selbstständig als Rechtsanwalt tätig.

Mit Schreiben vom 20. August 2017, bei der Beklagten eingegangen am 23. August 2017, beantragte der Kläger Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit ab Dezember 2016. Dabei legte er ein von ihm am 5. April 2017 beauftragtes Fachgutachten vor. In dem am 3. August 2017 erstatteten Gutachten kommt Dr. med. ... zum Ergebnis, dass der Kläger außerstande sei, den Beruf als Rechtsanwalt oder Steuerberater in sinnvoller Weise auszuüben. Das geminderte Leistungsvermögen bestehe gesichert seit Dezember 2016. Nach Ablauf von drei Jahren könne eine Besserung des Gesundheitszustands realistisch erfolgen.

Auf das Gutachten wird im Einzelnen verwiesen.

Mit Schreiben vom 5. September 2017 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass nach Überprüfung seiner ärztlichen Unterlagen eine fachärztliche Begutachtung erforderlich sei. Mit der Begutachtung werde die ... - Dr. ... - beauftragt.

Das in Auftrag gegebene psychiatrische Gutachten wurde am 21. November 2017 von Professor Dr. ... und Dr. ... erstattet. Darin wurde festgestellt, dass bei dem Kläger seit dem Jahr 2013 eine mittelgradig bis schwer ausgeprägte depressive Episode vorliege. Aufgrund dessen könne er keine wirtschaftlich verwertbare Beschäftigung im anwaltlichen Beruf ausüben. Aus psychiatrischer Sicht bestehe keine Möglichkeit, den Beruf in anderer Form auszuüben. Die Situation liege in dieser Schwere seit dem Jahr 2014 vor. Es werde davon ausgegangen, dass der Kläger ein bis zwei Jahre brauchen werde, um zu alter Leistungsfähigkeit zurückzukehren. Eine Nachuntersuchung sei in ein bis zwei Jahren sinnvoll.

Auf das Gutachten wird im Einzelnen verwiesen.

Mit Schreiben vom 11. Januar 2018 teilte die Beklagte dem Kläger das Ergebnis der Gutachter mit. Es sei beabsichtigt, zunächst bis 31. Mai 2019 Ruhegeld wegen vorübergehender Berufsunfähigkeit zu gewähren und dann den Gesundheitszustand des Klägers nochmals zu überprüfen. Die Zahlung könne frühestens ab 1. September 2017, also ab dem Monatsersten nach Antragseingang, aufgenommen werden, sofern die berufliche Tätigkeit eingestellt worden sei. Es werde dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme bis 5. Februar 2018 gegeben.

Nach Aufforderung durch die Beklagte legte der Kläger mit Schreiben vom 27. Juni 2018 eine Bestätigung seines Steuerberaters vor, nach dem er ab 1. August 2017 seine Tätigkeit als Rechtsanwalt eingestellt habe. Im selben Schreiben äußerte der Kläger Bedenken, ob eine solche Bestätigung überhaupt eingefordert werden dürfe. Für ihn sei nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte seine Krankheit als vorübergehenden Zustand ansähe und warum das Gutachten von Dr. ... nicht berücksichtigt werde. Zudem mahnte er an, dass er in Bezug auf die Antragstellung nicht ausreichend und rechtzeitig informiert worden sei. Er äußerte den Verdacht, dass der Umgang mit ihm an seiner dunklen Hautfarbe liege.

Mit Bescheid vom 7. August 2018 wurde dem Kläger Ruhegeld wegen vorübergehender Berufsunfähigkeit ab dem 1. September 2017 befristet bis zum 31. Mai 2019 gewährt. Der Antrag des Klägers sei teilweise unbegründet, da zum einen lediglich ein Anspruch auf Ruhegeld wegen vorübergehender Berufsunfähigkeit bestehe, zum anderen die Zahlung nicht wie beantragt ab Dezember 2016, sondern erst ab 1. September 2017 erfolgen könne. Der Schlussfolgerung des Gutachtens von Prof. Dr. ... und Dr., dass keine dauernde Berufsunfähigkeit vorliege, werde beigetreten. Aufgrund der laut Gutachten positiven Prognose bezüglich der Wiederherstellung der Berufsfähigkeit des Klägers sei das Ruhegeld zu befristen. Da der Gutachter Prof. Dr. ... eine Besserung in einem Zeitraum von ein bis zwei Jahren für möglich halte, sei es angezeigt, Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit nur bis zunächst zum 31. Mai 2019 zu gewähren. Gemäß § 29 Abs. 5 der Satzung der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung werde das Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit auf Antrag gezahlt. Der Antrag gelte zu dem Zeitpunkt festgestellt, zu dem die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien, sofern er innerhalb eines Jahres seit Eintritt der Berufsunfähigkeit bei der Versorgungsanstalt eingehe. Andernfalls werde er wirksam mit dem Tag des Eingangs. Der Anspruch auf Zahlung des Ruhegeldes bestehe ab dem ersten des Monats, der auf den Eintritt des Versorgungsfalles folge. Da laut Gutachten bereits im Jahr 2014 Berufsunfähigkeit eingetreten sei, habe diese bei Antragstellung am 23. August 2017 schon länger als ein Jahr bestanden. Der Tag des Antragseingangs sei daher maßgebend, sodass das Ruhegeld erst ab dem 1. September 2017 gezahlt werden könne. Dem Bescheid war ein Ruhegeldbescheid vom 25. Juli 2018 sowie ein Berechnungsblatt beigelegt, wonach dem Kläger Ruhegeld in Höhe von monatlich 423,58 EUR gewährt werde.

Hiergegen ließ der Kläger am 28. August 2018 Klage erheben und mit Schriftsatz vom 5. Februar 2019 begründen.

Der Kläger sei von der Beklagten nicht darauf hingewiesen worden, dass er sofort einen formlosen Antrag auf Berufsunfähigkeitsleistungen hätte stellen können. Es sei ihm zwar mit Schreiben vom 6. März 2017 ein Antragsformular übersendet worden, dieses habe jedoch nur den Fristhinweis enthalten, dass das Ruhegeld nur dann ab Beginn der Berufsunfähigkeit gezahlt werden könne, wenn der Antrag innerhalb eines Jahres nach Eintritt gestellt werde, und dass nach dieser Frist das Ruhegeld erst ab Antragseingang fällig werde. Erst in einem Telefonat im Januar 2018 sei der Kläger darauf hingewiesen worden, dass er schon im Februar 2017 einen formlosen Antrag hätte stellen können. Das Gutachten von Herrn Dr., das der Beklagten angeblich nicht ausreiche, bescheinige die Erwerbsunfähigkeit des Klägers erst ab Dezember 2016. Danach sei folglich die Jahresfrist zur Antragstellung gewahrt. Durch die Einforderung eines weiteren Gutachtens sowie einer Bestätigung des Steuerberaters des Klägers sei das Verfahren unnötig verschleppt worden. Die Erkrankung des Klägers bestehe seit mindestens sechs Jahren und sei durch die Verfahrensverschleppung der Beklagten verschlimmert worden, wodurch der Kläger fast in den Freitod getrieben worden sei. Nach mittlerweile auch stationären Klinikaufenthalten sei eine Besserung der Gesundheit des Klägers nicht mehr zu erwarten. Dies werde von den Gutachten, die vor den stationären Klinikaufenthalten erstattet wurden, nicht berücksichtigt. Die Befristung des Ruhegeldes sei daher rechtswidrig. Für die prognostizierte Besserung des Gesundheitszustands des Klägers in ein bis zwei Jahren sei aufgrund der Verfahrensverschleppung das Datum des Bescheids maßgeblich, sodass eine Befristung frühestens am 30. September 2019 enden dürfte. Dass die Berufsunfähigkeit des Klägers seit 2014 bestehe, habe Herr Dr. ... nur nebenbei geschrieben. Er habe dies nicht selbst untersucht, weil er damals den Kläger nicht gekannt habe. Der Gutachter Dr. ... gehe dagegen von Erwerbsunfähigkeit erst seit Dezember 2016 aus. Die Berufung der Beklagten auf das Datum 2014 sei treuwidrig, da die Beklagte es versäumt habe, den Kläger rechtzeitig darüber zu belehren, dass er einen formlosen Antrag hätte stellen können. Für den Kläger sei nicht erkennbar gewesen, dass die Zeiten während des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses von 2014 - 2016, in denen er freigestellt war, als Zeiten einer Berufsunfähigkeit gelten könnten. Solange man nicht wisse, dass man berufsunfähig sei, könne man keinen Antrag auf BU-Leistungen stellen.

Der Kläger lässt beantragen,

die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger dauerhaft Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit ab Dezember 2016 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Kläger habe den Nachweis einer dauerhaften Berufsunfähigkeit nicht erbracht. Aufgrund der von Prof. Dr. ... gutachtlich bescheinigten positiven Prognose bezüglich der Wiederherstellung der Berufsfähigkeit sei das Ruhegeld zu befristen gewesen. Dass der Kläger seinen Antrag erst am 23. August 2017 eingereicht habe, habe nicht die Beklagte verursacht. Die Antragsunterlagen seien dem Kläger mit Schreiben vom 6. März 2017 zugesandt worden. Eine weitergehende Unterrichtung über die Form der Antragstellung sei nicht erforderlich gewesen. Eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers seit Dezember 2016 begründe keine Berufsunfähigkeit im Sinne der Satzung der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung. Im Gegensatz zu Arbeitsunfähigkeit bedürfe die Feststellung der Berufsunfähigkeit einer langfristigen Prognose. Eine etwaige festgestellte Erwerbsminderung sei nicht maßgebend. Der Begriff der Berufsunfähigkeit im Sinne der Satzung sei ein landesrechtlicher Begriff, auf den nicht die bundesrechtlichen Begriffe der vollen bzw. teilweisen Erwerbsminderung nach dem SGB VI übertragen werden könnten. Der satzungsrechtliche Begriff der Berufsunfähigkeit lasse keine unmittelbaren Rückschlüsse auf die grundsätzliche Teilnahme am Berufsleben zu. Auch liege keine Verzögerung des Verwaltungsverfahrens durch die Beklagte vor. Der Kläger habe bis zum 1. August 2017 eine anwaltliche Tätigkeit auf selbstständiger Basis ausgeübt. Das Vorliegen einer Krankheit sei des Weiteren nicht an die Kenntnis des Klägers geknüpft.

Mit Schreiben vom 16. April 2019 trug die Beklagte vor, den Kläger mit Schreiben vom 1. März 2019 und vom 5. April 2019 aufgefordert zu haben, aktuelle ärztliche Atteste vorzulegen. Die Prüfung der bislang vorliegenden Unterlagen habe ergeben, dass keine dauerhafte Berufsunfähigkeit bestehe.

Unter Vorlage der notwendigen Erklärungen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat der Kläger die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, da es an den hinreichenden Erfolgsaussichten für die beabsichtigte Rechtsverfolgung fehlt (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO).

Gemäß § 166 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht ist etwa dann gegeben, wenn schwierige Rechtsfragen zu entscheiden sind, die im Hauptsacheverfahren geklärt werden müssen. Auch wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Mittellosen ausgehen wird, ist vorab Prozesskostenhilfe zu gewähren (vgl. BVerfG, B.v. 14.4.2003 - 1 BvR 1998/02 - NJW 2003, 2976). Insgesamt dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Verfahrens nicht überspannt werden, eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolges genügt (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 166 Rn. 26). Die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist im Verfahren ohne Vertretungszwang immer geboten, wenn es in einem Rechtsstreit um nicht einfach zu überschauende Tat- und Rechtsfragen geht (Happ in Eyermann, a.a.O., Rn. 38).

Die Klage ist voraussichtlich zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat voraussichtlich keinen Anspruch auf Gewährung von Ruhegeld ab einem früheren Zeitpunkt als dem 1. September 2017. Auch die angegriffene Befristung des Ruhegeldanspruchs bis zum 31. Mai 2019 erweist sich voraussichtlich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Die Klage ist statthaft als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage.

a) Soweit der Kläger die Gewährung von Ruhegeld ab einem früheren Zeitpunkt als dem 1. September 2017 begehrt, ist die Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage statthaft (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO). Der Anspruch auf Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit besteht gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 der Satzung der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung ab dem Ersten des Monats, der auf den Eintritt des Versorgungsfalles folgt. Der im streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten vom 7. August 2018 festgesetzte Anfangszeitpunkt vom 1. September 2017 ist damit untrennbar mit dem Grundverwaltungsakt, der Gewährung von Ruhegeld, verbunden und kann nicht isoliert angefochten werden.

b) Weiterhin geht der Kläger gegen die Befristung des Ruhegeldanspruchs bis zum 31. Mai 2019 vor. Dabei handelt es sich um eine belastende Nebenbestimmung i.S.d. Art. 36 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG), gegen die die Anfechtungsklage gegeben ist (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO). Ob diese zur isolierten Aufhebung der Nebenbestimmung führen kann, ist eine Frage der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit des Anfechtungsbegehrens, da eine isolierte Aufhebbarkeit jedenfalls nicht offenkundig von vornherein ausscheidet (BVerwG, U.v. 22.11.2000 - 11 C 2.00 - BVerwGE 112, 221 (224)). Für einen gerichtlichen Verpflichtungsausspruch dahingehend, die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger ein uneingeschränktes Ruhegeld zu bewilligen, besteht daher kein Rechtsschutzbedürfnis (VG Düsseldorf, U.v. 3.3.2008 - 20 K 4968/05 - juris Rn. 36).

2. Die Klage ist voraussichtlich unbegründet.

a) Der Kläger hat nach Aktenlage keinen Anspruch auf Gewährung von Ruhegeld ab einem früheren Zeitpunkt als dem 1. September 2017. Anspruch auf Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit hat ein Mitglied gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 der Satzung der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung, das vor dem Zeitpunkt, zu dem es erstmals vorgezogenes Altersruhegeld beziehen kann, berufsunfähig geworden ist, Antrag auf Ruhegeld stellt und die berufliche Tätigkeit einstellt (Eintritt des Versorgungsfalls). Der Anspruch besteht gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 der Satzung der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung ab dem Ersten des Monats, der auf den Eintritt des Versorgungsfalles folgt. Nach eigenem Vortrag hat der Kläger seine Tätigkeit als Rechtsanwalt ab 1. August 2017 eingestellt. Unabhängig davon, ab welchem Zeitpunkt der Kläger berufsunfähig war, trat der Versorgungsfall damit jedenfalls erst mit dem 1. August 2017 ein, sodass das Ruhegeld ab 1. September 2017 zu gewähren war. Auf die Frage, ob die Beklagte das vom Kläger beigebrachte Gutachten des Dr. med., das von einem geminderten Leistungsvermögen seit Dezember 2016 ausgeht, hätte berücksichtigen müssen, kommt es somit nicht an.

b) Die Befristung des Ruhegeldanspruchs bis zum 31. Mai 2019 erweist sich voraussichtlich als rechtmäßig. Da auf die Gewährung von Ruhegeld gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen ein Anspruch besteht, ist für den Erlass von Nebenbestimmungen Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG als Rechtsgrundlage heranzuziehen. Ein Verwaltungsakt darf danach nur mit einer Nebenbestimmung versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden.

aa) Da eine Zulassung durch Rechtsvorschrift nicht ersichtlich ist, kommt es vorliegend darauf an, ob die Befristung des Ruhegeldanspruchs die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes sicherstellen soll. Gesetzliche Voraussetzung des Ruhegeldanspruchs ist gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 der Satzung der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung der Eintritt des Versorgungsfalles. Dieser setzt neben der Stellung eines Antrags und dem Einstellen der beruflichen Tätigkeit die Berufsunfähigkeit des Mitglieds voraus. Sowohl aus dem von der Beklagten eingeholten Gutachten von Prof. Dr. ... und Dr. ... vom 21. November 2017, als auch aus dem klägerseits beigebrachten Gutachten des Dr. med. ... vom 3. August 2017 ergibt sich, dass bei dem Kläger im jeweiligen Zeitpunkt der Begutachtung lediglich von einer vorübergehenden Berufsunfähigkeit auszugehen war. Während Prof. Dr. ... und Dr. ... eine Besserung des klägerischen Gesundheitszustands innerhalb von ein bis zwei Jahren prognostizierten, hielt Dr. med. ... eine Besserung in drei Jahren für realistisch. Zwar bietet Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG keine Grundlage für Vorbehalte hinsichtlich bloß abstrakter Möglichkeiten einer späteren Rechts- und Tatsachenänderung; anders aber, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung bereits konkret zu erwarten ist, dass die anspruchsbegründenden Voraussetzungen alsbald wegfallen werden (BVerwG, U.v. 17.9.1987 - 7 C 15/85 - DÖV 1988, 300; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Auflage 2018, § 36 Rn. 42). Angesichts der in beiden Gutachten vorausgesagten Besserung des klägerischen Gesundheitszustands liegen hier konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass die Berufsunfähigkeit des Klägers und damit eine der Voraussetzungen des Ruhegeldanspruchs in absehbarer Zeit entfällt.

bb) Die Beklagte hat auch ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Aus der Formulierung „darf“ ergibt sich, dass die Entscheidung, ob und welche Nebenbestimmung erlassen wird, im Ermessen der Behörde steht (Stelkens in Bonk/Stelkens/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 36 Rn. 120, 143). Eine gerichtliche Kontrolle einer Ermessensausübung ist jedoch nur eingeschränkt möglich. Nach § 114 Satz 1 VwGO prüft das Gericht nur, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Dem Gericht ist es versagt, die behördlichen Ermessenserwägungen durch eigene zu ersetzen; es darf die Entscheidung nur auf Ermessensfehler (Ermessensausfall, Ermessensdefizit, Ermessensfehlgebrauch) hin überprüfen. Zwar führt die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid aus, dass das Ruhegeld „zu befristen ist“. Auch wenn jedoch in der Begründung eines Bescheids keine Ermessenserwägungen mitgeteilt werden oder angegeben wird, die getroffene Entscheidung habe ergehen „müssen“, so kann sich aus dem Gesamtzusammenhang dennoch ergeben, dass eine Ermessensentscheidung getroffen und welche Ermessenserwägungen angestellt wurden (BVerwG, B.v. 15.1.1988 - 7 B 182/87 - NVwZ 1988, 525; Rennert in Eyermann, VwGO, § 114 Rn. 18). Die Beklagte nimmt in der Begründung ihres Bescheids Bezug auf die gutachterliche Beurteilung von Prof. Dr. ... und Dr. ... und tritt der Auffassung, dass keine dauerhafte Berufsunfähigkeit vorliegt, ausdrücklich bei. Auch die vom Kläger selbst vorgelegten ärztlichen Unterlagen wurden in die Entscheidungsfindung einbezogen. Insgesamt ergibt sich aus den Gründen des Bescheids, dass sich die Beklagte mit der Frage, ob eine dauerhafte oder bloß vorübergehende Berufsunfähigkeit vorliegt, vertieft auseinandergesetzt hat. Aus der Erkenntnis, dass lediglich von vorübergehender Berufsunfähigkeit auszugehen und der Wegfall der Berufsunfähigkeit damit konkret zu erwarten ist, zieht die Beklagte den Schluss, dass die Gewährung von Ruhegeld nur befristet erfolgen kann. Auch ohne dass dies ausdrücklich erwähnt wird, ist angesichts dieser Ausführungen davon auszugehen, dass die Beklagte eine unbefristete Gewährung von Ruhegeld ggf. unter Vorbehalt des Widerrufs gegenüber einer befristeten Gewährung nicht als zweckmäßig erachtete. Da die maßgeblichen Aspekte somit in die Entscheidungsfindung eingestellt wurden, kann von einer ausreichenden Ermessensausübung ausgegangen werden.

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Verwaltungsgericht Augsburg Beschluss, 06. Mai 2019 - Au 8 K 18.1467 zitiert 8 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 166


(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmäc

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 114


Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

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(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.