Sozialgericht München Beschluss, 27. März 2017 - S 46 SF 153/17 ERI

published on 27/03/2017 00:00
Sozialgericht München Beschluss, 27. März 2017 - S 46 SF 153/17 ERI
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Gründe

I.

Der betroffene ehrenamtliche Richter, aus verfahrenstechnischen Gründen Antragsteller genannt, wurde mit Schreiben des Sozialministeriums vom 16.06.2014 mit Wirkung vom 01.08.2014 für eine neue Amtsperiode zum ehrenamtlichen Richter aus dem Kreis der Vertragsärzte berufen. Er wurde den Kammern für Streitsachen in Angelegenheiten des Vertragsarztrechts bzw. für Vertragsärzte zugeteilt. Die laufende Amtsperiode hätte bis 31.07.2019 gedauert.

Die Kassenzulassung des Antragstellers endete bereits am 01.07.2014. Dies wurde dem Sozialgericht erst im März 2017 anlässlich einer Ladung zu einer Sitzung bekannt. Der Antragsteller wurde zur Amtsentbindung angehört.

II.

Der Antragsteller ist gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von seinem Amt zu entbinden, weil eine Voraussetzung für seine Berufung fehlte. Das Amtsentbindungsverfahren kann auf Antrag des Betroffenen oder von Amts wegen erfolgen.

1. Nach § 12 Abs. 3 SGG kann ein Arzt in Angelegenheiten des Vertragsarztrechts oder in Angelegenheiten für Vertragsärzte als ehrenamtlicher Richter nur mitwirken, wenn er Vertragsarzt ist. Die Zulassung als Vertragsarzt ist eine unabdingbare Voraussetzung, um in diesen Angelegenheiten ehrenamtlicher Richter zu sein (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 11. Auflage 2014, § 12 Rn. 6b; Wolff-Dellen in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Auflage 2014, § 22 Rn. 7). Diese persönliche Voraussetzung fehlte dem Antragsteller ab 01.07.2014.

2. Es besteht kein Ermessen, ob eine Amtsentbindung nach § 22 Abs. 1 S. 3 SGG erfolgt, weil ein Fall der zwingenden Amtsentbindung nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGG gegeben ist.

a) Gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGG ist ein ehrenamtlicher Richter von seinem Amt zu entbinden, wenn das Berufungsverfahren fehlerhaft war oder das Fehlen einer Voraussetzung für seine Berufung oder der Eintritt eines Ausschließungsgrundes bekannt wird. Diese Amtsentbindung ist zwingend. Nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGG kann eine Amtsenthebung erfolgen, wenn eine Berufungsvoraussetzung im Laufe der Amtszeit des ehrenamtlichen Richters wegfällt. In einem derartigen Fall steht die Entscheidung im Ermessen des Gerichts.

Hier endete die Kassenzulassung zwischen dem Zugang des Ernennungsschreibens und dem Beginn der neuen Amtsperiode. Es ist daher zu klären, welcher Fall der Amtsentbindung hier vorliegt.

b) Die Berufung eines ehrenamtlichen Richters erfolgt durch einen Verwaltungsakt von Seiten der nach Landesrecht dafür zuständigen Stelle, § 13 Abs. 1 S. 1 SGG. Die Ernennung des Richters erfolgt durch Aushändigung der im Verwaltungsakt verkörperten Ernennungsurkunde (BVerfG, Beschluss vom 09.12.1985, 1 BvR 853/85, Rn. 13). Das spräche dafür, hier einen Fall mit Ermessen nach § 22 Abs. 1 S. 3 SGG anzunehmen.

c) Aus systematischen Gründen, wegen des Wortlauts und des Zwecks der Regelungen ist hier aber von einem Fall der zwingenden Amtsentbindung nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGG auszugehen.

§ 22 Abs. 1 S. 3 SGG eröffnet eine Ermessensentscheidung, wenn eine Berufungsvoraussetzung des Richters „im Laufe seiner Amtszeit wegfällt“. Die Amtszeit beginnt aber erst mit Wirksamwerden der Berufung oder erneuten Berufung. Dann ist der Zeitraum davor § 22 Abs. 1 S. 1 SGG zugewiesen.

§ 22 Abs. 1 S. 1 SGG will nicht nur durch seine erste Alternative die Gewähr geben, dass das Berufungsverfahren keine Verfahrensfehler enthält, sondern mit § 22 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 SGG auch das materielle Ergebnis des Berufungsverfahrens sichern. Diese zweite Alternative fordert eine zwingende Amtsentbindung, wenn das Fehlen einer Voraussetzung für die Berufung des einzelnen Richters bekannt wird. Es soll nur jemand ein Richter werden, der auch die persönlichen Voraussetzungen dafür mitbringt. Dann ist nicht auf den Verwaltungsablauf der Berufung und den Zugang des Ernennungsverwaltungsaktes abzustellen, sondern auf den Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ernennung.

Die Zeitdauer, wie lange ein Richter bei Wegfall einer Berufungsvoraussetzung noch im Amt ist, ist ein Kriterium der Ermessensentscheidung nach § 22 Abs. 1 S. 3 SGG. Wenn die Berufungsvoraussetzung aber für die vollständige Amtsperiode fehlt, liegt es näher, den Fall der zwingenden Amtsentbindung zuzuweisen, als in diesem Extremfall eine Ermessensentscheidung zuzulassen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar, § 22 Abs. 2 Satz 3 SGG.

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(1) Jede Kammer des Sozialgerichts wird in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Richtern als Beisitzern tätig. Bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung und bei Gerichtsbescheiden wirken die ehrenamtlichen Richter n

(1) Der ehrenamtliche Richter ist von seinem Amt zu entbinden, wenn das Berufungsverfahren fehlerhaft war, wenn das Fehlen einer Voraussetzung für seine Berufung oder der Eintritt eines Ausschließungsgrundes bekannt wird oder wenn er die zur Ausübung

(1) Die ehrenamtlichen Richter werden von der nach Landesrecht zuständigen Stelle aufgrund von Vorschlagslisten (§ 14) für fünf Jahre berufen; sie sind in angemessenem Verhältnis unter billiger Berücksichtigung der Minderheiten aus den Vorschlagslist

Annotations

(1) Jede Kammer des Sozialgerichts wird in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Richtern als Beisitzern tätig. Bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung und bei Gerichtsbescheiden wirken die ehrenamtlichen Richter nicht mit.

(2) In den Kammern für Angelegenheiten der Sozialversicherung, der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Streitigkeiten auf Grund des § 6a des Bundeskindergeldgesetzes und der Arbeitsförderung gehört je ein ehrenamtlicher Richter dem Kreis der Versicherten und der Arbeitgeber an. Sind für Angelegenheiten einzelner Zweige der Sozialversicherung eigene Kammern gebildet, so sollen die ehrenamtlichen Richter dieser Kammern an dem jeweiligen Versicherungszweig beteiligt sein.

(3) In den Kammern für Angelegenheiten des Vertragsarztrechts wirken je ein ehrenamtlicher Richter aus den Kreisen der Krankenkassen und der Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten mit. In Angelegenheiten der Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten wirken als ehrenamtliche Richter nur Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten mit. Als Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Psychotherapeuten gelten auch bei diesen oder in medizinischen Versorgungszentren angestellte Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten, die Mitglied der Kassenärztlichen oder Kassenzahnärztlichen Vereinigung sind.

(4) In den Kammern für Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts und des Schwerbehindertenrechts wirken je ein ehrenamtlicher Richter aus dem Kreis der mit dem sozialen Entschädigungsrecht oder dem Recht der Teilhabe behinderter Menschen vertrauten Personen und dem Kreis der Versorgungsberechtigten, der behinderten Menschen im Sinne des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und der Versicherten mit; dabei sollen Hinterbliebene von Versorgungsberechtigten in angemessener Zahl beteiligt werden.

(5) In den Kammern für Angelegenheiten der Sozialhilfe einschließlich der Angelegenheiten nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und des Asylbewerberleistungsgesetzes wirken ehrenamtliche Richter aus den Vorschlagslisten der Kreise und der kreisfreien Städte mit.

(1) Der ehrenamtliche Richter ist von seinem Amt zu entbinden, wenn das Berufungsverfahren fehlerhaft war, wenn das Fehlen einer Voraussetzung für seine Berufung oder der Eintritt eines Ausschließungsgrundes bekannt wird oder wenn er die zur Ausübung seines Amtes erforderlichen geistigen oder körperlichen Fähigkeiten nicht mehr besitzt. Er ist seines Amtes zu entheben, wenn er seine Amtspflichten grob verletzt. Wenn eine Voraussetzung für seine Berufung im Laufe seiner Amtszeit wegfällt, ist er nicht von seinem Amt zu entbinden, es sei denn, eine paritätische Besetzung nach § 12 Absatz 2 bis 4 kann anderenfalls nicht gewährleistet werden; Satz 1 und 2 sowie § 18 Absatz 3 Satz 2 bleiben unberührt. Soweit die Voraussetzungen für eine Amtsentbindung vorliegen, liegt in ihrer Nichtdurchführung kein die Zurückverweisung oder Revision begründender Verfahrensmangel.

(2) Die Entscheidung trifft die vom Präsidium für jedes Geschäftsjahr im Voraus bestimmte Kammer. Vor der Entscheidung ist der ehrenamtliche Richter zu hören. Die Entscheidung ist unanfechtbar.

(3) Die nach Absatz 2 Satz 1 zuständige Kammer kann anordnen, dass der ehrenamtliche Richter bis zur Entscheidung über die Amtsentbindung oder Amtsenthebung nicht heranzuziehen ist. Die Anordnung ist unanfechtbar.

(1) Die ehrenamtlichen Richter werden von der nach Landesrecht zuständigen Stelle aufgrund von Vorschlagslisten (§ 14) für fünf Jahre berufen; sie sind in angemessenem Verhältnis unter billiger Berücksichtigung der Minderheiten aus den Vorschlagslisten zu entnehmen. Die zuständige Stelle kann eine Ergänzung der Vorschlagslisten verlangen.

(2) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung eine einheitliche Amtsperiode festzulegen; sie können diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die jeweils zuständige oberste Landesbehörde übertragen. Wird eine einheitliche Amtsperiode festgelegt, endet die Amtszeit der ehrenamtlichen Richter ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt ihrer Berufung mit dem Ende der laufenden Amtsperiode.

(3) Die ehrenamtlichen Richter bleiben nach Ablauf ihrer Amtszeit im Amt, bis ihre Nachfolger berufen sind. Erneute Berufung ist zulässig. Bei vorübergehendem Bedarf kann die nach Landesrecht zuständige Stelle weitere ehrenamtliche Richter nur für ein Jahr berufen.

(4) Die Zahl der ehrenamtlichen Richter, die für die Kammern für Angelegenheiten der Sozialversicherung, der Arbeitsförderung, der Grundsicherung für Arbeitsuchende, der Sozialhilfe einschließlich der Angelegenheiten nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und des Asylbewerberleistungsgesetzes, des sozialen Entschädigungsrechts und des Schwerbehindertenrechts zu berufen sind, bestimmt sich nach Landesrecht; die Zahl der ehrenamtlichen Richter für die Kammern für Angelegenheiten der Knappschaftsversicherung und für Angelegenheiten des Vertragsarztrechts ist je besonders festzusetzen.

(5) Bei der Berufung der ehrenamtlichen Richter für die Kammern für Angelegenheiten der Sozialversicherung ist auf ein angemessenes Verhältnis zu der Zahl der im Gerichtsbezirk ansässigen Versicherten der einzelnen Versicherungszweige Rücksicht zu nehmen.

(6) Die ehrenamtlichen Richter für die Kammern für Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts und des Schwerbehindertenrechts sind in angemessenem Verhältnis zu der Zahl der von den Vorschlagsberechtigten vertretenen Versorgungsberechtigten, behinderten Menschen im Sinne des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und Versicherten zu berufen.

(1) Der ehrenamtliche Richter ist von seinem Amt zu entbinden, wenn das Berufungsverfahren fehlerhaft war, wenn das Fehlen einer Voraussetzung für seine Berufung oder der Eintritt eines Ausschließungsgrundes bekannt wird oder wenn er die zur Ausübung seines Amtes erforderlichen geistigen oder körperlichen Fähigkeiten nicht mehr besitzt. Er ist seines Amtes zu entheben, wenn er seine Amtspflichten grob verletzt. Wenn eine Voraussetzung für seine Berufung im Laufe seiner Amtszeit wegfällt, ist er nicht von seinem Amt zu entbinden, es sei denn, eine paritätische Besetzung nach § 12 Absatz 2 bis 4 kann anderenfalls nicht gewährleistet werden; Satz 1 und 2 sowie § 18 Absatz 3 Satz 2 bleiben unberührt. Soweit die Voraussetzungen für eine Amtsentbindung vorliegen, liegt in ihrer Nichtdurchführung kein die Zurückverweisung oder Revision begründender Verfahrensmangel.

(2) Die Entscheidung trifft die vom Präsidium für jedes Geschäftsjahr im Voraus bestimmte Kammer. Vor der Entscheidung ist der ehrenamtliche Richter zu hören. Die Entscheidung ist unanfechtbar.

(3) Die nach Absatz 2 Satz 1 zuständige Kammer kann anordnen, dass der ehrenamtliche Richter bis zur Entscheidung über die Amtsentbindung oder Amtsenthebung nicht heranzuziehen ist. Die Anordnung ist unanfechtbar.