Sozialgericht Landshut Urteil, 09. Dez. 2014 - S 12 R 347/12

bei uns veröffentlicht am09.12.2014

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Der Kläger macht gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung anstelle der bereits bewilligten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit geltend.

Der am …1957 geborene Kläger, der seit September 1973 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist, beantragte am 18.01.2011 Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. Durch Bescheid vom 21.12.2011 bewilligte diese hierauf für die Zeit ab 01.02.2011 unbefristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit in Höhe von seinerzeit € 274,78 monatlich. Gleichzeitig lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung ab mit der Begründung, der Kläger könne noch mindestens sechs Stunden täglich eine Erwerbstätigkeit ausüben. Den vom Kläger hierauf erhobenen Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 15.03.2012 als unbegründet zurück.

Mit Schriftsatz vom 10.04.2012 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut. Er besteht auf dem Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und weist in der ausführlichen Klagebegründung seines Prozessbevollmächtigten vom 25.09.2012 auf die bei ihm bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen hin.

Der Kläger stellt den Antrag,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2012 abzuändern und ihm ab dem 01.02.2011 Versichertenrente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die medizinischen Voraussetzungen einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nach wie vor für nicht gegeben.

Zum Zwecke der medizinischen Sachaufklärung hat das Gericht nach Beiziehung der Akte der Beklagten Unterlagen von den behandelnden Ärzten des Klägers beigezogen sowie Gutachten aufgrund ambulanter Untersuchungen eingeholt, zunächst von dem Orthopäden Dr.med. J. P. (Blatt 81 bis 91 Klageakte), sodann - auf Antrag des Klägers - von dem Orthopäden Dr.med. C. S. (Blatt 136 bis 165) und schließlich von dem Chirurgen Dr.med. K. P. (Blatt 193 bis 203 Klageakte).

Zu weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Klageakte, der Rentenakte der Beklagten sowie der ebenfalls beigezogenen Akte des Versorgungsamtes Landshut verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht kein Anspruch auf die beantragte Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI -) zu.

Aufgrund des Beweisergebnisses ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass selbst teilweise Erwerbsminderung im Sinne von § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI beim Kläger nicht eingetreten ist, da er nicht außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Nach dem Gesamtergebnis der medizinischen Sachaufklärung ist es erwiesen, dass der Kläger trotz der festgestellten Gesundheitsstörungen (Funktionseinschränkung der rechten Hand bei Daumensattelgelenksarthrose und Z.n. Ganglion-Exstirpation; chronisches Brust-, Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom bei degenerativen Veränderungen; Verschleißerscheinungen der Knie- und Hüftgelenke beidseits; chronisch venöse Insuffizienz der Unterschenkel) in der Lage ist, sechs bis acht Stunden täglich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben.

Die Kammer hat keine Bedenken, sich dieser von den Sachverständigen Dr. med. P. und Dr.med. P. in ihren Gutachten abgegebenen Beurteilung anzuschließen. Sie ist überzeugt, dass durch Beachtung der von diesen Sachverständigen genannten Einschränkungen (nur körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen, im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen; keine Feinarbeiten oder sonstige Tätigkeiten, die eine volle Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand voraussetzen; keine Tätigkeiten, die mit Heben und Tragen schwerer Lasten oder häufigem Bücken verbunden sind; keine Tätigkeiten im Knien oder in Hocke; keine Tätigkeiten mit häufigen Zwangshaltungen der Wirbelsäule; keine Arbeiten auf Leitern und Gerüsten; keine Tätigkeiten unter Einwirkung von Kälte, Nässe oder Zugluft) dem beeinträchtigten Gesundheitszustand des Klägers Rechnung getragen wird. Der Orthopäde Dr. med. P. sowie der Chirurg und Sozialmediziner Dr. med. P. haben den Kläger eingehend untersucht; sie konnten sich darüberhinaus auf die vom Gericht eingeholten Berichte stützen sowie die medizinische Dokumentation der Beklagten und die entsprechenden Unterlagen in den Aktenvorgängen des Versorgungsamtes Landshut auswerten. Die Ausführungen dieser Sachverständigen, die über langjährige Erfahrungen als sozialmedizinische Gutachter verfügen, sind überzeugend, schlüssig und in sich widerspruchsfrei. Die Kammer geht deshalb davon aus, dass die von ihnen erhobenen und zusammengefassten Befunde den Gesundheitszustand des Klägers zutreffend wiedergeben und die hieraus gezogenen Schlüsse dessen tatsächlichem Leistungsvermögen entsprechen.

Nicht zu folgen vermochte das Gericht im Hinblick auf die überzeugenden Darlegungen der von Amts wegen beauftragten Sachverständigen Dr. med. P. und - insbesondere - Dr. med. P. den Feststellungen von Dr. med. S., wonach der Kläger über ein Leistungsvermögen von nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich verfügen soll.

Dr. med. P. hat den Kläger etwa ein halbes Jahr nach Dr.med. S. erneut untersucht und gelangt auch zu diesem Zeitpunkt (08.07.2014) nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass der Kläger immerhin noch über ein Leistungsvermögen von sechs bis acht Stunden täglich verfügt (Seite 10 des Gutachtens, Blatt 202 Klageakte) trotz seiner durchaus nicht geringgradigen Gesundheitsstörungen, insbesondere aus dem Bereich des orthopädischen Fachgebiets.

Die Problematik der rechten Hand, die den Schwerpunkt der orthopädischen Beeinträchtigungen des Klägers bildet, vermag trotz der sich hieraus ergebenden Einschränkungen auch nach Überzeugung des Gerichts eine teilweise oder gar volle Erwerbsminderung nicht zu begründen. Das Gericht verweist hierzu - in entsprechender Anwendung von § 136 Abs. 3 SGG - auf die Darlegungen der Beklagten in ihren Schriftsätzen vom 08.09.2014 (Blatt 213 Klageakte) und 07.11.2014 (Blatt 240), wo nachvollziehbar dargelegt wird, dass die bestehenden Einschränkungen der Ausübung zumutbarer Tätigkeiten - hier des einfachen Pförtners - nicht entgegenstehen.

Der Tatsache, dass der Kläger seine früheren Tätigkeiten als Schreinermeister bzw. Küchenmonteur sowie entsprechende qualifizierte Verweisungstätigkeiten nicht mehr ausüben kann, hat die Beklagte durch die Anerkennung von Berufsunfähigkeit (§ 240 Abs. 2 SGB VI) und Bewilligung der entsprechenden Rente (§ 240 Abs. 1 SGB VI i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1) Rechnung getragen.

Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage musste die Klage ohne Erfolg bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten nach § 193 Sozialgerichtsgesetz - SGG - entspricht der Entscheidung in der Hauptsache.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Sozialgericht Landshut Urteil, 09. Dez. 2014 - S 12 R 347/12

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Sozialgericht Landshut Urteil, 09. Dez. 2014 - S 12 R 347/12

Referenzen - Gesetze

Sozialgericht Landshut Urteil, 09. Dez. 2014 - S 12 R 347/12 zitiert 5 §§.

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 43 Rente wegen Erwerbsminderung


(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind,2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 240 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit


(1) Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die 1. vor dem 2. Januar 1961 geboren und2. berufsunfähigsind. (2) Berufsunfähig

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 136


(1) Das Urteil enthält 1. die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,2. die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidun

Referenzen

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

(1) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
den Ort und Tag der mündlichen Verhandlung,
4.
die Urteilsformel,
5.
die gedrängte Darstellung des Tatbestands,
6.
die Entscheidungsgründe,
7.
die Rechtsmittelbelehrung.

(2) Die Darstellung des Tatbestands kann durch eine Bezugnahme auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und auf die zu Protokoll erfolgten Feststellungen ersetzt werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand richtig und vollständig ergibt. In jedem Fall sind jedoch die erhobenen Ansprüche genügend zu kennzeichnen und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel ihrem Wesen nach hervorzuheben.

(3) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsaktes oder des Widerspruchsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(4) Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so bedarf es des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe nicht, wenn Kläger, Beklagter und sonstige rechtsmittelberechtigte Beteiligte auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichten.

(1) Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die

1.
vor dem 2. Januar 1961 geboren und
2.
berufsunfähig
sind.

(2) Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.