Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Urteil, 13. Mai 2016 - 17 U 83/15
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Das OLG Schleswig hat in seinem Urteil vom 13.05.2016 (Az.: 17 U 83/15) folgendes entschieden:
So liegt es auch außerhalb einer Planfeststellung, wenn die insoweit geltenden Vorschriften analog angewendet werden können. Dies ist bei einer Änderungsgenehmigung auf der Grundlage von § 8 Abs. 5 LuftVG der Fall.
Zur Beschränkung eines zivilrechtlichen Unterlassungsanspruchs gemäß §§ 11 LuftVG, 14 BImSchG, wenn die luftverkehrsrechtliche Änderungsgenehmigung aufgrund seinerzeitiger Rechtslage ohne vorherige Öffentlichkeitsbeteiligung erteilt worden ist.
Gründe:
Der Kläger, seit 1992 Eigentümer eines 2008 geringfügig vergrößerten und sowohl zu Wohnzwecken als auch für die Zwecke einer …-werkstatt benutzten Hauses in 25980 Keitum/Sylt-Ost, wendet sich gegen Lärmimmissonen aus dem Flughafenbetrieb der Beklagten.
Die Beklagte betreibt auf Sylt aufgrund einer am 15. Januar 1996 neugefassten luftverkehrsrechtlichen Änderungsgenehmigung einen privaten Flughafen. Dieser Flughafen existiert ungefähr seit dem 1. Weltkrieg und war ursprünglich ein reiner Militärflughafen, nach dem 2. Weltkrieg von den Alliierten genutzt und später von der Bundeswehr. Im Jahre 1970 kam es zu einer Teilkonversion im Sinne einer gemischten privat-militärischen Nutzung. Mit Bescheid vom 2. Januar 1978 wurde der Beklagten die Genehmigung u.a zum Betrieb eines Flughafens des allgemeinen Verkehrs erteilt. Die vollständige Umnutzung erfolgte nach der Entlassung aus der militärischen Trägerschaft am 17. Dezember 1993. Lärmschutzbereiche wurden bei den seinerzeitigen Genehmigungen ebenso wenig festgelegt, wie es nicht zu einer förmlichen Öffentlichkeitsbeteiligung kam. Im Jahr 2006 wurden die Start- und Landebahnen saniert, was in seinen Auswirkungen von den Parteien unterschiedlich beurteilt wird. Auch ein Instrumentenlandesystem wurde installiert.
Nachdem andere Anwohner auf der Insel Sylt sich in einem Verwaltungsrechtsstreit gegen die der Beklagten erteilte Änderungsgenehmigung gewandt und hilfsweise beantragt hatten, die Beklagte zu verpflichten, über Maßnahmen des aktiven und passiven Schallschutzes sowie über Entschädigungsansprüche zu entscheiden, hatte das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht die Klage zunächst mit Urteil vom 10. Februar 2011 - 2 Ks 1/10 - abgewiesen. Auf die zum Teil erfolgreiche Revision und Zurückverweisung des Verfahrens hat das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht in einem weiteren Urteil vom 10. Juli 2014 die zuständige Behörde verpflichtet, über nachträgliche Betriebsbeschränkungen erneut zu entscheiden. In Vollzug dieses rechtskräftigen Urteils hat der zuständige Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein mit Bescheid vom 7. Mai 2015 die aktuelle Flughafengenehmigung vom 15. Januar 1996 um die Nebenbestimmungen B 9 b, B 9 c und B 9 d ergänzt. Danach dürfen in der Nachtzeit von 22.00 bis 06.00 Uhr neben hoheitlichen Einsatzflügen sowie Flügen zur Hilfeleistung in Not- und Katastrophenfällen sowie unabweisbaren Flügen zur medizinischen Versorgung sowie Landung aus meterologischen, technischen und Flugsicherheitsgründen nur bis zu 4 mal pro Kalendermonat Landungen bzw. Starts aufgrund von Verspätungen oder Verfrühungen durchgeführt werden. Tagsüber darf der Flughafen nur in dem Umfang betrieben werden, dass durch den Flugbetrieb ein äquivalenter Dauerschallpegel in Höhe von 60 dB an keinem Ort außerhalb der für den Flughafen Sylt eingerichteten Tag-Schutzzone 2 überschritten wird. Gemäß Ziffer B 9 d sind außerdem in der Umgebung zwei Anlagen zur fortlaufenden registrierenden Messung der durch an- und abfliegende Luftfahrzeuge entstehenden Geräusche einzurichten und zu betreiben.
Der Flughafen verfügt über zwei Start- und Landebahnen, die sich kreuzen. Geografisch liegt die Hauptlandebahn zwischen den Ortsteilen Keitum im Süd-Osten und dem Ort Westerland im Nord-Westen. Der Flughafen liegt nahezu mittig auf der Insel Sylt in der Dünenlandschaft. Die Kapazität und insbesondere die Passagierzahlen stiegen seit dem Jahr 1996 - wobei in den Einzelheiten Streit zwischen den Parteien herrscht - zunächst kontinuierlich an. Um die Jahrtausendwende wurden auch größere, insbesondere düsengetriebene Flugmuster eingesetzt.
Der Kläger macht in beiden Rechtszügen geltend, dass es durch den Flugbetrieb zu ganz massiven Beeinträchtigungen komme. Im Einzelnen träten Lärmspitzen von über 100 dB auf, insbesondere dann, wenn größere, düsengetriebene Flugmuster starteten und landeten. Darüber hinaus sei die Überflughöhe zu gering. Der seit 2006 erheblich angestiegene Flugbetrieb verursache auf dem Grundstück des Klägers - so sein erstinstanzlicher Vortrag - in der Tageszeit zwischen 06.00 Uhr und 22.00 Uhr einen äquivalenten Dauerschallpegel von mehr als 55 dB.
Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens sowohl für das vorliegende als auch für weitere Verfahren von Anwohnern auf der Insel Sylt die hiesige Klage abgewiesen. Soweit der Kläger - erstinstanzlich - Unterlassungsansprüche geltend gemacht habe, seien diese unbegründet, weil der Flugbetrieb im Rahmen des Luftverkehrsrechts erfolge und hierdurch hervorgerufene Beeinträchtigungen grundsätzlich auch ortsüblich seien. Der Flugbetrieb sei nämlich seit langem ortsbildprägend für die gesamte Insel Sylt. Ebenso könne der Kläger nicht verlangen, dass die Beklagten die Nutzung der vorhandenen Start- und Landebahn 15/33 unterlasse. Insoweit habe nämlich die zuständige Behörde eine planerische Entscheidung getroffen, die über § 142 Abs. 2 LVwG auch dann eine Sperrwirkung erzeuge, wenn keine Öffentlichkeitsbeteiligung stattgefunden habe. Der Kläger sei darauf hinzuweisen, mit dem zuständigen Hoheitsträger eine entsprechende Vereinbarung hinsichtlich des Schallschutzes zu treffen bzw. diese verwaltungsgerichtlich durchzusetzen. Aber auch Unterlassung der Überschreitung bestimmter äquivalenter Dauerschallpegel könne der Kläger vorliegend nicht verlangen, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme letztlich nur eine unwesentliche Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne des § 906 Abs. 1 BGB vorliege. Die maßgeblichen Grenzwerte betrügen nämlich für die Tagzeit 65 dB und für die Nachtzeit 55 dB. Ein Abschlag für die Kurgebietslage von 5 dB führe für die Tagzeit zu 60 dB und für die Nachtzeit zu 50 dB. Sachverständig seien aber für die Messpunkte im Raum Keitum/Archsund, d. h. in süd-östlicher Richtung von der Startbahn 15/32 - nur entsprechende Pegel von 47,1 dB bis 55 dB für den Tag ermittelt worden, Nachtflüge habe der Sachverständige ohnehin nicht verzeichnen können. Derartige Werte gerieten aber noch nicht mal in die Nähe kritischer Grenzwerte. Angemessene Entschädigung könne der Kläger schließlich deshalb nicht begehren, weil ein derartiger Anspruch gemäß § 142 Abs. 2 LVwG gesperrt sei; der Kläger müsse sich insoweit an den zuständigen Hoheitsträger wenden.
Mit der hiergegen gerichteten Berufung hat der Kläger sein ursprüngliches Antragsprogramm zunächst dahin reduziert, dass er nur noch von der Beklagten Unterlassung eines Flugbetriebs zwischen 06.00 Uhr und 22.00 Uhr dahin begehrt, dass hierdurch nicht auf seinem Grundstück ein äquivalenter Dauerschallpegel von mehr als 55 dB verursacht wird, hilfsweise die Feststellung, dass die Beklagte einen angemessenen Ausgleich in Geld für die Kosten passiver Schallschutzmaßnahmen zu zahlen hat.
Das Landgericht - so der Kläger - habe zunächst das Verhältnis von Zivilrecht und öffentlich-rechtlichem Luftverkehrsrecht verkannt, aber auch die Auswirkung von § 142 LVwG. Auch seien die Ausführungen zu § 906 Abs. 2 BGB viel zu allgemein und missachteten die konkrete Betroffenheit des klägerischen Grundstücks.
Müsse vielmehr die Zumutbarkeitsgrenze einzelfallbezogen unter Berücksichtigung der konkreten Situation ermittelt werden, so habe das Landgericht übersehen, dass inzwischen bei zahlreichen luftrechtlichen Zulassungsentscheidungen kleinerer und mittlerer Flughafen eine Zumutbarkeitsgrenze von 55 dB festgesetzt worden sei. So seien insbesondere die Erkenntnisse der neueren Lärmwirkungsforschung nicht beachtet worden.
Ungeachtet dessen habe das Landgericht nicht hinreichend die zukünftige Fluglärmentwicklung bedacht, sondern allein zurückgeschaut. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei jedoch gerade in die Zukunft gerichtet.
Schließlich sei es auch nicht richtig, aufgrund der bisherigen Erwägungen des Landgerichts einen zivilrechtlichen Entschädigungsanspruch gänzlich zu verneinen.
Unzutreffend sei zudem die Kostenentscheidung über einen festen Anteil an den Kosten der Beweisaufnahme in Höhe von 2.600,00 €.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts zu verurteilen,
es zu unterlassen, den Flughafen Westerland/Sylt in der Zeit vom 06.00 Uhr und 22.00 Uhr hinsichtlich des Flugbetriebs auf die Art und Weise zu betreiben, dass hierdurch auf dem Grundstück des Klägers ein äquivalenter Dauerschallpegel von mehr als 55 dB verursacht wird,
hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger einen angemessenen Ausgleich in Geld für die Kosten passiver Schallschutzmaßnahmen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil und vertieft ihr bisheriges Vorbringen.
Insbesondere legt sie - insoweit hat sie in der mündlichen Verhandlung eine Ausarbeitung „Bewegungs- und Kapazitätskennziffern Flughafen Sylt“ vom 22.04.2016 zu den Akten gereicht, deren Richtigkeit der Kläger dem Grunde nach nicht entgegen getreten ist - näher dar, dass sowohl die Fluggastzahlen als auch die Zahl der Flugbewegungen von 2012 bis noch in das Jahr 2016 hinein sogar rückläufig gewesen seien; gegenüber rund 210.000 Fluggästen im Jahre 2011 könne für das Jahr 2015 nur noch von rund 145.000 Fluggästen ausgegangen werden. Auch würden zwischenzeitlich nicht mehr derart große Flugmuster eingesetzt wie noch im Jahre 2011.
Müsste ein Dauerschallpegel von 55 db eingehalten werden, würde zwar nicht unbedingt der derzeitige Flugbetrieb berührt, wohl aber ein solcher auf dem Niveau von 2011. Die Einhaltung des begehrten Lärmpegels werde letztlich zu weniger Flugbewegungen führen.
Der Senat hat im Ergebnis die Berufung des Klägers als unbegründet zurückgewiesen.
Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
Im Ergebnis zu Recht hat - was der Kläger im Berufungsverfahren allein noch angreift - das Landgericht sowohl den in der Hauptsache geltend gemachten Unterlassungsanspruch hinsichtlich eines Flugbetriebes in der Zeit von 06:00 Uhr und 22:00 Uhr bei äquivalentem Dauerschallpegel von mehr als 55 dB abgewiesen als auch das hilfsweise erhobene Entschädigungsbegehren hinsichtlich eines angemessenen Ausgleichs in Geld für die Kosten passiver Schallschutzmaßnahmen. Was das Unterlassungsbegehren anbelangt, ist schon nicht zweifelsfrei, dass der Kläger es in der begehrten Form gegenüber der Beklagten gemäß § 1004 BGB rechtlich durchsetzen könnte. Jedenfalls aber fehlt es zumindest derzeit an der tatsächlichen Berechtigung eines derartigen Begehrens. Demgegenüber kann der Kläger sein Hilfsbegehren auf Geldentschädigung bereits aus Rechtsgründen nicht durchsetzen.
Ob der Kläger von der Beklagten das begehrte Unterlassen verlangen kann, ist schon aus Rechtsgründen zweifelhaft.
Grundsätzlich kann sich der Kläger gemäß § 1004 BGB gegen Lärmimissionen des Flughafenbetriebes der Beklagten auf sein in Keitum auf Sylt belegenes Grundeigentum wehren, solange er nicht zur Duldung verpflichtet ist. Ein derartiger Anspruch ist in Schleswig-Holstein nicht gemäß § 142 Abs. 2 Satz 1 LVwG ausgeschlossen, da dem Flughafenbetrieb des Beklagten weder ein bestandskräftiger Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegt noch ein solcher nach § 71 LuftVG fingiert wird. Auch spricht das - noch unter 3. näher zu erörternde - Verhältnis öffentlich-rechtlicher und zivilrechtlicher Entschädigungssysteme nicht für einen Ausschluss auch des zivilrechtlichen Unterlassungsanspruchs gemäß § 1004 BGB, weil ein solcher nach der eindeutigen Anordnung selbst des öffentlich-rechtlichen Gesetzgebers allein in den erwähnten Fällen eines Planfeststellungsbeschlusses ausgeschlossen und im Übrigen - soweit über §§ 11 LuftVG, 14 BImSchG anwendbar ist - allenfalls modifiziert wird.
Wäre § 14 BImschG über § 11 LuftVG auch im Verhältnis des Klägers zur Beklagten anwendbar, könnte sich allerdings bereits die Frage stellen, ob unter den „Vorkehrungen“, welche im Falle eines genehmigten Betriebes statt der Unterlassung des Betriebs nach § 14 BImSchG verlangt werden können, auch die vom Kläger angestrebte Festsetzung von maximal zulässigen Dauerlärmpegeln verstanden werden kann. Während nämlich zu den von der Verwaltung zu treffenden „Vorkehrungen“ im Sinne der §§ 142 Abs. 2 LVwG, 75 Abs. 2 VwVfG ohne Weiteres auch betriebsregelnde Maßnahmen gehören können , dürfen im Anwendungsbereich des § 14 BImSchG - wie sich aus dem Umkehrschluss zu § 14 Satz 1, 2. Halbsatz BImschG ergibt - von dem Emittenten insoweit nicht Maßnahmen verlangt werden, die letztlich einer Gesamt- oder Teileinstellung seines genehmigten Betriebes gleichkämen , Rn. 18 zu § 14 BImSchG). Darauf liefe es aber entsprechend den Erläuterungen des Geschäftsführers der Beklagten vor dem Senat hinaus, wenn - bezogen auf das Flugverkehrsaufkommen im Jahre 2011 - für den Tagbetrieb die Beklagte zur Einhaltung eines äquivalenten Dauerschallpegels von nicht mehr als 55 dB verpflichtet würde und deshalb - wenn auch mittelbar über entsprechende Lärmzuschlage - das Flugaufkommen absolut beschränken müsste.
Die damit aufgeworfene Frage, ob der Kläger sein Unterlassungsbegehren schon deshalb nicht durchsetzen könnte, weil dem die Modifizierung des Anspruchs durch § 11 LuftVG i.V. mit § 14 BImSchG entgegen stehen könnte, stellt sich allerdings nur, wenn auch im vorliegenden Fall § 11 LuftVG einschließlich seines Verweises auf § 14 BImschG angewendet werden kann. Zweifel hieran resultieren daraus, dass nach der aus den §§ 14, 19 BImSchG entnehmbaren Systematik des Immissionsschutzrechts die § 14 BImSchG entnehmbaren Wirkungen Folge eines Verwaltungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung sind. An einem solchen fehlt es vorliegend, da ein derartig qualifiziertes Verfahren - und sei es über eine Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung - auf der Grundlage des 1996 geltenden Luftverkehrsrechts nicht durchgeführt werden musste; erst seit 2001 sieht § 8 Abs. 5 LuftVG auch für eine - wie vorliegend erteilte - Änderungsgenehmigung eine derartige Umweltverträglichkeitsprüfung einschließlich Öffentlichkeitsbeteiligung vor. Soweit für das Luftverkehrsrecht vom OVG Münster und ihm folgend vom OLG Hamm eine derartige Öffentlichkeitsbeteiligung als für eine Anwendung des § 11 LuftVG zusätzliche, wenn auch „ungeschriebene Voraussetzung“ gefordert worden ist, erscheint dies nach der Gesetzeslage nicht ohne Weiteres begründbar und würde für den Flughafenbetreiber zu einem Eingriff in dessen bestandskräftige Rechtsposition führen. Im insoweit vergleichbaren Fall des § 71 LuftVG - dem Fall der Fiktion einer Planfeststellung bei bestimmten Altanlagen - hat sich der Gesetzgeber ersichtlich gegen einen derartigen Eingriff entschieden.
Letztlich vermag der Senat allerdings die Beantwortung der Frage nach der Anwendbarkeit der §§ 11 LuftVG, 14 BImSchG und nach den Folgen für den möglichen Anspruchsinhalt offen zu lassen.
Wie nämlich § 906 BGB zu entnehmen ist, kann der Kläger von der Beklagten als Flughafenbetreiberin ohnehin nur die Unterlassung derartiger Lärmimmissionen verlangen, die die Benutzung des klägerischen Grundstückes mehr als nur unwesentlich beeinträchtigen oder zwar eine wesentliche Beeinträchtigung darstellen, aber entweder nicht ortsüblich sind oder zwar ortsüblich sind, aber durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden können. Voraussetzung ist überdies - da sich das Unterlassungsbegehren auf künftige Beeinträchtigungen richtet -, dass eine Wiederholungsgefahr besteht oder aber zumindest eine erstmalige Beeinträchtigung ernsthaft droht. Jedenfalls an der notwendigen Erfüllung dieser Voraussetzungen scheitert derzeit das Unterlassungsbegehren des Klägers.
Dabei ist angesichts der in der Begutachtung B./L. für das klägerische Grundstück und den Tagbetrieb errechneten Beurteilungspegel von 54,2 dB und 52,5 dB schon zweifelhaft, ob die vom Flughafenbetrieb des Beklagten ausgehenden Lärmimmissionen für den Kläger entsprechend seiner Argumentation als wesentlich gehalten werden müssen oder ob nicht mit dem Landgericht ein derartiger Lärmpegel auch weiterhin als „nicht wesentlich“ zu erachten ist. Immerhin liegen diese Werte deutlich unter dem äquivalenten Dauerschallpegel von 60 dB , der mit Bescheid des Landesbetriebs Straßenbau und Verkehr vom 7. Mai 2015 für die Schutzzone 2 als ausreichender Grenzwert für den Tagbetrieb angesehen worden ist.
Der Senat ist sich hierbei - der auch vom Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 10. Juli 2014 thematisierten - Problematik bewusst, dass die erheblich niedrigeren am Straßenverkehrslärm entwickelten planungsrechtlichen Werte für Fluglärm nicht unbesehen übernommen werden können, andererseits die traditionell für Flugverkehr noch als hinnehmbar erachteten Schallpegel möglicherweise zu hoch sein können, insbesondere unter Berücksichtigung des Umstands, dass sich auch das klägerische Grundstück in einem durch Tourismus und Kureignung geprägten Gebiet befindet. Andererseits gilt für alle Sylter Grundstücke, dass seit langem auf dieser Insel Flugverkehr stattfindet und dieser Umstand die Situation der Grundstücke prägt. Hinzu kommt, dass gerade das klägerische Grundstück sich ersichtlich im Dorfkernbereich von Keitum in unmittelbarer Nähe der Haupterschließungsstraße des Ortskerns befindet, womit allein schon eine gewisse Grundbelastung durch Verkehrsimmissionen einhergeht.
Letztlich kann aber in diesem Verfahren noch offen bleiben, welcher Grenzwert auch aus zivilrechtlicher Perspektive als ausreichender Grenzwert anzusehen sind. Entscheidend ist nämlich, dass die bisher durch Messungen und Berechnungen ermittelten Werte noch unter dem vom Kläger selbst mit seinem Hauptantrag als Grenzwert definierten äquivalenten Dauerlärmschallpegel von 55 dB für den Tagbetrieb von 06:00 bis 22:00 Uhr liegen. Mehr kann der Kläger aber schon seinem Antrag nach nicht verlangen. Auch ändert sich dieses Bild nicht dadurch, dass aufgrund einer - insoweit vom Kläger zu Recht geforderten - prognostischen Beurteilung ein künftiges Überschreiten dieses Schwellenwerts in naher Zukunft ernsthaft für möglich zu halten wäre und deshalb als wesentliche Beeinträchtigung zu werten ist.
Denn nicht nur zeigt schon der Vergleich der im Jahr 2011 einerseits und 2012 andererseits vorgenommenen Messungen ein erstes Abflauen des Flugbetriebes. Vielmehr hat - ohne dass der Kläger dem ernsthaft entgegen getreten wäre - die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat selbst dargelegt, dass im gesamten Zeitraum nach 2011 Fluggastzahlen und Zahl der Flugbewegungen kontinuierlich abgesunken seien, was naturgemäß Auswirkungen auf die Verringerung des Fluglärms haben muss. Dies schließt zwar gegenläufige Entwicklungen für die Zukunft keineswegs aus, die selbstverständlich auch den Senat zu einer veränderten Beurteilung veranlassen könnten. Derzeit - also zum Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung vor dem Senat - ist aber ein Wiederanstieg, insbesondere noch über das im Jahre 2011 erreichte bisherige Maximum hinaus, keineswegs mit der für ein erfolgreiches Unterlassungsbegehren notwendigen Sicherheit zu erwarten und kann aufgrund der bisherigen Entwicklung derzeit auch nicht tatsächlich vermutet werden.
Aus der aufgezeigten Grundstückssituation folgt zugleich, dass der Fluglärm als solcher auf der Insel Sylt auch als durchaus „ortsüblich“ anzusehen ist. Der Senat sieht auch nicht, dass schon die im Jahr 2006 erfolgte bloße bessere Befestigung von Landebahnen - nicht etwa der Bau einer weiteren und neuen Landebahn - zu einem qualitativen Sprung geführt hätte. Bloße Betriebsänderungen infolge der Anpassung an die Entwicklung neuzeitlicher Luftfahrttechnik verlassen nicht den Rahmen der Ortsüblichkeit , Rn. 14 f. zu §11 LuftVG). Ob ein qualitativer Sprung bei weiterem Ansteigen des Flugverkehrs über 2011 hinaus möglich gewesen wäre, kann offen bleiben; eine derartige Entwicklung ist bisher ersichtlich nicht eingetreten.
Was schließlich die Verhinderbarkeit der Lärmimmissionen mit zumutbaren Maßnahmen anbelangt, muss nach den Erläuterungen des Geschäftsführers der Beklagten in der mündlichen Verhandlung davon ausgegangen werden, dass diese als Flughafenbetreiberin die Lärmentwicklung selbst nur bedingt steuern kann, etwa durch Festlegung eines steileren Landewinkels beim Instrumentenanflug. Im Übrigen verbleibt der Beklagten nicht mehr als die Verhinderung von Flugbewegungen über eine den Beurteilungspegel bestimmende Anzahl von Flugbewegungen hinaus, etwa durch bestimmte Gebührenzulagen. Dies berührt aber zweifelsohne die Wirtschaftlichkeit eines Flughafenbetriebs. Inwieweit diese bei einer Reduzierung des relevanten Beurteilungspegels auf 55 dB für den Tagbetrieb ernsthaft berührt wäre, vermag der Senat allerdings derzeit nicht zu beurteilen. Letztlich kann auch diese Frage im hier zu entscheidenden Rechtsstreit aber schon deshalb offen bleiben, weil die von dem Kläger selbst für bedeutsam gehaltene Lärmgrenze derzeit nicht überschritten wird und eine künftige Überschreitung auch derzeit nicht ernsthaft zu erwarten ist.
Muss der Kläger damit mit seinem in der Hauptsache geltend gemachten Unterlassungsbegehren jedenfalls aus tatsächlichen Gründen unterliegen, so könnten ihm gleichwohl unter den weiteren Voraussetzungen des § 906 Abs. 2 BGB grundsätzlich ein Anspruch bei für ihn entweder nicht ortsüblichen oder unzumutbaren Beeinträchtigungen oder gemäß § 14 Satz 2 BImschG ein Schadensersatzanspruch wegen nicht wirtschaftlich vertretbarer Verhinderung der Lärmimmissionen zustehen. Beide Ansprüche können sich - wie das Begehren des Klägers deutlich macht - auch auf die Finanzierung auf passiven Schallschutzmaßnahmen beziehen. Allerdings stehen auch derartige Ansprüche dem Kläger bereits aus Rechtsgründen nicht zu.
Während die frühere Rechtsprechung der Zivilgerichte die Systeme der zivilrechtlichen Unterlassungs- und Entschädigungsansprüche als parallel und autonom zu den öffentlich-rechtlichen Systemen der Planergänzung und Billigkeitsentschädigung betrachtet hat , geht nämlich die neuere Rechtsprechung dahin, dass neben den heute ausdifferenzierten Regelungen des öffentlichen Rechts zur Ergänzung der Planungsentscheidung sowie hilfsweise zur angemessenen Entschädigung in Geld im Regelfall kein Bedürfnis für zusätzliche zivilrechtliche Entschädigungs- bzw. Schadensersatzansprüche besteht. Anders liege es nur, wenn auf diese Weise Besonderheiten des Einzelfalls nicht erfasst werden könnten , insbesondere bestimmte Beeinträchtigungsarten über das öffentliche Recht nicht kompensierbar seien. Diese zunächst auf Planfeststellungsverfahren ausgerichtete Rechtsprechung wurde sodann erweiternd auch auf gemäß § 71 Abs. 2 LuftVG für ältere Flugplätze im Sinne des Bestandsschutzes fingierte Planfeststellungsverfahren angewendet.
Der Senat hat keine Bedenken, diese in sich schlüssige und wertungsmäßig überzeugende Rechtsprechung auch auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Denn mit dem Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht ist er der Auffassung, dass auch die auf der Grundlage von § 8 Abs. 5 LuftVG vorliegend erteilte Änderungsgenehmigung letztlich eine Planungsentscheidung darstellt und es sich von der Interessenlage in der Tat anbietet, den Betroffenen nachträgliche Ansprüche auf Genehmigungsergänzung und Entschädigung entsprechend §§ 142 Abs. 2 Satz 2 LVwG bzw. §§ 75 Abs. 2 - 4 VwVfG des Bundes in einem derartigen Fall einzuräumen. Dies hat das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht hinsichtlich der Verpflichtung zur Genehmigungsergänzung getan; dem schließt sich der Senat im Hinblick auch auf Entschädigungsansprüche an.
Der Senat sieht wohl, dass - wie der BGH in seiner schon erwähnten Entscheidung vom 23. April 2015 zu Recht gefordert hat - stets konkret zu prüfen ist, inwieweit das öffentlich-rechtliche Entschädigungssystem tatsächlichen dem zivilrechtlichen System gleichwertig oder gar überlegen ist. Bei dem vorliegenden Begehren auf Finanzierung des Aufwands passiver Schallschutzmaßnahmen auf vermutlich dem klägerischen Grundstück ist dies jedoch eindeutig der Fall, da ein derartiges Begehren zweifelsohne Gegenstand einer auf der Grundlage analoger Anwendung des § 142 Abs. 2 Satz 2 - 4 LVwG zuzubilligenden Entschädigung sein kann.
Nach alledem musste es - wenn auch zum Teil mit geänderter Begründung - bei der Abweisung des klägerischen Begehrens verbleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO.
Hierbei hat der Senat - hierzu war er anlässlich der Sachbefassung in der Hauptsache von Amts wegen befugt - die Kostenentscheidung des ersten Rechtszuges dahin abgeändert, dass für beide Rechtszüge einheitlich eine Kostengrundentscheidung zulasten des Klägers zu treffen ist. Eine Rechtsgrundlage für die vom Landgericht vorgenommene Auferlegung eines fixen Kostenbetrages ist nämlich nicht erkennbar.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Ein Grund zur Zulassung der Revision im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO besteht nicht, da das klägerische Begehren bereits weitgehend aus tatsächlichen Gründen erfolglos bleiben musste und überdies die aufgeworfenen Rechtsfragen dem Grunde nach durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bereits geklärt sind.