Oberlandesgericht Nürnberg
9 U 1141/15 BSch
Verfügung
08.10.2015
In Sachen
A...
./.
B...
wg. Schadensersatz
Hinweis:
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Amtsgerichts - Schifffahrtsgericht - Regensburg vom 13.05.2015 (Az. 4 C 1710/14 Bsch) gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, weil sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen.
Gründe:
Der Vortrag der Klägerin und Widerbeklagten in der Berufung ist nicht geeignet, die Feststellungen des Amtsgerichts - Schifffahrtsgericht - Regensburg in Frage zu stellen.
1. Hinsichtlich des Drittwiderbeklagten A. K. ist das Endurteil des Amtsgerichts - Schifffahrtsgericht - Regensburg vom 13.05.2015 rechtskräftig. Auf den Beschluss des Senats vom 05.10.2015 wird Bezug genommen. Nach dieser Entscheidung des Schifffahrtsgerichts hat der Drittwiderbeklagte an die Beklagte und Widerklägerin 7.440,00 € nebst Zinsen zu zahlen. Er haftet für den der Widerklägerin entstandenen Schaden gemäß §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 6.03 Nr. 3, 6.14, 6.13 Nr. 1 DonauSchPV, § 7 BinSchG.
Die Rechtskraft der Entscheidung gegen den Drittwiderbeklagten erstreckt sich allerdings trotz der materiell-rechtlichen Abhängigkeit der Ansprüche der Beklagten gegen den Drittwiderbeklagten einerseits und gegen die Klägerin andererseits nicht auf die Klägerin, denn die Rechtskraft einer klagestattgebenden Entscheidung wirkt nur inter partes. Die Frage der Haftung auch der Klägerin für den Schaden der Beklagten bzw. die Frage der Begründetheit der gegenläufigen Klage sind gesonderter Prüfung zugänglich.
2. Die vom Schifffahrtsgericht Regensburg zu der Bootskollision vom 11.05.2013 getroffenen Feststellungen geben das Ergebnis der Beweisaufnahme vollständig und richtig wieder.
a) Das Schifffahrtsgericht hat seinem Urteil folgenden Sachverhalt zugrunde gelegt: Am 11.05.2013 kurz nach 18.05 Uhr kam es zwischen dem am Anlegesteig A 11 am rechten Donauufer in Passau bei Donaukilometer 2.226,280 festgemachten Fahrgastschiff (im Folgenden: FGS) „...“, das im Eigentum der Klägerin steht, und dem im Eigentum der Beklagten stehenden FGS „...“, das zu Berg fuhr, zu einem Zusammenstoß, wodurch beide Schiffe und der Anlegesteig A 11 beschädigt wurden. Der; Schaden an „...“ betrug 15.400,00 €, derjenige am Anleger 9.900,00 €. Der Schaden am Schiff „...“ belief sich auf 4.580,00 €. Vorangegangen war, dass das FGS „...“ dem rückwärtsfahrenden FGS „...“ (ebenfalls Eigentum der Klägerin), das vom Drittwiderbeklagten K. als Schiffsführer gesteuert wurde und gerade vom Anlegesteig A 12 bei km 2.226,500 abgelegt hatte, nach Steuerbord in Richtung des linken Ufers ausgewichen war. Der Drittwiderbeklagte K. hatte dem Schiffsführer des FSG „...“, dem Zeugen G. T., über Funk mitgeteilt, er fahre von Donau-km 26,4-26.0 über Heck. Durch seinen Kurs nach Steuerbord wollte „S. C.“ das „FSG „G.“ an dessen rechter Seite (Steuerbord) passieren. Während es zur Berührung der beiden sich aufeinander zu bewegenden Schiffe nicht gekommen ist, kollidierte das FSG „S. C.“ durch die weitere Drehung nach Steuerbord mit seinem Heck mit der Steuerbordseite des FSG „S.“.
Dieser Sachverhalt ist zwischen den Parteien unstreitig.
Das Schifffahrtsgericht ist weiter davon ausgegangen, dass der Drittwiderbeklagte K. mit dem Schiff „G.“ seine Kurshaltepflicht verletzt und durch pflichtwidriges Verhalten als Schiffsführer das Ausweichmanöver des FSG „S. C.“ und den Zusammenstoß mit dem „S.“ schuldhaft verursacht hat, während das Schiff der Beklagten dem FSG „G.“ unvorhersehbar ausweichen musste und es ohne den Fahrfehler des Drittwiderbeklagten dessen Schiff problemlos hätte passieren können.
Daraus hat das Erstgericht zutreffend die Haftung des Drittwiderbeklagten (s.o.) auf Ersatz des Schadens der Beklagten hergeleitet und desweiteren die Ersatzpflicht der Klägerin als Eignerin des Schiffes „G.“ auf §§ 92 Abs. 2, 92 b BinSchG gestützt. Damit korrespondierend hat es die Haftung der Beklagten für den Klägerseits entstandenen Schaden von „S.“ und am Anleger A11 mangels schuldhaften Navigierens des Schiffsführers T. abgelehnt und die Klage abgewiesen.
Die tatsächlichen Feststellungen fußen auf der Beweisaufnahme. Das Schifffahrtsgericht hat den Drittwiderbeklagten als Kapitän des FSG „G.“ angehört und die Zeugen G. V. T., A. G. und P. V. vernommen. Der Senat schließt sich der zutreffenden Beweiswürdigung des Amtsgerichts an. Danach fuhr der Drittwiderbeklagte das Schiff „G...“, wie er zuvor dem Zeugen T. über Funk mitgeteilt hatte, tatsächlich „über Heck“, d. h. rückwärts, zu Tal, woraufhin das FSG „S. C.“ an der Steuerbordseite der „G.“ vorbeifahren wollte. Weil „G.“ dem „S. C.“ rückwärts mit dem Heck nach Steuerbord entgegen kam, änderte dieses seinen Kurs stark nach Steuerbord und touchierte schließlich das FSG „S.“.
Dies ergibt sich zweifelsfrei aus den in sich widerspruchsfreien, eindeutigen und überzeugenden Schilderungen der Zeugen T. und G. Während der Zeuge T., der Steuermann des FGS „S. C.“, angegeben hat, aufgrund fehlender Wahrnehmungen zum Schraubenwasser keine Angaben darüber machen zu können, ob „G.“ rückwärts gefahren ist oder sich nur hat treiben lassen, hat der Zeuge G., der auf „S. C.“ als Ausguck fungierte, bekundet, die Rückwärtsfahrt des „G.“ beobachtet zu haben. Er erklärte, „G.“ sei mit Maschinenkraft rückwärtsgefahren. Dies habe er am Wasser und an den Turbulenzen erkannt. Deswegen habe er dem Zeugen T. auch gesagt, er solle nach rechts ausweichen. Dies passt zu den Angaben des Zeugen V., Kapitän der „S. C.“, der ausgesagt hat, er habe über die Kamera unmittelbar vor der Kollision das Heck des Schiffes „G.“ und dessen Backbordseite gesehen. Die diesen Angaben widersprechende Auskunft des Drittwiderbeklagten K., er sei nicht zurückgefahren, sondern habe die ganze Zeit abgewartet, ist insoweit nicht glaubhaft. Dies ergibt sich auch aus der Diskrepanz dieser Angabe zu derjenigen gegenüber seinem Havariebericht vom 22.05.2013, wonach er sich hat zu Tal treiben lassen, während er in seiner polizeilichen Zeugenvernehmung am 15.05.2013 behauptete, er habe das Schiff ständig gemacht, laviert und abgewartet.
b) Das Schifffahrtsgericht hat zu Recht vorausgesetzt, dass es sich nicht um einen Überholvorgang, sondern um einen Begegnungsverkehr zwischen den Schiffen „S. C.“ und „G.“ handelte.
Gemäß § 6.01 Nr. 2 DonauSchPV ist Begegnen (a) wie folgt definiert: Wenn zwei Fahrzeuge direkt entgegen gesetzte oder fast entgegen gesetzte Kurse fahren. Überholen (b) ist wie folgt beschrieben: Wenn ein Fahrzeug (Überholender) sich einem anderen in Fahrt befindlichen Fahrzeug (Vorausfahrender) in einem Winkel von mehr als 22,5 Grad hinter der Querlinie des Letzteren nähert und an ihm vorbeifährt. Nach § 6.03 Nr. 1 DonauSchPV ist sowohl das Begegnen als auch das Überholen nur gestattet, wenn das Fahrwasser unter Berücksichtigung aller örtlichen Umstände und des übrigen Verkehrs hinreichenden Raum für die Vorbeifahrt gewährt. Nach § 6.03 Nr. 3 DonauSchPV dürfen Fahrzeuge, deren Kurse jede Gefahr eines Zusammenstoßes ausschließen, beim Begegnen oder Überholen ihren Kurs oder ihre Geschwindigkeit nicht in einer Weise ändern, die die Gefahr eines Zusammenstoßes herbeiführen könnte. § 6.03 Nr. 4 DonauSchPV bestimmt, dass das Begegnen nur gestattet ist, wenn der Schiffsführer sich überzeugt hat, dass es ohne Gefahr für andere Fahrzeuge durchgeführt werden kann. Schließlich bestimmt § 6.04 DonauSchPV, dass beim Begegnen der Bergfahrer unter Berücksichtigung der örtlichen Umstände und des übrigen Verkehrs dem Talfahrer einen geeigneten Weg freilassen muss (Nr. 1) und dass Bergfahrer, die Talfahrer an Backbord vorbeifahren lassen, kein Zeichen zu geben haben (Nr. 2). Gemäß § 6.14 i. V. m. § 6.13 Nr. 1 DonauSchPV dürfen Fahrzeuge, die ihren Liege- oder Ankerplatz verlassen, ohne zu wenden, dies nur tun, nachdem sie sich vergewissert haben, dass der übrige Verkehr dies ohne Gefahr zulässt und andere Fahrzeuge nicht gezwungen werden, unmittelbar ihren Kurs oder ihre Geschwindigkeit zu ändern und sie haben Schallzeichen zu geben. § 6.19 Nr. 1 DonauSchPV verbietet das Treibenlassen, mit Ausnahme kleiner Bewegungen auf Liege-, Lade- und Löschstellen und regelt in Nr. 2, dass als Bergfahrer - und nicht als Treibender - gilt, wer sein Schiff Bug zu Berg mit im Vorwärtsgang laufender Antriebsmaschine zu Tal bewegt.
Auch nach Auffassung des Senats liegt kein Überholvorgang vor, sondern ein Begegnungsvorgang. Das FSG „S. C.“ fuhr unstreitig zu Berg, das FSG „G.“ fuhr faktisch - wenn auch nur kurze Zeit - rückwärts, also mit Heck zu Tal. Es gilt auch nicht als „fiktiver“ Bergfahrer nach § 6.19 Nr. 2 DonauSchPV, denn von der Richtigkeit der Angaben des Drittwiderbeklagten, er sei nicht zurückgefahren, sondern habe gewartet, ist gerade nicht auszugehen (s.o.). Damit fuhren die Schiffe (fast) entgegengesetzte Kurse im Sinne des § 6.01 Nr. 2 a) DonauSchPV. Aufgrund der Beweisaufnahme steht weiter fest, dass der Schiffsführer des FSG „S. C.“ (Bergfahrer) dem faktischen Talfahrer, dem FSG „G.“, einen geeigneten Weg freigelassen hatte und das Passieren kollisionsfrei vonstatten gegangen wäre, wenn „G.“ nicht eine Kursänderung mit dem Heck nach Steuerbord durchgeführt hätte. Beim Verlassen des Liegeplatzes A12 hatte sich der Drittwiderbeklagte nicht ausreichend vergewissert, dass dies ohne Gefahr für andere Fahrzeuge möglich ist, vielmehr war „S. C.“ zur Kursänderung nach Steuerbord gezwungen worden.
Diese Voraussetzungen, nämlich die Verursachung des Schiffsunfalls durch den Schiffsführer (Drittwiderbeklagten) und dessen nautisches Verschulden, hat die Beklagte und Widerklägerin als insoweit darlegungs- und beweisbelastete Partei bewiesen. Der Klägerin ist es indes nicht gelungen, die gegenteiligen Voraussetzungen, nautisches Verschulden des Schiffsführers des „S. C.“, zu beweisen.
Damit ergibt sich eine Verantwortlichkeit der Beklagten für den klägerseits entstandenen Schaden nicht, so dass die Klage zu Recht abgewiesen wurde, während die neben dem Drittwiderbeklagten für den beklagtenseits entstandenen Schaden einstandspflichtig ist. Zurechnungsnorm ist § 92 b BinSchG. Nach dieser Vorschrift ist der Schiffseigner im Falle einer (unmittelbaren oder mittelbaren) Schiffskollision (§ 92 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BinSchG) zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den die Besatzung eines der beteiligten Schiffe schuldhaft herbeigeführt hat. Es handelt es sich hierbei, ebenso wie bei der Generalhaftungsnorm des § 3 Abs. 1 BinSchG, der gegenüber § 92 b BinSchG lex specialis ist, nicht um eine selbstständige Haftungsgrundlage, sondern um eine Zurechnungsnorm, nach der der Schiffseigner nicht für eigenes, sondern für Fremdverschulden (hier des Drittwiderbeklagten) adjektizisch einzustehen hat.
3. Das Berufungsvorbringen der Klägerin bietet keinen Anlass, an der Richtigkeit der Feststellungen des Erstgerichts, an der Beweiswürdigung und an der Richtigkeit der rechtlichen Einordnung des Schiffsverkehrs zu zweifeln.
Die Klägerin ist der Auffassung, des habe sich nicht um einen Fall des Begegnungsverkehrs gehandelt, sondern um einen Überholvorgang. Das FGS „S. C.“ habe als Überholender besondere nautische Sorgfalt an den Tag legen müssen. Es seien an einen gefahrlosen Überholvorgang höhere Hürden zu stellen als an die Sorgfalt im Begegnungsverkehr.
Zutreffend ist, dass § 6.09 DonauSchPV regelt, dass das Überholen nur gestattet ist, nachdem sich der Überholende vergewissert hat, dass dieses Manöver ohne Gefahr ausgeführt werden kann. Daraus ergibt sich jedoch keine andere Einschätzung der Rechte und Pflichten der hier beteiligten Schiffe zueinander. Auch das Begegnen ist (wie bereits dargelegt) nur gestattet, wenn der Schiffsführer sich überzeugt hat, dass es ohne Gefahr für andere Fahrzeuge durchgeführt werden kann, § 6.03 Nr. 4 DonauSchPV. Beide Vorschriften würden dem Führer des FGS „S. C.“ die gleichen Sorgfaltspflichten abverlangen. Letztlich ist es nicht entscheidungserheblich, ob die Schiffe „S. C.“ und „G.“ sich begegneten oder „S. C.“ das FGS G. überholte. Ein relevanter Fahr- oder Manöverfehler des „S. C.“ ist nicht zu erkennen. Auf die Beantwortung der von der Berufung aufgeworfenen Frage, ob der Zeuge T. nur Steuermann/Rudergänger oder zugleich auch verantwortlicher Schiffsführer des FGS „S. C.“ i. S.d § 1.02 DonauSchPV war, kommt es nach Auffassung des Senats im vorliegenden Zusammenhang nicht entscheidend an. Auch die Verkehrspolizei Passau ist ausweislich der Ermittlungsakten (Az: 13 Js 8965/13) davon ausgegangen, dass der Zeuge Schiffsführer war.
4. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil vom 13.05.2015 ist daher offensichtlich unbegründet.
5. Die Parteien erhalten Gelegenheit, binnen zwei Wochen zu diesem Hinweis Stellung zu nehmen.
6. Der Senat weist darauf hin, dass höhere Gebühren auch dann entstehen, wenn er zur Begründung der Entscheidung nach § 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO nur auf den vorstehenden Hinweis Bezug nimmt. Er empfiehlt deshalb der Klägerin und Widerbeklagten, die Berufung zur Vermeidung höherer Kosten zurückzunehmen.