Oberlandesgericht Nürnberg Beschluss, 03. Apr. 2014 - 5 W 262/14

published on 03/04/2014 00:00
Oberlandesgericht Nürnberg Beschluss, 03. Apr. 2014 - 5 W 262/14
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Landgericht Regensburg, 4 O 172/11 (5), 22/11/2013

Gericht

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Tenor

I.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Regensburg vom 22.11.2013 wird zurückgewiesen.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

IV.

Der Beschwerdewert wird auf 208,33 Euro (5/6 von 250,00 Euro) festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerdeführerin (Klägerin des Ausgangsverfahrens) wendet sich gegen die Festsetzung von Reisekosten der Beklagtenvertreterin.

Die im Bereich des Landgerichts Regensburg ansässige Beklagte - eine bayernweit tätige Stromnetzbetreiberin - war vor dem Landgericht Regensburg auf Schadensersatz wegen verzögerten Netzanschlusses einer Photovoltaikanlage in Anspruch genommen worden. Das Verfahren endete mit einem Vergleich, nach dem die Klägerin 5/6, die Beklagte 1/6 der Kosten zu tragen hat. Die Beklagte ist von einer in M. bzw. S. niedergelassenen Rechtsanwaltskanzlei vertreten worden, die sie wegen ihrer Spezialisierung auf das Energierecht seit mehreren Jahren in Verfahren gegen Energieanlagenbetreiber beauftragt. Die Beklagte hat zum Kostenausgleich Reisekosten ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe von 250,00 Euro für zwei Verhandlungstermine vor dem Landgericht Regensburg geltend gemacht. Der Rechtspfleger des Landgerichts hat zunächst mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26.07.2013 die Festsetzung der Reisekosten abgelehnt, der hiergegen gerichteten Beschwerde der Beklagten aber mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22.11.2013 abgeholfen und die Reisekosten in Höhe von 250,00 Euro antragsgemäß in den Kostenausgleich einbezogen.

Gegen diesen ihr am 28.11.2013 zugestellten Beschluss hat die Klägerin mit am 11.12.2013 eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.

Die Beklagte macht geltend, zur Beklagtenvertreterin bestehe ein langjähriges Vertrauensverhältnis. Die Vertretung der Netzbetreiberseite erfordere sowohl spezielle Rechtskenntnisse, als auch Kenntnis der eingespielten Abläufe beim Anschluss von Energieeinspeiseanlagen. Es sei ihr, da sie überregional tätig sei, nicht zumutbar immer wieder neue geeignete Anwälte zu suchen. „Energierechtsanwälte“ seien in der Regel auf die Vertretung von Verbrauchern spezialisiert.

Die Klägerin macht geltend, dass auch Anwälte, die sonst die Verbraucher-/Anlagenbetreiberseite vertreten, hätten beauftragt werden können. Die Hausanwaltsrechtsprechung des BGH sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Die zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin ist unbegründet.

Der Rechtspfleger des Landgerichts hat zu Recht bei der Ausgleichung auch die Reisekosten der Beklagtenvertreterin berücksichtigt.

Gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist eine Partei grundsätzlich gehalten, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, der im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist oder dort wohnt.

Abweichend hiervon darf die Partei auch einen Rechtsanwalt an ihrem Wohn- oder Geschäftsort beauftragen, weil sonst regelmäßig eine Informationsfahrt der Partei anfallen würde (Herget in Zöller, ZPO, 30. Auflage, Rdnr. 13 zu § 91).

Steht von vornherein fest, dass eine Informationsfahrt nicht erforderlich wird (z. B. weil die Partei eine eigene Rechtsabteilung unterhält) darf nur ein (gerichts-)ortsansässiger Anwalt beauftragt werden (BGH NJW 2003, 2027).

Darüber hinaus wird es auch als zulässig erachtet, dass ein Rechtsanwalt an dem Ort beauftragt wird, an dem eine Partei zwar keine Niederlassung unterhält, an dem sie aber organisationsbedingt die außergerichtliche Bearbeitung von Rechtsstreitigkeiten durchführt (BGH NJW 2011, 3521; NJW-RR 2010, 1882; NJW-RR 2007, 1561). Der Ort der außergerichtlichen Bearbeitung wird damit quasi zum Geschäftsort.

Hat eine Partei keine eigene Rechtsabteilung, sondern beauftragt bei rechtlichen Schwierigkeiten einen am Geschäftsort ansässigen Hausanwalt (Outsourcing), so ist auch dies regelmäßig zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich im Sinne des § 91 ZPO (BGH NJW 2011, 3521; BGH, Beschluss vom 04.04.2006, VI ZB 66/04; BGH NJW-RR 2004, 430).

Beauftragt die Partei einen Rechtsanwalt am dritten Ort (weder am Gerichtsort, noch am Geschäftsort) kann sie nur die Reisekosten erstattet erhalten, die fiktiv für einen am Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt bei einer Reise zum Gerichtsort angefallen wären (BGH BeckRS 2012, 01015; BGH, NJW 2011, 3521; BGH NJW-RR 2004, 855). Wenn die Partei am eigenen Gerichtsstand klagt oder verklagt wird, steht ihr eine Erstattung der Reisekosten nicht zu, es sei denn, es ist ein Anwalt mit Spezialkenntnissen erforderlich (BGH NJW-RR 2012, 697; NJW-RR 2007, 1071; NJW 2003, 901). Ein besonderes Vertrauensverhältnis oder vorgerichtliches Tätigwerden sind dagegen keine ausreichenden Kriterien für die Erforderlichkeit der Beauftragung eines auswärtigen Anwalts (BGH, NJW 2003, 901).

Ein Rechtsanwalt an einem dritten Ort verfügt dann über Spezialkenntnisse, die ihn von ortsansässigen Anwälten abheben, wenn er sich in einem umgrenzten Fachgebiet Kenntnisse und Erfahrungen in einem Vertiefungsgrad angeeignet hat, der den eines durchschnittlichen Rechtsanwalts/Fachanwalts erheblich übersteigt (FG Hamburg, BeckRS 2012, 95829 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Bei Anwendung dieser Grundsätze sind die Reisekosten der Beklagtenvertreterin erstattungsfähig.

Die Beklagte hat ausreichend glaubhaft gemacht, dass am Gerichtsort Regensburg ein vergleichbarer Anwalt nicht beauftragt werden konnte. Die Klägerin bestreitet weder ernsthaft, dass die Vertretung in einem auf dem EEG beruhenden Schadensprozess Kenntnisse erfordert, die nicht jeder Rechtsanwalt besitzt, noch, dass gerade die Beklagtenvertreterin solche Kenntnisse besitzt. Dass spezielle Kenntnisse erforderlich sind liegt auf der Hand, denn Streitigkeiten nach dem EEG sind eher selten (dem Unterfertiger ist in neun Jahren Senatszugehörigkeit nur ein derartiger Fall erinnerlich). Einen Fachanwalt für Energierecht gibt es (noch?) nicht. Soweit Anwälte ihren Tätigkeitsschwerpunkt auf das Energierecht gelegt haben, sind sie auf die Vertretung von Verbrauchern bzw. Anlagebetreibern spezialisiert. Die Klägerin verweist zwar zu Recht darauf, dass es einem Verbraucheranwalt möglich sei, auch die Gegenseite (den Netzbetreiber) zu vertreten, übersieht dabei aber, dass es bei der Vertretung der Beklagten nicht allein auf spezielle Rechtskenntnisse, sondern im besonderen Maße auch auf die Kenntnis der technischen Voraussetzungen und tatsächlichen betriebsinternen Abläufe beim Netzanschluss und bei den diesen vorbereitenden Maßnahmen ankommt. Die Beklagte hat dargelegt, dass ein Rechtsanwalt mit derartigen (vergleichbaren) Kenntnissen in Regensburg nicht zur Verfügung stand. Die Klägerin ist dem nur mit der Behauptung entgegen getreten, dass auch ein „Verbraucheranwalt“ aus Regensburg die Vertretung hätte übernehmen können, ohne aber einen solchen (der noch dazu über annähernd vergleichbare Spezialkenntnisse wie die Beklagtenvertreterin verfügt) konkret zu benennen. Das reicht nicht aus, um den Vortrag der Beklagten zu erschüttern.

Die Beschwerde bleibt daher ohne Erfolg.

Kosten: § 97 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor, die Entscheidung bezieht sich nur auf den konkreten Einzelfall und hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Abweichung von der Rechtsprechung anderer Gerichte, insbesondere des BGH liegt nicht vor.

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um
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published on 04/04/2006 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZB 66/04 vom 4. April 2006 in dem Rechtsbeschwerdeverfahren Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. April 2006 durch die Richter Dr. Greiner und Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und
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Annotations

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)