Oberlandesgericht Nürnberg Beschluss, 12. März 2018 - 2 W 216/18

bei uns veröffentlicht am12.03.2018

Gericht

Oberlandesgericht Nürnberg

Tenor

I. Der Beschluss des Landgerichts Weiden i. d. OPf. vom 27.12.2017, Az. 12 OH 107/17, wird in Ziff. 2, der Beschluss vom 16.01.2018 zum selben Az. wird insgesamt aufgehoben.

II. Die Ablehnung des Sachverständigen L wird für begründet erklärt.

Gründe

1. Die sofortigen Beschwerden gegen die im Tenor genannten Beschlüsse des Landgerichts sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

2. Die Ablehnungsgesuche sind rechtzeitig gestellt; das erste innerhalb der zur Stellungnahme auf das Gutachten gesetzten Frist, das zweite innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis von den die Ablehnung begründenden Tatsachen. Dass im Ortstermin vom 08.11.2017 niemand für den Streithelfer erschienen war, konnte die Beklagte auf eine bewusste Entscheidung des Streithelfers zurückführen. Dass dieser überhaupt nicht geladen worden war, wurde erst aus dem Gutachten erkennbar.

3. Auch in der Sache sind die Ablehnungsgesuche begründet.

Nach § 406 i. V. m. § 42 Abs. 2 ZPO kann ein Sachverständiger wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Sachverständige tatsächlich befangen ist; es genügt jede Tatsache, die ein auch nur subjektives Misstrauen einer Partei (oder eines sonstigen Beteiligten) in die Unparteilichkeit des Sachverständigen vernünftigerweise rechtfertigen kann. Dies ist hier der Fall.

Der Sachverständige L hat den Ortstermin vom 08.11.2017 durchgeführt, ohne dem Streithelfer auf Seiten der Antragsgegnerin Gelegenheit zur Teilnahme zu geben. Er hat insoweit dargelegt, er habe am 24.10.2017 mehrere Telefonate geführt, um einen Ortstermin zu vereinbaren. Dabei habe er auch ein längeres Telefongespräch mit dem Streithelfer geführt. Dieser habe dabei den Eindruck erweckt, dass er am Ortstermin nicht teilnehmen möchte. Welche konkreten Äußerungen des Streithelfers diesen Eindruck hervorgerufen haben, teilt der Sachverständige in seiner Stellungnahme vom 18.12.2017 nicht mit; in seiner − ansonsten weitgehend wortgleichen − Stellungnahme vom 19.02.2018 wird dieser Eindruck nicht erneut erwähnt. Ob dem Sachverständigen nicht bewusst gewesen sei, dass auch ein Streithelfer geladen werden müsse, kann dahinstehen (immerhin hat der Sachverständige nach seiner Erklärung das Telefonat auch mit dem Streithelfer zu dem Zweck geführt, einen Ortstermin zu vereinbaren). Jedenfalls aus der Sicht des Beklagten und seines Streithelfers musste aus dieser Vorgehensweise der Eindruck entstehen, dass der Sachverständige dem Rechtsstreit nicht unvoreingenommen gegenübersteht, denn durch diese Vorgehensweise ist der Streithelfer objektiv daran gehindert worden, zu Gunsten des Beklagten im Ortstermin fachliche Argumente vorzutragen.

Der Sachverständige hat sich nach seiner eigenen Erklärung Fotos und Unterlagen vom Streithelfer des Beklagten zuschicken lassen, die für die Bewertung der Sachlage dienlich waren. Diese Unterlagen und Fotos hat er in seinem Gutachten verwendet, ohne dass er den sonstigen Beteiligten des selbständigen Beweisverfahrens zuvor Gelegenheit gegeben hätte, dazu Stellung zu nehmen. Damit hat er objektiv auch dem Beklagten selbst die Möglichkeit genommen, den Inhalt dieser Unterlagen und Fotos aus seiner Sicht zu bewerten und entsprechend im Verfahren vorzutragen.

Dieses Vorgehen des Sachverständigen trägt die Ablehnung (vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 406 Rdnr. 7 m. w. N.) auch dann, wenn der Sachverständige tatsächlich nicht befangen ist. Das Angebot, den Ortstermin zu wiederholen, kann die Benachteiligung des Beklagten nicht beseitigen; inzwischen liegt ein Gutachten vor, so dass aus der subjektiven Sicht der Parteien die Befürchtung bestehen kann, dass der Sachverständige auch aufgrund eines neuen Termins am Ergebnis seiner Begutachtung nichts ändern werde.

4. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind Kosten des selbständigen Beweisverfahrens; eine gesonderte Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (Greger, a. a. O., Rdnr. 17; G. Vollkommer, a. a. O., § 46 Rdnr 20).

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Oberlandesgericht Nürnberg Beschluss, 12. März 2018 - 2 W 216/18 zitiert 2 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 42 Ablehnung eines Richters


(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. (2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt

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Landgericht Weiden Beschluss, 27. Dez. 2017 - 12 OH 107/17

bei uns veröffentlicht am 27.12.2017

Tenor 1. Auf Antrag des Klägervertreters vom 22.12.2017 wird die Frist zur Stellungnahme zum Sachverständigengutachten antragsgemäß bis zum 26.01.2018 verlängert. 2. Das Gesuch des Antragsgegners vom 07.12.2017, den Sachverständi

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Tenor

1. Auf Antrag des Klägervertreters vom 22.12.2017 wird die Frist zur Stellungnahme zum Sachverständigengutachten antragsgemäß bis zum 26.01.2018 verlängert.

2. Das Gesuch des Antragsgegners vom 07.12.2017, den Sachverständigen ... wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.

Gründe

Das Gesuch des Antragsgegners, den Sachverständigen ... wegen Besorgnis der Befangenheit nach §§ 406 Abs. 1, 42 Abs. 2 ZPO abzulehnen, war als unbegründet zurückzuweisen.

Die Ablehnung eines Sachverständigen findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen, §§ 406, 42 Abs. 2 ZPO. Es muss sich dabei um Tatsachen oder Umstände handeln, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung erwecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (vgl. BGH, NJW-RR 1987, NJW-RR 1987, 893). Eine solche Befürchtung fehlender Unparteilichkeit kann berechtigt sein, wenn der Sachverständige seine gutachterlichen Äußerungen bzw. sein Verhalten in einer Weise gestaltet bzw. wählt, dass sie als Ausdruck einer unsachlichen Grundhaltung gegenüber einer Partei gedeutet werden können.

Vor diesem Hintergrund ist der Antrag des Antragsgegners vom 07.12.2017 aber unbegründet. Der Antragsgegner ist vorliegend der Auffassung, dass der Umstand, dass der Streithelfer ... nicht zu dem vom Sachverständigen am 08.11.2017 bestimmten Ortstermin durch diesen geladen bzw. benachrichtigt wurde, die Besorgnis der Befangenheit begründen würde, da hierdurch gegen das Anwesenheitsrecht der Parteien und der Streitgehilfen gem. §§ 492 Abs. 1, 357 Abs. 1 ZPO durch den gerichtlichen Sachverständigen verstoßen worden sei.

Der Sachverständige ... hat zum Ablehnungsgesuch des Antragsgegners mit Schriftsatz vom 18.12.2017 Stellung genommen. Hierbei führte der Sachverständige aus, dass es zutreffend sei, dass er den Streithelfer ... und dessen Prozessvertreter nicht zum Ortstermin geladen habe. Hintergrund dafür sei gewesen, dass der Sachverständige am 24.10.2017 auch ein Telefonat mit dem Streithelfer ... geführt habe und dieser dabei für ihn den Eindruck erweckt habe, dass er am Ortstermin nicht teilnehmen möchte, zumal er ihn bereits an diesem Tag mit dienlichen Fotos und Unterlagen bereits bedacht hatte. Vor diesem Hintergrund habe er davon abgesehen, den Streithelfer zum Ortstermin zu laden.

Im Rahmen der Befangenheit geht es nicht um die inhaltliche und verfahrensgemäße Prüfung der Richtigkeit der vom Sachverständigen getroffenen Entscheidungen. In der Regel können daher nur grobe Verstöße gegen Verfahrensvorschriften aus der maßgeblichen Sicht einer verständigen Partei die Besorgnis der Befangenheit begründen.

Im vorliegenden Fall war die Nichtladung bzw. Nichtmitteilung des Termins durch den Sachverständigen an den Streithelfer ... verfahrensfehlerhaft. Der Sachverständige hat die Umstände für seine Entscheidung jedoch dargelegt und damit gezeigt, dass diese Entscheidung nicht Ausdruck für die Parteilichkeit zugunsten einer Partei war, sondern vielmehr dem Umstand geschuldet war - wenngleich verfahrensfehlerhaft - dass er davon ausging, dass aufgrund des gewonnenen Eindrucks und des Umstandes, dass ihm bereits umfangreich Mitteilungen zum begutachtenden Sachverhalt seitens des Streithelfers ... gemacht wurden, dieser kein Interesse an der Teilnahme am Ortstermin mehr hatte. Dieser unzweifelhaft gegebene Verfahrensverstoß begründet somit aus der Sicht einer verständigen Partei nicht die Besorgnis der Befangenheit.

Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit besteht, diesen Verfahrensverstoß zu heilen, indem etwa der Ortstermin, soweit dies von den Parteien bzw. vom Streithelfer ... gewünscht wird, wiederholt wird oder der Sachverständige zu einem anzuberaumenden Erörterungstermin zu Gericht geladen werden kann, so dass sämtliche Verfahrensbeteiligte, insbesondere auch der Streithelfer ...,, sich noch umfassend zur Begutachtungen äußern können.

Vor diesem Hintergrund war der Befangenheitsantrag mithin als unbegründet zurückzuweisen.

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.