Oberlandesgericht München Hinweisbeschluss, 09. März 2016 - 27 U 4582/15 Bau

bei uns veröffentlicht am09.03.2016

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 19.11.2015, Az. 22 O 680/15, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund einer mündlicher Verhandlung erfordert. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist auch nicht aus anderen Gründen geboten.

Gründe

Das Urteil des Landgerichts Memmingen entspricht im Ergebnis der Sach- und Rechtslage. Entscheidungserhebliche Rechtsfehler im Sinne des § 520 Abs. 3 ZPO sind nicht ersichtlich.

Der Einwand der Berufung, das Erstgericht habe das im OH-Verfahren eingeholte Gutachten fehlerhaft interpretiert und auf nicht entscheidungsrelevante Gesichtspunkte abgestellt (u.a. Gefügedichtigkeit), greift jedenfalls im Ergebnis nicht durch.

Nach Auffassung des Senats belegen die Feststellungen des Sachverständigen Dipl. Ing. B eine Mangelhaftigkeit des durch die Beklagte errichteten Gewerkes. So ist zwischen den Parteien unstreitig und durch die Feststellungen des Sachverständigen belegt, dass es an der errichteten Schallschutzmauer zu deutlichen Wasseraustritten, Durchfeuchtungen sowie deutlich erkennbaren Kalkablaufspuren kommt. Auf Seite 10 ff. (Bild 6 ff.) des Gutachtens vom 19. Juni 2012 im OH-Verfahren 24 OH 1003/11 wird Bezug genommen.

Hierfür haftet die Beklagte als Erstellerin des Werkes. Für die Frage der Mangelhaftigkeit ist der funktionale „Herstellungsbegriff“ maßgeblich (vgl. zutreffend Ersturteil S. 4 f., Bl. 36 f. d.A.). Auch die Berufungsbegründung führt auf S. 3 (Bl. 73 d.A.) zutreffend aus:

„Zutreffend geht das Landgericht auch noch davon aus, dass sich die Herstellungspflicht eines werkvertraglichen Auftragnehmers nicht auf die Einhaltung der vereinbarten Leistung oder Ausführungsart beschränkt, wenn diese nicht zu einer zweckentsprechenden und funktionstauglichen Leistung führt. Vielmehr wird die Leistungvereinbarung der Parteien überlagert von der Herstellungspflicht, die dahin geht, ein nach den Vertragsumständen zweckentsprechendes funktionstaugliches Werk zu erbringen.“

Dieser „Herstellungspflicht“ ist die Beklagte nicht nachgekommen. Die Errichtung einer Schallschutzmauer beschränkt sich nicht nur auf die Errichtung eines schallmindernden Mauerwerkes. Auch wenn dies nicht ausdrücklich Bestandteil der Ausschreibung ist, so versteht es sich beispielsweise von selbst, dass das Werk einer gewissen Standfestigkeit bedarf, um Wind und Sturm Stand zu halten. Gleiches gilt für den Schutz vor Durchfeuchtung. Durchfeuchtungen bergen - gerade mit Blick auf winterliche Verhältnisse - eine nicht unerhebliche Gefahr von Frostschäden in sich.

Wendet man diese Vorgaben auf den Fall an, so ergibt sich auch und gerade im Lichte der Feststellungen des Sachverständigen eine Mangelhaftigkeit des Gewerkes insgesamt, die sich gerade nicht auf die Frage der Wasserdurchlässigkeit der Abdeckplatten beschränkt. Im Gegenteil. Aus den gutachterlichen Feststellungen des Sachverständigen geht hervor, dass neben den verwendeten Abdeckplatten auch die konkrete Ausführungen der Stoßfugen für die Durchfeuchtung und die Mangelhaftigkeit des Gewerkes mitursächlich war.

So wird auf S. 56 des Gutachtens (S. 96 d.A. 24 OH 1003/11) unmissverständlich die Mangelhaftigkeit des Gewerkes insgesamt belegt:

„Die Feststellungen und Untersuchungen haben ergeben, dass die Abdeckplatten der Schallschutzmauer wasserdurchlässig sind. Der im Versuch überprüfte Durchtritt von Wasser kann jedoch nicht allein für die Ansammlung von Wasser im Sockelbereich ursächlich sein. Vielmehr ist dies in einem Zusammenhang mit der Trockenverlegung der Stoßfugen zu sehen.

Aufgrund herstellungsbedingter Maßtoleranzen konnten offene Stoßfugenbreiten von bis zu 5 mm festgestellt (werden). Die Wandoberfläche ist daher insgesamt nicht als schlagregendicht zu bezeichnen - insbesondere bei Winddruck (auch Staudruck durch vorbeifahrende Fahrzeuge) wird ablaufendes Wasser über die Fugenspalten in den Wandinnenbereich geleitet.“

Hinsichtlich der Mangelhaftigkeit führt der Sachverständige auf S. 57 seines Gutachtens (Bl. 97 d.A. 24 OH 1003/11) wie folgt aus:

„Die Wasserdurchlässigkeit der Abdeckplatten ist mit ursächlich für die vorhandenen Sockeldurchfeuchtungen - als weitere Ursache ist aber auch die offene Stoßfugenausbíldung anzusehen, wodurch keine schlagregendichte Wandkonstruktion gegeben ist. Insgesamt kann die Mangelhaftigkeit der Abdeckplatten bestätigt werden.“

Vor diesem Hintergrund steht für den Senat fest, dass die Beklagte ihre Verpflichtung zur Herstellung einer funktionsfähigen Schallschutzmauer, die auch und gerade an einer befahrenen Straße einen ausreichenden Schutz gegen von oben und seitlich eindringendes Wasser bedarf, nicht erfüllt hat.

Dabei entlastet es die Beklagte auch nicht, dass in der Ausschreibung im Angebots-LV unter Pos. 40.7.60 auf die letztlich verwendeten Abdeckplatten der Fa. E, Fabrikat B, Bezug genommen wurde. Die Berufungsbegründung meint, dass damit die „Haftungsbefreiung“ § 13 Abs. 3 VOB/B greife. Dem folgt der Senat nicht.

§ 13 Abs. 3 VOB/B stellt keine Haftungsbefreiung im klassischen Sinne dar, sondern stellt klar, dass der Auftragnehmer vom Grundsatz her auch dann für die Mangelhaftigkeit des Gewerkes haftet, wenn der Mangel auf die Leistungsbeschreibung oder auf Anordnungen des Auftraggebers zurückzuführen ist. Ob eine solche Konstellation bzw. Anordnung vorliegt, ist Tatfrage und wurde vom Erstgericht durch vertretbare Auslegung des Leistungsverzeichnisses bejaht. Die Berufungsbegründung wendet hierzu auf S. 3 f. (Bl. 73 ff. d.A.) ein, dass das Erstgericht den Begriff „Wahlposition“ unter Ziffer 40.7.70 völlig verkannt habe. Eine „Wahlposition“ eröffnet dem Auftraggeber die Möglichkeit, ein Wahlrecht auszuüben und nicht dem Auftragnehmer.

Diese Aussage trifft zwar zu, erschüttert jedoch die Vertragsauslegung des Erstgerichts, die der Senat für nahe liegend erachtet, jedoch gerade nicht. Das Erstgericht hat sich nicht zu einem abschließenden „Wahlrecht“ zwischen zwei Alternativpositionen geäußert, sondern lediglich eine Vertragsauslegung zu der vorgelagerten Frage unternommen, ob die Klägerin eine verbindliche Vorgabe i.S.d. § 13 Abs. 3 VOB/B hinsichtlich der Materialverwendung gemacht hat. Der Wortlaut im Angebots-LV (Anlage K 1 „Wahlposition“) spricht für die erstgerichtliche Auslegung.

Letztlich kommt es jedoch darauf nicht an, da die Beklagte die von § 13 Abs. 3 VOB/B zur „Haftungsbefreiung“ weiter eingeforderte Bedenkensmitteilung nicht erbracht hat. Wie oben ausgeführt, war die gewählte Gesamtkonstruktion (Abdeckung, offene Stoßfugen) nicht geeignet, ein funktionstüchtiges und ausreichend wasserresistentes Gewerk zu gewährleisten.

Die Beklagte hätte daher Bedenken anmelden müssen. Dies ist nicht erfolgt.

Im Gegensatz zur Berufungsbegründung sieht der Senat die Beklagte dabei auch nicht durch das Sachverständigengutachten entlastet. Soweit die Berufung auf S. 61 des Sachverständigengutachtens (Bl. 101 d.A. 24 OH 1003/11) hinweist, ist zu bemerken, dass der Sachverständige eine Prüfpflicht lediglich für die Wasserdurchlässigkeit der Abdeckplatten selbst ablehnt. Wie eingangs ausgeführt wäre es aber auch und gerade im Lichte des funktionalen Herstellungsbegriffs verfehlt, bzgl. Mangelhaftigkeit und Bedenkensanmeldung auf einzelne Teile Gewerks abzustellen. Es geht um die Schallschutzmauer insgesamt und den erforderlichen Schutz vor Feuchtigkeitsschäden. Entsprechend der gutachterlichen Feststellungen einschließlich der gefertigten Lichtbilder war dieser Schutz nicht gewährleistet.

Hierfür haftet die Beklagte, die über langjährige bautechnische Erfahrungen verfügt, als Auftragnehmerin.

Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).

Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis spätestens 4. April 2016.

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Oberlandesgericht München Hinweisbeschluss, 09. März 2016 - 27 U 4582/15 Bau zitiert 3 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.