Oberlandesgericht München Endurteil, 02. Apr. 2015 - 7 U 2767/14

published on 02/04/2015 00:00
Oberlandesgericht München Endurteil, 02. Apr. 2015 - 7 U 2767/14
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Landgericht München I, 6 O 16097/13, 25/06/2014

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Tenor

I.

Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 25.06.2014, Az.: 6 O 16097/13, wird zurückgewiesen.

II.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III.

Das vorgenannte Urteil und das vorliegende Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der vollstreckbaren Forderung abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit leistet in Höhe von 110% der jeweils zu vollstreckenden Forderung.

IV.

Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin betreibt eine sogenannte Wirtschaftsauskunftei, die als privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen wirtschaftsrelevante Daten über Privatpersonen und Unternehmen an Geschäftspartner zur Verfügung stellt. Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der S. GmbH, eines Unternehmens der S.-Gruppe.

Im Jahre 2000 wurde von dem Unternehmen A. e. K. die Entscheidung getroffen, den bei der S.-Gruppe verfügbaren Warenbestand auch über eine Online-Plattform im Internet zu vertreiben. 2010 wurde dieser Unternehmensbereich aus dem Unternehmen A. e. K. ausgegliedert und auf die neu gegründete nunmehrige Insolvenzschuldnerin übertragen.

Eine Zusammenarbeit des Unternehmens A. e. K. mit der Klägerin hatte seit 2005 bestanden. Seit Mai 2010 erbrachte die Klägerin dann für die Insolvenzschuldnerin ihre Leistungen, zunächst jedoch ohne schriftlichen Vertrag.

Mit Beschluss des Amtsgerichts U. - Insolvenzgericht - vom 23.01.2012 wurde der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin bestellt, mit anschließendem Beschluss vom 01.04.2012 (Anlage K 1) wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Gläubigerausschuss hat zunächst den Beklagten ermächtigt, den Geschäftsbetrieb der Schuldnerin auch nach dem 01.06.2012 fortzuführen. In der Gläubigerversammlung am 05.06.2012 wurde die Entscheidung getroffen, den Geschäftsbetrieb der Schuldnerin zunächst bis zum Abschluss der damals laufenden „Investorengespräche“ weiterzuführen, wobei diese Gespräche bis spätestens 31.07.2012 beendet sein sollten. Die Gläubigerversammlung beschloss sodann, den Geschäftsbetrieb der Schuldnerin bis spätestens 15.08.2012 einzustellen.

Nach vorhergehenden Verhandlungen zwischen Vertretern der Klägerin und Vertretern der Insolvenzschuldnerin ist es am 14.06./22.06.2012 zwischen der Klägerin und dem Beklagten zum Abschluss der hier streitgegenständlichen Verträge gekommen. Zu diesem Zeitpunkt wurden zum Einen ein Datenlieferungsvertrag und ein „Vertrag über die Verarbeitung personenbezogener Daten im Wege der Auftragsdatenverarbeitung“ (Datenverarbeitungsvertrag) abgeschlossen (Anlage K 2), zum Anderen eine hierzu gehörende „Vergütungsvereinbarung“ (Anlage K 3). Die genannten Verträge weisen im vorgedruckten Kopf jeweils die Insolvenzschuldnerin als Vertragspartnerin der Klägerin aus; sie wurden indessen von dem Beklagten unter Hinweis auf seine Eigenschaft als Insolvenzverwalter unterzeichnet.

Gemäß Ziffer 3.2 des Datenlieferungsvertrages und gemäß Ziffer 10.1 des Datenverarbeitungsvertrages (K 2) ist der Vertrag jeweils „auf unbestimmte Zeit geschlossen und regelt die Zusammenarbeit der Vertragsparteien seit dem 24.08.2010. Der Vertrag ist mit einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Quartals von jeder Partei kündbar“. Gemäß Ziffer 3.1 des Datenlieferungsvertrages und gemäß Ziffer 6 des Datenverarbeitungsvertrages ist die von der Beklagtenseite gegenüber der Klägerin „geschuldete Vergütung ... in einer gesonderten Vergütungsvereinbarung geregelt“; hiermit ist die Vergütungsvereinbarung K 3 gemeint.

Gemäß Ziffer 3.1 der Vergütungsvereinbarung K 3 schuldet die Auftraggeberseite der Klägerin bis zu einem gewissen Auftragsvolumen Grundbeträge, nämlich für die Neukunden Deutschland 270.000 €/Jahr, für die Bestandskunden Deutschland 54.000 €/Jahr, für die Neukunden Österreich 50.000 €/Jahr sowie für die Bestandskunden Österreich 20.000 €/Jahr, jährlich somit insgesamt 394.000 €. Mit diesen Beträgen ist ein jeweiliges Jahresvolumen an Transaktionen abgegolten. Ziffer 3.2 bestimmt, dass die Jahrespauschalen „anteilig monatlich verrechnet“ werden. Gemäß Ziffer 1.2 verstehen sich die Preise „zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer“.

Ziffer 1.6 der Vergütungsvereinbarung lautet: „Soweit durch Weisungen des Auftraggebers im Rahmen des zwischen den Parteien geschlossenen Auftragsdatenverarbeitungsvertrages Mehraufwand bei D. entsteht, wird D. dies dem Auftraggeber anzeigen und die Parteien werden daraufhin eine Regelung über die zu zahlende Vergütung finden.“

Der Anwendungsbereich der Vergütungsvereinbarung ist in Ziffer 1.1 geregelt wie folgt: „Der Auftraggeber schuldet D. die nachfolgende Vergütung für die seitens D. erbrachten Leistungen im Rahmen:

a) des Vertrages über die Auftragsdatenverarbeitung

b) des Datenlieferungsvertrages.“

Mit Schreiben vom 18.10.2012 (Anlage K4) erklärte der Beklagte, dass er den bestehenden Vertrag für sofort bzw. zum nächstmöglichen Kündigungstermin kündige.

Die Klagepartei stellte dem Beklagten für die Monate Juni 2012 bis Ende August 2012 jeweils die sich aus der vorgenannten Ziffer 3.1 der Vergütungsvereinbarung errechnende Mindestvergütungspauschale in Höhe von 32.833,34 € zuzüglich Mehrwertsteuer in Rechnung. Diese Rechnungen wurden von dem Beklagten bezahlt.

Gegenstand der Klage sind die monatlichen Pauschalen von netto 32.833,34 € (39.071,67 € brutto) für den Zeitraum Anfang September 2012 bis Ende März 2013.

Die Klägerin ist der Auffassung, wegen der in den Verträgen (Anlage K 2) vereinbarten Kündigungsfristen habe die Kündigung wirksam erst zum 31.03.2013 erfolgen können, der Beklagte schulde daher bis dahin die streitgegenständliche Mindestvergütung. Für die Vergütungsvereinbarung sei die Festlegung einer gesonderten Kündigungsfrist nicht erforderlich gewesen, die Vergütungsvereinbarung stelle nämlich die Regelung der Gegenleistung des Beklagten für die klägerseits zu erbringenden Leistungen (gemäß Anlage K 2) dar. Es sei nicht vereinbart gewesen, dass die tatsächlich zu erbringende Vergütung von den tatsächlich beanspruchten Daten abhänge. Vielmehr bestehe die klägerseits zu erbringende Leistung schon in dem Vorhalten der entsprechenden Daten und in der Einräumung des Rechts des Beklagten, auf diese Daten zugreifen zu können. Eine Vergütung sei daher nicht nur für eine tatsächliche Inanspruchnahme von Daten geschuldet. Die Vergütung sei auch unabhängig davon geschuldet, ob der Betrieb der Insolvenzschuldnerin fortgeführt werde. Durch die Betriebseinstellung sei daher auch nicht die Geschäftsgrundlage entfallen. Die Kündigung sei überdies jedenfalls verspätet erfolgt.

Aufrechenbare Gegenforderungen der Beklagtenseite bestünden nicht. Insbesondere könne das Schriftformerfordernis gemäß Ziffer 1.6 der Vergütungsvereinbarung nicht auf solche Leistungen erstreckt werden, die nicht dem Anwendungsbereich der Verträge unterfielen. Jedenfalls habe die Schriftform keinerlei Rückwirkung. Die klägerseits über die Pauschale hinaus in der Vergangenheit erbrachten Leistungen, deren Begleichung die Beklagtenseite zum Gegenstand ihres Rückzahlungsverlangen mache, unterfielen schon vom Anwendungsbereich her nicht den Vereinbarungen gemäß Anlage K 2.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 273.501,72 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu bezahlen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Der Beklagte hat vorgetragen, dass die Klagepartei nach dem 15.08.2012 schon keine Leistungen mehr erbracht habe und aus diesem Grund ein Vergütungsanspruch nicht bestehen könne; auch in der Vergangenheit seien lediglich tatsächlich erbrachte Dienstleistungen abgerechnet worden. Die Vereinbarung K 2 sei lediglich aus datenschutzrechtlichen Gründen unterzeichnet worden, die monatliche Vergütung habe sich nicht ändern sollen. Außerdem habe im Zuge der geplanten Betriebsfortführung im Rahmen des Investorenprozesses eine bestandskräftige datenschutzrechtlich taugliche Vereinbarung vorgelegt werden müssen; auch sei das Unternehmen der Insolvenzschuldnerin einer due diligence Prüfung unterzogen worden; hierzu habe gehört, die klägerseits betriebene Auskunftei auf datenschutzrechtlich verlässliche Füße zu stellen. Die Vergütungsvereinbarung K 3 enthalte keine Regelung der Kündigungsfrist, daher gelte das gesetzliche Kündigungsrecht. Außerdem stehe der Beklagtenseite wegen Störung der Geschäftsgrundlage (Einstellung des Betriebs) ein Kündigungsrecht zu, denn beide Seiten seien bei Vertragsschluss von einer Betriebsfortführung ausgegangen. Des Weiteren stehe der Beklagtenseite gemäß § 314 BGB ein Kündigungsrecht zu.

Auch rechnet der Beklagte mit zwei Gegenforderungen auf:

Die Konzernrevision und die Rechtsabteilung der Schuldnerin hätten Unregelmäßigkeiten bei der Beauftragung von Drittdienstleistern festgestellt und hätten in diesem Rahmen Leistungen, welche die Klägerin abgerechnet habe, nicht nachvollziehen können. Insoweit macht der Beklagte einen Rückgewährsanspruch aus Insolvenzanfechtung und einen Kondiktionsanspruch in Höhe von 229.194 € geltend.

Außerdem stehe dem Beklagten ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von 302.854,59 € zu. Die Schriftformvereinbarung gemäß Ziffer 1.6 der Vergütungsvereinbarung erfasse auch in der Vergangenheit erbrachte Leistungen, für die die Klägerseite die vereinbarte Anzeige nicht vorweisen könne. Es werde außerdem bestritten, dass die Klägerin Mehrabfragen im Wert von rund 44.000 € im Auftrag der Insolvenzschuldnerin erbracht habe.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Berufung des Beklagten, mit der er seinen Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt. Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

In der Berufungsinstanz wiederholen und vertiefen die Parteien ihr bisheriges Vorbringen.

Zum sonstigen Vorbringen der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze, auch in der Berufungsinstanz, sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vor dem Landgericht vom 09.04.2014 und vor dem Senat vom 11.03.2015 sowie auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

II.

Die Berufung ist unbegründet. Die Klage ist in vollem Umfang begründet; aufrechenbare Gegenforderungen des Beklagten bestehen nicht.

1.

a) Das Landgericht hat zutreffend darauf erkannt, dass der Klägerin ein Zahlungsanspruch in Höhe der (rechnerisch unstreitigen) Monatsvergütung in Höhe von brutto 39.071,67 € für sieben Monate (Anfang September 2012 bis Ende März 2013), somit die Klagesumme, zusteht. Dies folgt aus Ziffer 3.1 der Vergütungsvereinbarung K 3, die ein Jahresmindestentgelt von 394.000 €, also ein Monatsentgelt von netto 32.833,33 € (brutto 39.071,67 €) vorsieht.

Das Landgericht hat daher der Klägerin im Ergebnis zutreffend für sieben Monate die monatliche Grundpauschale zuzüglich Umsatzsteuer zugesprochen.

b) Zutreffend hat das Landgericht hierbei entschieden, dass die Beklagtenseite der Klägerin die vertraglich vereinbarte Vergütung schuldet bis Ende März 2013, weil im Datenlieferungsvertrag unter Ziffer 3.2, im Datenverarbeitungsvertrag unter Ziffer 10.1 eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Quartalsende vorgesehen ist, so dass bei Anwendung dieser Kündigungsvorschrift die Kündigung des Beklagten vom 18.10.2012 (Anlage K 4) zu einem Vertragsende am 31.03.2013 geführt hat. Entgegen der Auffassung des Beklagten war es nicht erforderlich, in der Vergütungsvereinbarung K 3 eine gesonderte Kündigungsregelung zu vereinbaren. Denn das Vorbringen der Klägerseite ist unbestritten geblieben, wonach lediglich aus datenschutztechnischen Gründen die Leistung und Gegenleistung der beiden Parteien in dem Vertragskonglomerat K 2/K 3 getrennt geregelt wurde. Hierzu hat die Klägerseite nämlich nachvollziehbar vorgetragen, dass die Datenlieferungs- und Verarbeitungsverträge (Anlage K 2) den Datenschutzbehörden zur Einsicht gestellt werden müssen. Um zu vermeiden, auch die Vergütungsregelung offenbaren zu müssen, sei die Vergütungsvereinbarung getrennt, nämlich in der Vereinbarung gemäß Anlage K3, festgelegt worden.

Es handelt somit sich bei der Vereinbarung K 3 lediglich um die Fixierung der synallagmatischen Gegenleistung der Beklagtenseite für die klägerseits gemäß Anlage K 2 zu erbringenden Leistungen. Dies bedeutet, dass mit Kündigung der Vereinbarungen gemäß Anlage K 2 gleichzeitig, nämlich zum sich aus der Anlage K 2 ergebenden Zeitpunkt, die Vergütungsvereinbarung gekündigt und beendet ist.

Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass auch die Kündigungserklärung des Beklagten (K 4) sprachlich ohnehin nicht zwischen Lieferungs- und Verarbeitungsvertrag einerseits und Vergütungsvereinbarung andererseits unterscheidet; immerhin wird hieraus aber abzuleiten sein, dass der Beklagte selbst vorgerichtlich von einem einheitlichen und einheitlich zu kündigenden Synallagma ausgegangen ist.

2.

Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt weder aus der Auslegung des Vertragskonglomerats, noch aus § 313 oder aus § 314 BGB, dass die Vergütung nur für tatsächlich erbrachte Leistungen im Sinne des Abrufes von Daten durch die Beklagtenseite oder nur bis 15.08.2012 geschuldet wäre.

a) Ziffer 1.1 der Vergütungsvereinbarung regelt zwar, dass der Auftraggeber der Klägerin eine Vergütung für die seitens der Klägerin „erbrachten Leistungen“ schuldet. Diese erbrachten Leistungen sind aber nicht nur tatsächlich gelieferte oder verarbeitete Daten, sondern die zu vergütende Leistung der Klägerseite ist schon darin zu sehen, dass sie die potenziell von der Beklagtenseite abzurufenden Daten bereit hält und gleichzeitig der Beklagtenseite das Recht einräumt, diese Daten kurzfristig abzurufen.

Es kommt daher nicht mehr auf die zwischen den Parteien streitigen Fragen an, in welchem Umfang nach dem 15.08.2012 beklagtenseits noch tatsächlich Daten bei der Klägerin abgerufen wurden, und ob die (indes in monatlichen Teilbeträgen fällige) Jahrespauschale jedenfalls für 2012 schon deshalb insgesamt angefallen ist, weil der Beklagte unstreitig vor dem 15.08.2012 Leistungen der Klägerin abgerufen hat.

b) Aus den Gesamtumständen folgt gleichzeitig, dass die Betriebseinstellung auf Beklagtenseite keine Störung und keinen Wegfall der Geschäftsgrundlage verursacht hat.

Denn aufgrund des beiderseitigen Vorbringens der Parteien ist davon auszugehen, dass allen Beteiligten klar war, dass das Unternehmen der Insolvenzschuldnerin sich im Insolvenzverfahren befindet, und dass zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses K 2 ein sogenannter „Investorenprozess“ stattfindet, also Gespräche mit den Gläubigern der S.-Gruppe darüber, ob der Betrieb des Unternehmens der Insolvenzschuldnerin fortgeführt werden kann oder nicht. Naturgemäß ist ein derartiger Investorenprozess bis zu einem positiven Abschlussergebnis offen. Allen Beteiligten, somit auch dem Beklagten, war mithin klar, dass der Investorenprozess auch mit einem negativen Ergebnis, also mit dem Beschluss der Einstellung des Betriebs der Insolvenzschuldnerin enden konnte. Gleichwohl hat der Beklagte sich auf die Vereinbarungen K 2/K 3 eingelassen, insbesondere auf die dort vereinbarten Kündigungsfristen. Es war somit nicht Geschäftsgrundlage, dass der Betrieb fortgeführt würde. Vielmehr war auch dem Beklagten klar, dass er - gerade wegen der vereinbarten Kündigungsfristen - Gefahr läuft, für das Anbieten der Leistungen der Klägerin weiterhin bis zum ordentlichen Kündigungszeitpunkt die Vergütung erbringen zu müssen, ohne noch sinnvollerweise Daten bei der Klägerin abrufen zu können.

Unbehelflich ist in diesem Zusammenhang auch der Hinweis der Beklagtenseite auf den Datenschutz bzw. auf die due diligence Prüfung, die betreffend das Unternehmen der Insolvenzschuldnerin stattfand. Denn datenschutzrechtlich verpflichtet war nicht etwa nur die Klägerseite, die also nur deshalb ein Interesse an der schriftlichen Fixierung der Leistungen der Klägerin für den Beklagten gehabt hätte. Unstreitig unterfallen die Leistungen, die in den Verträgen K 2 niedergelegt sind, den Verpflichtungen gemäß § 11 Abs. 2 Bundesdatenschutzgesetz. Datenschutzrechtlich verpflichtet ist aber (auch) der Beklagte als Auftraggeber gemäß § 11 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz. Die schriftliche Fixierung der klägerseits zu erbringenden Leistungen lag daher keineswegs nur im Interesse der Klägerin, sondern auch des Beklagten. Gleiches gilt für die due diligence: Nachvollziehbar ist das diesbezügliche Vorbringen der Beklagtenseite, dass möglichen Investoren ein datenschutzrechtlich verlässlicher Vertrag vorgestellt werden sollte, und dass insbesondere durch die vereinbarten Kündigungsfristen sichergestellt werden sollte, dass ein möglicher Investor sogleich weiterarbeiten könnte, ohne datenschutzrechtliche Probleme bewältigen zu müssen. Dieses Vorhaben konnte aber nur dann gelingen, wenn die hierzu zu treffende Vereinbarung (hier: gemäß Anlage K 2) ernst gemeint und dauerhaft verlässlich war. Auch insoweit lag der Abschluss der (schriftlichen) Vereinbarung mindestens ebenso im Interesse der Beklagtenseite wie der Klägerin.

c) Auch eine vorzeitige Kündigung gemäß § 314 BGB kommt nicht in Betracht. Hierbei kann dahinstehen, ob die Einstellung des Betriebs der Insolvenzschuldnerin vor dem Hintergrund des „Investorenprozesses“ einen wichtigen Grund iSd § 314 Abs. 1 BGB darstellt. Denn jedenfalls ist die Kündigung nicht „innerhalb einer angemessenen Frist“ iSd § 314 Abs. 3 BGB erfolgt: unstreitig wurde der Geschäftsbetrieb zum 15.08.2012 eingestellt. Die Kündigung erfolgte erst mehr als zwei Monate später, nämlich am 18.10.2012 (K 4), also bei weitem nicht mehr rechtzeitig. Es ist nicht ansatzweise erkennbar bzw. dargestellt worden, weshalb die Kündigung nicht unverzüglich nach Betriebseinstellung erfolgt ist. Gerade nach dem Vertragsverständnis des Beklagten (die Verträge K 2 wurden nur für den Fall der Fortführung des Betriebs benötigt und waren hieran geknüpft) hätte die Kündigung sofort nach der Betriebseinstellung erfolgen können und müssen. Dies ist nicht geschehen.

3.

Zu Recht hat das Landgericht darauf erkannt, dass der Beklagte nicht mit einer Gegenforderung von 229.194 € aufrechnen kann. Insoweit hatte die Beklagtenseite erstinstanzlich in der Tat nur vorgetragen, bei einer Rechnungsprüfung seien Rechnungen entdeckt worden, die nicht nachvollziehbar gewesen seien. Es fehlt indessen jegliche substantiierte Darlegung, um welche Rechnungen (die immerhin bezahlt worden waren) der Klägerseite es sich dabei handeln sollte. Des Weiteren fehlt jegliches Vorbringen dazu, weshalb diese Rechnungen nicht nachvollziehbar gewesen seien. Das Landgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dass es auf diese Mängel im Vortrag der Beklagtenseite explizit hingewiesen hat, ohne dass insoweit weiterer Vortrag erfolgt wäre. Hieran vermag auch nichts zu ändern, dass der Beklagte in der Berufungsbegründung vorträgt, er habe substantiiert vorgetragen, ohne derartigen substantiierten Vortrag bezeichnen zu können.

4.

Ferner kann der Beklagte auch nicht mit einer behaupteten Gegenforderung in Höhe von 302.854,59 € aufrechnen.

Diese wird beklagtenseits darauf gestützt, dass in Ziff. 1.6 der Vergütungsvereinbarung für Mehrarbeiten eine bedingte Schriftformklausel (Anzeigepflicht der Klägerin und anschließende Vereinbarung einer Vergütung) niedergelegt wurde und dass dem Vertrag Rückwirkung bis 24.08.2010 beigemessen wurde (Ziff. 3.2 S. 1 des Datenliefungsvertrages; Ziff. 10.1 S. 1 des Datenverarbeitungsvertrages; Ziff. 1.7 der Vergütungsvereinbarung). Anzeigen seien indes nicht erfolgt und Regelungen über die Vergütung seien nicht getroffen worden; die Zahlungen seien daher in der vorgenannten Höhe ohne Rechtsgrund erfolgt.

Dem ist nicht zu folgen.

a) Zum einen vermag sich der Senat nämlich schon nicht der Auffassung des Beklagten anzuschließen, dass diese Rückwirkung nicht nur auf die Tätigkeit der Klägerin als solche anzuwenden sein sollte; dieses Verständnis liegt aber deshalb nahe, weil § 11 Abs. 2 S. 2 BDSG die - in der Vergangenheit unstreitig nicht gewahrte - Schriftform für die Beauftragung der Klägerin verlangt. Nach Auffassung des Beklagten soll vielmehr zugleich rückwirkend das dargestellte Formerfordernis (Anzeigepflicht der Klägerin und anschließende Vereinbarung einer Vergütung) für Mehrarbeiten vereinbart worden sein. Eine derartige Vereinbarung wäre aber von vornherein auf eine unmögliche Leistung gerichtet gewesen. Denn allen Beteiligten war bekannt, dass in der Vergangenheit Mehrarbeiten durch die Klägerin nicht angezeigt worden waren und dass Vereinbarungen zwischen Klägerin und Insolvenzschuldnerin über die hierfür anfallende Vergütung nicht getroffen worden waren. Nach dem Vertragsverständnis des Beklagten hätte sich die Klägerin mit der Rückwirkungsvereinbarung also bereits erworbener und befriedigter Forderungen nachträglich begeben. Ein nachvollziehbarer wirtschaftlicher Grund für einer derartige Vorgehensweise ist aber weder ersichtlich noch dargestellt. Die Verträge können also nicht dahingehend ausgelegt werden, dass dies tatsächlich gewollt war. Vielmehr bezieht sich die Rückwirkung ausschließlich darauf, dass hiermit auch in die Vergangenheit wirkend datenschutzrechtlich ordnungsgemäße Zustände hergestellt werden sollten, nicht aber, dass unstreitig abgerechnete und beglichene Forderungen rückabgewickelt werden sollten.

b) Außerdem ist das Vorbringen der Klägerseite unbestritten geblieben, dass es sich bei den Leistungen, die die Klägerin insoweit über die tatsächlich geschuldete Pauschale hinaus abgerechnet hat, um Zusatzarbeiten handelt, die mit der Datenlieferung bzw. Datenverarbeitung im Sinne der beiden Verträge K 2 nichts zu tun haben. Bei den klägerseits abgerechneten Leistungen handelt es sich daher nicht um „Mehraufwand“ iSd Ziff. 1.6 der Vergütungsvereinbarung. Denn dieser Begriff bezieht sich nur auf Leistungen der Klägerin, die „im Rahmen des zwischen den Parteien geschlossenen Auftragsdatenverarbeitungsvertrages“ anfallen. Die Klägerin hat aber - inhaltlich durch den Beklagten nicht bestritten - im Schriftsatz vom 04.04.2014 (Bl. 8 f = Bl. 103 d. A.) unter Ziff. 2.3 detailliert dargelegt, welche - zu einem Betrag von 167.909 € brutto abgerechneten - Zusatzleistungen sie erbracht hat. Des Weiteren hat sie - auch insoweit vom Beklagten nicht beanstandet - dargestellt, dass es bei den hierbei abgerechneten Arbeiten gerade nicht um „im Rahmen des zwischen den Parteien geschlossenen Auftragsdatenverarbeitungsvertrages“ erfolgende Leistungen geht, die also mit der Datenverarbeitung nichts zu tun haben (siehe insbesondere Schriftsatz vom 07.03.2014, Bl. 15 ff = Bl. 68 ff d. A.) und die daher der Formvorschrift der Ziff. 1.6 der Vergütungsvereinbarung von vornherein nicht unterfallen.

c) Weiter hat die Klägerin - auch insoweit durch den Beklagten nicht beanstandet - dargestellt, dass auf den Leistungszeitraum ab 24.08.2010 Zahlungen des Beklagten nur in Höhe von 733.442,31 brutto entfielen (Schriftsatz vom 04.04.2014, Bl. 3 f = Bl. 102 d. A., unter Ziff. 1).

d) Auf diesen Leistungszeitraum entfallen (insoweit bis auf 44.301,75 € unstreitig, siehe hierzu unten lit. f) Pauschal- und Setup-Vergütungsansprüche der Klägerin in Höhe von (565.273,86 € - 44.301,75 € =) 520.972,11 € netto, somit 619.956,81 € (siehe hierzu Schriftsatz vom 04.04.2014, Bl. 7 = Bl. 102 d. A.).

e) Rechnerisch schuldet daher der Beklagte für den Leistungszeitraum ab 24.08.2010 jedenfalls (lit. b und d) brutto 787.865,81 € (619.956,81 € + 167.909 € ), also mehr als die für diesen Zeitraum geleisteten 733.442,31 €. Ein Rückforderungsanspruch des Beklagten besteht daher nicht.

f) Ob die Beklagtenseite das von der Pauschale erfasste Abfragevolumen überschritten hat und ob deshalb darüber hinaus die Klägerin weitere 44.301,75 € abrechnen durfte (hierzu zuletzt Bl. 27 der Berufungserwiderung = Bl. 219 d. A. sowie Schriftsatz vom 30.01.2015, Bl. 6 = Bl. 232 d. A.; bestritten durch die Beklagtenseite, siehe hierzu Schriftsatz vom 14.05.2014, Bl. 6 = Bl. 127 d. A.), kann daher dahinstehen. Gleiches gilt für die weiteren klägerseits in die Gegenrechnung eingestellten Ansprüche.

III.

Kosten: § 97 Abs. 1 ZPO

Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO

Die Zulassung der Revision kommt nicht in Betracht, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.

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(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung

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(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

(2) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Für die Entbehrlichkeit der Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und für die Entbehrlichkeit einer Abmahnung findet § 323 Absatz 2 Nummer 1 und 2 entsprechende Anwendung. Die Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und eine Abmahnung sind auch entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen.

(3) Der Berechtigte kann nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat.

(4) Die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen, wird durch die Kündigung nicht ausgeschlossen.

(1) Der Deutsche Bundestag wählt ohne Aussprache auf Vorschlag der Bundesregierung die Bundesbeauftragte oder den Bundesbeauftragten mit mehr als der Hälfte der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder. Die oder der Gewählte ist von der Bundespräsidentin oder dem Bundespräsidenten zu ernennen. Die oder der Bundesbeauftragte muss bei ihrer oder seiner Wahl das 35. Lebensjahr vollendet haben. Sie oder er muss über die für die Erfüllung ihrer oder seiner Aufgaben und Ausübung ihrer oder seiner Befugnisse erforderliche Qualifikation, Erfahrung und Sachkunde insbesondere im Bereich des Schutzes personenbezogener Daten verfügen. Insbesondere muss die oder der Bundesbeauftragte über durch einschlägige Berufserfahrung erworbene Kenntnisse des Datenschutzrechts verfügen und die Befähigung zum Richteramt oder höheren Verwaltungsdienst haben.

(2) Die oder der Bundesbeauftragte leistet vor der Bundespräsidentin oder dem Bundespräsidenten folgenden Eid: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe. “ Der Eid kann auch ohne religiöse Beteuerung geleistet werden.

(3) Die Amtszeit der oder des Bundesbeauftragten beträgt fünf Jahre. Einmalige Wiederwahl ist zulässig.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.