vorgehend
Landgericht München II, 13 O 1195/11, 29.11.2013

Gericht

Oberlandesgericht München

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten vom 08.01.2014 wird das Endurteil des LG München II vom 29.11.2013 (Az. 13 O 1195/11) in Ziffer I abgeändert und wie folgt neu gefasst:

I. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger bis zum Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, eingetretene Schäden, sowie jegliche künftige Schäden zu ersetzen, die auf dem Unfallereignis vom 05.08.2009 gegen 17.45 Uhr auf der Ortsverbindungsstraße von H. nach G. im Gemeindegebiet von … H. beruhen. Dies gilt, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden, sowie hinsichtlich materieller Schäden zu einem Anteil von 50 Prozent, hinsichtlich immaterieller Schäden unter Berücksichtigung hälftigen Mitverschuldens.

II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

3. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beide Parteien können jeweils die Vollstreckung (hinsichtlich der Kosten) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

6. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A. Der Kläger verlangt von den Beklagten als Gesamtschuldner den Ersatz jeglichen materiellen und immateriellen Schadens aus einem Verkehrsunfall, wobei aufgrund seines Interesses an einer grundsätzlichen Klärung des Haftungsanteils allein eine Feststellungsklage erhoben wurde und wird.

I. Zugrunde liegt eine Fahrt des Klägers am Mittwoch, den 05.08.2009 gegen 17.45 Uhr, mit seinem Mountainbike Steppenwolf Tycoon auf der Ortsverbindungsstraße von H. nach G. im Gemeindegebiet von … H., Landkreis W.-S. Diese Straße ist ein ausgebauter, mit Schotter befestigter öffentlicher Feld- und Waldweg, der einerseits als Rad- und Wanderweg ausgewiesen, andererseits ausweislich jeweils am Beginn und Ende aufgestellter Verkehrszeichen (Zeichen 260, Anlage 2 zu § 41 I StVO) für Kraftfahrzeuge gesperrt, jedoch für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge mittels Zusatzschildes freigegeben ist. Der Kläger, dem die Fahrtstrecke aufgrund einiger vorangegangener Fahrten bekannt war, fuhr auf leicht abschüssiger Fahrbahn in nördlicher Richtung, nach dem Verlassen eines bewaldeten Straßenabschnitts und einer leichten Rechtskurve öffnete sich eine Lichtung mit annähernd gerader Fahrstrecke. In einer Entfernung von mindestens 60 Metern folgt die „Tiefenbachbrücke“, die bei leicht ansteigendem Straßenverlauf in eine Linkskurve übergeht. In Höhe der Brücke ist die Fahrbahn zwischen 2,94 und 3,34 Meter breit. Zum Unfallzeitpunkt war bei sonnigem Wetter und trockenen Bodenverhältnissen der Brückenbeginn durch beidseitigen Pflanzenbewuchs teilweise verschattet und schlecht einsehbar.

Zu diesem Zeitpunkt näherte sich der Beklagte zu 1) aus der Gegenrichtung, also von Norden oder aus G. kommend, mit seinem Traktor Claas Ares 617, amtliches Kennzeichen …, dem ein Trommelmähwerk Corto 3150F Profil mit einer Breite von 2,93 Metern in einem Abstand von 1,9 Metern zu den Vorderrädern und einer Bodenhöhe von 0,45 Metern vorgebaut war. Nachfolgend leitete der Kläger eine Vollbremsung ein und kam wegen des wegrutschenden Hinterrades zu Sturz. Er schlitterte auf den Traktor zu, unter dem vorgebauten Mähwerk durch und kam vor dessen linken Vorderreifen zu liegen. Der Traktor, der seine Geschwindigkeit noch nicht vollständig abgebaut hatte, fuhr mit geringer Geschwindigkeit eine kurze Strecke von 0,25 Metern auf den Brustkorb des Klägers auf.

Der Kläger wurde schwer verletzt, und ist dauerhaft weder geh-, noch erwerbsfähig. Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird ergänzend auf das angefochtene Urteil vom 29.11.2013 (Bl. 123/129 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

II. Das LG München II hat nach Beweisaufnahme der Klage zu zwei Dritteln stattgegeben, und im Übrigen die Klage abgewiesen, wobei auch immaterielle Ansprüche gleichartig quotiert wurden und die Kostenentscheidung - ohne Erläuterung und Begründung - gegenteilig ausgefallen ist. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 126/129 d. A.) Bezug genommen.

III. Gegen dieses ihm am 05.12.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem beim Oberlandesgericht München am 07.01.2014 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt (Bl. 141/142 d. A.) und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist gemäß Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 19.02.2014 (Bl. 154 d. A.) - mit einem beim Oberlandesgericht München am 05.03.2014 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag fristgerecht (Bl. 154/161 d. A.) begründet.

Der Kläger beantragt,

das Ersturteil aufzuheben und nach dem Antrag erster Instanz zu erkennen (BB 1 = Bl. 154 d. A., Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 27.06.2014, S. 2 = Bl. 184 d .A.).

Insoweit war beantragt worden, die uneingeschränkte Ersatzpflicht der Beklagten als Gesamtschuldner für jegliche materielle und immaterielle Schäden des Klägers aus dem Unfallereignis vom 05.08.2009 festzustellen, soweit kein Anspruchsübergang auf Sozialleistungsträger oder sonstige Dritte erfolgt ist (EU 3 = Bl. 125 d. A.).

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen (Bl. 166 d. A., Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 27.06.2014, S. 2 = Bl. 184 d. A.).

IV. Die Beklagten haben gegen das ihnen am 09.12.2013 zugestellte Urteil ebenfalls Berufung eingelegt, mit beim Oberlandesgericht München am 08.01.2014 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag (Bl. 145/146 d. A.). Diese wurde - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist gemäß Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 06.02.2014 (Bl. 151 d. A.) - mit einem beim Oberlandesgericht München am 06.03.2014 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag fristgerecht (Bl. 162/165 d. A.) begründet.

Die Beklagten beantragen,

das Ersturteil aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt insoweit,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen (Bl. 147 d. A.; Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 27.06.2014, S. 2 = Bl. 184 d .A.).

V. Der Senat hat in mündlicher Verhandlung beide unfallbeteiligte Parteien persönlich angehört; insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung (v. 27.06.2013, Bl. 183/187 d. A.) Bezug genommen.

Weiterhin wurde gemäß Beweisbeschluss vom 05.09.2014 (Bl. 194/197 d. A.) Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen unfallanalytischen Gutachtens der Sachverständigen K., und gemäß Beweisbeschluss vom 12.11.2014 (Bl. 212/214 d. A.) durch Einholung eines medizinischtraumabiomechanischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. H. Hinsichtlich der Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Gutachten vom 10.06.2015 (Bl. 225/276 d. A.) und vom 04.02.2016 (Bl. 296/339 d. A.) verwiesen, sowie auf die ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen K. vom 06.06.2016 (Bl. 362/373 d. A.).

Zuletzt wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die Hinweise des Senats vom 13.05.2014 (Bl. 171/177 d. A.) und vom 20.04.2016 (Bl. 358/359 d. A.), sowie den Beschluss vom 17.02.2016 (Bl. 340/348 d. A.) Bezug genommen.

Der Senat hat gemäß Beschluss vom 07.06.2016 mit Zustimmung der Parteien schriftlich entschieden, § 128 II ZPO (Bl. 374/376 d. A.); als Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, wurde der 30.06.2016 bestimmt, verlängert bis 04.07.2016 (Bl. 380 d. A.). Die daraufhin eingegangenen Schriftsätze der Beklagten (v. 30.06.2016, Bl. 379 d. A.) und des Klägers (v. 04.07.2016, Bl. 381/385 d. A.) wurden bei der Entscheidung berücksichtigt.

B. Die beiderseitigen Berufungen sind statthaft, sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet, somit zulässig. Während die Berufung der Beklagten in der Sache einen Teilerfolg erzielt, ist Berufung des Klägers insgesamt unbegründet. Die Entscheidung des Landgerichts erweist sich - nach ergänzender Beweiserhebung - als insoweit zutreffend, als zugunsten des Klägers die Ersatzpflicht der Beklagten für Sach- und Vermögensschäden, sowie die Entschädigungspflicht für Personenschäden festgestellt worden ist. Unrichtig sind einerseits Bemessung und Begründung des Haftungsanteils der Beklagten von zwei Dritteln, andererseits die Bewertung der jeweiligen straßenverkehrsrechtlichen Sorgfaltspflichten.

I. Das Erstgericht geht zutreffend davon aus, dass der Kläger ein rechtlich geschütztes Feststellungsinteresse (§ 256 I ZPO) nicht nur hinsichtlich seiner künftigen Schäden hat, sondern auch hinsichtlich der grundsätzlichen Eintrittspflicht der Beklagten.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Terminshinweise (v. 13.05.2014, S. 7 = Bl. 77 d. A.) und den Hinweisbeschluss (v. 17.02.2016, S 8 = Bl. 347 d. A.) des Senats Bezug genommen.

II. Wiederum im Grundsatz zu Recht hat das Ersturteil Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche zuerkannt, weil die Beklagten für die unfallbedingten Schäden und Verletzungen des Klägers wegen straßenverkehrsrechtlicher Verursachungs- und Verschuldensbeiträge haften. Der Senat stellt klar, dass diese Haftung jeweils auf der verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung des Fahrzeughalters (Bl. 3 d. A. 56 Js 27317/09 der Staatsanwaltschaft München II) und des Haftpflichtversicherers für den Fahrzeughalter beruht (§§ 7 I StVG, 115 I 1 Nr. 1, 4 VVG), beruht, während die Haftung des Fahrzeugführers aus vermutetem (§ 18 I StVG) oder nachzuweisendem (§ 823 I, II BGB) Verschulden dahinter zurücktritt.

Ebenso richtig hat das Landgericht dem Kläger gewichtige Verursachungsbeiträge und mitwirkendes Verschulden (§§ 9 StVG, 254 I BGB) zugewiesen, der Senat ist jedoch nach Überprüfung und eigenständiger Bewertung der Auffassung, dass im Streitfall eine hälftige Haftungsverteilung angemessen ist.

1. Der Senat ist an die entscheidungserheblichen tatsächlichen Feststellungen (s. Senat, Urt. v. 31.07.2015 - Aktenzeichen 10 U 4733/14 [BeckRS 2015, 13736]) des Ersturteils nach § 529 I Nr. 1 ZPO für das weitere Verfahren gebunden, wenn und soweit dem Erstgericht insoweit Fehler nicht unterlaufen sind. Eine solche Bindung entfällt nur dann, wenn und soweit diese Feststellungen offensichtlich lückenhaft, widersprüchlich oder unzutreffend sind (BGH WM 2015, 1562), und somit konkrete Anhaltspunkte Zweifel an deren Richtigkeit oder Vollständigkeit wecken (BGH NJW 2003, 3480). Folgende Umstände hat das Erstgericht zutreffend ermittelt und in den Entscheidungsgründen dargelegt:

a) An der Unfallstelle bestand die Fahrbahn aus einem geschotterten Waldweg (EU 2 = Bl. 124 d. A.), soweit der Kläger dies, entgegen seinem eigenen ursprünglichen Vortrag (Schriftsatz v. 24.05.2011, S. 2 = Bl. 22 d. A.), nun offenbar bestreiten möchte (Hinweisreplik v. 16.06.2014, S. 1 = Bl. 178 d. A.) kann dies, als nicht zulässiger Angriff auf den unstreitigen erstinstanzlichen Tatbestand, nicht berücksichtigt werden. Hierauf wurde der Kläger bereits hingewiesen (Terminshinweise v. 13.05.2014, Bl. 171 d. A.).

b) Das Fahrzeug des Beklagten zu 1) war, einschließlich des vorgebauten Mähwerks, nicht mehr als drei Meter breit und bedurfte daher keiner Ausnahmegenehmigung nach §§ 32 I Nr. 2. StVZO, 29 III StVO. An der Unfallstelle versperrte dieses Fahrzeug vollständig den gesamten Weg, ein Ausweichen des Klägers nach rechts auf den Rand der Fahrbahn wäre wegen eines hölzernen Brückengeländers nicht möglich gewesen. Diese Tatsachen sind zwischen den Parteien unstreitig.

c) Der Kläger fuhr zum Zeitpunkt der gegenseitigen Wahrnehmung eine Geschwindigkeit von 20 bis 30 km/h, der Beklagte zu 1) eine solche von 10 bis 12 km/h. Diese Werte hat das Ersturteil aus den Angaben der Parteien entnommen und als nicht zu widerlegen zugrunde gelegt (EU 5, 6 = Bl. 126/127 d. A.). Soweit beide Parteien nun versuchen, jeweils ihre Geschwindigkeit auf den günstigsten Wert verringert darzustellen (Protokoll v. 27.06.2014, S. 3, 4 = Bl. 185/186 d. A.; Hinweisreplik v. 16.06.2014, S. 4 = Bl. 181 d. A.), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zum einen sind diese Angaben ersichtlich aus dem Versuch geboren, die nachträglich als ungünstig erkannten Gutachtensergebnisse zu beseitigen, zum anderen konnten beide Parteien keinerlei Tatsachen oder Anhaltspunkte liefern, warum die ursprüngliche, im Übrigen durchaus wirklichkeitsnahe Geschwindigkeitsschätzung unzutreffend sein sollte.

d) Die Sichtverhältnisse waren für beide Parteien stark beeinträchtigt, beiden Parteien waren die örtlichen Verhältnisse aufgrund früheren Fahrten auf dieser Strecke bekannt (EU 6 = Bl. 128 d. A.).

2. Zusätzlich hat der Senat ergänzende Feststellungen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO) getroffen, die den Sachverhalt vervollständigen, insbesondere durch je ein unfallanalytisches und medizinischestraumabiomechanisches Sachverständigengutachten, sowie durch erneute persönliche Anhörung des Klägers und des Beklagten zu 1).

Der Senat schließt sich dabei - nach Überprüfung und eigenständiger Würdigung, die sich auf die Sachkunde eines seit vielen Jahren ausschließlich mit Verkehrsunfallsachen befassten Spezialsenats stützen können - den überzeugenden Darlegungen und Berechnungen der Sachverständigen K. und Dr. H. an, deren Sachkunde und Zuverlässigkeit dem Senat aus einer Vielzahl von Sachverständigengutachten seit vielen Jahren bekannt sind. Die Gutachten verfolgen zutreffende Anknüpfungstatsachen, werten den Sachverhalt vollständig aus und begründen ihre Ergebnisse nachvollziehbar und verständlich.

a) Der Beklagte zu 1) hatte zum Unfallzeitpunkt das Abblendlicht (§ 17 I S. 1 StVO) nicht eingeschaltet, weil er dies nicht für geboten hielt, und keine Warnsignale gegeben (Protokoll v. 27.06.2014, S. 4 = Bl. 186 d. A.). Der Kläger hatte in Annäherung an die Unfallstelle zeitweilig nicht den Weg und den Straßenverkehr vor sich, sondern den Boden beobachtet, und deswegen auf eine Wahrnehmung des herannahenden Traktors zum frühestmöglichen Zeitpunkt verzichtet (Protokoll v. 27.06.2014, S. 3/4 = Bl. 185/186 d. A.).

Soweit er nun vorbringen möchte, natürlich habe er nicht während des gesamten geraden Waldstücks nach unten auf den Boden gesehen (Schriftsatz v. 16.04.2014, S. 1, 2 = Bl. 190/191 d. A.), ist dies nicht zielführend. Zum einen hat er in erster Instanz in persönlicher Anhörung ausdrücklich erklärt: „… ich schaute dann Richtung Boden, während ich durch die Kurve hindurch fuhr. Es kam dann wieder ein gerades Waldstück. Als ich wieder hoch schaute, sah ich, dass aus dem Dickicht der Traktor mit dem Mähdrescheraufsatz entgegen kam …“ (Protokoll v. 16.09.2011, S. 2 = Bl. 35 d. A.), und auch weiterhin eine nicht vollständige Beobachtung des vor ihm liegenden Verkehrsraums eingeräumt (BB 4 = Bl. 157 d. A.), zu welchem Vorbringen er sich nun ohne nachvollziehbaren Grund in Widerspruch setzen möchte. Zum anderen fehlt dann jegliche Erklärung, warum er nicht ordnungsgemäß habe bremsen und rechtzeitig anhalten können, zumal er immer behaupten wollte, er habe nicht richtiger und schneller reagieren können, weil das Beklagtenfahrzeug erst im allerletzten Moment wahrzunehmen gewesen sei.

b) Beide Parteien kannten die Wegstrecke und die Unfallörtlichkeit genau, der Kläger hatte diesen Waldweg vor dem Unfall bereits drei bis zehn Mal befahren, und befand sich am Tag des Unfalls nach einer halben Stunde Fahrt auf etwa der Hälfte seiner üblichen Runde (Protokoll v. 27.06.2014, S. 3 = Bl. 185 d. A.). Der Beklagte zu 1) fuhr die Strecke mehrmals jedes Jahr, und war zum Unfallzeitpunkt auf dem Heimweg von einer fünf Kilometer entfernten Wiese (Protokoll v. 27.06.2014, S. 3 = Bl. 185 d. A.). Insoweit folgt der Senat dem jeweiligen unwidersprochenen Parteivorbringen.

c) Der auf den Weg gestürzte Kläger unterlag ab diesem Zeitpunkt einer Rutschverzögerung von 4 bis 6, also durchschnittlich 5 m/s², die weder durch die genaue Lage der rutschenden Person, noch deren Bekleidung entscheidungserheblich beeinflusst wird (Gutachten v. 10.06.2015, S. 38 = Bl. 262 d. A.). Im Streitfall ist eine Rutschstrecke des Klägers von 1,3 bis etwa 7 Metern ausgehend von Geschwindigkeiten von 13 bis 30 km/h zugrunde zu legen (Gutachten v. 10.06.2015, S. 45 = Bl. 269 d. A.).

d) Die Sichtverhältnisse stellten sich zum Unfallzeitpunkt - wegen der Kurvenfahrt des Beklagtenfahrzeugs - für den Kläger und den Beklagten zu 1) unterschiedlich dar und zeigten nicht dieselbe Sichtweite auf das jeweiligen Gegenfahrzeug. Somit bestand für den Beklagten zu 1) eine gegenüber dem Kläger zeitlich verzögerte Wahrnehmbarkeit (Gutachten v. 04.02.2016, S. 18/23 = Bl. 313/318 d. A.): Der Kläger hätte den entgegen kommenden Traktor jedenfalls aus einer Entfernung von 26,5 Metern wahrnehmen und erkennen können, der Beklagte zu 1) das klägerische Fahrrad aus einer Entfernung von 17,5 Metern (Gutachten, S. 40 = Bl. 335 d. A.).

e) Der Beklagte zu 1) hätte, ausgehend von einer ermittelten Bremsverzögerung seines Fahrzeugs (2,25 m/s²) und üblicher Reaktions- (0,8 s) und Bremsschwellzeit (0,3 s), selbst aus einer Geschwindigkeit von höchstens 16 km/h bei ordnungsgemäßer Reaktion und Bremsung innerhalb der halben für ihn noch einsehbaren Strecke anhalten können (17,5 m /2 = 8,25 m).

Für den Kläger ergibt sich unter Annahme einer zu seinen Gunsten abgerundeten Bremsverzögerung von 3,5 m/s² und sonst gleicher Reaktions- und Bremsschwellzeit eine Geschwindigkeit von höchstens 24 km/h, bei welcher er innerhalb der Hälfte der für ihn einsehbaren Strecke (26,50 m /2 = 13,25 m) mit gefahrloser Bremsung hätte anhalten können (Gutachten, S. 16/22, 49 = Bl. 311/318, 335 d. A.). Die Annahme einer durchschnittliche Bremsverzögerung von 3,5 m/s² ist denknotwendig für den Kläger günstig, denn sowohl die durch eine Vollbremsung erreichbare Bremsverzögerung (5 m/s²), als auch die von Kleidung und Bodenbeschaffenheit unabhängige Rutschverzögerung (4 bis 6 m/s²) liegen deutlich höher und würden entweder zu einem kürzeren Anhalteweg, oder einer deutlicher verspäteten Reaktion führen.

Logisch zwingend ergibt sich für den Kläger das gleiche Ergebnis, wenn er mit einer Ausgangsgeschwindigkeit von 20 km/h gefahren, aber nicht ordnungsgemäß mit einer Reaktionszeit von 0,8 s, sondern um 0,5 s verzögert mit einer Reaktionszeit von 1,3 s zu bremsen begonnen hätte.

f) Der Kläger hätte, ausgehend von seinen eigenen Angaben, aus Geschwindigkeiten von 20 bis 30 km/h eine Vollbremsung unternommen, als er bei einer Reaktionszeit von 0,8 s, einer Bremsschwellzeit von 0,3 s und einer Vollbremsverzögerung von 5 m/s² 8,3 bis 14,8 Meter oder 2,6 bis 2,1 s vom späteren Anstoßort entfernt war (Gutachten, S. 28 = Bl. 323 d. A.). Gleichzeitig war der Beklagte zu 1) noch 2,5 bis 5,0 m von der späteren Anstoßstelle entfernt, so dass die Entfernung zwischen den Fahrzeugen 10,8 bis 19,8 m betrug (Gutachten, S. 28 = Bl. 323 d. A.). Da der Kläger den Beklagten zu 1) bereits aus einer Entfernung von 26,5 m spätestens hätte wahrnehmen können, hätte er 3,2 bis 3,9 s oder 18,6 bis 19,6 m vor dem späteren Kollisionsort reagieren können, also 0,6 bis 1,8 s früher (Gutachten, S. 29 = Bl. 324 d. A.). Unter Annahme einer kontrollierten, gefahrlosen Bremsung mit einer Verzögerung von 3,5 m/s², einer Bremsschwellzeit von 0,3 und einer Reaktionszeit von 0,8 s hätte der Kläger aus einer Geschwindigkeit von 20, 24 und 30 km/h Anhaltewege von 9,7, 12,8 und 17,8 m gehabt, und hätte sein Fahrrad 8,9 m, 6,8 m und 1,2 m vor der späteren Kollisionsstelle anhalten können (Gutachten, S. 29/30 = Bl. 324/325 d. A.). Bei Ausgangsgeschwindigkeiten von 20 bis 24 km/h hätte der Kläger sogar einen Zusammenstoß mit dem vorgebauten Mähwerk, das 2,6 m über die Vorderräder hinausreichte, vermieden (Gutachten, S. 30 = Bl. 325 d. A.).

Bei möglicher und zumutbarer Wahrnehmung des Beklagtenfahrzeugs hätte dem Kläger eine Strecke von 13,25 m für das Anhalten zur Verfügung gestanden, während er tatsächlich - auf dem Waldwegboden rutschend - mindestens 2,85 weitere Meter zurückgelegt hat (Gutachten, S. 39/40 = Bl. 334/335 d. A.).

g) Der Beklagte zu 1) reagierte verspätet auf die Wahrnehmung des Klägers, nämlich bei Annahme einer Geschwindigkeit von 10 km/h nach 1,7 s, bei einer Annahme von 12 km/h nach 2 s (Gutachten, S. 31, 43 = Bl. 326, 338 d. A.). Zu diesen Zeitpunkten befand sich der Beklagte zu 1) bei 10 km/h 1,5 m vor der späteren Anstoßstelle, der Kläger aus seiner Fahrtrichtung 6,4 m (Gutachten, S. 31, 43 = Bl. 326, 338 d. A., Anlage 16). Bei einer Geschwindigkeit des Beklagten zu 1) von 12 km/h erhöhen sich die vorstehend genannten Werte auf 2,8 m und 9,4 m (Anlage 17 zum Gutachten). Daher bestand ein Abstand der Fahrzeuge zueinander von 7,9 oder 12,2 m (Gutachten, S. 31, 43 = Bl. 326, 338 d. A.).

Somit legte der Beklagte zu 1) von der ihm zur Verfügung stehenden Sichtstrecke von 17,5 Metern 4,72 oder 6,67 m ungebremst zurück, während er den Kläger 5,4 bis 9,5 m früher hätte erkennen können (Gutachten, S. 32 = Bl. 327 d. A.). Stattdessen hätte der Beklagte zu 1) aus einer Geschwindigkeit von 10 km/h 0,7 s früher, also 2,4 s vor der Kollision reagieren können, bei einer Geschwindigkeit von 12 km/h 0,9 s früher, also 2,9 s vor dem Anstoß (Gutachten S. 32, 43 = Bl. 327, 338 d. A.). Zu diesen Zeitpunkten befand er sich 4,3 m und 4,7 m vor der späteren Anstoßstelle. Der Anhalteweg aus einer Geschwindigkeit von 10 km/h bis zu Stillstand beträgt unter den bereits festgestellten Umständen (Bremsverzögerung 2,25 m/s², Reaktionszeit 0,8 s und Bremsschwellzeit 0,3 s) 4,33 m, aus einer Geschwindigkeit von 12 km/h 5,61 m (Gutachten, S. 32/33, 43 = Bl. 327/328, 338 d. A.). Im ersten Fall wäre der Beklagte zu 1) 0,37 m vor der 4,7 m entfernten Kollisionsstelle zum Stillstand gekommen (Gutachten, S. 32, 43 = Bl. 327, 338 d. A.), im zweiten Fall - über die von der Sachverständigen aus 10 km/h errechneten 5 cm (Gutachten, S. 33 = Bl. 328 d. A.) hinaus - 1,31 m nach der dann 4,3 m entfernten Kollisionsstelle. Da sich dieser Abstand auf die Vorderfront des Mähwerks bezieht, wäre der Unfall trotzdem vermieden worden, weil der Kläger unter dem Mähwerk durchgerutscht ist und damit weitere 1,9 m bis zur Vorderkante des linken Vorderreifens zur Verfügung standen.

3. Die Angriffe beider Parteien gegen die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils und die weiteren Beweiserhebungen des Senats gehen fehl. Die in zweiter Instanz durchgeführte erneute persönliche Anhörung der Parteien und ergänzende Begutachtung vermögen zu keinem den Parteien günstigeren Beweisergebnis führen. Vielmehr wurden schwerwiegende Sorgfaltspflichtverletzungen des Klägers und ein leichter, wenn auch anderer als in erster Instanz festgestellter Verkehrsverstoß des Beklagten zu 1) bestätigt.

a) Soweit der Kläger dies bezweifelt, zeigt er durchgreifende Mängel nicht auf, sondern verfolgt den im Berufungsverfahren nicht zielführenden Versuch, eigene Bewertungen des erwünschten Ergebnisses an die Stelle der Beweiswürdigung des Gerichts zu setzen. Entscheidend ist jedoch die Beurteilung des hierzu vorrangig berufenen Tatrichters (BGH NJW 1988, 266; BayObLG NZM 2002, 449; s. a. BGH NJW 1988, 566).

(1) Soweit der Kläger lediglich die geringste von ihm selbst angegebene Geschwindigkeit (20 km/h) gelten lassen möchte (BB 2, 7 = Bl. 155, 160 d. A.; Schriftsatz v. 16.06.2014, S. 4 = Bl. 181 d. A.; Schriftsatz v. 16.07.2014, S. 2 = Bl. 191 d. A.), ist dies nicht zielführend. Aus den oben genannten tatsächlichen Feststellungen ergibt sich, dass bei einer niedrigeren Geschwindigkeit lediglich der Reaktionsverzug des Klägers höher wird, ein Mitverschulden des Klägers hierdurch nicht entfällt (siehe auch unten genauer).

(2) Soweit der Kläger offenbar weiterhin meint, der Unfall sei für ihn selbst unvermeidbar gewesen, weil er die Kurve wegen des Bewuchses nicht habe einsehen können (BB 4, 6 = Bl. 157, 159 d. A., Schriftsatz v. 16.06.2014, S. 2 = Bl. 279 d. A.), setzt er rechtsirrtümlich voraus, dass eine geringere Geschwindigkeit oder höhere Aufmerksamkeit von ihm nicht zu fordern gewesen seien.

(3) Soweit der Kläger wohl die Geschwindigkeit des Beklagten zu 1) anzweifelt (BB 7 = Bl. 160 d. A.), lässt er außer Acht, dass nach der persönlichen Anhörung beider Parteien keinerlei Anlass bestand, diesen (qualifizierten) Sachvortrag anders zu bewerten als seinen eigenen: Mangels fassbarer Einwände oder nach objektiven Gesichtspunkten erkennbarer Widersprüche ist der Sachvortrag des Beklagten zu 1) zu seiner Geschwindigkeit genauso zugrunde zu legen, wie derjenige des Klägers zu seiner Geschwindigkeit.

(4) Soweit der Kläger das Gutachten des Sachverständigen Hell beanstandet (Schriftsatz v. 05.08.2015, Bl. 290/292 d. A.), fehlt jegliche Auseinandersetzung mit der ausführlichen Darlegung des Sachverständigen, warum die Kleidung des Rutschenden ohne nennenswerten Einfluss auf die Verzögerung bleibt, sowie nach welchen Erwägungen die für die Messungen verwendete Rutschstrecke nicht vergleichbar gewesen sei. Im Übrigen wird übersehen, dass auch die unfallanalytische Sachverständige keinerlei weitere Feststellungen zur Ausgangsgeschwindigkeit des Klägers oder zum genauen Sturzverlauf treffen konnte.

(5) Soweit der Kläger das Gutachten der Sachverständigen K. bemängelt (Schriftsatz v. 01.04.2016, Bl. 353/357 d. A., und v. 04.07.2016, Bl. 381/385 d. A.), zeigen seine Ausführungen im Wesentlichen ein Beharren auf unhaltbaren Rechtsansichten. Entscheidungserheblich ist nicht, ob und aus welcher Entfernung der Kläger einen die gesamte Fahrbahnbreite versperrenden Traktor wahrnimmt, sondern die Einstellung des Fahrverhaltens auf mögliche Gefahrenquellen. Ebenso kann schon aus Rechtsgründen der Umstand, dass sich der Kläger in fahrender Bewegung befand, keine Rechtfertigung dafür bilden, dass er auf der Fahrbahn auftauchende Hindernisse verspätet wahrgenommen hat. Ergänzend wird auf den Hinweis des Senats (v. 20.04.2016, Bl. 358/359 d. A.) Bezug genommen.

Die Erwägungen des Klägers zum Abstand der Mähwerkvorderkante zu den Vorderreifen des Traktors gehen einerseits auf die ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen nicht ein, lassen andererseits außer Acht, dass der Kläger unter dem Mähwerk durchgerutscht ist, dieses also seinen „Anhalteweg“ überhaupt nicht beeinflusst haben kann.

Zuletzt übersieht der Kläger trotz eindeutigen Hinweises des Senats und der Sachverständigen, dass die Lichtbilder bloße Ergänzungen und Erläuterungen der gutachterlichen Feststellungen darstellen und nicht die klägerischen Tatsachenbehauptungen erweisen können. Gleiches gilt für das Vorbringen, die für ihn gültigen Sichtverhältnisse könnten nur aus Videoaufnahmen aus der Blickrichtung eines die Unfallstrecke wie der Kläger befahrenden Fahrradfahrers ermittelt werden.

b) Die Beklagten haben nicht die Beweiswürdigung, sondern die rechtliche Bewertung des Erstgerichts angegriffen (BB 2/4 = Bl. 163/165 d. A.). Soweit sie das Gutachten des Sachverständigen Hell beanstanden (Schriftsatz v. 09.07.2015, Bl. 284/286 d. A.), gelten die vorstehenden Erwägungen entsprechend. Einwände gegen die Gutachtensergebnisse der Sachverständigen K. dagegen werden ausdrücklich nicht erhoben (Schriftsatz v. 18.03.2016, bl. 349 d. A.).

4. Das Erstgericht hat auch die entscheidenden sachlichrechtlichen Fragen der straßenverkehrsrechtlichen Sorgfaltspflichtverletzungen beider Parteien überwiegend zutreffend beantwortet, lediglich hinsichtlich der Gewichtung der Verursachungsbeiträge und des Verschuldens und Mitverschuldens, sowie daraus folgend der Haftungsquote, ist eine gewisse Berichtigung geboten.

a) Nach den bisherigen Feststellungen sind Eigentum und Vermögen des Klägers beeinträchtigt, sowie sein Körper und seine Gesundheit verletzt worden. Diese Rechtsgüterverletzung geschah beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs, so dass grundsätzlich ein Anspruch aus §§ 7 I, 18 I StVG, 115 I 1 Nr. 1, 4 VVG, 823 I, II BGB nicht zweifelhaft ist. Insoweit ist der Ansatz des Ersturteils zutreffend und steht zwischen den Parteien nicht im Streit: Die Beklagten haften grundsätzlich uneingeschränkt und verschuldensunabhängig (s. BGH NZV 1988, 63).

Umstände, die die Anwendung des Straßenverkehrsgesetzes ausschließen (§ 8 Nr. 1 StVG - Bereichsausnahme) liegen nicht vor, weil die landwirtschaftliche Zugmaschine des Beklagten zu 1) mit 40 km/h eine weit höhere Geschwindigkeit ermöglicht als 20 km/h. Dies hat der Beklagte zu 1) in persönlicher Anhörung in mündlicher Verhandlung vom 27.06.2014 unwidersprochen eingeräumt. (Bl. 185 d. A.).

b) Ein jede Haftung beseitigender (Senat, Urt. v. 31.07.2015 - 10 U 601/15 [juris]; Urt. v. 13.05.2016 - 10 U 4529/15 [n.v.]; Verfügung v. 03.06.2008 - 10 U 2966/08 [juris]; BGH NJW 1995, 1029; 2007, 1063; 2009, 2605) Fall höherer Gewalt (§ 7 II StVG) liegt im Streitfall ersichtlich nicht vor und wird von keiner Partei geltend gemacht.

Dagegen hätte für die Beklagten die Möglichkeit bestanden, im Rahmen des mitwirkenden Verschuldens oder Mitverschuldens (§§ 9 StVG, 254 I BGB) des Verletzten zu berücksichtigende, dem Rechtsgedanken eines unabwendbaren Ereignisses (§ 17 III StVG) entsprechende Umstände (BGH NJW 2000, 3069; Senat, Urt. v. 31.07.2015 - 10 U 4733/14 [BeckRS 2015, 13736]; Urt. v. 12.06.2015 - 10 U 3981/14 [BeckRS 2015, 10738]; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 06.09.2012 - I-1 W 31/12 [BeckRS 2013, 22053]) darzulegen und nachzuweisen. Dieser Nachweis ist jedoch, wie das Ersturteil richtig erkannt (EU 5 = Bl. 127 d. A.) und die erneute Beweisaufnahme vor dem Senat ergeben hat, gescheitert, denn das - von den Beklagten nicht angegriffene (Bl. 349 d. A.) - unfallananlytische Gutachten weist aus, dass der Beklagte zu 1) den Unfall durch frühere Reaktion oder noch geringere Geschwindigkeit hätte vermeiden können (Gutachten v. 04.02.2016, S. 32/33, 43 = Bl. 327/328, 338 d. A.).

aa) Nach Auffassung des Senats hätte ein besonders sorgfältiger und umsichtiger „Ideal-“ Fahrer die besonderen Gefahren des Waldstücks und des überschatteten Weges berücksichtigt und jederzeitige Bremsbereitschaft sichergestellt. Diese Anforderungen hat der Beklagte zu 1) nach dem Beweisergebnis nicht erfüllt.

bb) Die Beklagten kann nicht entlasten, dass der Unfall möglicherweise ohnehin nicht vermeidbar gewesen wäre, wenn der Kläger nicht zu Sturz gekommen und somit räumlich etwa 1,9 m früher gegen das vorgebaute Mähwerk geprallt wäre (Gutachten, S. 13, 33 = Bl. 308, 328 d. A.). Insoweit ist eine Berufung auf rechtmäßiges Alternativverhalten (BGH IBRRS 2008, 4775: „in denen der Schuldner sich darauf beruft, er hätte die schädigende Handlung anders als unrechtmäßig auch rechtmäßig vornehmen können“) nicht statthaft, denn das tatsächliche Unfallgeschehen hätte auch bei verkehrsrichtigem Verhalten unvermeidlich sein müssen. Andere - theoretisch denkbare - Unfallabläufe, die nicht nur nicht nachgewiesen, sondern im Streitfall ersichtlich nicht eingetreten sind, haben außer Betracht zu bleiben (BGH IBRRS 2005, 2445: „beruft sie sich dabei auf ein sogenanntes rechtmäßiges Alternativverhalten, für das die Klägerin die Beweislast trägt (BGH VersR 2003, 783, 795). Dazu reicht der Hinweis auf die bloße Möglichkeit eines Sturzes bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nicht aus, wenn andererseits feststeht, dass der Unfall bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit [zeitlich] vermieden worden wäre“).

c) Die danach zunächst grundsätzlich unbegrenzt bestehenden Ersatzansprüche des Klägers sind, je nach Schwere seines - nachgewiesenen - Mitverschuldens, gleitend zu verringern (§§ 9 StVG, § 254 I BGB). Dabei sind die Beklagten darlegungs- und beweisbelastet für eine schuldhafte Unfallverursachung des Klägers und ein diesem anspruchsmindernd zuzurechnendes Mitverschulden. Dies erstreckt sich auch darauf, dass dieses Mitverschulden nach Art und Ausmaß der Sorgfaltspflichtverletzung im konkreten Fall so schwer wiegt, dass eine Anspruchskürzung über den Anteil des Ersturteils hinaus gerechtfertigt sei. Dies erfordert eine vollständige und genaue Prüfung und Darlegung des beiderseitigen Fahrverhaltens (BGH NJW 1995, 1029: „in die Abwägung (sind) alle Faktoren, soweit unstreitig oder erwiesen, einzubeziehen, die eingetreten sind, zur Entstehung des Schadens beigetragen haben und einem der Beteiligten zuzurechnen sind“; 2007, 506 [207]; NJW-RR 1988, 1177), insbesondere wie das Verhalten des Klägers von dem Beklagten zu 1) wahrgenommen und beurteilt worden ist (BGH NJW 2007, 506; NJW 2014, 217, [8]: „Mangels ausreichender Feststellungen zum Unfallhergang ergibt sich ein derart überwiegendes Mitverschulden der Klägerin am Zustandekommen des Unfalls nicht bereits daraus, dass diese …, ohne auf den Fahrzeugverkehr zu achten …“).

Nach den Feststellungen der Sachverständigen K. ist den Beklagten ein solcher Nachweis gelungen. Aufgrund der rekonstruierten Sichtverhältnisse steht fest, dass - wegen der Kurvenfahrt des Beklagtenfahrzeugs - für den Kläger und den Beklagten zu 1) unterschiedliche Sichtweiten auf das jeweiligen Gegenfahrzeug, und eine gegenüber dem Kläger zeitlich verzögerte Wahrnehmbarkeit für den Beklagten zu 1) bestanden (Gutachten v. 04.02.2016, S. 18/23, 40 = Bl. 313/318, 335 d. A.). Somit errechnen sich für den Beklagten zu 1) eine Geschwindigkeit von höchstens 16 km/h, bei welcher er bei ordnungsgemäßer Reaktion und Bremsung innerhalb der halben für ihn noch einsehbaren Strecke hätte anhalten können, für den Kläger eine Geschwindigkeit von höchstens 24 km/h. Denkgesetzlich zwingend folgt für den Kläger das gleiche Ergebnis, wenn er mit einer Ausgangsgeschwindigkeit von 20 km/h gefahren, aber verzögert mit einer Reaktionszeit von 1,3 s zu bremsen begonnen hätte. Ergänzend wird auf den Beschluss des Senats (v. 17.02.2016, S.4/5 = Bl. 343/344 d. A.) Bezug genommen.

aa) Dem Kläger ist somit der Vorwurf eines Verstoßes gegen das Gebot des Fahrens auf halbe Sicht (§ 3 I 5 StVO) nicht zu ersparen, der sich auch unfallursächlich ausgewirkt hat. Ab ihm möglicher und zumutbarer Wahrnehmung des Beklagtenfahrzeugs stand ihm eine Strecke von 13,25 m für das Anhalten zur Verfügung, die er jedoch um mindestens 2,85 Meter überschritten hat (Gutachten, S. 39/40 = Bl. 334/335 d. A.). Deswegen hat der Kläger entweder die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten (§ 3 I 5 StVO), weil er - bei durchschnittlicher Bremsverzögerung und ordnungsgemäßer durchschnittlicher Reaktion - mit 25 bis 30 km/h eine Geschwindigkeit aufgewiesen hatte, die einen Anhalteweg von 13,45 bis 17,80 Meter erzeugen musste. Oder der Kläger hat eine Geschwindigkeit gewählt, bei der er sein Fahrrad nicht mehr ständig beherrscht hat, und die den Straßen- und Sichtverhältnissen sowie seinen persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften des Fahrzeugs nicht angepasst war (§ 3 I 1, 2 StVO). Er war bei einer Gefahrbremsung gestürzt, ohne diese hätte er eine Bremsverzögerung von 5 m/s² erreichen können, mit der er auch mit einer Geschwindigkeit von nahezu 28 km/h innerhalb der halben Sichtweite hätte anhalten können (Anhalteweg aus 25 km/h: 11,36 m, aus 28 km/h: 13,38 m). Oder der Kläger ist unaufmerksam gefahren und hat verspätet auf die Gefahrenlage reagiert (§ 1 II StVO), etwa weil der Blick über gewisse Zeiträume auf den Boden gerichtet war (Gutachten, S. 44 = Bl. 339 d. A.). Bei einer Reaktionsverzögerung um 0,6 bis 1,8 s ergäben sich bei angenommener Gefahrbremsverzögerung (5 m/s²) schon ab einer Ausgangsgeschwindigkeit von 23 km/h, bei einer Normalbremsung (3,5 m/s²) schon ab einer Ausgangsgeschwindigkeit von 21 km/h, dass innerhalb der halben Sichtweite nicht hätte angehalten werden können.Dabei kann nicht außer Acht gelassen werden, dass dem Kläger die durch Bewuchs eingeschränkten Sichtverhältnisse bekannt waren und er jederzeit mit entgegenkommenden landwirtschaftlichen Fahrzeugen, welche die gesamte Breite des im Grunde einspurigen Wegs in Anspruch nehmen würden, rechnen musste.

bb) Diese Beweisergebnisse werden für den Kläger nicht günstiger, wenn angenommen wird, dass er im Zeitpunkt der Kollision noch nicht bis zum Stillstand abgebremst worden war, denn dann wären entweder seine Ausgangsgeschwindigkeit noch höher, oder seiner Reaktionszeit noch länger, oder seine Bremsleistung noch schlechter.

cc) Soweit der Kläger meint, angesichts der örtlichen Verhältnisse habe für ihn das Gebot, auf halbe Sicht zu fahren, nicht bestanden, weil er mit einem entgegenkommenden Fahrzeug, das die ganze oder nahezu ganze Fahrbahn versperrte, nicht habe rechnen müssen, ist dies aus Rechtsgründen nicht mehr vertretbar. Ergänzend wird auf den Terminshinweis des Senats (v. 13.05.2014, S. 6 = Bl. 176 d. A.) und den Hinweis v. 20.04.2016 (S. 2 = Bl. 359 d. A.) verwiesen.

dd) Soweit der Kläger der Auffassung ist, gegen die Beklagten wirke wegen der Inanspruchnahme der Gegenfahrbahn im Streitfall ein Anscheinsbeweis (Schriftsatz v. 07.04.2016, S. 4 = Bl. 384 d. A.), missversteht er die gesetzliche Beweislastverteilung. Mit Mitteln des Anscheinsbeweises kann der Kläger gegebenenfalls beweisen, dass derjenige, der unter gewöhnlichen Umständen ohne nachvollziehbare Erklärung auf die Fahrbahn des Gegenverkehrs geraten ist, insoweit einen unfallursächlichen Verstoß verschuldet hat. Dagegen ist der gegen den Unfallgegner wirkende Anscheinsbeweis ungeeignet, ein Mitverschulden des Klägers wegen der Verletzung eigener, andersartiger Verkehrsvorschriften auszuschließen.

d) Zuletzt lagen Beweisführungs- und Feststellungslast für den Beklagten zu 1) treffende haftungsbegründende (§ 823 I, II BGB) oder im Rahmen des § 254 I BGB zu würdigende Mitverursachungsbeiträge und Verschuldensanteile beim Kläger (Senat, Urt. v. 04.09.2015 - 10 U 3814/14 [juris]), nachdem ein ihm nachgewiesenes Mitverschulden bereits feststeht. Diese Umstände erlauben eine angemessene Verteilung des Schadens und können gegebenenfalls sogar die alleinige Haftung der Beklagten begründen (BGH NZV 2007, 294; NJW 2005, 2081; 1996, 1405; Senat, Beschl. v. 16.03.2012 - 10 U 4398/11 [juris]; Urt. v. 24.11.2006 - 10 U 2555/06 [juris]; v. 01.12.2006 - 10 U 4707/06 [juris]; DAR 2007, 465). Insoweit hat das Erstgericht festgestellt, und die ergänzende Beweisaufnahme durch den Senat ergeben, dass dieser Beweis durchaus gelungen ist, allerdings in wesentlich geringerem Umfang, als vom Kläger erhofft.

aa) Den Beklagten zu 1) trifft kein straßenverkehrsrechtlicher Verstoß, weil er die vorgeschriebenen Beleuchtungseinrichtungen nicht benutzt habe (§ 17 I 1 StVO). Nach den gutachterlichen Feststellungen (Gutachten, S. 23/24, 44 = Bl. 318/319, 339 d. A.), war Abblendlicht angesichts der Lichtverhältnisse nicht erforderlich, während sich die Sichtverhältnisse, insbesondere die Erkennbarkeit des Traktors der Beklagten für den Kläger, nicht verbessert hätten.

bb) Eine Sorgfaltspflichtverletzung unangepasster Geschwindigkeit (§ 3 I 2 StVO) oder ein Verstoß gegen das Gebot, auf halbe Sicht zu fahren (§ 3 I 5 StVO), waren dem Beklagten zu 1) nicht nachzuweisen. Nach den Ermittlungen der Gutachterin errechnet sich der Anhalteweg bei einer Geschwindigkeit von 16 km/h zu 8,6 m, der noch unter der halben Sichtweite von 8,75 m liegt. Zum Nachteil des Beklagten zu 1) kann jedoch, seinen eigenen Angaben (10 bis 12 km/h) folgend, lediglich eine Ausgangsgeschwindigkeit von 11 km/h zugrunde gelegt werden, zumal selbst der Kläger eine bestimmte höhere Geschwindigkeit nicht behaupten kann.

cc) Allerdings reagierte der Beklagte zu 1) verspätet auf die Wahrnehmung des Klägers, nämlich bei Annahme einer Geschwindigkeit von 10 km/h nach 1,7 s, bei einer Annahme von 12 km/h nach 2 s (Gutachten, S. 31, 43 = Bl. 326, 338 d. A.). Zu diesen Zeitpunkten befand er sich bei 10 km/h 1,5 m vor der späteren Anstoßstelle, der Kläger aus seiner Fahrtrichtung 6,4 m (Gutachten, S. 31, 43 = Bl. 326, 338 d. A., Anlage 16). Bei einer Geschwindigkeit des Beklagten zu 1) von 12 km/h erhöhen sich die vorstehend genannten Werte auf 2,8 m und 9,4 m (Anlage 17 zum Gutachten). Daher bestand ein Abstand der Fahrzeuge zueinander von 7,9 oder 12,2 m (Gutachten, S. 31, 43 = Bl. 326, 38 d. A. d. A.).

- Somit legte der Beklagte zu 1) von der ihm zur Verfügung stehenden Sichtstrecke von 17,5 m 4,72 oder 6,67 m ungebremst zurück, während er den Kläger 5,4 bis 9,5 m früher hätte erkennen können (Gutachten, S. 32 = Bl. 327 d. A.).

- Stattdessen hätte der Beklagte zu 1) aus einer Geschwindigkeit von 10 km/h 0,7 s früher, also 2,4 s vor der Kollision reagieren können, bei einer Geschwindigkeit von 12 km/h 0,9 s früher, also 2,9 s vor dem Anstoß (Gutachten S. 32, 43 = Bl. 327, 338 d. A.). Zu diesen Zeitpunkten befand er sich 4,3 m und 4,7 m vor der späteren Anstoßstelle.

- Der Anhalteweg aus einer Geschwindigkeit von 10 km/h bis zu Stillstand beträgt unter den bereits festgestellten Umständen 4,33 m, aus einer Geschwindigkeit von 12 km/h 5,61 m (Gutachten, S. 32/33, 43 = Bl. 327/328, 338 d. A.). Im ersten Fall wäre der Beklagte zu 1) 0,37 m vor der 4,7 m entfernten Kollisionsstelle zum Stillstand gekommen (Gutachten, S. 32, 43 = Bl. 327, 338 d. A.), im zweiten Fall - über die von der Sachverständigen aus 10 km/h errechneten 5 cm (Gutachten, S. 33 = Bl. 328 d. A.) hinaus - 1,31 m nach der dann 4,3 m entfernten Kollisionsstelle. Da sich dieser Abstand auf die Vorderfront des Mähwerks bezieht, wäre der Unfall trotzdem vermieden worden, weil der Kläger unter dem Mähwerk durchgerutscht ist und damit weitere 1,9 m bis zur Vorderkante des linken Vorderreifens zur Verfügung standen.

dd) Der Kläger ist der Ansicht, gegen den Beklagten wirke ein Anscheinsbeweis schuldhaften Eindringens in die Gegenfahrbahn (BB 8 = Bl. 161 d. A.; Schriftsatz v. 04.07.2016, S. 4 = Bl. 384 d. A.). Er übersieht dabei, dass jeglicher Anscheinsbeweis nur bei „typischen Geschehensabläufen“ (BGH, NJW 1996, 1828; NJW 2001, 1140, Senat, NJW 2015, 1892 [m. w. N.]) wirkt also wenn sich unter Prüfung und Bewertung aller unstreitigen und festgestellten Einzelumstände und besonderen Merkmale des Sachverhalts nach der allgemeinen Lebenserfahrung der Schluss aufdrängt, dass ein Verkehrsteilnehmer seine Pflicht zur Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verletzt habe (BGH, NJW-RR 2007, 680; NJW 2011, 685). Dies ist im Streitfall ersichtlich nicht gegeben, da ein ohnehin nur einspuriger Wald- und Forstweg vorlag, der gerade von breiten land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeugen zu befahren war. Jedenfalls von den üblicherweise berechtigten Fahrzeugen war mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass sie den Weg für entgegenkommende Fahrradfahrer und andere Fahrzeuge versperren, so dass eine „Typizität“ des Fahrvorgangs nicht nur nicht erweislich, sondern auszuschließen war.

5. Hinsichtlich der bei der Haftungsverteilung zu berücksichtigenden tatsächlichen Gesichtspunkte hat das Landgericht richtig beachtet, dass nur solche Umstände erfasst werden dürfen, die sich erwiesenermaßen auf den Unfall ausgewirkt, also als Gefahrenmoment in dem Unfall tatsächlich niedergeschlagen haben. Diese Umstände müssen feststehen, also unstreitig, zugestanden oder nach § ZPO § 286 I 1 ZPO bewiesen sein (BGH NJW 1995, 1029; NZV 2007, 190; NJW 2014, 217; Senat, Urt. v. 12.06.2015 - 10 U 3981/14 [juris, Rn. 49, m. w. N.]), und erfordern eine umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach genauer Klärung des Unfallhergangs (Senat, Urt. v. 12.06.2015 - 10 U 3981/14 [juris, Rn. 49, m. w. N.]; Urt. v. 31.07.2015 - 10 U 4377/14 [juris, Rn. 55, m. w. N.]). Hierzu sind die Feststellungen des Erstgerichts nur geringfügig ergänzungsbedürftig, der Senat bewertet die Haftung der Beklagten in umfassender Abwägung unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Mitverschuldens des Klägers und der erhöhten Betriebsgefahr des Traktors, mit 50%. Dabei wird zum ersten berücksichtigt, dass eine Überbreite im Rechtssinne (§ 32 I 1 Nr. 2 StVZO) nicht vorlag und der streitgegenständliche Wald- und Forstweg trotz seiner geringen Breite gerade für solche Fahrzeuge ausdrücklich freigegeben war. Andererseits wurde beachtet, dass der Forst- und Waldweg auch für Radfahrer freigegeben war und der Beklagte zu 1) deshalb mit der drohenden und im Streitfall eingetretenen Gefahrenlage rechnen musste. Angesichts des Umstands, dass er die gesamte Breite des Weges mit seinem Fahrzeug versperrt hatte, kann auch dies wie der geringfügige Aufmerksamkeitsmangel bei der Haftungsverteilung nicht vernachlässigt werden.

Der Senat erhöht deswegen die schon hohe Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs um einen eher geringfügigen schuldhaften Verkehrsverstoß, und hält insgesamt diese Verursachungsbeiträge denjenigen des Klägers für gleichwertig. Dabei wurde auch die ständige Rechtsprechung des BGH beachtet, nach der eine vollständige Überbürdung des Schadens auf einen der Beteiligten unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens nur ausnahmsweise in Betracht zu ziehen (BGH DAR 2015, 455) sei.

III. Auf den vorstehenden Erwägungen zu Ziffer I und II beruhen Ziffern 1-3 der Urteilsformel. Da der Kläger weiterhin uneingeschränkten Ersatz seiner Schäden verlangt, war die Klage im Übrigen abzuweisen und seine Berufung zurückzuweisen. Da die Beklagten Klageabweisung und Zurückweisung der klägerischen Berufung uneingeschränkt beantragt haben, war auch deren Berufung teilweise zurückzuweisen.

IV. Die Kostenentscheidung beruht für beide Instanzen auf § 92 I 1 Fall 1 ZPO. Im Ergebnis sind beide Parteien jeweils zur Hälfte unterlegen: Der Kläger konnte das nach dem Ersturteil fehlende Drittel zur umfassenden Haftung der Beklagten nicht erreichen (2/6) und verlor ein weiteres Sechstel durch die Verringerung der Haftungsquote von zwei Dritteln auf ein Halb. Die Beklagten konnten zwar eine Verringerung ihrer Haftung auf 50 Prozent erreichen, da sie jedoch vollständige Klageabweisung beantragt hatten, haben sie ebenfalls zu ein Halb nicht obsiegt.

V. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

VI. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben, denn weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache (BVerfG NJW 2014, 2417 [2419, Tz. 26-32]; BGH NJW-RR 2014, 505) noch die Fortbildung des Rechts (BVerfG a. a. O. Tz. 33) oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (BVerfG a. a. O. [2420, Tz. 34]; BGH NJW 2003, 1943) erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Die Entscheidung betrifft einen Einzelfall, der grundlegende Rechtsfragen nicht aufwirft, und weicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht ab. Soweit die Klägervertreterin beantragt hat, die Revision zuzulassen (zuletzt Schriftsatz v. 04.07.2016, S. 4 = Bl. 384 d. A.), fehlt jegliche Darlegung und Erörterung der gesetzlichen Voraussetzungen (§ 543 II 1 ZPO). Zwar wird eine grundsätzliche Bedeutung eher postuliert als begründet, jedoch die ständige Rechtsprechung des BGH missachtet (BGH NJW-RR 2014, 505): Es fehlt an einer Aufbereitung, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die aufgeworfene Frage umstritten ist, wobei naturgemäß die Auffassung der Klägervertreterin für sich allein nicht ausreichend sein kann. Vielmehr ist eine grundsätzliche Bedeutung nur dann gegeben, wenn die Rechtssache eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, die allgemein von Bedeutung ist. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn ihre Beantwortung zweifelhaft ist, weil sie vom BGH noch nicht entschieden ist und (sic!) in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt wird oder wenn sie im Schrifttum in gewissem Umfang umstritten ist. Derartige Unklarheiten werden noch nicht einmal dargelegt und nicht begründet, insbesondere besteht kein Bedarf, grundsätzliche Pflichten von Fahrradfahrern auf Waldwegen zu klären, wenn keinerlei unterschiedliche obergerichtliche Entscheidungen ersichtlich sind. Im Übrigen findet die von der Klägervertreterin aufgeworfene Frage ihre Antwort im Gesetz: § 3 I 5 StVO stellt allein auf die Gefahren der Fahrbahnbreite ab („… die so schmal sind, dass …“), und nicht darauf, ob ein Verkehrsteilnehmer mit konkreten Gefährdungen rechnen will.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Straßenverkehrsgesetz - StVG | § 9 Mitverschulden


Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Verletzten mitgewirkt, so finden die Vorschriften des § 254 des Bürgerlichen Gesetzbuchs mit der Maßgabe Anwendung, dass im Fall der Beschädigung einer Sache das Verschulden desjenigen, welcher

Straßenverkehrsgesetz - StVG | § 8 Ausnahmen


Die Vorschriften des § 7 gelten nicht, 1. wenn der Unfall durch ein Kraftfahrzeug verursacht wurde, das auf ebener Bahn mit keiner höheren Geschwindigkeit als 20 Kilometer in der Stunde fahren kann, es sei denn, es handelt sich um ein Kraftfahrzeug m

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Tenor

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 35.000,- € festgesetzt.

Gründe

A.

Die Klägerin macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, wobei sie nun ein Mitverschulden von 30 Prozent einräumt. Sie verlangt ein verzinstes angemessenes Schmerzensgeld, beziffert mit mindestens 14.000,- €, sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für jegliche künftige materielle Schäden zu 70 Prozent, für künftige immaterielle Schäden unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 30 Prozent.

Zugrunde liegt ein Zusammenstoß am 23.05.2011 gegen 15.20 Uhr zwischen der damals elfjährigen Klägerin als Tretrollerfahrerin und dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw VW Polo, amtliches Kennzeichen EBE - …, zum Unfallzeitpunkt gefahren von der Beklagten zu 1). Der Unfall ereignete sich auf der A.-Straße in F., bei Kilometer 0.274 oder Abschnitt 740. Die Klägerin wurde vom Fahrzeug der Beklagten erfasst, als sie versuchte, vom in Fahrtrichtung der Beklagten zu 1) rechten Gehweg kommend auf Höhe einer Überquerungshilfe die Straße nach links zu überqueren. Sie wurde schwer verletzt und macht heute noch bestehende Beeinträchtigungen aufgrund der Unfallfolgen, insbesondere eine therapiebedürftige posttraumatische Depression, geltend. Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 06.11.2014 (Bl. 71/78 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht München I hat nach Beweisaufnahme die Klage vollständig abgewiesen, weil die Beklagte zu 1) den Unfall nicht zu vertreten habe und selbst die Betriebsgefahr des Fahrzeugs hinter dem groben Mitverschulden der Klägerin zurücktrete. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 75/78 d. A.) des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses ihr am 13.11.2014 zugestellte Urteil hat die Kläger mit beim Oberlandesgericht München am 15.12.2014 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt (Bl. 88/89 d. A.) und diese mit Schriftsatz vom 13.01.2015, eingegangen am gleichen Tag, begründet (Bl. 93/99 d. A.).

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils,

- die Beklagten samtverbindlich zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 14.000,- €, zu bezahlen, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.03.2012,

- die Beklagten samtverbindlich zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.698,13 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.03.2012 zu bezahlen,

- festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin jeden weiteren materiellen Schaden aus dem Unfallereignis vom 23.05.2011 in Feldkirchen zu 70 Prozent zu ersetzen, jeden weiteren immateriellen Schaden unter Berücksichtigung ihres Mitverschuldens von 30 Prozent, jeweils soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen oder übergegangen sind.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat gemäß Beschluss vom 18.06.2015 mit Zustimmung der Parteien schriftlich entschieden, § 128 II ZPO (Bl. 118/119); als Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, wurde zuletzt mit Beschluss vom 10.07.2015 der 24.07.2015 bestimmt (Bl. 121/122 d. A.). Die Klägerin hat ergänzend hilfsweise beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (Schriftsatz v. 15.06.2015, Bl. 117 d. A.), die Beklagten haben sich dem angeschlossen (Schriftsatz v. 15.06.2015, Bl. 112/116 d. A.).

Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die Berufungserwiderung vom 15.06.2015 (Bl. 112/116 d. A.) und die Hinweisverfügung des Senatsvorsitzenden vom 12.05.2015 (Bl. 100/110 d. A.) Bezug genommen.

B.

Die statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache vorläufig Erfolg.

I.

Das Landgericht hat entschieden, dass grundsätzlich bestehende Schadensersatzansprüche der Klägerin aus straßenverkehrsrechtlicher Verschuldenshaftung (§ 18 I StVG) der bei der Beklagten zu 2) kraftfahrzeughaftpflichtversicherten Beklagten zu 1) mangels Verschuldens entfallen (EU 5, 7 = Bl. 75, 77 d. A.), und selbst die Betriebsgefahr des Fahrzeugs wegen des weit überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin zurückzutreten habe (EU 5, 7/8 = Bl. 75, 77/78 d. A.). Das Erstgericht hat sich davon überzeugt, dass die Klägerin den Unfall und damit ihren Schaden fast ausschließlich selbst verursacht und allein verschuldet habe, weil sie als Fußgängerin unaufmerksam, überraschend und ohne nachvollziehbaren Grund die Fahrbahn der Straße überquert und dabei den dortigen Vorrang des Kraftfahrzeugverkehrs missachtet habe (EU 5/8 = Bl. 75/78 d. A.).

Diese Ergebnisse entbehren nach dem bisherigen Sach- und Streitstand angesichts einerseits lückenhafter Beweiserhebung und unzulänglicher Beweiswürdigung, andererseits fehlerhafter Rechtsanwendung einer überzeugenden oder auch nur ausreichenden Grundlage.

1. Das Ersturteil hat die für den Streitgegenstand entscheidungserheblichen Tatsachen (unstreitiger Tatbestand einerseits, BGH NJW 2011, 3299 [3300]; WM 2011, 309; OLG Rostock, MDR 2011, 217, Beweisaufnahme und Beweiswürdigung andererseits, Senat, Urt. v. 24.01.2014 - 10 U 1673/13 [juris, Rz. 16]) verfahrensfehlerhaft nicht vollständig festgestellt. Deswegen weist die Tatsachenfeststellung offensichtliche Lücken, Widersprüche oder Unrichtigkeiten auf, so dass der Senat nicht nach § 529 I Nr. 1 ZPO gebunden (BGH NJW 2005, 1583 [1585]), und eine erneute Sachprüfung eröffnet ist. Die Klägerin liefert - wenigsten zum Teil - konkrete Anhaltspunkte (BB 4/6 = Bl. 96/98 d. A.), die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Beweiserhebung und -würdigung wecken (BGH r + s 2003, 522), im Übrigen offenbaren sich Mängel aufgrund der vom Senat von Amts wegen vorzunehmenden (so etwa BGH [V. ZS] NJW 2004, 1876; [VI. ZS] NJW 2014, 2797 ohne nähere Begründung) Überprüfung.

a) Die Beweiserhebung des Erstgerichts zu beanstanden, weil eine umfassende und sachgerechte Aufklärung des Unfallgeschehens (BGH NJW-RR 2011, 428, [429, Rn. 9]; NZV 2000, 504; NJW 2004, 1871; NJW 2009, 2604 [2605 ]; Senat, Urt. v. 14.03.2014 - 10 U 2996/13 [juris]; v. 27.01.2012 - 10 U 3065/11 [juris]; v. 10.02.2012 - 10 U 4147/11 [juris]) unterblieben ist, und somit gegen die Verpflichtung verstoßen wurde, den zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt auszuschöpfen und sämtlichen Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen von Amts wegen nachzugehen (BGH NJW 2009, 2604; NJW-RR 2011, 428).

aa) Das Erstgericht hat zum Haftungsgrund Beweis erhoben durch Erholung eines unfallanalytischen Gutachten (Beweisbeschluss v. 04.07.2013, Bl. 32 d. A.), sowie durch Vernehmung der Zeugen Marlene E. und Josef L. (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 06.02.2014, S. 3-5 = Bl. 47/49 d. A.; EU 4 = Bl. 74 d. A.). Darüber hinaus wurde, durchaus sachgerecht, die persönliche Anhörung der Klägerin und der Beklagten zu 1) gemäß § 141 I, II ZPO durchgeführt (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 06.02.2014, S. 2/3 = Bl. 46/47 d. A.). Angesichts der grundsätzlichen Bedeutung der Parteianhörung in Schadensersatzfällen (BGH NJW 2015, 74), insbesondere wenn der Ablauf eines Verkehrsunfalls streitig ist (BGH NJW 2013, 2601 [2602 [10, 11]]), sind die Befragungen jedoch zu kursorisch geraten und klären entscheidende Umstände des Unfalls nicht.

- Hinsichtlich der Klägerin wäre die gesamte Annäherung an die Unfallstelle vom Ort des Fahrtbeginns, das beabsichtigte Fahrtziel und das Fahrverhalten, insbesondere auf dem Gehweg ab dem Kreisverkehr, zu erfragen, und mit den Angaben der Beklagten zu 1) und der Zeugin Marlene E. abzugleichen gewesen. Zudem wäre durch Vorhalte zu klären gewesen, wie die Klägerin angehalten und die Fahrbahn beobachtet, und dennoch geglaubt haben will, die Fahrbahn ohne Gefahr überschreiten zu können. Zuletzt wären Größe und Gewicht zum Unfallzeitpunkt zu ermitteln gewesen (die in Rücksicht auf die mündliche Verhandlung „heutigen“ Daten (Bl. 47 d. A.) sind weniger wichtig), weil diese entscheidende Anknüpfungspunkte für die Berechnungen des Sachverständigen bildeten.

- Die Angaben der Beklagten zu 1) enthalten einen nicht aufgelösten Widerspruch, soweit sie „ca. 30 bis 50 Meter vor der späteren Unfallstelle … zum ersten Mal bewusst die Kinder … gesehen habe“, andererseits erklärt hatte, „… zu dem Zeitpunkt, als ich die Kinder zum ersten Mal gesehen habe, waren sie ca. 10 Meter vor meinem Fahrzeug“. Auch insoweit wäre eine vollständige Beschreibung der Annäherung sowohl der Kinder, als auch der Beklagten zu 1) selbst an die spätere Unfallstelle ab dem Zeitpunkt des Verlassens des Kreisverkehrs notwendig gewesen, zumal, wie aus den Lichtbildern ersichtlich, Fahrbahn und Gehweg übersichtlich sind und wegen des Gefälles höhere Geschwindigkeiten und verlängerte Bremswege entstehen können. Dies gilt umso mehr, als sich die Beklagte zu 1) in der gegen die Klägerin geführten Unfallanzeige durchaus als Zeugin geäußert und eine Vorgangsschilderung abgegeben hat, die hinsichtlich der Einzelheiten noch ungenauer als die gerichtliche Darstellung ist, und mangelnde Beobachtung und Aufmerksamkeit nicht ausgeschlossen erscheinen lässt (Ermittlungsakten, Bl. 24 d. A.). Zuletzt wäre klärungsbedürftig gewesen, welche Vorstellungen sich die Beklagte zu 1) hinsichtlich der für jeden Verkehrsteilnehmer klar erkennbaren Verkehrsinsel mit Überquerungshilfe gemacht hat, und anhand welcher Umstände sie die die Annahme getroffen hat, die Klägerin werde diesen Weg nicht wählen. Nach vorläufiger Einschätzung des Senats sprach jedenfalls keine höhere Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Klägerin auf dem Gehweg geradeaus weiterfahren werde, als dass sie die Straßenseite werde wechseln wollen.

- Damit wurde dem Gutachter und dem Gericht die Möglichkeit genommen, die jeweilige unmittelbare Unfalldarstellung zu erweitern und zu präzisieren, die Parteien ergänzend zu befragen und weitere Anknüpfungspunkte zu gewinnen. Weiterhin wurde die Verpflichtung eingeschränkt, das Gutachten von Amts wegen auf seine Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen, und mit den Schilderungen der Parteien abzugleichen.

bb) Das Erstgericht hat die Ermittlungsakten (455 Js 165967/11 d. Staatsanwaltschaft München I) beigezogen (EU 4 = Bl. 74 d. A.), jedoch nur unzulässig summarisch (BGH LM § 295 ZPO Nr. 9 = BeckRS 1954, 31397883) darauf Bezug genommen. Deswegen ist nicht erkennbar, ob eine Partei sich auf welche bestimmte Urkunden bezogen hat, und welche Aktenbestandteile wie verwertet wurden. Dies wäre jedoch schon deswegen klärungsbedürftig gewesen, weil eine Unfallschilderung der Beklagten zu 1) vorliegt (Bl. 24 d. A. 455 Js 165967/11), die vorzuhalten gewesen wäre.

cc) Das in erster Instanz erstellte unfallanalytische Sachverständigengutachten (Bl. 56 d. A.) berücksichtigt die für die Klägerin und gegen die Beklagten wirkende Anscheinsbeweislage nicht und klärt deswegen entscheidungserhebliche Fragen nicht sachgerecht.

Zum Ersten hätte der Sachverständige zunächst jegliche für die Klägerin günstigsten Daten und Werte zugrunde legen müssen, denn mit dem Sachvortrag einer Unfallschädigung eines Kindes im Straßenverkehr hat die Klägerin ausreichende, sowie vorliegend unstreitige Tatsachen vorgetragen, die eine Anscheinsbeweislage begründen. Diese wäre als Element der Beweiswürdigung von Amts wegen zu berücksichtigen (etwa Senat, Urt. v. 14.02.2014 - 10 U 2815/13 [juris]; v. 14.03.2014 - 10 U 4774/13 [juris]; v. 25.04.2014 - 10 U 1886/13 [juris]), so dass die Beklagten damit belastet gewesen wären, diesen Anscheinsbeweis zu entkräften oder zu „erschüttern“ durch Darlegung einer ernsthaften Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsgemäßen Geschehensablaufs (BGH DAR 1985, 316), dessen Tatsachen unstreitig oder bewiesen sein müssten (BGH NJW 1953, 584).

Zum Zweiten errechnet der Sachverständige die höchstmögliche Ausgangsgeschwindigkeit der Beklagten zu 1) von 43 km/h mittels einer Reaktionsverzögerung von 0,8 Sekunden aufgrund der Annahme, die Beklagte zu 1) habe erst zum Zeitpunkt des Anstoßes reagiert. Eine derartige Annahme wirkt zugunsten der Beklagten und zulasten der Klägerin, was nach den Anscheinsbeweisregeln nicht statthaft ist. Im Übrigen ist kaum vorstellbar und erklärlich, dass die Beklagte zu 1) die Annäherung der Klägerin überhaupt nicht wahrgenommen habe, es sei denn, sie hätte auf Kinder auf dem Gehweg überhaupt nicht mehr geachtet. Rechnet man beispielsweise mit einer um 0,4 Sekunden früheren Reaktion der Beklagten zu 1), kann unter sonst gleichen Umständen eine Ausgangsgeschwindigkeit von 52 km/h nicht ausgeschlossen werden.

Zum Dritten hat der Sachverständige zur Errechnung der Kollisionsgeschwindigkeit der Klägerin Werte geschätzt, die nicht belegt sind und keine Erläuterung unter der erforderlichen Berücksichtigung günstigster Annahmen enthalten. Deswegen hätte allenfalls mit einer Annäherungsgeschwindigkeit der Klägerin von 12 km/h gerechnet werden und die Annäherungsentfernung von 3 Metern unter Beachtung einer Bogenfahrt begründet werden müssen.

Zum Vierten hätte bei der Reaktionszeit der Beklagten zu 1) von 0,8 Sekunden bedacht werden müssen, dass die angesichts der Verkehrsverhältnisse und § 3 IIa StVO zu fordernde Bremsbereitschaft zu einer deutlichen Verkürzung der Reaktionszeit führt.

Zuletzt ist weder nachvollziehbar dargelegt, wie sich die Entfernung der Beklagten zu 1) - unter Zugrundelegung für die Klägerin günstiger Werte - zum Zeitpunkt der Reaktionsaufforderung errechnet, noch warum sich ein Anhalteweg von 10,81 Metern bei einer Bremsverzögerung von 9 m/s², sowie Reaktions- und Bremsschwellzeiten von 0,8 und 0,2 Sekunden nicht aus einer Ausgangsgeschwindigkeit von 29 km/h, sowie bei einer Reaktionszeit von 0,5 Sekunden nicht aus einer Ausgangsgeschwindigkeit von 34 km/h ergibt (s. OLG Hamm NZV 2006, 151: ggfs. auch 35 km/h nicht ausreichend langsam; r+s 2001, 60: 20 - 25 km/h).

Deswegen ist unter Würdigung aller Gesamtumstände das Absehen von einem umfassenden, auf alle zivilrechtlichen Fragestellungen - insbesondere die Anscheinsbeweislage des § 3 IIa StVO - bezogenen unfallanalytischen Sachverständigengutachten (Senat, Urt. v. 14.03.2014 - 10 U 2996/13 [juris, dort Rz. 5-7]; v. 11.04.2014 - 10 U 4757/13 [juris, dort Rz. 45, 60]) verfahrensfehlerhaft, und schließt aus, dass die Beweiserhebung des Erstgerichts auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht (OLG München, Urt. v. 21.02.2014 - 25 U 2798/13 [juris]).

Somit ist die gesamte Beweisaufnahme unter Erholung eines unfallanalytischen Gutachtens eines anderen Sachverständigen zu wiederholen, § 538 II 1 Nr. 1 ZPO, und hierbei zu klären, ob die Beklagte zu 1) sich von dem zu vermutendem Verschulden als Fahrzeugführerin (§ 18 I 2 StVG) und von anscheinsbeweislich belegten Verstößen gegen das Gebot des Fahrens auf Sicht, das allgemeine Rücksichtnahmegebot und die besonderen Sorgfaltspflichten gegenüber Kindern entlasten kann.

b) Auch die Beweiswürdigung des Erstgerichts ist nach Auffassung des Senats nicht beanstandungsfrei.

aa) Das Ersturteil ist schon wegen der lückenhaften Beweiserhebung verfahrensfehlerhaft mit der Folge, dass eine vollständige Prüfung und Bewertung des Beweisergebnisses fehlt, und deswegen das Ersturteil nicht auf einer ordnungsgemäßen Tatsachenfeststellung fußen kann.

bb) Auch im Übrigen ist die Beweiswürdigung des Erstgerichts unzureichend, denn der Tatrichter muss erkennen lassen, dass der Parteivortrag erfasst und in Betracht gezogen wurde und eine Auseinandersetzung mit dem Beweiswert der Beweismittel erfolgt ist (Zöller/Greger a. a. O. § 286 Rz. 21). Diese Auseinandersetzung muss auch individuell und argumentativ sein (BGH NJW 1988, 566; OLG Oldenburg OLGR 1997, 206 [207 für die Würdigung eines Sachverständigengutachtens]), und „… wenigstens in groben Zügen sichtbar machen, dass die beachtlichen Tatsachen berücksichtigt und vertretbar gewertet worden sind“ (insoweit in BGHZ 126, 217, 219 nicht abgedruckt]; BAGE 5, 221 [224]; NZA 2003, 483 [484]; Senat, Beschl. v. 25.11.2005 - 10 U 2378/05 und v. 23.10.2006 - 10 U 3590/06; KG zfs 2007, 202 [204]).

- Das Ersturteil versagt sich eine vollständige Auseinandersetzung mit den widersprüchlichen Angaben der Beklagten zu 1) und den Gutachtensergebnissen (BGH NJW 2015, 411: „entsprechend dem Gebot des § ZPO § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt“; MDR 1982, 212), indem die Annahmen des Sachverständigen ungeprüft übernommen und floskelhaft für zutreffend erklärt werden (EU 6 = Bl. 76 d. A.), ohne die erleichterte Beweisführung nach dem Anscheinsbeweis und die gebotene Anwendung der für die Klägerin günstigsten Anknüpfungstatsachen zu beachten.

- Deswegen und darüber hinaus wird übersehen (EU 7 = Bl. 77 d. A.), dass zum Ersten die Beklagte zu 1) schon nach eigenen Angaben die Klägerin und ihre Schwester auf dem Gehweg nicht sorgfältig und durchgängig beobachtet hat.

Zum Zweiten geht das Ersturteil nicht darauf ein, dass bereits die als Überquerungshilfe gedachte Verkehrsinsel, in Verbindung mit der abgesenkten Bordsteinkante, deutliche Hinweise auf einen beabsichtigten Wechsel der Straßenseite schafft, insbesondere wenn über das vorangegangene Fahrverhalten der Klägerin und ihrer Schwester keinerlei Feststellungen getroffen werden.

Zuletzt fehlt eine Auseinandersetzung mit der von der Beklagten zu 1) zu fordernden Bremsbereitschaft und dem gegenseitigen Annäherungsverhalten der Parteien: Wenn die Beklagte zu 1) eine Reaktionsaufforderung erhalten hat, als sie - zugunsten der Klägerin nicht ausschließbar - noch 10,8 Meter von der Unfallstelle entfernt war (EU 6 = Bl. 76 d. A.; Gutachten v. 04.07.2014, S. 13, Bl. 56 ff. d. A.), kann sie die Kinder nicht etwa 10 Meter vor ihrem Fahrzeug wahrgenommen haben, und bewusst ohne zu bremsen weitergefahren sein (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 06.02.2014, S. 3 = Bl. 47 d. A.). Dies gilt umso mehr, als unstreitig hinter der Klägerin deren Schwester fuhr (EU 2 = Bl. 72 d. A.), somit die Wahrnehmungsentfernung zu beiden Kindern unterschiedlich gewesen sein muss.

2. Im Übrigen hat das Landgericht auch entscheidende sachlich-rechtliche Fragen, nämlich die verkehrsrechtlichen Sorgfaltspflichten eines Kraftfahrzeugführers gegenüber Fußgängern und Kindern, nicht frei von Rechtsfehlern (§§ 513 I 1. Alt., 546 ZPO) beurteilt und voreilig jegliches Verschulden der Beklagten zu 1), sowie jegliche mögliche Mitverursachungsanteile der Beklagten einschließlich der Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs, ausgeschlossen.

a) Nach den bisherigen Feststellungen sind Körper und Gesundheit der Klägerin verletzt und deren Vermögen beeinträchtigt worden. Diese Rechtsgüterverletzung geschah unstreitig beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs, so dass ein Anspruch aus §§ 18 I, 7 StVG, 115 I 1 Nr. 1, 4 VVG, 823 BGB grundsätzlich in Betracht kommt, wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat. Einen jegliche Haftung der Beklagten ausschließenden Fall höherer Gewalt gemäß § 7 II StVG hat das Erstgericht ebenso zutreffend ausgeschlossen.

Klarzustellen ist, dass ein Fall der Gefährdungshaftung (§ 7 I StVG) ausscheidet, weil der Fahrzeughalter nicht verklagt worden ist, und aus 18 I 2 StVG eine Beweislastumkehr zum Nachteil des Fahrzeugführers folgt.

b) Nicht zu beanstanden ist weiterhin die Annahme, dass diese Haftung anspruchsmindernd durch ein Mitverschulden der Klägerin verringert werde (EU 5, 8 = 75, 78 d. A.), das unter Würdigung aller Gesamtumstände als erheblich einzustufen sei. Die Klägerin räumt eine gewichtige Missachtung wesentlicher Verkehrsvorschriften ein (BB 2 = Bl. 94 d. A.), wer als Fußgängerin (oder Tretrollerfahrerin) Fahrbahnen ohne Beachtung des Straßenverkehrs überquert (§ 25 III 1 StVO), handelt in erheblichem, nicht mehr nachvollziehbarem Umfang unsorgfältig und verantwortungslos (BGH NJW 2000, 3069: „besondere Vorsicht“; NJW 1984, 50), weil das Achten auf bevorrechtigte Fahrzeuge eine elementare Grundregel des Straßenverkehrs darstellt, die jedem Fußgänger, der eine Straße überschreiten will, einleuchten muss (OLG Hamm NZV 1993, 314; NZV 2001, 41; OLG Koblenz NZV 2012, 177; KG VersR 1981, 332; NZV 2004 579; OLG Celle MDR 2004, 994; OLG Bremen VersR 66, 962; OLG Düsseldorf VRS 56, 2). Dies gilt auch für Kinder unter der Voraussetzung ihrer - im Streitfall nicht zweifelhaften - zur Erkenntnis der Verantwortung erforderlichen Reife (OLG Hamm NZV 1990, 473; NZV 1991, 69; NZV 2006, 151; OLG Hamburg NJOZ 2008, 2792; OLG Karlsruhe NZV 2012, 596). Ein Fußgänger müsste sich sogar auf einem Fußgängerüberweg (§ 26 StVO) oder bei Grünlicht einer für ihn geschalteten Lichtzeichenanlage vergewissern, dass er die Fahrbahn gefahrlos überschreiten kann, ein Erzwingen des Vorrechts kann zu einem Mitverschulden führen (BGH VersR 1983, 667; NJW 1966, 1211).

c) Unzutreffend sind dagegen die Annahmen des Erstgerichts, erstens treffe die Beklagte zu 1) lediglich die Pflicht, die zulässige Höchstgeschwindigkeit zu beachten (EU 6/7 = Bl. 76/77 d. A.), zweitens könnten Sorgfaltspflichtverletzung und Verschulden der Beklagten zu 1) ausgeschlossen oder als nicht erweislich angesehen werden (EU 7 = Bl. 77 d. A.), weil sie Vorfahrt gehabt habe und keinerlei äußerlich sichtbaren Umstände darauf hingedeutet haben, dass die Klägerin die Fahrbahn überqueren wolle oder als Kind wegen drohenden verkehrswidrigen Verhaltens besonders schutzwürdig gewesen sei. Überdies kann ein selbst die Betriebsgefahr vollständig aufzehrendes Mitverschulden der Klägerin nicht ohne Würdigung aller Gesamtumstände, insbesondere der genauen Klärung des Unfallhergangs (BGH NJW 2014, 217, [8]: „Mangels ausreichender Feststellungen zum Unfallhergang ergibt sich ein derart überwiegendes Mitverschulden der Klägerin am Zustandekommen des Unfalls nicht bereits daraus, dass diese … unter Verstoß gegen … § 25 … § 25 III StVO die Straße überquerte, ohne auf den Fahrzeugverkehr zu achten“) und des Verhaltens der Fahrzeugführerin, begründet und bewertet werden (EU 7/8 = Bl. 77/78 d. A.).

aa) Vielmehr bestimmen sich die straßenverkehrsrechtlichen Sorgfaltspflichten eines Kraftfahrers gegenüber Fußgängern, die die Fahrbahn überqueren wollen, nach folgenden Grundsätzen, hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Hinweise des Senatsvorsitzenden (v. 12.05.2015, S. 1/5 = Bl. 100/105 d. A.) verwiesen:

- Der Kraftfahrzeugverkehr ist gegenüber Fußgängern bevorrechtigt (§ 25 III StVO), sofern nicht ein Fußgängerüberweg (§§ 25 III 1, 41 I StVO, Anlage 2, Zeichen 293) vorliegt (§ 26 I StVO). Eine in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelte Überquerungs- oder Querungshilfe (BGH NZV 1998, 369), wie die unstreitig von der Klägerin genutzte Verkehrsinsel in der A.-Straße in F., stellt keinen Fußgängerüberweg im Rechtssinne dar und beeinflusst das Vorrangverhältnis nicht (König, NZV 2008, 492 ff, [494 unter IV.]; Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. 2013, § 26, Rn. 10).

- Dennoch hat der Kraftfahrer die allgemeinen Verkehrsregeln zu beachten, insbesondere Geschwindigkeitsvorschriften (§§ 3 III, I StVO; BGH NJW 1992, 1459; OLG Düsseldorf NZV 1994, 70), aber auch das Sichtfahrgebot (BGH NJW 1984, 50 ff. [51 unter 2. c)]), und das Rücksichtnahmegebot (§ 1 II StVO). In diesem Rahmen hat er den gesamten Verkehrsraum, auch bezüglich auf den Gehwegen gehender oder stehender Fußgänger, sorgfältig zu beobachten (OLG Hamm NZV 2000, 371 ff. [372 unter 3. a)]; KG VRS 100, 269 = BeckRS 2001, 00140; BGH VersR 66, 736; OLG Düsseldorf, NZV 2002, 90; OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.06.2009 - 1 U 79/09 [juris]), sowie rechtzeitig und richtig auf etwaige Fehler anderer Verkehrsteilnehmer zu reagieren (BGH NJW-RR 1991, 347; OLG Hamm NZV 1993, 314; KG VRS 100, 269). Bei unachtsamem Verhalten eines Fußgängers bestehen Brems- und Ausweichpflicht (OLG Koblenz NZV 2012, 177; OLG Hamm r+s 1989, 396 = VRS 78, 5), sowie die Notwendigkeit, die Geschwindigkeit herabsetzen, sobald der Fahrer sieht, dass ein Fußgänger die Straße betritt (OLG Düsseldorf VRS 56, 2). Letztere Verpflichtung besteht sogar bei witterungsbedingten Sichtbeeinträchtigungen (OLG Saarbrücken r+s 2010, 479; OLG Hamm r+s 1989, 396).

- Diese Verpflichtungen bestehen uneingeschränkt auch bei schweren Sorgfaltsverstößen eines Fußgänger, etwa wenn dieser die Fahrbahn trotz für ihn Rotlicht zeigender Lichtzeichenanlage in oder an der Ampelfurt überschreiten will (BGH Urt. v. 29.04.1975 - VI ZR 225/73 [juris] = VersR 1975, 858; NJW 1992, 1459; VersR 1967, 608). Angesichts dieser Verpflichtungen kommt eine Bewertung des Mitverschuldens des Fußgängers, die jegliche Haftung des Kraftfahrers ausschließt, lediglich in besonderen Ausnahmefällen und nur dann in Betracht, wenn dieser keinerlei Verkehrsverstöße begangen hat (OLG Köln NZV 2002, 369; OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.06.2009 - 1 U 79/09 [juris]; OLG Frankfurt, Urt. v. 28.09.2010 - 10 U 1/10 [juris]; OLG Saarbrücken, Urt. v. 08.02.2011 - 4 U 200/10 - 60 [juris]; OLG Köln, Beschl. v. 19.03.2012 - I-16 U 169/11, 16 U 169/11 [juris]).

- Eine abweichende Bewertung ist im Streitfall schon deswegen nicht veranlasst, weil Sonderfälle, wie etwa ein Abwarten der Klägerin auf einer Verkehrsinsel, ein Hervortreten hinter einem Verkehrsstau (OLG Hamm NZV 2000, 371) oder eine Vernachlässigung eines naheliegenden Fußgängerüberwegs (BGH NJW 1958, 1630; NZV 1990, 150; KG VRS 100, 269; KG VM 1992, 27; i. Ü auch dort nur hälftige Haftung; OLG Hamm NZV 2000, 371; OLG Dresden NZV 2001, 378), unstreitig nicht vorliegen. Selbst wenn jedoch ein derartiger Vertrauensschutz angenommen würde, beseitigt dieser einerseits nicht die Verpflichtung, die gesamte Fahrbahn zu beobachten, um rechtzeitig auch wegen der in solchen Fällen gegebenen Abstandsverkürzung reagieren zu können (OLG Hamm, a. a. O.; BGH VersR 1966, 736; BGH VersR 1968, 897; OLG Köln VersR 1987, 513; OLG Karlsruhe NJW-RR 1987, 1249; KG VersR 1993, 201), und zwar zu dem Zeitpunkt, zu welchem der Fußgänger die Fahrbahn betritt (OLG Bremen VersR 66, 962; OLG Düsseldorf VersR 1979, 649). Andererseits setzt der genannte Vertrauensgrundsatz jedenfalls ein merkliches Verhalten des Fußgängers voraus, das die Erwartung des Kraftfahrers, ihm werde die Vorbeifahrt gestattet, stützen kann (KG VersR 1968, 259: „Blickkontakt“; OLG Karlsruhe VersR 1971, 1177; OLG Hamm r+s, 2002, 192; BGH VersR 1961, 592).

- Darüber hinaus bestehen besondere Sorgfaltspflichten gegenüber Kindern (§ 3 IIa StVO), diesen gegenüber muss sich ein Kraftfahrer, insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft, so verhalten, dass eine Gefährdung ausgeschlossen ist (BGH NJW 1994, 2829: gegenüber alten Menschen). Diese Fassung des Gesetzestextes begründet zusätzlich eine Anscheinsbeweislage, die für Kinder und gegen den Kraftfahrer streitet. Nach dem unstreitigen Tatbestand des Ersturteils (EU 2 = Bl. 72 d. A.) fuhr die zum Unfallzeitpunkt elfjährige Klägerin, mit einem Tretroller und gefolgt von ihrer achtjährigen Schwester, fahrbahnparallel auf dem Gehweg, um diesen nach links zu verlassen und die Straße an einer als Überquerungshilfe dienenden Verkehrsinsel zu überfahren. Die Klägerin ist somit wegen ihres erheblich unter dem 14. Lebensjahr liegenden Alters (OLG Hamburg NZV 1990, 71) ersichtlich in den Schutzbereich der Verkehrsvorschrift einbezogen, dagegen finden Erwägungen des Erstgerichts zur Unzumutbarkeit dieser besonderen Vorsicht (EU 8 = Bl. 78 d. A.) eine Stütze weder im Gesetz, noch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die Meinung, erhebliche, verkehrsbedingte Geschwindigkeitsverringerungen eines Kraftfahrers zum Schutz von Kindern auf dem fahrbahnnahen Gehweg könnten den Stadtverkehr beeinträchtigen und ein erhöhtes Unfallrisiko herbeiführen, ist nicht nur durch keinerlei tatsächliche Feststellungen belegt, sondern auch nicht zu begründen.

Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand liegt nahe, dass die Beklagte zu 1) den sie treffenden Sorgfaltsanforderungen nicht gerecht geworden ist. Allein die Anwesenheit von Schulkindern auf dem rechten Bürgersteig und die Nähe einer als Überquerungshilfe gedachten Verkehrsinsel zwingen zu besonderer Aufmerksamkeit und Geschwindigkeitsverringerung (OLG Hamm r+s 2001, 60; NZV 1990, 473; NZV 1991, 69; NZV 2006, 151), zumal eine gegenseitige Beeinflussung der Klägerin und ihrer noch jüngeren Schwester (BGH NJW 1991, NJW Jahr 1990 Seite 292; KG NZV 1999, 329; OLG Hamburg NZV 1990, 71) nicht auszuschließen ist und sogar nahe liegt.

- Aus dem grundsätzlichen Vorrang des Kraftfahrzeugverkehrs folgt schon allgemein keineswegs ein geschütztes Vertrauen darauf, dass Fußgänger sich immer verkehrsgerecht, vorsichtig und der StVO entsprechend verhalten, sondern nur unter besonderen Umständen (BGH VersR 1955, 156; BayObLG VRS 58, 85 = S. 221; BGH NJW 1966, 1211; BayObLG NJW 1978, 1491; OLG Karlsruhe VersR 1982, 450; OLG Hamm r+s 1988, 102; BGH NJW 2000, 3069). Dies gilt verstärkt gegenüber Kindern (OLG Hamburg NJOZ 2008, 2792; OLG Karlsruhe NZV 2012, 596).

- Hieraus folgt, dass eine Bewertung des klägerischen Mitverschuldens als so gewichtig, dass jegliche Haftung der Beklagten entfalle, kaum vertretbar ist (OLG Karlsruhe NZV 2012, 596, OLG Hamm NZV 1991, 69: Haftung des Kraftfahrers zu 1/3 bei leichtem Verschulden oder bloßer Betriebsgefahr; OLG Hamm NZV 2006, 151: zu 40% wegen groben Verschuldens des Kindes; OLG Hamm r+s 2001, 60: Haftung des Kraftfahrers zu 2/3).

bb) Darlegungs- und beweisbelastet für eine schuldhafte Unfallverursachung durch die Klägerin und ein dieser anspruchsmindernd zuzurechnendes Mitverschulden, aber auch für deren Ausmaß, sind die Beklagten. Dies hat zur Folge, dass Sachverständiger und Gericht zu allen Bewegungen der Klägerin in die und auf der Fahrbahn bei nicht eindeutig feststellbaren Umständen die für die Klägerin (nicht die Beklagten) günstigsten technisch möglichen Werte anzusetzen haben. Gleiches gilt für den Nachweis der Einhaltung der an einen Idealfahrer zu stellenden Anforderungen (unabwendbares Ereignis i. S. d. § 17 III StVG), was eine vollständige und genaue Prüfung und Darlegung des Fahrverhaltens, insbesondere der Wahrnehmung und Beurteilung des Verhaltens der Klägerin erfordert. Soweit grundsätzlich die Klägerin die Beweisführungs- und Feststellungslast für Sorgfaltspflichtverstöße und Verursachungsbeiträge der Beklagten trifft, ist die aus dem Gesetzeswortlaut (§ 3 IIa StVO) abgeleitete Beweiserleichterung durch den Anscheinsbeweis zu beachten.

Bei dieser Sachlage ist bisher nicht vertretbar, Sorgfaltspflichtverletzung und Verschulden der Beklagten zu 1) für ausgeschlossen oder nicht erwiesen zu halten, vielmehr wird das Erstgericht hierfür maßgebliche und geeignete Umstände erst noch verfahrensfehlerfrei zu ermitteln und sachgerecht zu würdigen haben. Sollte das Erstgericht wiederum zu dem Ergebnis gelangen, dass das Mitverschulden der Klägerin jegliche Haftung der Beklagten, selbst diejenige für Betriebsgefahr, aufzehre, wäre folgendes zu berücksichtigen: In die Abwägung sind alle Faktoren, soweit unstreitig oder erwiesen, einzubeziehen, die eingetreten sind, zur Entstehung des Schadens beigetragen haben und einem der Beteiligten zuzurechnen sind (BGH NJW 1995, 1029; 2007, 506 [207]; NJW-RR 1988, 1177; OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.08.2014 - 1 U 151/13 [juris, Rz. 64]), insbesondere auch Fahrverhalten und festgestellte Sorgfaltsverstöße des Unfallgegners (BGH NJW-RR 1993, 480: Mitverschulden im Verhältnis zur Betriebsgefahr bei der Bahn). Eine Gewichtung der Mitverursachung oder des Mitverschuldens kann nur aufgrund einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls erfolgen, insbesondere der genauen Klärung des Unfallhergangs (BGH NJW 2014, 217, [8]: „Mangels ausreichender Feststellungen zum Unfallhergang ergibt sich ein derart überwiegendes Mitverschulden der Klägerin am Zustandekommen des Unfalls nicht bereits daraus, dass diese … unter Verstoß gegen § 25 § 25 III StVO die Straße überquerte, ohne auf den Fahrzeugverkehr zu achten“).

II.

Der Senat hat eine eigene Sachentscheidung nach § 538 I ZPO erwogen, sich aber - entgegen seiner sonstigen Praxis - aus folgenden Gründen dagegen entschieden:

1. Eine derartig mangelhafte Beweiserhebung stellt einen Zurückverweisungsgrund nach § 538 II 1 Nr. 1 ZPO dar (Senat, Urt. v. 09.10.2009 - 10 U 2309/09 [juris, dort Rz. 23]; v. 25.06.2010 - 10 U 1847/10 [juris, dort Rz. 13]; VersR 2011, 549 ff.; NJW 2011, 3729 und v. 22.07.2011 - 10 U 1481/11). Als schwerwiegender Verfahrensfehler erweist sich, dass das Erstgericht die Pflicht zu umfassender Sachverhaltsaufklärung, insbesondere durch vollständige Parteianhörungen und geeignete sachverständige Begutachtung, verletzt hat. Die erforderliche Beweisaufnahme wäre umfangreich und aufwändig (§ 538 II 1 Nr. 1, 2. Satzhälfte ZPO), weil der Senat sich nicht darauf beschränken dürfte, ein vollständiges Sachverständigengutachten zu erholen. Vielmehr wären zusätzlich beide Parteien anzuhören und auch die aus der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige ersichtlichen Zeugen zu vernehmen, sobald sich eine Partei darauf bezieht (§§ 525 S. 1, 273 II Nr. 4 ZPO). Denn eine Beurteilung sowohl der Glaubhaftigkeit der Sachdarstellung, als auch der Glaubwürdigkeit der Zeugen und Parteien anhand früherer Aussagen wäre rechtsfehlerhaft, wenn der Senat auf einen eigenen persönlichen Eindruck verzichten wollte (s. etwa BGH r + s 1985, 200; NJW 1997, 466; NZV 1993, 266; VersR 2006, 949). Durch die gebotene Beweisaufnahme würde der Senat zu einer mit der Funktion eines Rechtsmittelgerichts unvereinbaren vollständigen Wiederholung des erstinstanzlichen Verfahrens einschließlich der gesamten Beweisaufnahme (Senat VersR 2011, 549 ff.) gezwungen. Hinzu kommt, dass je nach dem Ergebnis der durchzuführenden Beweiserhebung über den genauen Hergang des Unfalls auch zur Höhe des Schmerzensgelds erstmals entschieden werden müsste (§ 538 II 1 Nr. 4, 2. Alt. ZPO, Senat NJW 1972, 2048 [2049]; OLG Köln NJW 2004, 521).

2. Auch die aus unzureichender Beweiserhebung und fehlerhafter Rechtsauffassung folgende, erheblich fehlerhafte Beweiswürdigung stellt einen Verfahrensverstoß dar, welcher zur Zurückverweisung gemäß § 538 II 1 Nr. 1 ZPO berechtigt (Senat, Urt. v. 14.07.2006 - 10 U 5624/05 [juris]; v. 01.12.2006 - 10 U 4328/06; v. 04.09.2009 - 10 U 3291/09; v. 06.11.2009 - 10 U 3254/09; v. 19.03.2010 - 10 U 3870/09 [juris, dort Rz. 23]; v. 25.06.2010 - 10 U 1847/10 [juris, dort Rz. 13]; VersR 2011, 549 ff.; v. 22.07.2011 - 10 U 1481/11 [juris, dort Rz. 8]).

3. Der durch die Zurückverweisung entstehende grundsätzliche Nachteil einer Verzögerung und Verteuerung des Prozesses muss hingenommen werden, wenn ein ordnungsgemäßes Verfahren in erster Instanz nachzuholen ist und den Parteien die vom Gesetz zur Verfügung gestellten zwei Tatsachenrechtszüge erhalten bleiben sollen (Senat NJW 1972, 2048 [2049]; OLG Naumburg NJW-RR 2012, 1535 [1536]); eine schnellere Erledigung des Rechtsstreits durch den Senat ist im Übrigen angesichts seiner außerordentlich hohen Geschäftsbelastung vorliegend nicht zu erwarten.

III.

Die Kostenentscheidung war dem Erstgericht vorzubehalten, da der endgültige Erfolg der Berufung erst nach der abschließenden Entscheidung beurteilt werden kann (OLG Köln NJW-RR 1987, 1032; Senat in st. Rspr., zuletzt VersR 2011, 549 ff.; NJW 2011, 3729).

Die Gerichtskosten waren gemäß § 21 I 1 GKG niederzuschlagen, weil ein wesentlicher Verfahrensmangel - nur ein solcher kann zur Aufhebung und Zurückverweisung führen (§ 538 II 1 Nr. 1 ZPO) -, denknotwendig eine unrichtige Sachbehandlung i. S. des § 21 I 1 GKG darstellt.

§ 21 I 1 GKG erlaubt auch die Niederschlagung von Gebühren des erstinstanzlichen Verfahrens (vgl. OLG Brandenburg OLGR 2004, 277; OLG Düsseldorf NJW-RR 2007, 1151; Senat, Beschl. v. 17.09.2008 - 10 U 2272/08, st. Rspr., zuletzt Urt. v. 19.03.2010 - 10 U 3870/09 [juris, dort Rz. 93] und v. 27.01.2012 - 10 U 3065/11 [juris, dort Rz. 12]).

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 S. 1 ZPO. Auch im Falle einer Aufhebung und Zurückverweisung ist im Hinblick auf §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit geboten (BGH JZ 1977, 232; Senat in st. Rspr., zuletzt u. a. VersR 2011, 549 ff. und NJW 2011, 3729), allerdings ohne Abwendungsbefugnis (Senat a. a. O.). Letzteres gilt umso mehr, als das vorliegende Urteil nicht einmal hinsichtlich der Kosten einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist.

V.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben.

Weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache (BVerfG NJW 2014, 2417 [2419, Tz. 26-32]; BGH NJW-RR 2014, 505) noch die Fortbildung des Rechts (BVerfG a. a. O. [2418/2420, Tz. 33]) oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (BVerfG a. a. O. [2420, Tz. 34]; BGH NJW 2003, 1943) erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Entscheidung weicht nicht von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung ab und betrifft einen Einzelfall, der grundlegende Rechtsfragen nicht aufwirft.

Die Vorschriften des § 7 gelten nicht,

1.
wenn der Unfall durch ein Kraftfahrzeug verursacht wurde, das auf ebener Bahn mit keiner höheren Geschwindigkeit als 20 Kilometer in der Stunde fahren kann, es sei denn, es handelt sich um ein Kraftfahrzeug mit autonomer Fahrfunktion im Sinne des § 1d Absatz 1 und 2, das sich im autonomen Betrieb befindet,
2.
wenn der Verletzte bei dem Betrieb des Kraftfahrzeugs tätig war oder
3.
wenn eine Sache beschädigt worden ist, die durch das Kraftfahrzeug befördert worden ist, es sei denn, dass eine beförderte Person die Sache an sich trägt oder mit sich führt.

Tenor

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 11.262,47 € festgesetzt.

1. Auf die Berufung des Klägers vom 08.12.2015, eingegangen am 09.12.2015, wird das Endurteil des LG München II vom 20.11.2015 (Az. 10 O 4044/14) samt dem ihm zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG München II zurückverwiesen.

2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem LG München II vorbehalten. Gerichtsgebühren für die Berufungsinstanz, sowie gerichtliche Gebühren und Auslagen, die durch das aufgehobene Urteil verursacht worden sind, werden nicht erhoben.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Weiter ergeht gemäß §§ 63 II 1, 47 I 1, 40, 48 I 1 GKG, 3 ff. ZPO folgender Beschluss:

Tatbestand

A. Der Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz aus einem Unfall im Straßenverkehr geltend, wobei er - in der Hauptsache - verzinste Sach- und Vermögensschäden in Höhe von 10.662,47 € und ein verzinstes angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 600,- €, verlangt.

Am Dienstag, den 13.05.2014 gegen 08.45 Uhr, kam der Kläger mit seinem Pkw BMW 116i, amtliches Kennzeichen ..., auf der J. Straße im Gemeindegebiet von P. bei Kilometer 0.300 nach rechts von der Fahrbahn ab, nach seiner Meinung weil er bei einem Überholvorgang von dem Traktor DB MB-Trac 440/2, amtliches Kennzeichen ... 94, gehalten und gefahren vom Beklagten zu 2) und haftpflichtversichert bei der Beklagten zu 1), behindert worden sei. Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 20.11.2015 (Bl. 126/130 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht München II hat nach Beweisaufnahme die Klage vollständig abgewiesen (EU 1 = Bl. 126 d. A.), weil dem Kläger „der Nachweis eines Verschuldens des Beklagten zu 2) an dem Unfall“ misslungen sei (EU 4 = Bl. 129 d. A.). Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 128/130 d. A.) des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses ihm am 26.11.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger mit beim Oberlandesgericht München am 09.12.2015 eingegangenen Schriftsatz vom 08.12.2015 Berufung eingelegt (Bl. 138/143 d. A.) und diese gleichzeitig begründet.

Der Kläger beantragt,

das Ersturteil aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung an das Landgericht München II zurückzuverweisen,

hilfsweise die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,

- an den Kläger 10.662,47 € und ein angemessenes Schmerzensgeld von mindestens 600,- €, jeweils nebst Zinsen aus diesen Beträgen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 16.06.2014 und 03.06.2014 zu bezahlen,

- an den Kläger für vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten 1.132,88 € zu bezahlen, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 11.09.2014 (BB 2 = Bl. 139 d. A.).

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen (Bl. 146 d. A.).

Der Senat hat gemäß Beschluss vom 12.04.2016 mit Zustimmung der Parteien schriftlich entschieden, § 128 II ZPO; als Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, wurde der 29.04.2016 bestimmt (Bl. 159/160 d. A.).

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die Hinweisverfügung des Senatsvorsitzenden vom 24.02.2016 (Bl. 148/150 d. A.) Bezug genommen. Von weiterer Darstellung der Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

Gründe

B. Die statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache jedenfalls vorläufig Erfolg.

I. Das Landgericht hat entschieden, dass Ansprüche des Klägers auf Schadensersatz einschließlich Schmerzensgeldes nicht bestünden, weil - unabhängig von der Unfallursache - der Kläger jedenfalls nicht habe beweisen können, dass dem Beklagten zu 2) ein Fehlverhalten zur Last falle (EU 1, 4 = Bl. 126, 129 d. A.).

Dieses Ergebnis entbehrt einer überzeugenden Grundlage, weil sowohl die tatbestandliche Darstellung, als auch die Beweiserhebung unvollständig geblieben sind. Überdies sind die Beweiswürdigung und die Anwendung sachlichen Rechts nicht frei von Rechtsfehlern.

1. Die erstinstanzliche Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen (Senat, Urt. v. 24.01.2014 - 10 U 1673/13 [juris, Rz. 16]) ist zu beanstanden, weil diese weder vollständig, noch uneingeschränkt zutreffend erarbeitet wurden. Deswegen ist der Senat wegen offensichtlicher Lücken, Widersprüche oder Unrichtigkeiten (BGH WM 2015, 1562; NJW 2005, 1583; r + s 2003, 522) nicht nach § 529 I Nr. 1 ZPO gebunden und eine erneute Sachprüfung eröffnet. Angesichts einzelner Angriffe der Berufung auch gegen die Tatsachenfeststellung des Erstgerichts (BB 5/6 = Bl. 142/143 d. A.), unterliegt eine Prüfung des Senats von Amts wegen keiner Bindung an das Berufungsvorbringen (BGH [V. ZS] NJW 2004, 1876; [VI. ZS] NJW 2014, 2797).

a) Der Tatbestand des Ersturteils erlaubt wegen seiner Lücken, Unklarheiten und Widersprüche weder eine zuverlässige Feststellung des unstreitigen Sachverhalts, noch der streitigen Parteibehauptungen, noch der Klageanträge.

- Einen unstreitigen Teil weist der erstinstanzliche Tatbestand nicht auf (EU 2 = Bl. 127 d. A.), obwohl in den Entscheidungsgründen durchaus entscheidungserhebliche Tatsachen als unstreitig bezeichnet und behandelt werden (EU 4 = Bl. 129 d .A.). Aus den Verfahrensakten und den im Ersturteil in Bezug genommenen Schriftsätzen (EU 3 = Bl. 128 d. A.) ergibt sich zudem ohne weiteres, dass etliche dieser Tatsachen tatsächlich unstreitig sind, wie insbesondere die Unfallörtlichkeit und der Unfallzeitpunkt, sowie das Abkommen des Klägers nach rechts von der Fahrbahn (Klageschrift v. 03.09.2014, S. 3 = Bl. 3 d. A., Klageerwiderung v. 21.10.2014, S. 2 = Bl. 19 d. A.), die Mindestgeschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 22.04.2015, S. 2 = Bl. 86 d. A.) und Äußerungen des Beklagten zu 2) an der Unfallstelle (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 22.04.2015, S. 2/3 = Bl. 86/87 d. A.).

- Das streitige Klägervorbringen des Ersturteils ist insofern unvollständig, als der Kläger den Waldweg, in den der Beklagte zu 2) habe einbiegen wollen, für kaum wahrnehmbar, die Geschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs für relativ hoch, und ein Blinken des Fahrtrichtungsanzeigers für ausgeschlossen halten will (Schriftsatz v. 04.11.2014, S. 2 = Bl. 31 d. A.; EU 2 = Bl. 127 d. A.). Ebenso fehlt ein Hinweis auf berichtigende Angaben zum Überholvorgang (Schriftsatz v. 04.11.2014, S. 3 = Bl. 32 d. A.), der gerade nicht durch einen Verweis auf die Klageschrift ersetzt werden kann.

- Im streitigen Beklagtenvorbringen lässt das Ersturteil die Behauptung außer Acht, der vorgenannte Feldweg sei weithin erkennbar und sichtbar gewesen (Schriftsatz v. 16.01.2015, S. 1 = Bl. 59 d. A.).

- Die Wiedergabe der Klageanträge (EU 3 = Bl. 128 d. A.) ist unrichtig, weil der Kläger nicht mehr den zum Versäumnisurteil führenden Zahlungsantrag aus der Klageschrift gestellt, sondern hinsichtlich eines Teilbetrags die Klage zurückgenommen hatte (Schriftsatz v. 23.04.2015, Bl. 89 d. A.).

Deswegen kann der erstinstanzliche Tatbestand den für das Berufungsgericht nach § 529 I Nr. 1 ZPO maßgeblichen Sachverhalt nicht bestimmen (Senat in st. Rspr., zuletzt etwa r+s 2010, 434; zur negativen Beweiskraft des Tatbestands: BGH NJW 1981, 1848; 1983, 885; 1984, 2463; NJW-RR 1990, 1269; anders, aber nicht überzeugend und unter Vermeidung einer Vorlage nach §§ 132 GVG, 2 RsprEinhG: NJW 2004, 1876) und dem weiteren Verfahren nicht zugrunde gelegt werden (BGH r + s 2003, 522), ohne dass ein Tatbestandsberichtigungsverfahren nach § 320 ZPO (BGH NJW-RR 2010, 975) notwendig wäre.

Das Landgericht hat wesentlichen Tatsachenvortrag übergangen, insbesondere unstreitige Sachverhalte nicht zur Kenntnis genommen und über streitige Umstände keinen Beweis erhoben. Insoweit wird im weiteren Verfahren zu ermitteln und in den Urteilsgründen darzustellen sein, welche Tatsachen unstreitig oder zugestanden geblieben oder geworden sind, und welche streitige und entscheidungserhebliche Behauptungen erwiesen wurden.

b) Die Beweiserhebung des Erstgerichts ist zu beanstanden, weil eine umfassende und sachgerechte Aufklärung des Unfallgeschehens (s. Senat, Urt. v. 11.03.2016 - 10 U 4087/15 [juris]; v. 26.02.2015 - 10 U 153/15 [juris]; v. 31.07.2015 - 10 U 4733/14 [juris, Rn. 18, m. w. N.]) für entbehrlich gehalten und unterlassen wurde. Einerseits wurden angebotene (Klageschrift v. 03.09.2014, Bl. 4 d. A.; Einspruchsschriftsatz v. 21.10.2014, Bl. 20 d. A.) und im Übrigen von Amts wegen einzuholende Beweismittel, insbesondere ein unfallanalytisches Sachverständigengutachten, ohne Rechtfertigung und aufgrund unzutreffender Rechtsauffassungen nicht verfolgt, andererseits sind die Sachverhaltsfeststellungen lückenhaft und unklar geblieben.

Deswegen werden genauere Feststellungen und mindestens eine ergänzende Beweisaufnahme notwendig werden, insbesondere wird als entscheidungserheblich zu prüfen und zu klären sein,

- welche Sichtverhältnisse der Kläger (zum Unfallzeitpunkt) in Annährung an die spätere Unfallstelle vorgefunden hat, sowohl im Hinblick auf das Beklagtenfahrzeug, als auch im Hinblick auf die Überholstrecke und den nach links abzweigenden Feldweg,

- welche Ausgangsgeschwindigkeiten der Kläger und der Beklagte zu 2) zu Beginn des Unfallgeschehens gefahren waren, sowie an welchem Ort und in welcher Entfernung zu einander sie ihr Fahrmanöver (der Kläger einen Überholvorgang, der Beklagte zu 1) einen Linksabbiegevorgang) begonnen haben,

- zu welchem Zeitpunkt und mit welchem Beschleunigungen der Beklagte zu 2) das Linksabbiegen begonnen, und welche Wegstrecke er in welcher Zeit zurückgelegt hat,

- zu welchen Zeitpunkten und mit welchen Beschleunigungen der Kläger nach links ausgeschert und wieder auf die rechte Fahrbahn zurückgelenkt, und welche Wegstrecke er dabei in welcher Zeit zurückgelegt hat (Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft München II, 56 Js 23498/14, Bl. 3),

- welche Fahrlinie des Klägers unter Berücksichtigung der ohne weiteres ermittelbaren Fahrzeugendlage (Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft München II, 56 Js 23498/14, Bl. 14) festzustellen oder wenigstens nachvollziehbar ist, und

- inwieweit eine Beeinflussung durch den begonnenen Abbiegevorgang des Beklagtenfahrzeugs aus technischer Sicht möglich, wahrscheinlich oder auszuschließen ist.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Hinweis des Senats (v. 24.02.2016, S. 1/2 = Bl. 148/149 d. A.) Bezug genommen. Die Beweisaufnahme war aus folgenden Gründen unzureichend:

aa) Die gebotene (BGH NJW 2015, 74; 2013, 2601) persönliche Anhörung des Klägers und des Beklagten zu 2) (§ 141 I, II ZPO) wurde zwar durchgeführt, die Befragungen sind jedoch zu kursorisch geraten und klären entscheidende Umstände des Unfalls nicht. Hinsichtlich des Klägers wäre die gesamte Annäherung an die Unfallstelle, einschließlich der Sichtverhältnisse und Entfernungen, zu erfragen, und mit den Angaben des Beklagten zu 2) und den Ermittlungen eines unfallanalytischen Sachverständigen abzugleichen gewesen. Hinsichtlich des Beklagten zu 2) wäre zu erfragen gewesen, wie er sich dem Feldweg angenähert, insbesondere sich eingeordnet oder die Fahrt verlangsamt habe, vor allem aber in welcher Entfernung und in welchem Zeitraum vor Beginn des Abbiegevorgangs er den Blinker gesetzt habe; dies ist mit der Wertung „rechtzeitig“ (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 22.04.2015, S. 2 = Bl. 86 d. A.) nicht hinreichend beschrieben.

Vor allem hätte die Anhörung beider Parteien in Streitfall zwingend in Anwesenheit eines unfallanalytischen Sachverständigen (vgl. grds. BGH VersR 1979, 939 [juris, Rn. 23]; Senat, Beschl. v. 22.09.2014 - 10 W 1643/14; Urt. v. 13.11.2015 - 10 U 3964/14 [juris]) stattfinden müssen. Sowohl der Kläger als auch der Beklagte zu 2) waren unmittelbar an dem Geschehen beteiligt, ohne eine Beteiligung unfallanalytischer Sachkunde konnten und können deren Angaben weder auf Glaubhaftigkeit und technische Nachvollziehbarkeit überprüft oder verfeinert, noch sachgerechte ergänzende Fragen gestellt und weitere Anknüpfungspunkte oder geeigneter Sachvortrag gewonnen werden.

bb) Die Beiziehung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsakten (56 Js 23498/14 der Staatsanwaltschaft München II) ist nicht zu beanstanden (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 22.04.2015, S. 3/4 = Bl. 87/88 d. A.), allerdings hätten dann auch dort auffindbare weitere Ansätze zur Beweiserhebung verfolgt werden müssen. Neben Lichtbildern (auch zur Endstellung des Klägerfahrzeugs) finden sich eine polizeiliche Einschätzung des Unfallhergangs (Bl. 3/4, 9/11 d. A.) und eine Äußerung des Beklagten zu 2) als Betroffener, die Anlass für Vorhalte im Rahmen der Parteianhörungen und Anknüpfungstatsachen für einen unfallanalytischen Sachverständigen geboten hätten.

cc) Das Erstgericht hat zwar ein unfallanalytisches Gutachten eingeholt (Beweisbeschl. v. 22.05.2015, Bl. 95/96 d. A.), das Beweisthema jedoch rechtsfehlerhaft und ohne Begründung einerseits auf eine einzige Teilfrage beschränkt, andererseits lediglich die Unabwendbarkeit des Unfallereignisses für den Kläger untersucht (Hinweise d. Senats v. 24.02.2016, Bl. 148/149 d. A.). Dagegen wäre, sowohl von Amts wegen, als auch auf Antrag der Parteien, eine umfassende sachverständige Begutachtung des gesamten Unfallgeschehens geboten gewesen. Sollte das Landgericht den zugehörigen Antrag des Klägers (Klageschrift, Bl. 4 d. A.) in dem Sinne missverstanden haben, dass allein die Sichtbarkeit der rückwärtigen Signaleinrichtungen des Beklagtenfahrzeugs bewiesen werden solle, wäre ein richterlicher Hinweis gemäß § 139 I 2 ZPO angebracht gewesen, dass allein eine Erweiterung des Beweisthemas sachgerecht sei.

Mit einem vollständigen unfallanalytischen Gutachten ist ohne Weiteres eine weit reichende und weiter führende Aufklärung des Unfallgeschehens, insbesondere der vorstehend aufgelisteten Einzelfragen, zu erwarten. Ein Fall, in welchem der Sachverständigenbeweis ein ungeeignetes Beweismittel darstellen könnte (BGH NStZ 2009, 48, dagegen umgekehrt: BGH NStZ 1995, 97), liegt ersichtlich nicht vor, zumal hierfür weder eine nachvollziehbare Begründung gegeben, noch eigene Sachkunde dargelegt wird (vgl. BGH VersR 2011, 1432; OLG München, Urteil v. 05.02.2014 - 3 U 4256/13 [juris, Rz. 26-28, 33]). Der Senat hält folgende tatsächliche Umstände für unfallanalytisch klärungsbedürftig, ergänzend wird auf die Hinweise v. 24.02.2016 (Bl. 148/149 d. A.) verwiesen:

- Ein im Rahmen der Fahrzeughalterhaftung wirksamer Zusammenhang zwischen dem Abkommens des Klägers von der Fahrbahn und dem Betrieb des Traktors der Beklagten kann schon dann entstanden sein, wenn entsprechend dem umfassenden Schutzzweck des § 7 I StVG ein durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflusster Schadensablauf vorliegt, also die von einem Kraftfahrzeug typischer Weise verursachten Gefahren zum Schadenseintritt beigetragen haben können (Senat, Urt. v. 06.02.2015 - 10 U 70/14 [juris, m. w. N.]). Ein Zurechnungszusammenhang fehlt nur dann, wenn die Schädigung nicht mehr eine spezifische Auswirkung derjenigen Gefahren ist, für die die Haftungsvorschrift den Verkehr schadlos halten will (Senat, a. a. O.). Bei Unfällen ohne Fahrzeugberührung (vgl. etwa BGH NJW 2005, 2081) muss vor allem die Fahrweise oder der Betrieb des Fahrzeugs (des als Schädiger in Anspruch genommenen Haftpflichtigen) zur Entstehung des Unfalls beigetragen (vgl. etwa BGH VersR 1988, 641) und sich auf den Schadensverlauf ausgewirkt haben (Senat, Beschl. v. 27.08.2015 - 10 U 1984/15 [n. v.]). Deswegen ist entscheidungserheblich, in welchem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang oder Abstand zueinander die Unfallbeteiligten gehandelt haben.

- Die (zunächst technische) Unvermeidbarkeit des Unfallgeschehens kann nicht nur anhand einzelner Gesichtspunkte, etwa der Erkennbarkeit der Signaleinrichtungen des Beklagtenfahrzeugs für den Kläger, sowie der Beachtung der doppelten Rückschaupflicht für den Beklagten zu 2), beurteilt werden, sondern muss einerseits das gesamte Fahrverhalten klären, andererseits die Frage, ob ein überdurchschnittlich sorgfältiger und vorsichtiger Kraftfahrer überhaupt in eine derartige Verkehrslage geraten wäre.

- Zuletzt ist festzustellen, ob die Unfallschilderungen der Parteien aus technischer Sicht möglich, nachvollziehbar oder auszuschließen sind, und sich mit der Endstellung der Fahrzeuge vereinbaren lassen. Insbesondere erlauben geeignete Computer-Simulationsprogramme eine Berechnung und anschauliche Darstellung verschiedener Unfallhergänge, die auf ihre Vereinbarkeit mit den Unfallschilderungen der Beteiligten überprüft werden können.

Da für die Unterlassung vollständiger sachverständiger Begutachtung einerseits keinerlei Begründung gegeben, andererseits die Beweisanträge in den Urteilsgründen nicht einmal erwähnt wurden, muss ein unberechtigtes Übergehen eines Beweisantrags angenommen werden, mit der Folge eines Verstoßes gegen das Verfahrensgrundrecht rechtlichen Gehörs (Art. 103 I GG) und somit eines schweren Verfahrensfehlers (s. BGH NJW 1951, 481, Senat, Urt. v. 20.02.2015 - 10 U 1722/14 [juris, Rn. 33]; Urt. v. 10.02.2012 - 10 U 4147/11 [BeckRS 2012, 04212]). Nach einer erneuten Beweisaufnahme muss erkennbar werden, von welchen tatsächlichen Umständen sich das Erstgericht aus welchen Gründen überzeugt hat. Erst dann können gegebenenfalls im Rahmen einer Abwägung nach § 17 I, II StVG alle Faktoren, soweit unstreitig oder erwiesen, einbezogen werden, die eingetreten sind, zur Entstehung des Schadens beigetragen haben und einem der Beteiligten zuzurechnen sind. Eine Gewichtung des Verschuldens und Mitverschuldens kann erst nach umfassender Würdigung aller Umstände des Einzelfalls erfolgen (Senat, Urt. v. 31.07.2015 - 10 U 4377/14 [juris, Rn. 55, m. w. N.]). Deswegen bildet unter Würdigung aller Gesamtumstände die unterlassene vollständige Beweiserhebung, insbesondere der Verzicht auf ein umfassendes und auf zivilrechtliche Fragestellungen bezogenes unfallanalytisches Sachverständigengutachten (Senat, Urt. v. 14.03.2014 - 10 U 2996/13 [juris, dort Rz. 5-7]; v. 11.04.2014 - 10 U 4757/13 [juris, dort Rz. 45, 60]) einerseits, sowie die unterlassene Anhörung des Sachverständigen in Anwesenheit der Parteien andererseits einen schweren Verfahrensfehler und schließt aus, dass die Beweiserhebung des Erstgerichts auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht (OLG München, Urt. v. 21.02.2014 - 25 U 2798/13 [juris]).

c) Auch an die Beweiswürdigung des Erstgerichts ist der Senat - nach § 529 I Nr. 1 ZPO - angesichts durchgreifender Mängel nicht gebunden.

aa) Schon die unvollständige, fehlerhafte oder unterlassene Beweiserhebung macht das Ersturteil verfahrensfehlerhaft mit der Folge, dass eine sachgerechte Prüfung und Bewertung eines vollständigen Beweisergebnisses notwendig fehlen müssen (OLG München, Urt. v. 21.02.2014 - 25 U 2798/13 [juris]), und mögliche Sorgfaltspflichtverstöße des Beklagten zu 2), sowie etwaige Verkehrsverstöße des und ein Ausschluss der Unvermeidbarkeit des Unfalls für den Kläger auf einen unzureichend ermittelten Sachverhalt gestützt werden.

bb) Im Übrigen fehlt dem Ersturteil eine individuelle Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen, insbesondere der Beteiligtenangaben, auch unter Berücksichtigung sonstiger Beweisergebnisse (BGH NJW 1992, 1966; NJW 1997, 1988).

- Die Auffassung, der Kläger habe „eher“ den laufenden Blinker am Traktor des Beklagten zu 2) übersehen, wurde weder unter Berücksichtigung und Abwägung aller Umstände des Einzelfalls gefunden, noch hierfür eine denkgesetzlich mögliche, widerspruchsfreie und nachvollziehbare Begründung (BGH NJW 2012, 3439 [3442]; NJW-RR 2011, 270) geliefert. Insbesondere enthält das Ersturteil lediglich eine knappe Wiedergabe der Angaben des Beklagten zu 1) und keinerlei Einschätzung deren Glaubhaftigkeit und deren Beweiswerts (EU 4 = Bl. 129 d. A.), insoweit wird zur Vervollständigung auf die Hinweise des Senats (Bl. 148/149 d. A.) verwiesen.

- Die Wiedergabe der Erklärungen des Klägers beschränkt sich auf unsichere Angaben, ob der Beklagte zu 2) geblinkt habe (EU 4 = Bl. 129 d. A.), ohne sich mit der Frage auseinander zu setzen, ob, gegebenenfalls wie lange vor dem Abbiegen der Beklagte zu 2) den Fahrtrichtungsanzeiger betätigt habe, und ob dem Kläger dies nur deswegen entgangen sein könne, weil tatsächlich kein Blinken stattgefunden habe.

- Das Landgericht folgert aus dem Beweisergebnis, dass ein laufender Fahrtrichtungsanzeiger für den Kläger nicht aufgrund dessen Anordnung am Beklagtenfahrzeug hätte übersehen werden können, sowie dass dem Kläger nicht gelungen sei, dem Beklagten zu 2) ein Fehlverhalten nachzuweisen (EU 4 = Bl. 129 d. A.). Jedoch sind diese Tatsache weder notwendige, noch hinreichende Bedingungen eines straßenverkehrsrechtlichen Sorgfaltspflichtverstoßes: Zum ersten kann der Beklagte zu 2) sich trotz ordnungsgemäßer Anwendung des Blinkers verkehrswidrig verhalten haben (§ 9 I 4 StVG), zum anderen beweist der Umstand, dass der Kläger einen gesetzten Blinker hätte bemerken können und müssen, noch nicht, dass dieser Blinker auch gesetzt gewesen wäre.

- Zuletzt geht das Landgericht von einer unzutreffenden Beweislast aus, selbst wenn die Annahme zugrunde gelegt wird, aufgrund des „berührungslosen“ Unfalls treffe den Kläger eine erweiterte Beweislast. In diesem Fall hätte der Kläger lediglich zu beweisen, dass der Betrieb des Beklagtenfahrzeugs zur Entstehung des Unfalls beigetragen (vgl. etwa BGH VersR 1988, 641) und sich auf den Schadensverlauf ausgewirkt habe (Senat, Beschl. v. 27.08.2015 - 10 U 1984/15 [n. v.]), wobei eine psychisch vermittelte Kausalität ausreichend wäre (OLG Düsseldorf VersR 1987, 568; OLG München DAR 1990, 340; Beschl. v. 27.08.2015 - 10 U 1984/15 [n. v.]). Nicht erforderlich wäre dagegen ein verkehrswidriges Verhalten des (als Verursacher in Anspruch genommenen) Fahrzeugführers (vgl. etwa BGH VersR 1973, 83 f.), oder der Ausschluss eines mitwirkenden Fehlverhaltens des Geschädigten (Senat, Hinweis vom 14.04.2015 - 10 U 3673/14 [n. v., mit weiteren Nachweisen]).

Anderenfalls, also wenn das Erstgericht von einer grundsätzlichen Haftung nach § 7 I StVG ausgehen wollte, wären zunächst die Beklagten dafür beweisbelastet, dass der Unfall für sie unvermeidbar gewesen sei.

cc) Insgesamt macht die Begründung des Erstgerichts nicht einmal „wenigstens in groben Zügen sichtbar ..., dass die beachtlichen Tatsachen berücksichtigt und vertretbar gewertet worden sind“ (BAGE 5, 221 [224]; NZA 2003, 483 [484]; Senat, Beschl. v. 25.11.2005 - 10 U 2378/05 und v. 23.10.2006 - 10 U 3590/06). Ebenso wenig lässt sich erkennen, dass der Parteivortrag vollständig erfasst und in Betracht gezogen wurde und eine Auseinandersetzung - individuell und argumentativ (BGH NJW 1988, 566) - mit dem Beweiswert der Beweismittel erfolgt sei.

2. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass das Erstgericht auch entscheidende sachlichrechtliche Fragen der Haftungsverteilung und der Feststellungslast nicht überzeugend beantwortet und begründet hat (s. ergänzend Hinweise des Senats v. 24.02.2016, Bl. 149 d. A.).

a) Grundsätzlich genügt der Kläger seiner Darlegungs- und Beweislast mit der Behauptung, sein Eigentum und Vermögen, sowie sein Körper seien im Straßenverkehr durch einen Zusammenstoß mit einem Fahrzeug, das vom Beklagten zu 2) gehalten und gefahren, sowie bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversichert sei, beeinträchtigt oder verletzt worden (Senat, Urt. v. 31.07.2015 - 10 U 601/15 [juris]). Wegen der für einen Fahrzeugführer geltenden Beweislastumkehr muss - auch insoweit - ein Verschulden des Fahrers nicht vorgetragen werden.

Deswegen ist der Ansatz des Ersturteils verfehlt, der Kläger müsse dem Beklagten zu 2) ein Fehlverhalten oder Verschulden nachweisen. Vielmehr trägt der Kläger die Feststellungslast für einen Zurechnungszusammenhang, der jedoch nach Einschätzung des Senats nahe liegt.

b) Dagegen obläge dann den Beklagten jeweils Darlegung und Nachweis, dass - schon dem Grunde nach - entweder die Ersatzpflicht mangels ursächlichen Verschuldens ihres Fahrzeugführers ausgeschlossen sei (§ 18 I 2 StVG), oder ein Fall höherer Gewalt (§ 7 II StVG) oder eines unabwendbaren Ereignisses (§§ 18 III, 17 III StVG) ihre Haftung (ganz) entfallen lasse (Senat, a. a. O.; Verfügung v. 03.06.2008 - 10 U 2966/08 [juris]; BGH NJW 1995, 1029; 2007, 1063; 2009, 2605). Hierbei müssten die Beklagten nachweisen, dass sie keinerlei Verschulden treffe und der Unfall für sie auch bei höchster Sorgfalt nicht zu vermeiden gewesen sei. Der Senat hält für fernliegend, dass dieser Nachweis gelingt, denn der Beklagte zu 2) hat einen Verstoß gegen § 9 I 4 StVO im Grunde eingestanden (iaHinHinweis des Senats v. 24.02.2016, Bl. 149 d. A.).

c) Ebenso haben die Beklagten darzulegen und nachzuweisen, dass die Schäden jedenfalls ganz überwiegend vom klägerischen Fahrzeug verursacht oder mitverschuldet worden seien (§§ 17 I, II, 9 StVG, 254 I BGB), so dass der eigene Verursachungsbeitrag und Verschuldensanteil vernachlässigt werden dürfe. Dies gilt auch dafür, dass die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs durch dessen Fahrweise wesentlich erhöht gewesen sei, oder den Kläger selbst als Fahrer an dem Unfall ein Mitverschulden treffe (BGH NJW-RR 2007, 1077; Senat, Urt. v. 13.11.2015 - 10 U 3964/14 [juris]; Urt. v. 12.06.2015 - 10 U 3673/14 [juris], jeweils m. w. N.). Hierüber ist eine Beweiserhebung zwingend geboten, weil der genaue Ablauf und die Ursachen des Verkehrsunfalls zwischen den Parteien streitig sind.

d) Dagegen hätte nachfolgend der Kläger die Beweisführungs- und Feststellungslast für jegliche (Mit-)Haftungsbegrenzungen (§§ 9, 17 III StVG), die seine Haftung entfallen lassen sollen (Senat, Urt. v. 16.05.2008 - 10 U 1701/07 [juris]; Urt. v. 12.06.2015 - 10 U 3673/14 [juris]; Urt. v. 13.11.2015 - 10 U 2226715 [juris]), insbesondere für den Sachvortrag, dass der Unfall ein für ihn selbst unabwendbares Ereignis dargestellt habe. Dieser Beweis kann nicht, wie das Erstgericht meint, auf die Frage der Wahrnehmbarkeit der Signalleuchten des Beklagtenfahrzeugs beschränkt werden.

e) Zuletzt steht dem Kläger Darlegung und Nachweis offen, dass Verursachungsbeiträge und Verschuldensanteile des Beklagten zu berücksichtigen seien, die eine angemessene Verteilung des Schadens erlauben, und gegebenenfalls sogar die alleinige Haftung der Beklagten begründen können (BGH NZV 2007, 294; NJW 2005, 2081; 1996, 1405; Senat, Beschl. v. 16.03.2012 - 10 U 4398/11 [juris]; Urt. v. 24.11.2006 - 10 U 2555/06 [juris]; v. 01.12.2006 - 10 U 4707/06 [juris]; DAR 2007, 465). Die Notwendigkeit solchen Sachvortrags und Beweises ergibt sich, wenn dem Kläger zuzurechnende Verursachungsbeiträge und Mitverschulden festgestellt worden sein sollten. Dabei dürfen nur solche Umstände Berücksichtigung finden, die sich erwiesenermaßen auf den Unfall ausgewirkt haben, also sich als Gefahrenmoment in dem Unfall tatsächlich niedergeschlagen haben. Diese Umstände müssen feststehen, also unstreitig, zugestanden oder nach § ZPO § 286 ZPO bewiesen sein (BGH NJW 1995, 1029; NZV 2007, 190; NJW 2014, 217; Senat, Urt. v. 13.11.2015 - 10 U 2226/15 [juris]; Senat, Urt. v. 12.06.2015 - 10 U 3981/14 [juris, Rn. 49, m. w. N.]). Hierzu wird das Erstgericht tragfähige Feststellungen erst noch zu treffen haben.

f) Die Abwägung und Gewichtung der Verursachungsbeiträge und des (Mit-)Verschuldens ist nach §§ 17 I, II StVG vorzunehmen, wobei eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der genauen Klärung des Unfallhergangs geboten ist (Senat, Urt. v. 12.06.2015 - 10 U 3981/14 [juris, Rn. 49, m. w. N.]; Urt. v. 31.07.2015 - 10 U 4377/14 [juris, Rn. 55, m. w. N.]). Dabei wird an die ständige Rechtsprechung des BGH erinnert, wonach eine vollständige Überbürdung des Schadens auf einen der Beteiligten unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens nur ausnahmsweise in Betracht zu ziehen sei (BGH DAR 2015, 455).

II. Der Senat hat eine eigene Sachentscheidung nach § 538 I ZPO erwogen, sich aber aus folgenden Gründen dagegen entschieden:

1. Eine mangelhafte Beweiserhebung stellt ebenso sowie eine nicht sachgerechte Beweiswürdigung einen Zurückverweisungsgrund nach § 538 II 1 Nr. 1 ZPO dar (Senat, Urt. v. 31.07.2015 - 10 U 4733/14 [juris, dort Rz. 57, m. w. N.]). Als schwerwiegender Verfahrensfehler erweist sich, dass das Erstgericht die Pflicht zu umfassender Aufklärung des Unfallgeschehens verletzt und grundlos auf ein vollständiges unfallanalytisches Sachverständigengutachten verzichtet hat.

Die erforderliche Beweisaufnahme wäre umfangreich und aufwändig (§ 538 II 1 Nr. 1, 2. Satzhälfte ZPO), weil der Senat nicht nur erstmals ein Sachverständigengutachten zu allen beweiserheblichen Fragen erholen, sondern zusätzlich die Parteien erneut anhören und polizeiliche Zeugen vernehmen müsste. Eine Beurteilung sowohl der Glaubhaftigkeit der Sachdarstellungen, als auch der Glaubwürdigkeit der Zeugen oder Parteien wäre rechtsfehlerhaft, wenn der Senat auf einen eigenen persönlichen Eindruck verzichten wollte (s. etwa BGH r+s 1985, 200; NJW 1997, 466; NZV 1993, 266; VersR 2006, 949). Durch die gebotene Beweisaufnahme würde der Senat zu einer mit der Funktion eines Rechtsmittelgerichts unvereinbaren vollständigen Wiederholung des erstinstanzlichen Verfahrens (Senat VersR 2011, 549 ff.) gezwungen. Hinzu kommt, dass bei entsprechendem Ergebnis der Beweisaufnahme erstmalige Feststellungen zur Höhe des Schadens getroffen werden müssten (§ 538 II 1 Nr. 4 ZPO).

3. Der durch die Zurückverweisung entstehende grundsätzliche Nachteil einer Verzögerung und Verteuerung des Prozesses muss hingenommen werden, wenn ein ordnungsgemäßes Verfahren in erster Instanz nachzuholen ist und den Parteien die vom Gesetz zur Verfügung gestellten zwei Tatsachenrechtszüge erhalten bleiben sollen (Senat NJW 1972, 2048 [2049); eine schnellere Erledigung des Rechtsstreits durch den Senat ist im Übrigen angesichts seiner seit langem hohen Geschäftsbelastung nicht zu erwarten.

III. Die Kostenentscheidung war dem Erstgericht vorzubehalten, da der endgültige Erfolg der Berufung erst nach der abschließenden Entscheidung beurteilt werden kann (OLG Köln NJW-RR 1987, 1032; Senat in st. Rspr., zuletzt VersR 2011, 549 ff.; NJW 2011, 3729).

Die Gerichtskosten waren gemäß § 21 I 1 GKG niederzuschlagen, weil ein wesentlicher Verfahrensmangel - nur ein solcher kann zur Aufhebung und Zurückverweisung führen (§ 538 II 1 Nr. 1 ZPO) - denknotwendig eine unrichtige Sachbehandlung i. S. des § 21 I 1 GKG darstellt.

§ 21 I 1 GKG erlaubt auch die Niederschlagung von Gebühren des erstinstanzlichen Verfahrens (etwa Senat, Urt. v. 27.01.2012 - 10 U 3065/11 [juris, dort Rz. 12]).

IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 S. 1 ZPO. Auch im Falle einer Aufhebung und Zurückverweisung ist im Hinblick auf §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit geboten (BGH JZ 1977, 232; Senat VersR 2011, 549; NJW 2011, 3729), allerdings ohne Abwendungsbefugnis. Letzteres gilt umso mehr, als das vorliegende Urteil nicht einmal hinsichtlich der Kosten einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist.

V. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben.

Weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache (BVerfG NJW 2014, 2417 [2419, Tz. 26-32]; BGH NJW-RR 2014, 505) noch die Fortbildung des Rechts (BVerfG a. a. O. Tz. 33) oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (BVerfG a. a. O. [2420, Tz. 34]; BGH NJW 2003, 1943) erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Entscheidung weicht nicht von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung ab und betrifft einen Einzelfall, der grundlegende Rechtsfragen nicht aufwirft.

Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Verletzten mitgewirkt, so finden die Vorschriften des § 254 des Bürgerlichen Gesetzbuchs mit der Maßgabe Anwendung, dass im Fall der Beschädigung einer Sache das Verschulden desjenigen, welcher die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt, dem Verschulden des Verletzten gleichsteht.

Tenor

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 35.000,- € festgesetzt.

Gründe

A.

Die Klägerin macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, wobei sie nun ein Mitverschulden von 30 Prozent einräumt. Sie verlangt ein verzinstes angemessenes Schmerzensgeld, beziffert mit mindestens 14.000,- €, sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für jegliche künftige materielle Schäden zu 70 Prozent, für künftige immaterielle Schäden unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 30 Prozent.

Zugrunde liegt ein Zusammenstoß am 23.05.2011 gegen 15.20 Uhr zwischen der damals elfjährigen Klägerin als Tretrollerfahrerin und dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw VW Polo, amtliches Kennzeichen EBE - …, zum Unfallzeitpunkt gefahren von der Beklagten zu 1). Der Unfall ereignete sich auf der A.-Straße in F., bei Kilometer 0.274 oder Abschnitt 740. Die Klägerin wurde vom Fahrzeug der Beklagten erfasst, als sie versuchte, vom in Fahrtrichtung der Beklagten zu 1) rechten Gehweg kommend auf Höhe einer Überquerungshilfe die Straße nach links zu überqueren. Sie wurde schwer verletzt und macht heute noch bestehende Beeinträchtigungen aufgrund der Unfallfolgen, insbesondere eine therapiebedürftige posttraumatische Depression, geltend. Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 06.11.2014 (Bl. 71/78 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht München I hat nach Beweisaufnahme die Klage vollständig abgewiesen, weil die Beklagte zu 1) den Unfall nicht zu vertreten habe und selbst die Betriebsgefahr des Fahrzeugs hinter dem groben Mitverschulden der Klägerin zurücktrete. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 75/78 d. A.) des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses ihr am 13.11.2014 zugestellte Urteil hat die Kläger mit beim Oberlandesgericht München am 15.12.2014 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt (Bl. 88/89 d. A.) und diese mit Schriftsatz vom 13.01.2015, eingegangen am gleichen Tag, begründet (Bl. 93/99 d. A.).

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils,

- die Beklagten samtverbindlich zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 14.000,- €, zu bezahlen, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.03.2012,

- die Beklagten samtverbindlich zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.698,13 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.03.2012 zu bezahlen,

- festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin jeden weiteren materiellen Schaden aus dem Unfallereignis vom 23.05.2011 in Feldkirchen zu 70 Prozent zu ersetzen, jeden weiteren immateriellen Schaden unter Berücksichtigung ihres Mitverschuldens von 30 Prozent, jeweils soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen oder übergegangen sind.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat gemäß Beschluss vom 18.06.2015 mit Zustimmung der Parteien schriftlich entschieden, § 128 II ZPO (Bl. 118/119); als Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, wurde zuletzt mit Beschluss vom 10.07.2015 der 24.07.2015 bestimmt (Bl. 121/122 d. A.). Die Klägerin hat ergänzend hilfsweise beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (Schriftsatz v. 15.06.2015, Bl. 117 d. A.), die Beklagten haben sich dem angeschlossen (Schriftsatz v. 15.06.2015, Bl. 112/116 d. A.).

Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die Berufungserwiderung vom 15.06.2015 (Bl. 112/116 d. A.) und die Hinweisverfügung des Senatsvorsitzenden vom 12.05.2015 (Bl. 100/110 d. A.) Bezug genommen.

B.

Die statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache vorläufig Erfolg.

I.

Das Landgericht hat entschieden, dass grundsätzlich bestehende Schadensersatzansprüche der Klägerin aus straßenverkehrsrechtlicher Verschuldenshaftung (§ 18 I StVG) der bei der Beklagten zu 2) kraftfahrzeughaftpflichtversicherten Beklagten zu 1) mangels Verschuldens entfallen (EU 5, 7 = Bl. 75, 77 d. A.), und selbst die Betriebsgefahr des Fahrzeugs wegen des weit überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin zurückzutreten habe (EU 5, 7/8 = Bl. 75, 77/78 d. A.). Das Erstgericht hat sich davon überzeugt, dass die Klägerin den Unfall und damit ihren Schaden fast ausschließlich selbst verursacht und allein verschuldet habe, weil sie als Fußgängerin unaufmerksam, überraschend und ohne nachvollziehbaren Grund die Fahrbahn der Straße überquert und dabei den dortigen Vorrang des Kraftfahrzeugverkehrs missachtet habe (EU 5/8 = Bl. 75/78 d. A.).

Diese Ergebnisse entbehren nach dem bisherigen Sach- und Streitstand angesichts einerseits lückenhafter Beweiserhebung und unzulänglicher Beweiswürdigung, andererseits fehlerhafter Rechtsanwendung einer überzeugenden oder auch nur ausreichenden Grundlage.

1. Das Ersturteil hat die für den Streitgegenstand entscheidungserheblichen Tatsachen (unstreitiger Tatbestand einerseits, BGH NJW 2011, 3299 [3300]; WM 2011, 309; OLG Rostock, MDR 2011, 217, Beweisaufnahme und Beweiswürdigung andererseits, Senat, Urt. v. 24.01.2014 - 10 U 1673/13 [juris, Rz. 16]) verfahrensfehlerhaft nicht vollständig festgestellt. Deswegen weist die Tatsachenfeststellung offensichtliche Lücken, Widersprüche oder Unrichtigkeiten auf, so dass der Senat nicht nach § 529 I Nr. 1 ZPO gebunden (BGH NJW 2005, 1583 [1585]), und eine erneute Sachprüfung eröffnet ist. Die Klägerin liefert - wenigsten zum Teil - konkrete Anhaltspunkte (BB 4/6 = Bl. 96/98 d. A.), die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Beweiserhebung und -würdigung wecken (BGH r + s 2003, 522), im Übrigen offenbaren sich Mängel aufgrund der vom Senat von Amts wegen vorzunehmenden (so etwa BGH [V. ZS] NJW 2004, 1876; [VI. ZS] NJW 2014, 2797 ohne nähere Begründung) Überprüfung.

a) Die Beweiserhebung des Erstgerichts zu beanstanden, weil eine umfassende und sachgerechte Aufklärung des Unfallgeschehens (BGH NJW-RR 2011, 428, [429, Rn. 9]; NZV 2000, 504; NJW 2004, 1871; NJW 2009, 2604 [2605 ]; Senat, Urt. v. 14.03.2014 - 10 U 2996/13 [juris]; v. 27.01.2012 - 10 U 3065/11 [juris]; v. 10.02.2012 - 10 U 4147/11 [juris]) unterblieben ist, und somit gegen die Verpflichtung verstoßen wurde, den zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt auszuschöpfen und sämtlichen Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen von Amts wegen nachzugehen (BGH NJW 2009, 2604; NJW-RR 2011, 428).

aa) Das Erstgericht hat zum Haftungsgrund Beweis erhoben durch Erholung eines unfallanalytischen Gutachten (Beweisbeschluss v. 04.07.2013, Bl. 32 d. A.), sowie durch Vernehmung der Zeugen Marlene E. und Josef L. (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 06.02.2014, S. 3-5 = Bl. 47/49 d. A.; EU 4 = Bl. 74 d. A.). Darüber hinaus wurde, durchaus sachgerecht, die persönliche Anhörung der Klägerin und der Beklagten zu 1) gemäß § 141 I, II ZPO durchgeführt (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 06.02.2014, S. 2/3 = Bl. 46/47 d. A.). Angesichts der grundsätzlichen Bedeutung der Parteianhörung in Schadensersatzfällen (BGH NJW 2015, 74), insbesondere wenn der Ablauf eines Verkehrsunfalls streitig ist (BGH NJW 2013, 2601 [2602 [10, 11]]), sind die Befragungen jedoch zu kursorisch geraten und klären entscheidende Umstände des Unfalls nicht.

- Hinsichtlich der Klägerin wäre die gesamte Annäherung an die Unfallstelle vom Ort des Fahrtbeginns, das beabsichtigte Fahrtziel und das Fahrverhalten, insbesondere auf dem Gehweg ab dem Kreisverkehr, zu erfragen, und mit den Angaben der Beklagten zu 1) und der Zeugin Marlene E. abzugleichen gewesen. Zudem wäre durch Vorhalte zu klären gewesen, wie die Klägerin angehalten und die Fahrbahn beobachtet, und dennoch geglaubt haben will, die Fahrbahn ohne Gefahr überschreiten zu können. Zuletzt wären Größe und Gewicht zum Unfallzeitpunkt zu ermitteln gewesen (die in Rücksicht auf die mündliche Verhandlung „heutigen“ Daten (Bl. 47 d. A.) sind weniger wichtig), weil diese entscheidende Anknüpfungspunkte für die Berechnungen des Sachverständigen bildeten.

- Die Angaben der Beklagten zu 1) enthalten einen nicht aufgelösten Widerspruch, soweit sie „ca. 30 bis 50 Meter vor der späteren Unfallstelle … zum ersten Mal bewusst die Kinder … gesehen habe“, andererseits erklärt hatte, „… zu dem Zeitpunkt, als ich die Kinder zum ersten Mal gesehen habe, waren sie ca. 10 Meter vor meinem Fahrzeug“. Auch insoweit wäre eine vollständige Beschreibung der Annäherung sowohl der Kinder, als auch der Beklagten zu 1) selbst an die spätere Unfallstelle ab dem Zeitpunkt des Verlassens des Kreisverkehrs notwendig gewesen, zumal, wie aus den Lichtbildern ersichtlich, Fahrbahn und Gehweg übersichtlich sind und wegen des Gefälles höhere Geschwindigkeiten und verlängerte Bremswege entstehen können. Dies gilt umso mehr, als sich die Beklagte zu 1) in der gegen die Klägerin geführten Unfallanzeige durchaus als Zeugin geäußert und eine Vorgangsschilderung abgegeben hat, die hinsichtlich der Einzelheiten noch ungenauer als die gerichtliche Darstellung ist, und mangelnde Beobachtung und Aufmerksamkeit nicht ausgeschlossen erscheinen lässt (Ermittlungsakten, Bl. 24 d. A.). Zuletzt wäre klärungsbedürftig gewesen, welche Vorstellungen sich die Beklagte zu 1) hinsichtlich der für jeden Verkehrsteilnehmer klar erkennbaren Verkehrsinsel mit Überquerungshilfe gemacht hat, und anhand welcher Umstände sie die die Annahme getroffen hat, die Klägerin werde diesen Weg nicht wählen. Nach vorläufiger Einschätzung des Senats sprach jedenfalls keine höhere Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Klägerin auf dem Gehweg geradeaus weiterfahren werde, als dass sie die Straßenseite werde wechseln wollen.

- Damit wurde dem Gutachter und dem Gericht die Möglichkeit genommen, die jeweilige unmittelbare Unfalldarstellung zu erweitern und zu präzisieren, die Parteien ergänzend zu befragen und weitere Anknüpfungspunkte zu gewinnen. Weiterhin wurde die Verpflichtung eingeschränkt, das Gutachten von Amts wegen auf seine Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen, und mit den Schilderungen der Parteien abzugleichen.

bb) Das Erstgericht hat die Ermittlungsakten (455 Js 165967/11 d. Staatsanwaltschaft München I) beigezogen (EU 4 = Bl. 74 d. A.), jedoch nur unzulässig summarisch (BGH LM § 295 ZPO Nr. 9 = BeckRS 1954, 31397883) darauf Bezug genommen. Deswegen ist nicht erkennbar, ob eine Partei sich auf welche bestimmte Urkunden bezogen hat, und welche Aktenbestandteile wie verwertet wurden. Dies wäre jedoch schon deswegen klärungsbedürftig gewesen, weil eine Unfallschilderung der Beklagten zu 1) vorliegt (Bl. 24 d. A. 455 Js 165967/11), die vorzuhalten gewesen wäre.

cc) Das in erster Instanz erstellte unfallanalytische Sachverständigengutachten (Bl. 56 d. A.) berücksichtigt die für die Klägerin und gegen die Beklagten wirkende Anscheinsbeweislage nicht und klärt deswegen entscheidungserhebliche Fragen nicht sachgerecht.

Zum Ersten hätte der Sachverständige zunächst jegliche für die Klägerin günstigsten Daten und Werte zugrunde legen müssen, denn mit dem Sachvortrag einer Unfallschädigung eines Kindes im Straßenverkehr hat die Klägerin ausreichende, sowie vorliegend unstreitige Tatsachen vorgetragen, die eine Anscheinsbeweislage begründen. Diese wäre als Element der Beweiswürdigung von Amts wegen zu berücksichtigen (etwa Senat, Urt. v. 14.02.2014 - 10 U 2815/13 [juris]; v. 14.03.2014 - 10 U 4774/13 [juris]; v. 25.04.2014 - 10 U 1886/13 [juris]), so dass die Beklagten damit belastet gewesen wären, diesen Anscheinsbeweis zu entkräften oder zu „erschüttern“ durch Darlegung einer ernsthaften Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsgemäßen Geschehensablaufs (BGH DAR 1985, 316), dessen Tatsachen unstreitig oder bewiesen sein müssten (BGH NJW 1953, 584).

Zum Zweiten errechnet der Sachverständige die höchstmögliche Ausgangsgeschwindigkeit der Beklagten zu 1) von 43 km/h mittels einer Reaktionsverzögerung von 0,8 Sekunden aufgrund der Annahme, die Beklagte zu 1) habe erst zum Zeitpunkt des Anstoßes reagiert. Eine derartige Annahme wirkt zugunsten der Beklagten und zulasten der Klägerin, was nach den Anscheinsbeweisregeln nicht statthaft ist. Im Übrigen ist kaum vorstellbar und erklärlich, dass die Beklagte zu 1) die Annäherung der Klägerin überhaupt nicht wahrgenommen habe, es sei denn, sie hätte auf Kinder auf dem Gehweg überhaupt nicht mehr geachtet. Rechnet man beispielsweise mit einer um 0,4 Sekunden früheren Reaktion der Beklagten zu 1), kann unter sonst gleichen Umständen eine Ausgangsgeschwindigkeit von 52 km/h nicht ausgeschlossen werden.

Zum Dritten hat der Sachverständige zur Errechnung der Kollisionsgeschwindigkeit der Klägerin Werte geschätzt, die nicht belegt sind und keine Erläuterung unter der erforderlichen Berücksichtigung günstigster Annahmen enthalten. Deswegen hätte allenfalls mit einer Annäherungsgeschwindigkeit der Klägerin von 12 km/h gerechnet werden und die Annäherungsentfernung von 3 Metern unter Beachtung einer Bogenfahrt begründet werden müssen.

Zum Vierten hätte bei der Reaktionszeit der Beklagten zu 1) von 0,8 Sekunden bedacht werden müssen, dass die angesichts der Verkehrsverhältnisse und § 3 IIa StVO zu fordernde Bremsbereitschaft zu einer deutlichen Verkürzung der Reaktionszeit führt.

Zuletzt ist weder nachvollziehbar dargelegt, wie sich die Entfernung der Beklagten zu 1) - unter Zugrundelegung für die Klägerin günstiger Werte - zum Zeitpunkt der Reaktionsaufforderung errechnet, noch warum sich ein Anhalteweg von 10,81 Metern bei einer Bremsverzögerung von 9 m/s², sowie Reaktions- und Bremsschwellzeiten von 0,8 und 0,2 Sekunden nicht aus einer Ausgangsgeschwindigkeit von 29 km/h, sowie bei einer Reaktionszeit von 0,5 Sekunden nicht aus einer Ausgangsgeschwindigkeit von 34 km/h ergibt (s. OLG Hamm NZV 2006, 151: ggfs. auch 35 km/h nicht ausreichend langsam; r+s 2001, 60: 20 - 25 km/h).

Deswegen ist unter Würdigung aller Gesamtumstände das Absehen von einem umfassenden, auf alle zivilrechtlichen Fragestellungen - insbesondere die Anscheinsbeweislage des § 3 IIa StVO - bezogenen unfallanalytischen Sachverständigengutachten (Senat, Urt. v. 14.03.2014 - 10 U 2996/13 [juris, dort Rz. 5-7]; v. 11.04.2014 - 10 U 4757/13 [juris, dort Rz. 45, 60]) verfahrensfehlerhaft, und schließt aus, dass die Beweiserhebung des Erstgerichts auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht (OLG München, Urt. v. 21.02.2014 - 25 U 2798/13 [juris]).

Somit ist die gesamte Beweisaufnahme unter Erholung eines unfallanalytischen Gutachtens eines anderen Sachverständigen zu wiederholen, § 538 II 1 Nr. 1 ZPO, und hierbei zu klären, ob die Beklagte zu 1) sich von dem zu vermutendem Verschulden als Fahrzeugführerin (§ 18 I 2 StVG) und von anscheinsbeweislich belegten Verstößen gegen das Gebot des Fahrens auf Sicht, das allgemeine Rücksichtnahmegebot und die besonderen Sorgfaltspflichten gegenüber Kindern entlasten kann.

b) Auch die Beweiswürdigung des Erstgerichts ist nach Auffassung des Senats nicht beanstandungsfrei.

aa) Das Ersturteil ist schon wegen der lückenhaften Beweiserhebung verfahrensfehlerhaft mit der Folge, dass eine vollständige Prüfung und Bewertung des Beweisergebnisses fehlt, und deswegen das Ersturteil nicht auf einer ordnungsgemäßen Tatsachenfeststellung fußen kann.

bb) Auch im Übrigen ist die Beweiswürdigung des Erstgerichts unzureichend, denn der Tatrichter muss erkennen lassen, dass der Parteivortrag erfasst und in Betracht gezogen wurde und eine Auseinandersetzung mit dem Beweiswert der Beweismittel erfolgt ist (Zöller/Greger a. a. O. § 286 Rz. 21). Diese Auseinandersetzung muss auch individuell und argumentativ sein (BGH NJW 1988, 566; OLG Oldenburg OLGR 1997, 206 [207 für die Würdigung eines Sachverständigengutachtens]), und „… wenigstens in groben Zügen sichtbar machen, dass die beachtlichen Tatsachen berücksichtigt und vertretbar gewertet worden sind“ (insoweit in BGHZ 126, 217, 219 nicht abgedruckt]; BAGE 5, 221 [224]; NZA 2003, 483 [484]; Senat, Beschl. v. 25.11.2005 - 10 U 2378/05 und v. 23.10.2006 - 10 U 3590/06; KG zfs 2007, 202 [204]).

- Das Ersturteil versagt sich eine vollständige Auseinandersetzung mit den widersprüchlichen Angaben der Beklagten zu 1) und den Gutachtensergebnissen (BGH NJW 2015, 411: „entsprechend dem Gebot des § ZPO § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt“; MDR 1982, 212), indem die Annahmen des Sachverständigen ungeprüft übernommen und floskelhaft für zutreffend erklärt werden (EU 6 = Bl. 76 d. A.), ohne die erleichterte Beweisführung nach dem Anscheinsbeweis und die gebotene Anwendung der für die Klägerin günstigsten Anknüpfungstatsachen zu beachten.

- Deswegen und darüber hinaus wird übersehen (EU 7 = Bl. 77 d. A.), dass zum Ersten die Beklagte zu 1) schon nach eigenen Angaben die Klägerin und ihre Schwester auf dem Gehweg nicht sorgfältig und durchgängig beobachtet hat.

Zum Zweiten geht das Ersturteil nicht darauf ein, dass bereits die als Überquerungshilfe gedachte Verkehrsinsel, in Verbindung mit der abgesenkten Bordsteinkante, deutliche Hinweise auf einen beabsichtigten Wechsel der Straßenseite schafft, insbesondere wenn über das vorangegangene Fahrverhalten der Klägerin und ihrer Schwester keinerlei Feststellungen getroffen werden.

Zuletzt fehlt eine Auseinandersetzung mit der von der Beklagten zu 1) zu fordernden Bremsbereitschaft und dem gegenseitigen Annäherungsverhalten der Parteien: Wenn die Beklagte zu 1) eine Reaktionsaufforderung erhalten hat, als sie - zugunsten der Klägerin nicht ausschließbar - noch 10,8 Meter von der Unfallstelle entfernt war (EU 6 = Bl. 76 d. A.; Gutachten v. 04.07.2014, S. 13, Bl. 56 ff. d. A.), kann sie die Kinder nicht etwa 10 Meter vor ihrem Fahrzeug wahrgenommen haben, und bewusst ohne zu bremsen weitergefahren sein (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 06.02.2014, S. 3 = Bl. 47 d. A.). Dies gilt umso mehr, als unstreitig hinter der Klägerin deren Schwester fuhr (EU 2 = Bl. 72 d. A.), somit die Wahrnehmungsentfernung zu beiden Kindern unterschiedlich gewesen sein muss.

2. Im Übrigen hat das Landgericht auch entscheidende sachlich-rechtliche Fragen, nämlich die verkehrsrechtlichen Sorgfaltspflichten eines Kraftfahrzeugführers gegenüber Fußgängern und Kindern, nicht frei von Rechtsfehlern (§§ 513 I 1. Alt., 546 ZPO) beurteilt und voreilig jegliches Verschulden der Beklagten zu 1), sowie jegliche mögliche Mitverursachungsanteile der Beklagten einschließlich der Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs, ausgeschlossen.

a) Nach den bisherigen Feststellungen sind Körper und Gesundheit der Klägerin verletzt und deren Vermögen beeinträchtigt worden. Diese Rechtsgüterverletzung geschah unstreitig beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs, so dass ein Anspruch aus §§ 18 I, 7 StVG, 115 I 1 Nr. 1, 4 VVG, 823 BGB grundsätzlich in Betracht kommt, wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat. Einen jegliche Haftung der Beklagten ausschließenden Fall höherer Gewalt gemäß § 7 II StVG hat das Erstgericht ebenso zutreffend ausgeschlossen.

Klarzustellen ist, dass ein Fall der Gefährdungshaftung (§ 7 I StVG) ausscheidet, weil der Fahrzeughalter nicht verklagt worden ist, und aus 18 I 2 StVG eine Beweislastumkehr zum Nachteil des Fahrzeugführers folgt.

b) Nicht zu beanstanden ist weiterhin die Annahme, dass diese Haftung anspruchsmindernd durch ein Mitverschulden der Klägerin verringert werde (EU 5, 8 = 75, 78 d. A.), das unter Würdigung aller Gesamtumstände als erheblich einzustufen sei. Die Klägerin räumt eine gewichtige Missachtung wesentlicher Verkehrsvorschriften ein (BB 2 = Bl. 94 d. A.), wer als Fußgängerin (oder Tretrollerfahrerin) Fahrbahnen ohne Beachtung des Straßenverkehrs überquert (§ 25 III 1 StVO), handelt in erheblichem, nicht mehr nachvollziehbarem Umfang unsorgfältig und verantwortungslos (BGH NJW 2000, 3069: „besondere Vorsicht“; NJW 1984, 50), weil das Achten auf bevorrechtigte Fahrzeuge eine elementare Grundregel des Straßenverkehrs darstellt, die jedem Fußgänger, der eine Straße überschreiten will, einleuchten muss (OLG Hamm NZV 1993, 314; NZV 2001, 41; OLG Koblenz NZV 2012, 177; KG VersR 1981, 332; NZV 2004 579; OLG Celle MDR 2004, 994; OLG Bremen VersR 66, 962; OLG Düsseldorf VRS 56, 2). Dies gilt auch für Kinder unter der Voraussetzung ihrer - im Streitfall nicht zweifelhaften - zur Erkenntnis der Verantwortung erforderlichen Reife (OLG Hamm NZV 1990, 473; NZV 1991, 69; NZV 2006, 151; OLG Hamburg NJOZ 2008, 2792; OLG Karlsruhe NZV 2012, 596). Ein Fußgänger müsste sich sogar auf einem Fußgängerüberweg (§ 26 StVO) oder bei Grünlicht einer für ihn geschalteten Lichtzeichenanlage vergewissern, dass er die Fahrbahn gefahrlos überschreiten kann, ein Erzwingen des Vorrechts kann zu einem Mitverschulden führen (BGH VersR 1983, 667; NJW 1966, 1211).

c) Unzutreffend sind dagegen die Annahmen des Erstgerichts, erstens treffe die Beklagte zu 1) lediglich die Pflicht, die zulässige Höchstgeschwindigkeit zu beachten (EU 6/7 = Bl. 76/77 d. A.), zweitens könnten Sorgfaltspflichtverletzung und Verschulden der Beklagten zu 1) ausgeschlossen oder als nicht erweislich angesehen werden (EU 7 = Bl. 77 d. A.), weil sie Vorfahrt gehabt habe und keinerlei äußerlich sichtbaren Umstände darauf hingedeutet haben, dass die Klägerin die Fahrbahn überqueren wolle oder als Kind wegen drohenden verkehrswidrigen Verhaltens besonders schutzwürdig gewesen sei. Überdies kann ein selbst die Betriebsgefahr vollständig aufzehrendes Mitverschulden der Klägerin nicht ohne Würdigung aller Gesamtumstände, insbesondere der genauen Klärung des Unfallhergangs (BGH NJW 2014, 217, [8]: „Mangels ausreichender Feststellungen zum Unfallhergang ergibt sich ein derart überwiegendes Mitverschulden der Klägerin am Zustandekommen des Unfalls nicht bereits daraus, dass diese … unter Verstoß gegen … § 25 … § 25 III StVO die Straße überquerte, ohne auf den Fahrzeugverkehr zu achten“) und des Verhaltens der Fahrzeugführerin, begründet und bewertet werden (EU 7/8 = Bl. 77/78 d. A.).

aa) Vielmehr bestimmen sich die straßenverkehrsrechtlichen Sorgfaltspflichten eines Kraftfahrers gegenüber Fußgängern, die die Fahrbahn überqueren wollen, nach folgenden Grundsätzen, hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Hinweise des Senatsvorsitzenden (v. 12.05.2015, S. 1/5 = Bl. 100/105 d. A.) verwiesen:

- Der Kraftfahrzeugverkehr ist gegenüber Fußgängern bevorrechtigt (§ 25 III StVO), sofern nicht ein Fußgängerüberweg (§§ 25 III 1, 41 I StVO, Anlage 2, Zeichen 293) vorliegt (§ 26 I StVO). Eine in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelte Überquerungs- oder Querungshilfe (BGH NZV 1998, 369), wie die unstreitig von der Klägerin genutzte Verkehrsinsel in der A.-Straße in F., stellt keinen Fußgängerüberweg im Rechtssinne dar und beeinflusst das Vorrangverhältnis nicht (König, NZV 2008, 492 ff, [494 unter IV.]; Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. 2013, § 26, Rn. 10).

- Dennoch hat der Kraftfahrer die allgemeinen Verkehrsregeln zu beachten, insbesondere Geschwindigkeitsvorschriften (§§ 3 III, I StVO; BGH NJW 1992, 1459; OLG Düsseldorf NZV 1994, 70), aber auch das Sichtfahrgebot (BGH NJW 1984, 50 ff. [51 unter 2. c)]), und das Rücksichtnahmegebot (§ 1 II StVO). In diesem Rahmen hat er den gesamten Verkehrsraum, auch bezüglich auf den Gehwegen gehender oder stehender Fußgänger, sorgfältig zu beobachten (OLG Hamm NZV 2000, 371 ff. [372 unter 3. a)]; KG VRS 100, 269 = BeckRS 2001, 00140; BGH VersR 66, 736; OLG Düsseldorf, NZV 2002, 90; OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.06.2009 - 1 U 79/09 [juris]), sowie rechtzeitig und richtig auf etwaige Fehler anderer Verkehrsteilnehmer zu reagieren (BGH NJW-RR 1991, 347; OLG Hamm NZV 1993, 314; KG VRS 100, 269). Bei unachtsamem Verhalten eines Fußgängers bestehen Brems- und Ausweichpflicht (OLG Koblenz NZV 2012, 177; OLG Hamm r+s 1989, 396 = VRS 78, 5), sowie die Notwendigkeit, die Geschwindigkeit herabsetzen, sobald der Fahrer sieht, dass ein Fußgänger die Straße betritt (OLG Düsseldorf VRS 56, 2). Letztere Verpflichtung besteht sogar bei witterungsbedingten Sichtbeeinträchtigungen (OLG Saarbrücken r+s 2010, 479; OLG Hamm r+s 1989, 396).

- Diese Verpflichtungen bestehen uneingeschränkt auch bei schweren Sorgfaltsverstößen eines Fußgänger, etwa wenn dieser die Fahrbahn trotz für ihn Rotlicht zeigender Lichtzeichenanlage in oder an der Ampelfurt überschreiten will (BGH Urt. v. 29.04.1975 - VI ZR 225/73 [juris] = VersR 1975, 858; NJW 1992, 1459; VersR 1967, 608). Angesichts dieser Verpflichtungen kommt eine Bewertung des Mitverschuldens des Fußgängers, die jegliche Haftung des Kraftfahrers ausschließt, lediglich in besonderen Ausnahmefällen und nur dann in Betracht, wenn dieser keinerlei Verkehrsverstöße begangen hat (OLG Köln NZV 2002, 369; OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.06.2009 - 1 U 79/09 [juris]; OLG Frankfurt, Urt. v. 28.09.2010 - 10 U 1/10 [juris]; OLG Saarbrücken, Urt. v. 08.02.2011 - 4 U 200/10 - 60 [juris]; OLG Köln, Beschl. v. 19.03.2012 - I-16 U 169/11, 16 U 169/11 [juris]).

- Eine abweichende Bewertung ist im Streitfall schon deswegen nicht veranlasst, weil Sonderfälle, wie etwa ein Abwarten der Klägerin auf einer Verkehrsinsel, ein Hervortreten hinter einem Verkehrsstau (OLG Hamm NZV 2000, 371) oder eine Vernachlässigung eines naheliegenden Fußgängerüberwegs (BGH NJW 1958, 1630; NZV 1990, 150; KG VRS 100, 269; KG VM 1992, 27; i. Ü auch dort nur hälftige Haftung; OLG Hamm NZV 2000, 371; OLG Dresden NZV 2001, 378), unstreitig nicht vorliegen. Selbst wenn jedoch ein derartiger Vertrauensschutz angenommen würde, beseitigt dieser einerseits nicht die Verpflichtung, die gesamte Fahrbahn zu beobachten, um rechtzeitig auch wegen der in solchen Fällen gegebenen Abstandsverkürzung reagieren zu können (OLG Hamm, a. a. O.; BGH VersR 1966, 736; BGH VersR 1968, 897; OLG Köln VersR 1987, 513; OLG Karlsruhe NJW-RR 1987, 1249; KG VersR 1993, 201), und zwar zu dem Zeitpunkt, zu welchem der Fußgänger die Fahrbahn betritt (OLG Bremen VersR 66, 962; OLG Düsseldorf VersR 1979, 649). Andererseits setzt der genannte Vertrauensgrundsatz jedenfalls ein merkliches Verhalten des Fußgängers voraus, das die Erwartung des Kraftfahrers, ihm werde die Vorbeifahrt gestattet, stützen kann (KG VersR 1968, 259: „Blickkontakt“; OLG Karlsruhe VersR 1971, 1177; OLG Hamm r+s, 2002, 192; BGH VersR 1961, 592).

- Darüber hinaus bestehen besondere Sorgfaltspflichten gegenüber Kindern (§ 3 IIa StVO), diesen gegenüber muss sich ein Kraftfahrer, insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft, so verhalten, dass eine Gefährdung ausgeschlossen ist (BGH NJW 1994, 2829: gegenüber alten Menschen). Diese Fassung des Gesetzestextes begründet zusätzlich eine Anscheinsbeweislage, die für Kinder und gegen den Kraftfahrer streitet. Nach dem unstreitigen Tatbestand des Ersturteils (EU 2 = Bl. 72 d. A.) fuhr die zum Unfallzeitpunkt elfjährige Klägerin, mit einem Tretroller und gefolgt von ihrer achtjährigen Schwester, fahrbahnparallel auf dem Gehweg, um diesen nach links zu verlassen und die Straße an einer als Überquerungshilfe dienenden Verkehrsinsel zu überfahren. Die Klägerin ist somit wegen ihres erheblich unter dem 14. Lebensjahr liegenden Alters (OLG Hamburg NZV 1990, 71) ersichtlich in den Schutzbereich der Verkehrsvorschrift einbezogen, dagegen finden Erwägungen des Erstgerichts zur Unzumutbarkeit dieser besonderen Vorsicht (EU 8 = Bl. 78 d. A.) eine Stütze weder im Gesetz, noch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die Meinung, erhebliche, verkehrsbedingte Geschwindigkeitsverringerungen eines Kraftfahrers zum Schutz von Kindern auf dem fahrbahnnahen Gehweg könnten den Stadtverkehr beeinträchtigen und ein erhöhtes Unfallrisiko herbeiführen, ist nicht nur durch keinerlei tatsächliche Feststellungen belegt, sondern auch nicht zu begründen.

Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand liegt nahe, dass die Beklagte zu 1) den sie treffenden Sorgfaltsanforderungen nicht gerecht geworden ist. Allein die Anwesenheit von Schulkindern auf dem rechten Bürgersteig und die Nähe einer als Überquerungshilfe gedachten Verkehrsinsel zwingen zu besonderer Aufmerksamkeit und Geschwindigkeitsverringerung (OLG Hamm r+s 2001, 60; NZV 1990, 473; NZV 1991, 69; NZV 2006, 151), zumal eine gegenseitige Beeinflussung der Klägerin und ihrer noch jüngeren Schwester (BGH NJW 1991, NJW Jahr 1990 Seite 292; KG NZV 1999, 329; OLG Hamburg NZV 1990, 71) nicht auszuschließen ist und sogar nahe liegt.

- Aus dem grundsätzlichen Vorrang des Kraftfahrzeugverkehrs folgt schon allgemein keineswegs ein geschütztes Vertrauen darauf, dass Fußgänger sich immer verkehrsgerecht, vorsichtig und der StVO entsprechend verhalten, sondern nur unter besonderen Umständen (BGH VersR 1955, 156; BayObLG VRS 58, 85 = S. 221; BGH NJW 1966, 1211; BayObLG NJW 1978, 1491; OLG Karlsruhe VersR 1982, 450; OLG Hamm r+s 1988, 102; BGH NJW 2000, 3069). Dies gilt verstärkt gegenüber Kindern (OLG Hamburg NJOZ 2008, 2792; OLG Karlsruhe NZV 2012, 596).

- Hieraus folgt, dass eine Bewertung des klägerischen Mitverschuldens als so gewichtig, dass jegliche Haftung der Beklagten entfalle, kaum vertretbar ist (OLG Karlsruhe NZV 2012, 596, OLG Hamm NZV 1991, 69: Haftung des Kraftfahrers zu 1/3 bei leichtem Verschulden oder bloßer Betriebsgefahr; OLG Hamm NZV 2006, 151: zu 40% wegen groben Verschuldens des Kindes; OLG Hamm r+s 2001, 60: Haftung des Kraftfahrers zu 2/3).

bb) Darlegungs- und beweisbelastet für eine schuldhafte Unfallverursachung durch die Klägerin und ein dieser anspruchsmindernd zuzurechnendes Mitverschulden, aber auch für deren Ausmaß, sind die Beklagten. Dies hat zur Folge, dass Sachverständiger und Gericht zu allen Bewegungen der Klägerin in die und auf der Fahrbahn bei nicht eindeutig feststellbaren Umständen die für die Klägerin (nicht die Beklagten) günstigsten technisch möglichen Werte anzusetzen haben. Gleiches gilt für den Nachweis der Einhaltung der an einen Idealfahrer zu stellenden Anforderungen (unabwendbares Ereignis i. S. d. § 17 III StVG), was eine vollständige und genaue Prüfung und Darlegung des Fahrverhaltens, insbesondere der Wahrnehmung und Beurteilung des Verhaltens der Klägerin erfordert. Soweit grundsätzlich die Klägerin die Beweisführungs- und Feststellungslast für Sorgfaltspflichtverstöße und Verursachungsbeiträge der Beklagten trifft, ist die aus dem Gesetzeswortlaut (§ 3 IIa StVO) abgeleitete Beweiserleichterung durch den Anscheinsbeweis zu beachten.

Bei dieser Sachlage ist bisher nicht vertretbar, Sorgfaltspflichtverletzung und Verschulden der Beklagten zu 1) für ausgeschlossen oder nicht erwiesen zu halten, vielmehr wird das Erstgericht hierfür maßgebliche und geeignete Umstände erst noch verfahrensfehlerfrei zu ermitteln und sachgerecht zu würdigen haben. Sollte das Erstgericht wiederum zu dem Ergebnis gelangen, dass das Mitverschulden der Klägerin jegliche Haftung der Beklagten, selbst diejenige für Betriebsgefahr, aufzehre, wäre folgendes zu berücksichtigen: In die Abwägung sind alle Faktoren, soweit unstreitig oder erwiesen, einzubeziehen, die eingetreten sind, zur Entstehung des Schadens beigetragen haben und einem der Beteiligten zuzurechnen sind (BGH NJW 1995, 1029; 2007, 506 [207]; NJW-RR 1988, 1177; OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.08.2014 - 1 U 151/13 [juris, Rz. 64]), insbesondere auch Fahrverhalten und festgestellte Sorgfaltsverstöße des Unfallgegners (BGH NJW-RR 1993, 480: Mitverschulden im Verhältnis zur Betriebsgefahr bei der Bahn). Eine Gewichtung der Mitverursachung oder des Mitverschuldens kann nur aufgrund einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls erfolgen, insbesondere der genauen Klärung des Unfallhergangs (BGH NJW 2014, 217, [8]: „Mangels ausreichender Feststellungen zum Unfallhergang ergibt sich ein derart überwiegendes Mitverschulden der Klägerin am Zustandekommen des Unfalls nicht bereits daraus, dass diese … unter Verstoß gegen § 25 § 25 III StVO die Straße überquerte, ohne auf den Fahrzeugverkehr zu achten“).

II.

Der Senat hat eine eigene Sachentscheidung nach § 538 I ZPO erwogen, sich aber - entgegen seiner sonstigen Praxis - aus folgenden Gründen dagegen entschieden:

1. Eine derartig mangelhafte Beweiserhebung stellt einen Zurückverweisungsgrund nach § 538 II 1 Nr. 1 ZPO dar (Senat, Urt. v. 09.10.2009 - 10 U 2309/09 [juris, dort Rz. 23]; v. 25.06.2010 - 10 U 1847/10 [juris, dort Rz. 13]; VersR 2011, 549 ff.; NJW 2011, 3729 und v. 22.07.2011 - 10 U 1481/11). Als schwerwiegender Verfahrensfehler erweist sich, dass das Erstgericht die Pflicht zu umfassender Sachverhaltsaufklärung, insbesondere durch vollständige Parteianhörungen und geeignete sachverständige Begutachtung, verletzt hat. Die erforderliche Beweisaufnahme wäre umfangreich und aufwändig (§ 538 II 1 Nr. 1, 2. Satzhälfte ZPO), weil der Senat sich nicht darauf beschränken dürfte, ein vollständiges Sachverständigengutachten zu erholen. Vielmehr wären zusätzlich beide Parteien anzuhören und auch die aus der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige ersichtlichen Zeugen zu vernehmen, sobald sich eine Partei darauf bezieht (§§ 525 S. 1, 273 II Nr. 4 ZPO). Denn eine Beurteilung sowohl der Glaubhaftigkeit der Sachdarstellung, als auch der Glaubwürdigkeit der Zeugen und Parteien anhand früherer Aussagen wäre rechtsfehlerhaft, wenn der Senat auf einen eigenen persönlichen Eindruck verzichten wollte (s. etwa BGH r + s 1985, 200; NJW 1997, 466; NZV 1993, 266; VersR 2006, 949). Durch die gebotene Beweisaufnahme würde der Senat zu einer mit der Funktion eines Rechtsmittelgerichts unvereinbaren vollständigen Wiederholung des erstinstanzlichen Verfahrens einschließlich der gesamten Beweisaufnahme (Senat VersR 2011, 549 ff.) gezwungen. Hinzu kommt, dass je nach dem Ergebnis der durchzuführenden Beweiserhebung über den genauen Hergang des Unfalls auch zur Höhe des Schmerzensgelds erstmals entschieden werden müsste (§ 538 II 1 Nr. 4, 2. Alt. ZPO, Senat NJW 1972, 2048 [2049]; OLG Köln NJW 2004, 521).

2. Auch die aus unzureichender Beweiserhebung und fehlerhafter Rechtsauffassung folgende, erheblich fehlerhafte Beweiswürdigung stellt einen Verfahrensverstoß dar, welcher zur Zurückverweisung gemäß § 538 II 1 Nr. 1 ZPO berechtigt (Senat, Urt. v. 14.07.2006 - 10 U 5624/05 [juris]; v. 01.12.2006 - 10 U 4328/06; v. 04.09.2009 - 10 U 3291/09; v. 06.11.2009 - 10 U 3254/09; v. 19.03.2010 - 10 U 3870/09 [juris, dort Rz. 23]; v. 25.06.2010 - 10 U 1847/10 [juris, dort Rz. 13]; VersR 2011, 549 ff.; v. 22.07.2011 - 10 U 1481/11 [juris, dort Rz. 8]).

3. Der durch die Zurückverweisung entstehende grundsätzliche Nachteil einer Verzögerung und Verteuerung des Prozesses muss hingenommen werden, wenn ein ordnungsgemäßes Verfahren in erster Instanz nachzuholen ist und den Parteien die vom Gesetz zur Verfügung gestellten zwei Tatsachenrechtszüge erhalten bleiben sollen (Senat NJW 1972, 2048 [2049]; OLG Naumburg NJW-RR 2012, 1535 [1536]); eine schnellere Erledigung des Rechtsstreits durch den Senat ist im Übrigen angesichts seiner außerordentlich hohen Geschäftsbelastung vorliegend nicht zu erwarten.

III.

Die Kostenentscheidung war dem Erstgericht vorzubehalten, da der endgültige Erfolg der Berufung erst nach der abschließenden Entscheidung beurteilt werden kann (OLG Köln NJW-RR 1987, 1032; Senat in st. Rspr., zuletzt VersR 2011, 549 ff.; NJW 2011, 3729).

Die Gerichtskosten waren gemäß § 21 I 1 GKG niederzuschlagen, weil ein wesentlicher Verfahrensmangel - nur ein solcher kann zur Aufhebung und Zurückverweisung führen (§ 538 II 1 Nr. 1 ZPO) -, denknotwendig eine unrichtige Sachbehandlung i. S. des § 21 I 1 GKG darstellt.

§ 21 I 1 GKG erlaubt auch die Niederschlagung von Gebühren des erstinstanzlichen Verfahrens (vgl. OLG Brandenburg OLGR 2004, 277; OLG Düsseldorf NJW-RR 2007, 1151; Senat, Beschl. v. 17.09.2008 - 10 U 2272/08, st. Rspr., zuletzt Urt. v. 19.03.2010 - 10 U 3870/09 [juris, dort Rz. 93] und v. 27.01.2012 - 10 U 3065/11 [juris, dort Rz. 12]).

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 S. 1 ZPO. Auch im Falle einer Aufhebung und Zurückverweisung ist im Hinblick auf §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit geboten (BGH JZ 1977, 232; Senat in st. Rspr., zuletzt u. a. VersR 2011, 549 ff. und NJW 2011, 3729), allerdings ohne Abwendungsbefugnis (Senat a. a. O.). Letzteres gilt umso mehr, als das vorliegende Urteil nicht einmal hinsichtlich der Kosten einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist.

V.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben.

Weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache (BVerfG NJW 2014, 2417 [2419, Tz. 26-32]; BGH NJW-RR 2014, 505) noch die Fortbildung des Rechts (BVerfG a. a. O. [2418/2420, Tz. 33]) oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (BVerfG a. a. O. [2420, Tz. 34]; BGH NJW 2003, 1943) erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Entscheidung weicht nicht von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung ab und betrifft einen Einzelfall, der grundlegende Rechtsfragen nicht aufwirft.

Tenor

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 39.577,47 € festgesetzt.

Gründe

A.

Der Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, wobei er eigenes Mitverschulden von 50 Prozent einräumt, jedoch lediglich bei der Schmerzensgeldbemessung und dem Verdienstausfall berücksichtigt. Er verlangt ein verzinstes angemessenes Schmerzensgeld, verzinsten Verdienstausfall einschließlich einer Rente, sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere künftige materielle Schäden.

Zugrunde liegt ein Zusammenstoß am 04.02.2012 gegen 06.00 Uhr zwischen dem Kläger als Fußgänger und dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw BMW 316i, amtliches Kennzeichen …47, gefahren von der Beklagten zu 1). Der Unfall ereignete sich auf der von - S.straße in T., bei Kilometer 0.020 oder Abschnitt 120. Der zum Unfallzeitpunkt massiv alkoholisierte Kläger wurde schwer verletzt und macht heute noch bestehende Beeinträchtigungen aufgrund der Unfallfolgen geltend. Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 17.09.2014 (Bl. 66/72 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht Traunstein hat nach Beweisaufnahme die Klage vollständig abgewiesen, weil die Beklagte zu 1) den Unfall nicht zu vertreten habe und die Betriebsgefahr des Fahrzeugs hinter dem überragenden Mitverschulden des Klägers zurücktrete. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 68/71 d. A.) des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses ihm am 18.09.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger mit beim Oberlandesgericht München am 17.10.2014 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt (Bl. 81/82 d. A.) und diese mit Schriftsatz vom 17.11.2014, eingegangen am gleichen Tag, begründet (Bl. 85/87 d. A.).

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils,

- die Beklagten samtverbindlich zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, nicht unter 20.000,- €, zu bezahlen, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.02.2012,

- die Beklagten samtverbindlich zu verurteilen, an den Kläger Verdienstausfall bis Juni 2013 in Höhe von 4.728,32 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, sowie monatlich 229,05 € ab 01.07.2013 zu bezahlen,

- festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger jeden weiteren materiellen Schaden aus dem Unfallereignis zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergehen oder übergegangen sind.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat gemäß Beschluss vom 19.05.2015 mit Zustimmung der Parteien schriftlich entschieden, § 128 II ZPO; als Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, wurde der 03.06.2015 bestimmt (Bl. 112/113 d. A.). Der Kläger hat ergänzend beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (Schriftsatz v. 07.05.2015, Bl. 106/107 d. A.). Die Beklagten haben einen Zurückverweisungsantrag hilfsweise gestellt (Schriftsatz v. 12.05.2015, Bl. 108/111 d. A.).

Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die Berufungserwiderung vom 12.05.2015 (Bl. 108/111 d. A.), die Hinweisverfügung des Senatsvorsitzenden vom 30.03.2015 (Bl. 91/101 d. A.) und die Schriftsätze des Klägers vom 30.04. und 07.05.2015 (Bl. 105/107 d. A.) Bezug genommen.

B.

Die statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache vorläufig Erfolg.

I.

Das Landgericht hat entschieden, dass grundsätzlich bestehende Schadensersatzansprüche des Klägers aus straßenverkehrsrechtlicher Verschuldenshaftung (§ 18 I StVG) der bei der Beklagten zu 2) versicherten Beklagten zu 1) mangels Verschuldens entfallen (EU 4, 6 = Bl. 69, 71 d. A.), und selbst die Betriebsgefahr des Fahrzeugs wegen des weit überwiegenden Mitverschuldens des Klägers zurückzutreten habe (EU 3, 6 = Bl. 68, 71 d. A.). Das Erstgericht hat sich davon überzeugt, dass der Kläger den Unfall und damit seinen Schaden allein selbst verursacht und verschuldet habe, weil er sich als Fußgänger unaufmerksam, schlecht erkennbar, erheblich alkoholisiert und ohne nachvollziehbaren Grund auf der Fahrbahn der Straße aufgehalten und den dortigen Vorrang des Kraftfahrzeugverkehrs missachtet habe (EU 3/4 = Bl. 68/69 d. A.).

Diese Ergebnisse entbehren, jedenfalls derzeit, angesichts einerseits lückenhafter Tatsachenfeststellung, andererseits fehlerhafter Rechtsanwendung einer überzeugenden Grundlage.

1. Das Ersturteil hat die für den Streitgegenstand entscheidungserheblichen Tatsachen verfahrensfehlerhaft nicht vollständig festgestellt. Deswegen sind konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Tatsachenfeststellung ersichtlich, so dass der Senat nicht nach § 529 I Nr. 1 ZPO gebunden (BGH NJW 2005, 1583 [1585]), und eine erneute Sachprüfung eröffnet ist. Nachdem - wenn auch sehr allgemein - die erstinstanzlichen Feststellungen angegriffen sind (BB 3 = Bl. 87 d. A.), kommt es auf die umstrittene Frage, ob insoweit eine Prüfung von Amts wegen ohne Bindung an das Berufungsvorbringen vorzunehmen ist (so BGH [V. ZS] NJW 2004, 1876; [VI. ZS] NJW 2014, 2797 ohne nähere Begründung), nicht entscheidend an.

a) Die Beweiserhebung des Erstgerichts ist zu beanstanden, weil gegen die Verpflichtung verstoßen wurde, den zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt auszuschöpfen und sämtlichen Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen von Amts wegen nachzugehen (BGH NJW-RR 2011, 428; NJW-RR 2004, 425; NJW 2004, 1871; NZV 2000, 504; NJW 2008, 2846; NJW 2009, 2604 [2605 ]; Senat, Urt. v. 14.03.2014 - 10 U 2996/13 [juris]; v. 27.01.2012 - 10 U 3065/11 [juris]; v. 10.02.2012 - 10 U 4147/11 [juris]).

aa) Das Erstgericht hat keine mündliche Verhandlung durchgeführt (Beschl. v. 19.08.2014 = Bl. 60 d. A.) und folglich die Anhörung der unfallbeteiligten Parteien (§ 141 I 1 ZPO) unterlassen. Abgesehen von der grundsätzlichen Bedeutung der Parteianhörung in Fällen, in denen der Ablauf eines Verkehrsunfalls streitig ist (BGH NJW 2013, 2601 [2602 unter Tz. 10, 11]), wäre eine solche Anhörung aus folgenden Gründen hier zwingend geboten gewesen:

- Zum ersten bestand keinerlei Anlass, auf derartigen, schriftsätzliches Vorbringen ergänzenden „qualifizierten“ Parteivortrag zu verzichten zumal sich beide Parteien im Strafverfahren nicht geäußert haben (Akten 340 Js 10280/12 d. StA Traunstein, Bl. 8, 9).

- Zum zweiten wurde dem Gutachter und dem Gericht die Möglichkeit genommen, eine unmittelbare Unfalldarstellung zu erhalten, die Parteien ergänzend zu befragen und weitere Anknüpfungspunkte zu gewinnen.

- Zum dritten wurde die Verpflichtung eingeschränkt, das Gutachten von Amts wegen auf seine Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen, und mit den Schilderungen der Parteien abzugleichen.

Bei dieser Sachlage stellt eine schriftliche Entscheidung ohne Anhörung der Parteien einen schweren Verfahrensfehler dar (OLG Schleswig NJW-RR 2008, 1525; Senat, Urt. v. 09.10.2009 - 10 U 2309/09 [juris, dort Rz. 23]), zumal nichts dafür ersichtlich ist, dass die Parteien äußerungsunfähig sein könnten.

bb) Weiterhin hat das Erstgericht die oben genannten Ermittlungsakten beigezogen (EU 3 = Bl. 68 d. A.). Abgesehen von dieser ohnehin unzulässigen summarischen Bezugnahme (BGH LM § 295 ZPO Nr. 9 = BeckRS 1954, 31397883) ist nicht erkennbar, ob sich eine Partei und wenn ja auf welche bestimmte Urkunden bezogen hat, und welche Aktenbestandteile wie verwertet wurden. Dies wäre jedoch schon deswegen klärungsbedürftig gewesen, weil aus den Angaben der polizeilichen Unfallsachbearbeiterin (Bl. 6/7 d. A. 340 Js 10280/12) zeitnahe Tatsachen zum Unfallgeschehen, sowie eine unabhängige Einschätzung hätten ermittelt werden können.

cc) Das Erstgericht hat zum Haftungsgrund Beweis erhoben ausschließlich durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens (EU 3 = Bl. 68 d. A.).

Dabei wurde zunächst außer Acht gelassen, dass der beauftragte Sachverständige weder Diplomingenieur noch für Unfallanalytik öffentlich bestellt und vereidigt ist. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Hinweise des Senatsvorsitzenden (v. 30.03.2015, S. 4 = Bl. 94 d. A., 1. Spiegelstrich) Bezug genommen.

Zudem bewerten der Sachverständige, der bereits im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren ein schriftliches Gutachten erstellt hatte (Bl. 19/70 d. A. 340 Js 10280/12) und Erstgericht den streitgegenständlichen Sachverhalt - neben einem straßenverkehrsrechtlichen Fehlverhalten des Klägers - vorwiegend unter strafrechtlichen Gesichtspunkten, also ob der Beklagten zu 1) schadensursächliche, rechtswidrige und schuldhafte Verkehrsverstöße nachgewiesen werden können, die zu einer Körperverletzung geführt haben (Gutachten v. 10.07.2014, S. 8 = Bl. 48 ff. der Akten). Dies ist rechtsfehlerhaft, weil für die Beklagte zu 1) günstige Tatumstände angenommen werden (Gutachten v. 21.03.2012, S. 22 = Bl. 40 d. A. 340 Js 10280/12), ohne insgesamt auf die besonderen verkehrsrechtlichen Anforderungen an den Fahrzeugführer und dessen Haftung aus vermutetem Verschulden einzugehen. So ist nicht ersichtlich, und - bis auf den dürftigen Hinweis auf „die Umweltbedingungen“ - nicht erklärt, warum von einer nahezu doppelten als der üblichen Reaktionszeit der Fahrzeugführerin auszugehen sei (1,5 Sekunden, Gutachten v. 10.07.2014, S. 8 = Bl. 48 ff. d. A.). Auch hätte die für das Fahrzeug - bei im Ermittlungsverfahren durchgeführtem Bremsversuch (für die Staatsanwaltschaft erstelltes Gutachten S. 9, 21 = Bl. 27, 39 d. A. 340 Js 10280/12) - ermittelte Bremsverzögerung von 6 m/s² der Erläuterung bedurft, u. a. ob die Messung mit einem selbstschreibenden Bremsmessgerät durchgeführt wurde und es sich bei dem Wert von 6 m/Sek.² nicht lediglich um die mittlere Verzögerung handelt, die der Vermeidbarkeitsbetrachtung gerade nicht zugrunde zu legen ist. Es erschließt sich nicht, warum der mit ABS ausgestattete BMW 316i nicht durchschnittliche und übliche Verzögerungswerte von wenigstens 7,5 m/s² bzw. deutlich mehr erreichen konnte, zumal die Fahrzeugführerin für ein schlechteres Bremsverhalten beweisbelastet wäre.

Das schriftliche Gutachten enthält keine Beurteilung der Licht- und Sichtverhältnisse gerade für die Beklagte zu 1) und deren Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt. Zum einen wurde die Beklagte zu 1) nicht angehört, zum anderen ein Sichtversuch nicht mit dem von ihr geführten Fahrzeug und dessen konkreter Beleuchtungsanlage durchgeführt. Deswegen hätte der Sachverständige zwingend die Unfalldarstellung der Beklagten zu 1) zur Kenntnis nehmen und würdigen müssen.

Gutachten und Landgericht gehen hinsichtlich des Gebots des Fahrens auf Sicht von rechtlich unzutreffenden Voraussetzungen aus. Ein Kraftfahrer darf gemäß § 3 I 4 StVO zunächst auch bei Dunkelheit nur so schnell fahren, dass er innerhalb der überschaubaren, hier durch das Abblendlicht und die sonstige Beleuchtung ausgeleuchteten Strecke halten kann (BGH NJW 2000, 1949 = VersR 2000, 736; KG NZV 1996, 235; Senat, Urt. v. 04.03.2011 - 10 U 4408/10; allg. M.). Darüber hinaus darf er gemäß § 3 I 2 StVO nur so schnell fahren, dass der Anhalteweg im Sichtbereich liegt, d. h. in dem Bereich, in dem nach den konkreten Umständen (Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Witterungsverhältnisse, technische Einrichtungen der Fahrzeuge, persönliche Fähigkeiten des Fahrers) Hindernisse erkennbar werden (BGH NJW 1984, 2412 = VersR 1984, 741).

(1) Das Gutachten gelangt einerseits zu einer Sichtweite von 80 - 100 Metern, andererseits zu einer Reichweite des Lichtkegels (Fahrbahnausleuchtung durch das Abblendlicht) von (nur!) 20 Metern. Es mag zwar sein, dass eine ausreichende Sicht auf den weiter entfernt liegenden Kreisverkehr durch dessen gute Ausleuchtung gegeben war, dies gilt aber, wie sich dem Foto auf S. 10 des Gutachtens entnehmen lässt, nicht für den Bereich jenseits der Reichweite der Scheinwerfer bis zum Kreisverkehr. Die zusätzliche Straßenbeleuchtung führt nach dem vorliegenden Gutachten gerade nicht zu einer erhöhten Sichtweite, andererseits ist der Fußgänger, wie sich Foto 46 des im Ermittlungsverfahren erholten Gutachtens entnehmen lässt, innerhalb der angeblichen Reichweite der Scheinwerfer trotz dunkler Kleidung gut erkennbar. Unter „Reichweite“ im Straßenverkehr versteht man grundsätzlich die Entfernung, die ein Scheinwerfer unter Berücksichtigung seiner Bauform ausleuchten kann. Die „Sichtweite“ hingegen kennzeichnet die Strecke, auf welche der Fahrzeuglenker bei einer Nachtfahrt im Licht seines eigenen Scheinwerfers ein Sichtobjekt gerade noch erkennen kann. Sie hängt zwar mit der Reichweite zusammen, wird jedoch wesentlich durch die Eigenschaften des zu erkennenden Objektes bestimmt.

Die vom Sachverständigen ermittelte Reichweite der Scheinwerfer ist zunächst ungewöhnlich, zumal der E 36 bereits mit einer sehr guten Beleuchtungsanlage ausgestattet war (mit Abblendlicht darf der Kraftfahrer je nach der konkreten Bauart seiner Scheinwerfer höchstens 40 km/h bei zusätzlicher Nässe [OLG Köln MDR 2003, 567 = VersR 2003, 219], unter 60 km/h [OLG Frankfurt NZV 1990, 154], höchstens 55 km/h [vgl. BGH NJW 2000, 1949] oder unter 70 km/h [OLG Hamm r + s 2000, 281 f.] fahren). Soweit der Sachverständige anmerkt, man dürfe bei Abstellen auf den „Sichtkegel“ auch auf Landstraßen mit Abblendlicht nicht schneller als 30 bis 40 km/h fahren, ist anzumerken, dass der Kraftfahrer dann eben, soweit zulässig, mit Fernlicht fahren, oder durch Leuchtweitenregulierung und Verwendung brauchbarer Beleuchtungsmittel die Reichweite seines Abblendlichtes den üblichen Werten anpassen kann.

(2) Das Sichtfahrgebot gilt auch gegenüber einem bei Dunkelheit auf der rechten Fahrbahnseite gehenden volltrunkenen Fußgänger (OLG Naumburg NZV 1999, 466; Senat, Beschl. v. 05.07.2007 - 10 U 5758/06). Das Sichtfahrgebot soll nicht nur vor Kollisionen mit Entgegenkommenden, sondern auch davor schützen, auf Hindernisse aufzufahren. Mit Fahrbahnhindernissen, wie schlecht oder gar nicht beleuchteten Fahrzeugen oder Radfahrern (BGH NJW 1967, 257) muss der Kraftfahrer stets rechnen, und zwar innerorts auch ohne Schreckzeit (OLG Naumburg NZV 1999, 466; OLG Schleswig NZV 1995, 445; OLG Zweibrücken NZV 1993, 153). Der Fahrzeugführer muss daher (auch) vor unvermuteten Hindernissen auf der Fahrbahn anhalten können. Dies erlaubt nur ein - von § 3 I 4 StVO gefordertes - Fahren auf Sicht.

Durch den Vertrauensgrundsatz begrenzt wird das Sichtfahrgebot für solche Hindernisse, mit denen der Kraftfahrer unter keinem vertretbaren Gesichtspunkt rechnen muss, etwa mit unvermittelt von der Seite zwischen parkenden Fahrzeugen hervortretenden Fußgängern oder mit einem plötzlich vom Müllfahrzeug abspringenden Müllwerker (BGH NJW 1985, 1950; KG NZV 1998, 376; OLG Köln VRS 1989, 105 und 446; OLG Oldenburg NZV 1990, 158) oder mit auf der Fahrbahn befindlichen Gegenständen, deren Erkennbarkeit in atypischer Weise besonders erschwert ist (BGH VersR 1972, 1067, 1068; Senat, Urt. v. 04.03.2011 - 10 U 4408/10). In ihrer Beschaffenheit sind diese durch fehlenden Kontrast und hohe Lichtabsorption gekennzeichnet. So hat der Bundesgerichtshof entschieden, der Kraftfahrer müsse nicht damit rechnen, dass ein Baumstamm 3 Meter nach hinten aus dem unbeleuchteten Anhänger herausragt (BGH VersR 1955, 379), dass sich ein nicht kenntlich gemachter und nicht beleuchteter Splithaufen auf der Fahrbahn befindet (BGH VersR 1960, 636) oder dass eine verkehrswidrig abgelegte Absperrstange eines Weidezaunes spitzwinklig entgegen der Fahrtrichtung frei in den Luftraum über der Verkehrsfläche hineinragt (BGH VersR 1972, 1067, 1068; vgl. auch BayObLG VRS 22, 380 = JR 1962, 189 mit Anm. Martin S. 190; für einen auf der Fahrbahn liegenden Reifenprotektor von 20 cm Höhe und im Umfang etwa eines halben LKW-Reifens vgl. insgesamt BGH NJW 1984, 2412).

Ein dunkel gekleideter, auf der Fahrbahn gehender Fußgänger gehört nicht zu derartigen Hindernissen (KG NZV 1995, 235: auf der Fahrbahn hockende oder liegende Person [anders AG Emmendingen, NStZ 2008, 633 für - in Selbsttötungsabsicht - flach auf der Fahrbahn liegende Person]; Thüringer Oberlandesgericht, NZV 2009, 553-554: unbeleuchtete Sperrschranke; BGH NJW-RR 1987, 1235: unbeleuchteter Panzer mit Tarnanstrich auf BAB; Thüringer Oberlandesgericht, DAR 2003, 37: schwarze Kuh). Das Nichterkennen eines Fahrbahnhindernisses ist nur dann nicht vorwerfbar, wenn es sich um ein ungewöhnlich schwer sichtbares - weil kleines oder kontrastarmes - Hindernis handelt, auf das nichts hindeutet; wie z. B. ein Eisenteil oder eine Stange auf der Autobahn (OLG Düsseldorf NZV 1990, 231; OLG Nürnberg DAR 1996, 59).

Im Streitfall war der Kläger als Fußgänger innerhalb der angeblichen Reichweite der Scheinwerfer als solcher unschwer erkennbar, vgl. Foto 46 des im Ermittlungsverfahren erholten Gutachtens.

(3) Selbst ausgehend von dem erholten Gutachten steht bei einer Unterstellung einer Erkennbarkeitsweite von nur 20 Metern und einer Bremsverzögerung von nur 6 m/s² aus einer Ausgangsgeschwindigkeit von 44 km/h bereits ein Verstoß gegen das Gebot des Fahrens auf Sicht als Kardinalpflicht eines jeden Fahrzeugführers fest, weil der Anhalteweg bei ordnungsgemäßer Reaktion mindestens 23,42 Meter betragen hätte. Dieser Verstoß muss zu einer erheblichen Mithaftung wegen bewiesenen Verschuldens führen. Dagegen hätte bei Annahme üblicher Werte (Bremsverzögerung 7,5 m/s², Reaktionszeit 0,8 Sekunden) aus einer Geschwindigkeit von 40 km/h der Anhalteweg nur 18,19 Metern betragen, so dass ein vorwerfbarer unfallursächlicher Reaktionsverzug vorläge (der Pkw war nach dem Gutachten zum Kollisionszeitpunkt nicht gebremst). Ebenso gelangt das Gutachten (S. 18) zu dem Ergebnis, dass die Sichtfahrgeschwindigkeit bei Abstellen auf die Reichweite der Scheinwerfer 31 km/h betrug. Diese hat die Beklagte zu 1) laut ihren eigenen Angaben (ca. 40 km/h) ebenfalls deutlich überschritten.

Zur Vervollständigung wird auf die Hinweise des Senatsvorsitzenden (v. 30.03.2015, S. 4/5 = Bl. 94/95 d. A., 2.-4. Spiegelstrich) verwiesen.

Bei dieser Sachlage ist unter Würdigung aller Gesamtumstände die unterlassene Einholung eines umfassenden, schriftlichen, auf zivilrechtliche Fragestellungen bezogenen unfallanalytischen Sachverständigengutachtens (Senat, Urt. v. 14.03.2014 - 10 U 2996/13 [juris, dort Rz. 5-7]; v. 11.04.2014 - 10 U 4757/13 [juris, dort Rz. 45, 60]) einerseits, die unterlassene Anhörung der Parteien in Anwesenheit des Sachverständigen andererseits verfahrensfehlerhaft, und schließt aus, dass die Beweiserhebung des Erstgerichts auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht (OLG München, Urt. v. 21.02.2014 - 25 U 2798/13 [juris]).

dd) Eine zum Unfallzeitpunkt wirksame Blutalkoholkonzentration des Klägers von 1,47 Promille (EU 2, 4 = Bl. 67, 69 d. A.) hätte nur dann mitverschuldenserhöhend berücksichtigt werden dürfen, wenn weitere Feststellungen, insbesondere Tatsachen und Umstände, wie sich die Alkoholisierung auf die Unfallursache ausgewirkt habe, getroffen worden wären. Denn grundsätzlich bestehen Fehlverhalten und Verkehrsverstoß des Klägers darin, dass er sich auf der Fahrbahn aufgehalten hat, dieses unzulässige Verhalten wird nicht dadurch unzulässiger, dass es in alkoholisiertem Zustand geschah (BGH NJW 1995, 1029: „Absolute Fahruntüchtigkeit eines am Unfall beteiligten … infolge Alkoholgenusses darf bei der Abwägung nach § 17 StVG nur berücksichtigt werden, wenn feststeht, dass sie sich in dem Unfall niedergeschlagen hat“; DAR 1995, 198 = NJW 1995, 1029; OLG Koblenz NVersZ 2002, 272: für einen Überholvorgang).

Deswegen ist die gesamte Beweisaufnahme unter Erholung eines unfallanalytischen Gutachtens eines anderen Sachverständigen zu wiederholen, § 538 II 1 Nr. 1 ZPO, und hierbei zu klären, ob die Beklagte zu 1) sich von dem zu vermutendem Verschulden als Fahrzeugführerin (§ 18 I 2 StVG) hinsichtlich der behaupteten Verstöße gegen das Gebot des Fahrens auf Sicht und das allgemeine Rücksichtnahmegebot entlasten kann. Bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge ist auch das Bewegungsverhalten des Verletzten von Bedeutung, insbesondere ob die Annahme des Sachverständigen zutrifft, dieser habe die Fahrbahn nicht überquert, sondern sich auf dieser in derselben Richtung wie der Pkw bewegt. Dies erfordert eine Abklärung durch ein verletzungsmechanisches Gutachten, worauf der Sachverständige bereits in seinem Gutachten hingewiesen hatte.

b) An die Beweiswürdigung des Erstgerichts ist der Senat nach § 529 I Nr. 1 ZPO nicht gebunden, weil konkrete Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit ersichtlich geworden sind. Schon die unvollständige, fehlerhafte oder unterlassene Beweiserhebung macht das Ersturteil verfahrensfehlerhaft mit der Folge, dass eine sachgerechte Prüfung und Bewertung eines vollständigen Beweisergebnisses fehlen (OLG München, Urt. v. 21.02.2014 - 25 U 2798/13 [juris]).

Darüber hinaus versagt sich das Erstgericht jegliche ernsthafte Auseinandersetzung mit den Gutachtensergebnissen, indem die Annahmen des Sachverständigen ungeprüft übernommen werden (EU 5 = Bl. 70 d. A.). Deswegen wird missachtet, dass der Gutachter seine Berechnungen ausschließlich zugunsten des Fahrzeugführers vorgenommen und somit die diesen treffende Beweislast nicht beachtet hat. Zudem wurde offen gelassen, ob dem Kläger ein Verstoß gegen das Verbot der Fahrbahnnutzung (§ 25 I 1 (und 3) StVO), oder gegen Sorgfaltsgebote beim Überschreiten der Fahrbahn (§ 25 III 1 StVO) vorzuwerfen ist (EU 3 = Bl. 68 d. A.). Zuletzt hätte die Alkoholisierung des Klägers nicht ohne weitere Feststellungen über deren Auswirkungen - mitverschuldenserhöhend - berücksichtigt werden dürfen. Ergänzend wird auf die Hinweise des Senatsvorsitzenden (v. 30.03.2015, S. 6/7 = Bl. 96/97 d. A., 2 b-d) verwiesen.

2. im Übrigen hat das Landgericht auch entscheidende sachlich-rechtliche Fragen unzutreffend beantwortet und voreilig jegliches Verschulden der Beklagten zu 1), sowie jegliche mögliche Mitverursachungsanteile der Beklagten einschließlich der Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs ausgeschlossen.

a) Nach den bisherigen Feststellungen sind Körper und Gesundheit des Klägers verletzt und dessen Vermögen beeinträchtigt worden. Diese Rechtsgüterverletzung geschah unstreitig beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs, so dass ein Anspruch aus §§ 7 I, 18 I StVG, 115 I 1 Nr. 1, 4 VVG, 823 BGB in Betracht kommt, wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat. Zu berücksichtigen sind jedoch auch die Haftung des Fahrzeugführers aus vermutetem Verschulden (§ 18 I StVG) und die aus 18 I 2 StVG folgende Beweislastumkehr.

b) Ein jegliche Haftung der Beklagten ausschließender Fall höherer Gewalt gemäß § 7 II StVG liegt nicht vor. Je nach Schwere des von der Beklagten zu beweisenden Verschuldens des Fußgängers kommt auch dessen alleinige Haftung in Betracht (§§ 9 StVG, § 254 I BGB), insbesondere bei Nachweis der Einhaltung der an einen Idealfahrer zu stellenden Anforderungen (unabwendbares Ereignis i. S. d. § 17 III StVG). Die Beklagten müssen aber hierzu fehlendes eigenes Verschulden der Beklagten zu 1) beweisen, was eine vollständige und genaue Prüfung und Darlegung des Fahrverhaltens, insbesondere der Wahrnehmung und Beurteilung des Verhaltens des Klägers erfordert, welcher sich - unter noch nicht genau geklärten Umständen und für eine unbekannte Zeitdauer - in der Fahrlinie des Pkw bewegt hatte. Hierzu fehlen jedoch tragfähige Feststellungen des Erstgerichts, zumal der eingeschaltete Sachverständige die zivilrechtlichen Grundsätze der Beweisführungs- und Feststellungslast für die Einzelheiten und genauen Umstände des sonst unstreitigen Anstoßes nicht umfassend verfolgt hat.

c) Zudem sind die Beklagten darlegungs- und beweisbelastet für eine schuldhafte Unfallverursachung des Klägers und ein diesem anspruchsmindernd zuzurechnendes Mitverschulden. Dies hat zur Folge, dass Sachverständiger und Gericht zu allen Bewegungen des Klägers in die und auf der Fahrbahn bei nicht eindeutig feststellbaren Umständen die für den Kläger (nicht die Beklagten) günstigsten technisch möglichen Werte anzusetzen haben.

Bei dieser Sachlage ist bisher nicht vertretbar, Sorgfaltspflichtverletzung und Verschulden der Beklagten zu 1) für ausgeschlossen oder nicht erwiesen zu halten, vielmehr wird das Erstgericht hierfür maßgebliche und geeignete Umstände erst noch verfahrensfehlerfrei zu ermitteln und sachgerecht zu würdigen haben.

d) Das Erstgericht wird bei der erneuten Entscheidung die straßenverkehrsrechtlichen Sorgfaltspflichten von Kraftfahrern und Fußgängern zu beachten haben, dargestellt und begründet in der Hinweisverfügung des Senatsvorsitzenden (v. 30.03.2015, S. 7/10 = Bl. 97/100 d. A.).

e) Der Kläger räumt wohl ein, den Unfall zur Hälfte durch Verstöße gegen straßenverkehrsrechtliche Sorgfaltspflichten mitverursacht zu haben, und deswegen eine schwerwiegende mitwirkende Obliegenheitsverletzung (§ 254 I BGB) gegen sich gelten lassen zu müssen (BB 2/3 = Bl. 86/87 d. A.). Sollte das Erstgericht wiederum zu dem Ergebnis gelangen, dass dieses Mitverschulden jegliche Haftung der Beklagten, selbst diejenige für Betriebsgefahr, aufzehre, wäre folgendes zu berücksichtigen: In die Abwägung sind alle Faktoren, soweit unstreitig oder erwiesen, einzubeziehen, die eingetreten sind, zur Entstehung des Schadens beigetragen haben und einem der Beteiligten zuzurechnen sind (BGH NJW 1995, 1029; 2007, 506 [207]; NJW-RR 1988, 1177; OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.08.2014 - 1 U 151/13 [juris, Rz. 64]), insbesondere auch Fahrverhalten und festgestellte Sorgfaltsverstöße des Unfallgegners (BGH NJW-RR 1993, 480: Mitverschulden im Verhältnis zur Betriebsgefahr bei der Bahn). Eine Gewichtung der Mitverursachung oder des Mitverschuldens kann nur aufgrund einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls erfolgen, insbesondere der genauen Klärung des Unfallhergangs (BGH NJW 2014, 217, [8]: „Mangels ausreichender Feststellungen zum Unfallhergang ergibt sich ein derart überwiegendes Mitverschulden der Klägerin am Zustandekommen des Unfalls nicht bereits daraus, dass diese … unter Verstoß gegen § 25 § 25 III StVO die Straße überquerte, ohne auf den Fahrzeugverkehr zu achten“). Zusätzlich wird auf die Hinweise des Senatsvorsitzenden (v. 30.03.2015, S. 10 = Bl. 100 d. A.) verwiesen.

II.

Der Senat hat eine eigene Sachentscheidung nach § 538 I ZPO erwogen, sich aber - entgegen seiner sonstigen Praxis - aus folgenden Gründen dagegen entschieden:

1. Eine derartig mangelhafte Beweiserhebung stellt einen Zurückverweisungsgrund nach § 538 II 1 Nr. 1 ZPO dar (Senat, Urt. v. 09.10.2009 - 10 U 2309/09 [juris, dort Rz. 23]; v. 25.06.2010 - 10 U 1847/10 [juris, dort Rz. 13]; VersR 2011, 549 ff.; NJW 2011, 3729 und v. 22.07.2011 - 10 U 1481/11). Als schwerwiegender Verfahrensfehler erweist sich, dass das Erstgericht die Pflicht zu umfassender Sachverhaltsaufklärung, insbesondere durch vollständige Parteianhörungen und geeignete sachverständige Begutachtung, verletzt hat. Die erforderliche Beweisaufnahme wäre umfangreich und aufwändig (§ 538 II 1 Nr. 1, 2. Satzhälfte ZPO), weil der Senat sich nicht darauf beschränken dürfte, ein vollständiges Sachverständigengutachten zu erholen. Vielmehr wären zusätzlich beide Parteien anzuhören und die in der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige genannten Zeugen zu vernehmen, denn eine Beurteilung sowohl der Glaubhaftigkeit der Sachdarstellung, als auch der Glaubwürdigkeit der Zeugen und Parteien anhand ihrer früheren Aussagen wäre rechtsfehlerhaft, wenn der Senat auf einen eigenen persönlichen Eindruck verzichten wollte (s. etwa BGH r + s 1985, 200; NJW 1997, 466; NZV 1993, 266; VersR 2006, 949). Durch die gebotene Beweisaufnahme würde der Senat zu einer mit der Funktion eines Rechtsmittelgerichts unvereinbaren teilweise erstmaligen Beweiserhebung, im Übrigen vollständigen Wiederholung des erstinstanzlichen Verfahrens (Senat VersR 2011, 549 ff.) gezwungen. Hinzu kommt, dass je nach dem Ergebnis der durchzuführenden Beweiserhebung über den Hergang des Unfalls auch zur Höhe des Schmerzensgelds und Verdienstausfallschadens erstmals entschieden werden müsste (§ 538 II 1 Nr. 4, 2. Alt. ZPO, Senat NJW 1972, 2048 [2049]; OLG Köln NJW 2004, 521).

2. Auch die aus unterlassener Beweiserhebung und fehlerhafter Rechtsauffassung folgende, teilweise fehlende oder erheblich fehlerhafte Beweiswürdigung stellt einen Verfahrensverstoß dar, welcher zur Zurückverweisung gemäß § 538 II 1 Nr. 1 ZPO berechtigt (Senat, Urt. v. 14.07.2006 - 10 U 5624/05 [juris]; v. 01.12.2006 - 10 U 4328/06; v. 04.09.2009 - 10 U 3291/09; v. 06.11.2009 - 10 U 3254/09; v. 19.03.2010 - 10 U 3870/09 [juris, dort Rz. 23]; v. 25.06.2010 - 10 U 1847/10 [juris, dort Rz. 13]; VersR 2011, 549 ff.; v. 22.07.2011 - 10 U 1481/11 [juris, dort Rz. 8]).

3. Der durch die Zurückverweisung entstehende grundsätzliche Nachteil einer Verzögerung und Verteuerung des Prozesses muss hingenommen werden, wenn ein ordnungsgemäßes Verfahren in erster Instanz nachzuholen ist und den Parteien die vom Gesetz zur Verfügung gestellten zwei Tatsachenrechtszüge erhalten bleiben sollen (Senat NJW 1972, 2048 [2049]; OLG Naumburg NJW-RR 2012, 1535 [1536]); eine schnellere Erledigung des Rechtsstreits durch den Senat ist im Übrigen angesichts seiner außerordentlich hohen Geschäftsbelastung vorliegend nicht zu erwarten.

III.

Die Kostenentscheidung war dem Erstgericht vorzubehalten, da der endgültige Erfolg der Berufung erst nach der abschließenden Entscheidung beurteilt werden kann (OLG Köln NJW-RR 1987, 1032; Senat in st. Rspr., zuletzt VersR 2011, 549 ff.; NJW 2011, 3729).

Die Gerichtskosten waren gemäß § 21 I 1 GKG niederzuschlagen, weil ein wesentlicher Verfahrensmangel - nur ein solcher kann zur Aufhebung und Zurückverweisung führen (§ 538 II 1 Nr. 1 ZPO) -, denknotwendig eine unrichtige Sachbehandlung i. S. des § 21 I 1 GKG darstellt.

§ 21 I 1 GKG erlaubt auch die Niederschlagung von Gebühren des erstinstanzlichen Verfahrens (vgl. OLG Brandenburg OLGR 2004, 277; OLG Düsseldorf NJW-RR 2007, 1151; Senat, Beschl. v. 17.09.2008 - 10 U 2272/08, st. Rspr., zuletzt Urt. v. 19.03.2010 - 10 U 3870/09 [juris, dort Rz. 93] und v. 27.01.2012 - 10 U 3065/11 [juris, dort Rz. 12]).

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 S. 1 ZPO. Auch im Falle einer Aufhebung und Zurückverweisung ist im Hinblick auf §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit geboten (BGH JZ 1977, 232; Senat in st. Rspr., zuletzt u. a. VersR 2011, 549 ff. und NJW 2011, 3729), allerdings ohne Abwendungsbefugnis (Senat a. a. O.). Letzteres gilt umso mehr, als das vorliegende Urteil nicht einmal hinsichtlich der Kosten einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist.

V.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben.

Weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache (BVerfG NJW 2014, 2417 [2419, Tz. 26-32]; BGH NJW-RR 2014, 505) noch die Fortbildung des Rechts (BVerfG a. a. O. Tz. 33) oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (BVerfG a. a. O. [2420, Tz. 34]; BGH NJW 2003, 1943) erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Entscheidung weicht nicht von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung ab und betrifft einen Einzelfall, der grundlegende Rechtsfragen nicht aufwirft.

VI.

Der Streitwert errechnet sich aus den summierten Beträgen der einzelnen Forderungen:

- Mindestbetrag des Schmerzensgeldes:20.000,- €

- Feststellungsinteresse entsprechend der Schätzung des Klägers,

jedoch nur hälftig wegen eingestandenen hälftigen Mitverschuldens:5.000,- €

- Künftige Verdienstausfallrente, 3,5-facher Jahresbetrag:9.620,10 €

- Rückständiger Verdienstausfall bis Klageerhebung (Juli 2013) 4.728,32 + 229,05 €.

Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Verletzten mitgewirkt, so finden die Vorschriften des § 254 des Bürgerlichen Gesetzbuchs mit der Maßgabe Anwendung, dass im Fall der Beschädigung einer Sache das Verschulden desjenigen, welcher die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt, dem Verschulden des Verletzten gleichsteht.

Gründe

Oberlandesgericht München

10 U 3814/14

Im Namen des Volkes

verkündet am 04.09.2015

7 O 5027/12 LG Traunstein

Die Urkundsbeamtin: ...

In dem Rechtsstreit

- Klägerin und Berufungsklägerin -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …

gegen

1) …

- Beklagter und Berufungsbeklagter -

2) …

- Beklagte und Berufungsbeklagte -

Prozessbevollmächtigter zu 1 und 2: Rechtsanwalt …

wegen Schadensersatzes

erlässt der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht … und die Richter am Oberlandesgericht … und … im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 31.08.2015 folgendes

Endurteil:

1. Auf die Berufung der Klägerin vom 02.10.2014 wird das Endurteil des LG Traunstein vom 28.08.2014 (Az. 7 O 5027/12) samt dem zugrundeliegenden Verfahren aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG Traunstein zurückverwiesen.

2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem LG Traunstein vorbehalten. Gerichtsgebühren für die Berufungsinstanz, sowie gerichtliche Gebühren und Auslagen, die durch das aufgehobene Urteil verursacht worden sind, werden nicht erhoben.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Weiter ergeht gemäß §§ 63 II 1, 47 I 1, 40, 48 I 1 GKG, 3 ff. ZPO folgender

Beschluss:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 95.296,50 € festgesetzt.

Gründe:

A.

Die Klägerin macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend. Sie verlangt als Hauptforderungen ein verzinstes angemessenes Schmerzensgeld und verzinsten Haushaltsführungsschaden, sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere künftige materielle Schäden.

Zugrunde liegt ein Zusammenstoß am 31.01.2011 gegen 19.20 Uhr zwischen der Klägerin als Fußgängerin und dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw BMW 320CI, amtliches Kennzeichen …, gefahren vom Beklagten zu 1), gehalten von dessen Vater. Der Unfall ereignete sich auf der Hauptstraße in Höhe des Hauses Nr. 34 in H. (Bundesstraße 15, bei Kilometer 0.250 oder Abschnitt 640). Die zum Unfallzeitpunkt 70-jährige Klägerin wurde schwer verletzt und macht heute noch bestehende Beeinträchtigungen aufgrund der Unfallfolgen geltend. Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 28.08.2014 (Bl. 112/121 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht Traunstein hat nach Beweisaufnahme die Klage vollständig abgewiesen, weil der Beklagte zu 1) den Unfall nicht zu vertreten habe und die Betriebsgefahr des Fahrzeugs hinter dem überragenden Mitverschulden der Klägerin zurücktrete. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 117/121 d. A.) des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses ihr am 02.09.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit beim Oberlandesgericht München am 02.10.2014 eingegangenen Schriftsatz vom 01.10.2014 Berufung eingelegt (Bl. 128/129 d. A.) und diese mit Schriftsatz vom 01.12.2014, eingegangen am 03.12.2014, - nach Fristverlängerung gemäß Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 30.10.2014 (Bl. 125 d. A.) fristgerecht - begründet (Bl. 136/147 d. A.).

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils,

- die Beklagten samtverbindlich zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu bezahlen, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.01.2012,

- die Beklagten samtverbindlich zu verurteilen, an die Klägerin Haushaltsführungsschaden in Höhe von 17.296,50 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.01.2012 zu bezahlen,

- festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin jeden weiteren materiellen Schaden aus dem Unfallereignis zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind,

- die Beklagten samtverbindlich zu verurteilen, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 2.118,44 € zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat gemäß Beschluss vom 17.08.2015 mit Zustimmung der Parteien schriftlich entschieden, § 128 II ZPO; als Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, wurde der 31.08.2015 bestimmt (Bl. 171/172 d. A.). Die Klägerin hat hilfsweise beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (BB 2 = Bl. 137 d. A.). Die Beklagten haben einen Zurückverweisungsantrag hilfsweise gestellt (Schriftsatz v. 31.07.2015, Bl. 166 d. A.).

Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die Berufungserwiderung vom 10.12.2014 (Bl. 148/149 d. A.), die Hinweisverfügung des Senatsvorsitzenden vom 08.07.2015 (Bl. 152/165 d. A.) und die Schriftsätze der Klägerin vom 27.02.2015 (Bl. 150/151 d. A.) Bezug genommen.

B.

Die statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache jedenfalls vorläufig Erfolg.

I.

Das Landgericht hat entschieden, dass grundsätzlich denkbare Schadensersatzansprüche der Klägerin aus deliktsrechtlicher Verschuldenshaftung (§ 823 I, II BGB) des bei der Beklagten zu 2) versicherten Beklagten zu 1) mangels erweislichen Verschuldens entfallen (EU 6, 9 = Bl. 117, 120 d. A.), und selbst die Betriebsgefahr des Fahrzeugs wegen des weit überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin zurückzutreten habe (EU 6, 10 = Bl. 117, 121 d. A.). Das Erstgericht hat sich davon überzeugt, dass die Klägerin den Unfall und damit ihren Schaden allein selbst verursacht und verschuldet habe, weil sie als Fußgängerin unaufmerksam, schlecht erkennbar und ohne nachvollziehbaren Grund die Fahrbahn betreten und den dortigen Vorrang des Kraftfahrzeugverkehrs missachtet habe (EU 9/10 = Bl. 120/121 d. A.).

Diese Ergebnisse entbehren, jedenfalls derzeit, angesichts einerseits lückenhafter Tatsachenfeststellung und mangelhafter Beweiswürdigung, andererseits fehlerhafter Rechtsanwendung einer überzeugenden Grundlage.

1. Das Ersturteil hat die für den Streitgegenstand entscheidungserheblichen Tatsachen verfahrensfehlerhaft weder vollständig, noch uneingeschränkt zutreffend festgestellt. Deswegen liegen konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Tatsachenfeststellung, nämlich offensichtliche Lücken und Widersprüche, vor, so dass der Senat nicht nach § 529 I Nr. 1 ZPO gebunden (BGH NJW 2005, 1583; WM 2015, 1562), und eine erneute Sachprüfung eröffnet ist. Dabei besteht keine Bindung an das Berufungsvorbringen (BB 3/6 = Bl. 38/141 d. A.; 7/11 = Bl. 142/146 d. A.), vielmehr sind die gesamten erstinstanzlichen Feststellungen von Amts wegen (so BGH [V. ZS] NJW 2004, 1876; [VI. ZS] NJW 2014, 2797 ohne nähere Begründung) zu überprüfen.

a) Bereits der unstreitige Tatbestand weist einen offensichtlichen Fehler auf, als der Beklagte zu 1) mit seinem Pkw BMW 320 die Unfallörtlichkeit befahren habe (EU 2 = Bl. 113 d. A.), so dass ihn eine Haftung als Halter des Fahrzeugs treffen könne (EU 9 = 120 d. A.).

Tatsächlich war jedoch dessen Vater, Herr Richard L., Halter des Unfallfahrzeugs (S. 3 der Ermittlungsakten), folgerichtig übersieht das Erstgericht vollständig die Haftung des Fahrzeugführers (§ 18 I StVG) aus vermutetem Verschulden und die daraus folgende Umkehrung der Beweisführungs- und Feststellungslast.

b) Die Beweiserhebung des Erstgerichts ist zu beanstanden, weil gegen die Verpflichtung verstoßen wurde, den zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt auszuschöpfen und sämtlichen Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen von Amts wegen nachzugehen (s. Senat, Urt. v. 12.06.2015 - 10 U 3981/14 [juris, Rn. 18, m. w. N.]).

aa) Die erstinstanzliche Anhörung der unfallbeteiligten Parteien (§ 141 I 1 ZPO), insbesondere des Beklagten zu 1), hat ausweislich des Protokoll d. mdl. Verhandlung (v. 29.08.2013, S. 2/5 = Bl. 62/65) zum einen nicht in der erforderlichen Anwesenheit des unfallanalytischen Sachverständigen (BGH VersR 1979, 939 [juris, Rn. 23]; Senat, Beschl. v. 22.09.2014 - 10 W 1643/14) stattgefunden, und ist zum zweiten unzureichend kursorisch geblieben.

Eine Befragung insbesondere des Beklagten zu 1) durch den und in Anwesenheit des Sachverständigen wäre im Streitfall unerlässlich gewesen, um die knappen, unvollständigen und nicht aus sich heraus verständlichen Angaben, etwa hinsichtlich der Sichtweiten, des Reaktionsverhaltens und der Fahrbahnrandbeobachtung, zu ergänzen und zu überprüfen. Der Verzicht auf diese Beweiserhebung hat sich unmittelbar auf das Sachverständigengutachten und das erstinstanzliche Urteil ausgewirkt, weil Gutachter und Gericht die Möglichkeit verloren haben, weitere Anknüpfungspunkte zu gewinnen. Zudem wurden Möglichkeiten und Verpflichtung des Erstgerichts eingeschränkt, das Gutachten von Amts wegen auf seine Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen (BGH VersR 2015, 338; MDR 1982, 212), und mit den Schilderungen der Parteien abzugleichen.

bb) Das zur Klärung des Haftungsgrundes und der Haftungsanteile eingeholte schriftliche Sachverständigengutachten (EU 5 = Bl. 116 d. A.; Gutachten v. 18.03.2014, S. 122 = Bl. 83 d. A. samt Anlagen) und die mündliche Anhörung des Sachverständigen (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 08.08.2014, S. 2/5 = Bl. 104/107 d. A.) sind unzureichend, weil der Sachverständige nicht sachgerecht angeleitet (§ 404a I - III ZPO), insbesondere nicht zur Beachtung der besonderen verkehrsrechtlichen Anforderungen an den Fahrzeugführer und dessen Haftung aus vermutetem Verschulden (§ 18 I 2 StVG), sowie der Beweislastverteilung aufgefordert worden war. Die Missachtung dieser Besonderheiten und deswegen die Annahme für die Beklagten günstiger Tatumstände (Gutachten v. 18.03.2014, S. 7, 9, 12, 14/17 = Bl. 83 d. A.) erzeugen einen Rechtsfehler, weil der streitgegenständlichen Sachverhalt - neben einem straßenverkehrsrechtlichen Fehlverhalten der Klägerin - vorwiegend unter dem Gesichtspunkt bewertet wird, ob dem Beklagten zu 1) als Fahrzeugführer ein schadensursächlicher, rechtswidriger und schuldhafter Verkehrsverstoß nachgewiesen werden könne, der zu einer Körperverletzung geführt habe (Gutachten v. 18.03.2014, S. 21/22 = Bl. 83 der Akten). Im Einzelnen:

- Der Sachverständige rechnet trotz starker Bremsung mit einer - zugunsten des Beklagten zu 1) nur mäßigen - Bremsverzögerung von 7,5 m/s². Abgesehen davon, dass dieser Wert nicht begründet wird, bleibt nicht nachvollziehbar, warum ein BMW 320 CI - bei unterstelltem ABS und mittlerem Alter - nicht übliche Verzögerungswerte von 9 - 10 m/s² erreichen sollte, zumal der Fahrzeugführer beweisbelastet für ein schlechteres Bremsverhalten wäre.

- Der Anhalteweg von 11,2 Metern ist - wegen des räumlich vor der eigentlichen Anstoßstelle liegenden Splitterfeldes - zweifelhaft und möglicherweise länger. Dies hätte unter sonst gleichen Umständen eine höhere Ausgangsgeschwindigkeit des Beklagten zu 1) zur Folge, während die Begrenzung auf 50 km/h nicht begründet ist und die Beklagten gegenüber der Klägerin begünstigt. Unverständlich ist, dass diese angenommene Bremsspur nicht in die Skizze des Sachverständigen (Anlage 2 zum Gutachten) übertragen wurde.

- Die schlechte Erkennbarkeit der Klägerin aufgrund ihrer Bekleidung wird unterstellt („kann sie nur schwer zu erkennen gewesen sein“), ein die Sichtbarkeit günstig beeinflussendes Schuhwerk (im Übrigen auch Socken, Bl. 16 d. Gutachtens) werden zwar angedeutet, aber nicht unterstellt, und etwaige konkrete Auswirkungen nicht berechnet.

- Die doppelte Unsicherheit, wann und wo die Klägerin für den Beklagten zu 1) erstmals hätte wahrgenommen werden können („nicht nachweisbar … auffällig gewesen sein muss [Hervorhebung des Senats]), wird nicht sachgerecht aufgelöst. Der Sachverständige hätte - bei Annahme der für die Klägerin günstigsten Umstände - zunächst feststellen müssen, wann der Beklagte frühestens zum einen die Klägerin selbst, zum zweiten ihre Absicht, die Fahrbahn zu überqueren, erkennen konnte. Wenn der Sachverständige folgert, eine Reaktion sei vom Beklagten zu fordern gewesen, als die Klägerin gerade die Fahrbahn betreten habe (Bl. 15 d. Gutachtens), hätte dies einer Darlegung und Begründung bedurft, warum die Wahrnehmbarkeit nun eindeutig, dagegen vorher nicht gegeben gewesen sei. Darüber hinaus wird als „Fakt“ bezeichnet, dass der Beklagte zu 1) 37 Meter von der späteren Unfallstelle entfernt gewesen sei, als die Klägerin die Fahrbahn betreten habe (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 08.08.2014, S. 3 = Bl. 105 d. A.), obwohl lediglich eine durch Annahmen gestützte Berechnung vorliegt. Diese ist zudem ungenau (50 km/h ungebremste Annäherungsgeschwindigkeit und zeitliche Entfernung bis zum Unfall von 2,7 Sekunden errechnen eine Strecke von 37,5 Metern) und führt wiederum zu einer Betrachtung zugunsten der Beklagten.

- Der Sachverständige stellt fest, der Beklagte zu 1) habe bis zur Bremsung eine Zeit von 2,7 Sekunden weitgehend ungenutzt verstreichen lassen. Dabei bleibt unklar, welche leicht verspätete Reaktion angesetzt wurde und wie sich diese ausgewirkt hat. Wenn die übliche Reaktionszeit von 0,8 Sekunden gewählt würde, hätte der Beklagte zu 1) 1,9 Sekunden lang nicht sachgerecht reagiert, was einen erheblichen Sorgfaltsverstoß zur Folge hätte. Selbst wenn eine verlängerte Reaktionszeit von 1,3 Sekunden zugebilligt würde, bliebe ein Reaktionsverzug von 1,4 Sekunden erheblich und nicht nachvollziehbar. Die Berufung rügt zu Recht (BB 5 = Bl. 140 d. A.), dass auch insoweit kein Anlass für eine Bewertung zugunsten der Beklagten besteht.

- Der Sachverständige geht davon aus, der Beklagte zu 1) hätte spätestens reagieren müssen, als die Entfernung zur Klägerin noch knapp 30 Meter betragen habe. Diese Herleitung wird nicht begründet, was die Berufung zu Recht beanstandet (BB 8 = Bl. 143 d. A.). Deswegen kann weder beurteilt werden, ob die richtige Beweislastverteilung zugrunde gelegt wurde, noch warum nicht ausreichend sein sollte, Füße und Beine der Klägerin im Scheinwerferlicht zu erkennen. Darüber hinaus unterliegt der Sachverständige einer unzulässigen doppelten Berücksichtigung für die Beklagten günstiger Annahmen: die schlechte Erkennbarkeit der Kläger (die ausschließlich auf dem Zusammenwirken zwischen Kleidung und Lichtverhältnissen beruhen kann) wird gleichzeitig zur Begründung verspäteter Wahrnehmung und verzögerter Reaktion herangezogen (Bl. 17 d. Gutachtens). Ab dem Zeitpunkt der Wahrnehmung, dieser entspricht der Reaktionsaufforderung, kann die Reaktionszeit schon denkgesetzlich nicht mehr durch Wahrnehmungsschwierigkeiten oder -beeinträchtigungen behindert werden. Der Sachverständige geht selbst davon aus, insoweit eine Betrachtung „zugunsten“ des Beklagten zu 1) vorgenommen zu haben, weil er den Ansatz der üblichen Reaktionszeit für „unzulässig“ hält (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 08.08.2014, S. 4 = Bl. 106 d. A.). Er übersieht dabei zum einen, dass diese „grundsätzlich“ verwendeten Werte weder mit dem streitgegenständlichen Fall verglichen, noch deren Herleitung wissenschaftlich begründet wurden, zum zweiten die verzögerte Wahrnehmung bereits in der Entfernung von knapp 30 Metern berücksichtigt worden ist.

- Soweit der Sachverständige meint, der Beklagte zu 1) habe auch „etwas früher“ als 2 Sekunden vor dem Zusammenstoß reagieren können, nämlich wenn die Klägerin helles Schuhwerk getragen hätte, widerspricht er seinen eigenen Feststellungen: Erstens sei die Klägerin zwei Sekunden vor der Kollision von den Scheinwerfern direkt angeleuchtet worden, zweitens sei eine Reaktion jedenfalls 1,3 Sekunden vor dem Anstoß möglich gewesen. Dabei bleibt unverständlich, warum der Sachverständige bloße Allgemeinheiten liefert (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 08.08.2014, S. 4 = Bl. 106 d. A.): wenn der Beklagte zu 1) erst nach 2 Sekunden reagiert haben sollte, jedoch bereits nach 1,3 Sekunden hätte reagieren können, hätte er um 0,7 Sekunden zu spät reagiert und hierbei ungebremst 9,72 Meter zurückgelegt. Diese Verzögerung entspräche fast der üblichen Reaktionszeit (0,8 Sekunden) und wäre damit nicht „leicht“, sondern bereits deutlich verspätet, worauf die Berufung zu Recht hinweist (BB 8/9 = Bl. 143/144 d. A.).

- Der Sachverständige missachtet vollständig, dass selbst unter für den Beklagten zu 1) günstigen Annahmen (Bremsverzögerung 7,5 m/s², Reaktionszeit 1,3 s, Erkennbarkeit 30 m) ein Anstoß mit einer Restgeschwindigkeit von 27 km/h erfolgt wäre. Die daraus folgende wesentlich verminderte Aufprallenergie hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit zu wesentlich weniger schwerwiegenden Verletzungen geführt. Die rechtlichen Auswirkungen dieser Umstände hätte der Sachverständige kennen und berücksichtigen müssen (s. etwa BGH NJW 2000, 3069; KG NZV 2006, 526: „Der für eine Haftung erforderliche Ursachenzusammenhang ist schon dann anzunehmen, wenn der Unfall bei ordnungsgemäßer Fahrweise des Pkw zu deutlich geringeren Verletzungen des Kl. geführt hätte“).

- Zuletzt fehlt dem Gutachten eine Beurteilung der Licht- und Sichtverhältnisse gerade für den Beklagten zu 1), dessen entsprechende Schilderung nicht erfragt wurde und deswegen nicht bekannt ist (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 29.08.2013, S. 4 = Bl. 64 d. A.). Deswegen hätte der Sachverständige zwingend eine vollständige Unfalldarstellung des Beklagten zu 1) zur Kenntnis nehmen und würdigen müssen, zumal die Lichtbilder (Bl. 17-20 des Gutachtens, Bl. 83 d. A.) nach Einschätzung des Senats jedenfalls keine besonders schlechte Sicht belegen.

Zuletzt enthält das Gutachten in einem entscheidenden Punkt einen nicht aufgelösten Widerspruch (Gutachten v. 18.03.2014, S. 16 = Bl. 83 d. A.): Wenn eine Reaktionsaufforderung für den Beklagten aus einer Entfernung von (richtig) 37,5 Metern nicht angenommen wird („nicht erkennen können und müssen“), kann nicht gleichzeitig davon ausgegangen werden, die Klägerin habe Anlass zu einer Reaktion gegeben, als sie gerade die Fahrbahn betreten habe (Gutachten v. 18.03.2014, S. 15 = Bl. 83 d. A.).

Bei dieser Sachlage ist unter Würdigung aller Gesamtumstände die unterlassene Einholung eines umfassenden, widerspruchsfreien, vollständigen und auf zivilrechtliche Fragestellungen bezogenen unfallanalytischen Sachverständigengutachtens (Senat, Urt. v. 14.03.2014 - 10 U 2996/13 [juris, dort Rz. 5-7]; v. 11.04.2014 - 10 U 4757/13 [juris, dort Rz. 45, 60]) einerseits, sowie die unterlassene Anhörung des Sachverständigen in Anwesenheit der Parteien verfahrensfehlerhaft, und schließt aus, dass die Beweiserhebung des Erstgerichts auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht (OLG München, Urt. v. 21.02.2014 - 25 U 2798/13 [juris]).

cc) Deswegen ist die gesamte Beweisaufnahme unter Erholung eines unfallanalytischen Gutachtens eines anderen Sachverständigen zu wiederholen, § 538 II 1 Nr. 1 ZPO, und hierbei zu klären, ob der Beklagte zu 1) sich von dem zu vermutendem Verschulden als Fahrzeugführer (§ 18 I 2 StVG) hinsichtlich der behaupteten Verstöße gegen das Gebot des Fahrens auf Sicht und das allgemeine Rücksichtnahmegebot entlasten kann.

b) Auch an die Beweiswürdigung des Erstgerichts ist der Senat - nach § 529 I Nr. 1 ZPO - angesichts durchgreifender Mängel nicht gebunden.

aa) Schon die unvollständige, fehlerhafte oder unterlassene Beweiserhebung macht das Ersturteil verfahrensfehlerhaft mit der Folge, dass eine sachgerechte Prüfung und Bewertung eines vollständigen Beweisergebnisses fehlen (OLG München, Urt. v. 21.02.2014 - 25 U 2798/13 [juris]).

bb) Darüber hinaus versagt sich das Erstgericht jegliche ernsthafte Auseinandersetzung mit den Gutachtensergebnissen, indem die Annahmen des Sachverständigen ungeprüft übernommen werden (EU 6/7 = Bl. 117/118 d. A.). Dabei wird missachtet, dass einerseits der Gutachter seine Berechnungen ausschließlich zugunsten des Fahrzeugführers vorgenommen und somit die diesen treffende Beweislast nicht beachtet hat, andererseits eine Vermeidbarkeit keineswegs als nicht erweislich feststeht, sondern unter bestimmten Umständen auf der Hand liegt. Deswegen hätte unter allen Umständen die Überzeugung, eine zu langsame Reaktion des Beklagten zu 1) sei jedenfalls nicht unfallursächlich, einer tragfähigen Begründung bedurft: Zum ersten ist selbst aus Sicht des Sachverständigen ein Reaktionsverzug von 0,7 Sekunden ungeklärt, zum zweiten kann eine Reaktionszeit von 1,3 Sekunden ohne Begründung dann nicht angesetzt werden, wenn eine räumliche (damit notwendig auch zeitlich) Verzögerung bereits bei der Wahrnehmbarkeit berücksichtigt worden ist. Zum dritten wäre erörterungsbedürftig gewesen, dass ein Ursachenzusammenhang auch bei deutlich geringeren Verletzungen zu bejahen gewesen wäre. Hinsichtlich der Einzelheiten, auch zu Darstellungsmängeln des Ersturteils, wird ergänzend auf die Hinweise des Senatsvorsitzenden (v. 08.07.2015, S. 6/8 = Bl. 157/159 d. A.) verwiesen.

2. im Übrigen hat das Landgericht auch entscheidende sachlich-rechtliche Fragen unzutreffend beantwortet und voreilig jegliches Verschulden des Beklagten zu 1), sowie jegliche mögliche Mitverursachungsanteile der Beklagten einschließlich der Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs ausgeschlossen. Deswegen beanstandet die Berufung im Ergebnis zu Recht, das Erstgericht habe die Pflichten eines sorgfältigen Kraftfahrzeugführers verkannt (BB 7/9 = Bl. 142/144 d. A.) und ein Mitverschulden der Klägerin unsachgemäß gewichtet (BB 5/6 = Bl. 140/141 d. A.).

a) Nach den bisherigen Feststellungen sind Körper und Gesundheit der Klägerin verletzt, sowie deren Vermögen beeinträchtigt worden. Diese Rechtsgüterverletzung geschah unstreitig beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs, so dass ein Anspruch aus §§ 18 I, 7 I StVG, 115 I 1 Nr. 1, 4 VVG, 823 BGB grundsätzlich in Betracht kommt. Insoweit ist der Ansatz des Ersturteils zutreffend, nicht jedoch, dass der Beklagte zu 1) als Halter aus Gefährdung hafte, nicht dagegen als Fahrzeugführer aus vermutetem Verschulden (§ 18 I StVG) mit nach § 18 I 2 StVG umgekehrter Beweislast.

b) Ebenso zutreffend nimmt das Erstgericht weder einen jegliche Haftung der Beklagten ausschließenden Fall höherer Gewalt (§ 7 II StVG), noch eine Unvermeidbarkeit des Unfalls für den Beklagten zu 1) - im Sinne eines unabwendbaren Ereignisses (§ 254 I BGB, Rechtsgedanke des § 17 III StVG) - an, wenngleich diese unterschiedlichen Entlastungsmöglichkeiten vermischt werden (EU 9 = Bl. 120 d. A.). Die an einen Idealfahrer zu stellenden Anforderungen hat der Beklagte zu 1) offensichtlich nicht erfüllt und folglich auch nicht nachweisen können.

c) Dagegen wird nicht ausreichend beachtet, dass die Beklagten die Beweislast dafür tragen, dass Unfall und Schadensausmaß „vorwiegend von dem … anderen Teil verursacht“ oder verschuldet worden seien (§§ 9 StVG 254 I BGB), insbesondere in einem Umfang, der eine Alleinhaftung der Klägerin rechtfertige. Erst wenn dieser Beweis geführt sein sollte, wäre die Klägerin beweispflichtig für im Rahmen des § 254 I BGB zu würdigende Mitverursachungsbeiträge der Beklagten und Verschuldensanteile des Beklagten zu 1), die gegen eine verringerte oder entfallende Haftung der Beklagten abzuwägen wären. Hieraus folgend wäre zum einen eine vollständige und genaue Prüfung und Darlegung des Fahrverhaltens des Beklagten zu 1), insbesondere der Wahrnehmung und Beurteilung des Verhaltens der Klägerin, geboten gewesen, zum anderen hätte mit den ermittelten Entfernungs-, Geschwindigkeits- und Verzögerungsdaten eine Berechnung zugunsten der Klägerin durchgeführt werden müssen, nicht zugunsten des Unfallfahrers (s. a. BGH NJW 2014, 3300). Soweit von üblicherweise angesetzten Daten (etwa Reaktionszeit 0,8 Sekunden, Bremsverzögerung 9 - 10 m/s²) abweichende Werte angesetzt wurden, hätte dies nicht zum Nachteil der Klägerin geschehen dürfen und einer eigenständigen Begründung bedurft.

Hierzu fehlen jedoch tragfähige Feststellungen des Erstgerichts, zumal der eingeschaltete Sachverständige die zivilrechtlichen Grundsätze der Beweisführungs- und Feststellungslast für die Einzelheiten und genauen Umstände des sonst unstreitigen Anstoßes nicht umfassend verfolgt hat. Zudem wären die besonderen Sorgfaltspflichten gegenüber hilfsbedürftigen und älteren Menschen (§ 3 IIa StVO) wenigstens zu prüfen gewesen, diesen gegenüber muss sich ein Kraftfahrer, insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft, so verhalten, dass eine Gefährdung ausgeschlossen ist (BGH NJW 1994, 2829). Diese Fassung des Gesetzestextes begründet zusätzlich eine Anscheinsbeweislage, die für den älteren Menschen und gegen den Kraftfahrer streitet, wenn der Beklagte zu 1) die ihn treffenden gesteigerten Sorgfaltsanforderungen, also vor allem das Alter der Klägerin, erkennen konnte. Ergänzend wird auf die Hinweise des Senatsvorsitzenden (v. 08.07.2015, S. 13 = Bl. 164 d. A.) Bezug genommen.

e) Das Erstgericht ist berechtigt, eine schwerwiegende Missachtung wesentlicher Verkehrsvorschriften durch die Klägerin festzustellen, auch wenn die Klägerin selbst dies nicht ersehen will (Hinweise v. 08.07.2015, S. 12/13 = Bl. 163/164 d. A.). Wer als Fußgänger Fahrbahnen ohne Beachtung des Straßenverkehrs überquert (§ 25 III 1 StVO), handelt in erheblichem, nicht mehr nachvollziehbarem Umfang unsorgfältig und verantwortungslos (BGH NJW 2000, 3069; NJW 1984, 50). Dies gilt umso mehr, wenn bei Dunkelheit ein beleuchtetes Fahrzeug übersehen wird (OLG Köln VersR 1966, 596).

aa) Zum ersten ist jedoch auch bei erheblich verkehrswidrigem Verhalten eines Fußgängers im Regelfall nicht jeglicher Schadensersatz zu versagen (BGH DAR 2015, 455: „… eine vollständige Überbürdung des Schadens auf einen der Beteiligten ist (im Grundsatz) … unter dem Gesichtspunkt der Mitverursachung nur ausnahmsweise in Betracht zu ziehen), sondern lediglich in Fällen der Unvermeidbarkeit für den Fahrzeugführer oder bei besonderen Umständen (Senat, Urt. v. 12.06.2015 - 10 U 3981/14 [juris, Rn. 48]; Urt. v. 31.07.2015 - 10 U 4377/14 [juris, Rn. 43, 48]; Hinweise v. 08.07.2015, S. 12 = Bl. 163 d. A.).

bb) Sollte das Erstgericht wiederum zu dem Ergebnis gelangen, das Mitverschulden der Klägerin zehre jegliche Haftung der Beklagten, selbst diejenige für Betriebsgefahr, auf, wäre zu berücksichtigen: In die Abwägung sind alle Faktoren, soweit unstreitig oder erwiesen, einzubeziehen, die eingetreten sind, zur Entstehung des Schadens beigetragen haben und einem der Beteiligten zuzurechnen sind, insbesondere auch Fahrverhalten und festgestellte Sorgfaltsverstöße des Unfallgegners. Eine Gewichtung der Mitverursachung oder des Mitverschuldens kann nur aufgrund einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls erfolgen, insbesondere der genauen Klärung des Unfallhergangs (Senat, Urt. v. 12.06.2015 - 10 U 3981/14 [juris, Rn. 49, m. w. N.]; Urt. v. 31.07.2015 - 10 U 4377/14 [juris, Rn. 55, m. w. N.]; Hinweise v. 08.07.2015, S. 13 = Bl. 164 d. A.).

Bei dieser Sachlage ist bisher nicht vertretbar, Sorgfaltspflichtverletzung und Verschulden des Beklagten zu 1) für ausgeschlossen oder nicht erwiesen zu halten, vielmehr wird das Erstgericht hierfür maßgebliche und geeignete Umstände erst noch verfahrensfehlerfrei zu ermitteln und sachgerecht zu würdigen haben. Dabei sind die straßenverkehrsrechtlichen Sorgfaltspflichten von Kraftfahrern und Fußgängern zu berücksichtigen (Senat, Urt. v. 31.07.2015 - 10 U 4377 [juris, Rn. 46-51, m. w. N.]; Beschl. v. 17.08.2015 - 10 U 1750/15 (Pkh) [n. v.]; Hinweise v. 08.07.2015, S. 8/12 = Bl. 159/163 d. A.).

II.

Der Senat hat eine eigene Sachentscheidung nach § 538 I ZPO erwogen, sich aber - entgegen seiner sonstigen Praxis - aus folgenden Gründen dagegen entschieden:

1. Eine derartig mangelhafte Beweiserhebung stellt einen Zurückverweisungsgrund nach § 538 II 1 Nr. 1 ZPO dar (Senat, Urt. v. 31.07.2015 - 10 U 4733/14 [juris, dort Rz. 57, m. w. N.]). Als schwerwiegender Verfahrensfehler erweist sich, dass das Erstgericht die Pflicht zu umfassender Sachverhaltsaufklärung, insbesondere durch vollständige Parteianhörungen und geeignete sachverständige Begutachtung, verletzt hat. Die erforderliche Beweisaufnahme wäre umfangreich und aufwändig (§ 538 II 1 Nr. 1, 2. Satzhälfte ZPO), weil der Senat sich nicht darauf beschränken dürfte, ein vollständiges Sachverständigengutachten zu erholen. Vielmehr wären zusätzlich beide Parteien anzuhören und die in der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige genannten Zeugen zu vernehmen, denn eine Beurteilung sowohl der Glaubhaftigkeit der Sachdarstellung, als auch der Glaubwürdigkeit der Zeugen und Parteien anhand ihrer früheren Aussagen wäre rechtsfehlerhaft, wenn der Senat auf einen eigenen persönlichen Eindruck verzichten wollte (s. etwa BGH r + s 1985, 200; NJW 1997, 466; NZV 1993, 266; VersR 2006, 949). Durch die gebotene Beweisaufnahme würde der Senat zu einer mit der Funktion eines Rechtsmittelgerichts unvereinbaren teilweise erstmaligen Beweiserhebung, im Übrigen vollständigen Wiederholung des erstinstanzlichen Verfahrens (Senat VersR 2011, 549 ff.) gezwungen. Hinzu kommt, dass je nach dem Ergebnis der durchzuführenden Beweiserhebung über den Hergang des Unfalls auch zur Höhe des Schmerzensgelds und Haushaltsführungsschadens erstmals entschieden werden müsste (§ 538 II 1 Nr. 4, 2. Alt. ZPO, Senat NJW 1972, 2048 [2049]).

2. Auch die aus unterlassener Beweiserhebung und fehlerhafter Rechtsauffassung folgende, teilweise fehlende oder erheblich fehlerhafte Beweiswürdigung stellt einen Verfahrensverstoß dar, welcher zur Zurückverweisung gemäß § 538 II 1 Nr. 1 ZPO berechtigt (Senat, Urt. v. 31.07.2015 - 10 U 4733/14 [juris, dort Rz. 58, m. w. N.]).

3. Der durch die Zurückverweisung entstehende grundsätzliche Nachteil einer Verzögerung und Verteuerung des Prozesses muss hingenommen werden, wenn ein ordnungsgemäßes Verfahren in erster Instanz nachzuholen ist und den Parteien die vom Gesetz zur Verfügung gestellten zwei Tatsachenrechtszüge erhalten bleiben sollen (Senat NJW 1972, 2048 [2049); eine schnellere Erledigung des Rechtsstreits durch den Senat ist im Übrigen angesichts seiner außerordentlich hohen Geschäftsbelastung vorliegend nicht zu erwarten.

III.

Die Kostenentscheidung war dem Erstgericht vorzubehalten, da der endgültige Erfolg der Berufung erst nach der abschließenden Entscheidung beurteilt werden kann (OLG Köln NJW-RR 1987, 1032; Senat in st. Rspr., zuletzt VersR 2011, 549 ff.; NJW 2011, 3729).

Die Gerichtskosten waren gemäß § 21 I 1 GKG niederzuschlagen, weil ein wesentlicher Verfahrensmangel - nur ein solcher kann zur Aufhebung und Zurückverweisung führen (§ 538 II 1 Nr. 1 ZPO) -, denknotwendig eine unrichtige Sachbehandlung i. S. des § 21 I 1 GKG darstellt.

§ 21 I 1 GKG erlaubt auch die Niederschlagung von Gebühren des erstinstanzlichen Verfahrens (etwa Senat, Urt. v. 27.01.2012 - 10 U 3065/11 [juris, dort Rz. 12]).

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 S. 1 ZPO. Auch im Falle einer Aufhebung und Zurückverweisung ist im Hinblick auf §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit geboten (BGH JZ 1977, 232; Senat VersR 2011, 549; NJW 2011, 3729), allerdings ohne Abwendungsbefugnis. Letzteres gilt umso mehr, als das vorliegende Urteil nicht einmal hinsichtlich der Kosten einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist.

V.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben.

Weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache (BVerfG NJW 2014, 2417 [2419, Tz. 26-32]; BGH NJW-RR 2014, 505) noch die Fortbildung des Rechts (BVerfG a. a. O. Tz. 33) oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (BVerfG a. a. O. [2420, Tz. 34]; BGH NJW 2003, 1943) erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Entscheidung weicht nicht von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung ab und betrifft einen Einzelfall, der grundlegende Rechtsfragen nicht aufwirft.

VI.

Der Streitwert errechnet sich aus den summierten Beträgen der einzelnen Forderungen, entsprechend den Angaben und der Bewertung der Klägerin:

- Mindestbetrag des Schmerzensgeldes:75.000,- €

- Geschätztes Feststellungsinteresse:3.000,- €

- Haushaltsführungsschaden:17.296,50 €.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

Tenor

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 39.577,47 € festgesetzt.

Gründe

A.

Der Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, wobei er eigenes Mitverschulden von 50 Prozent einräumt, jedoch lediglich bei der Schmerzensgeldbemessung und dem Verdienstausfall berücksichtigt. Er verlangt ein verzinstes angemessenes Schmerzensgeld, verzinsten Verdienstausfall einschließlich einer Rente, sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere künftige materielle Schäden.

Zugrunde liegt ein Zusammenstoß am 04.02.2012 gegen 06.00 Uhr zwischen dem Kläger als Fußgänger und dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw BMW 316i, amtliches Kennzeichen …47, gefahren von der Beklagten zu 1). Der Unfall ereignete sich auf der von - S.straße in T., bei Kilometer 0.020 oder Abschnitt 120. Der zum Unfallzeitpunkt massiv alkoholisierte Kläger wurde schwer verletzt und macht heute noch bestehende Beeinträchtigungen aufgrund der Unfallfolgen geltend. Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 17.09.2014 (Bl. 66/72 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht Traunstein hat nach Beweisaufnahme die Klage vollständig abgewiesen, weil die Beklagte zu 1) den Unfall nicht zu vertreten habe und die Betriebsgefahr des Fahrzeugs hinter dem überragenden Mitverschulden des Klägers zurücktrete. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 68/71 d. A.) des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses ihm am 18.09.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger mit beim Oberlandesgericht München am 17.10.2014 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt (Bl. 81/82 d. A.) und diese mit Schriftsatz vom 17.11.2014, eingegangen am gleichen Tag, begründet (Bl. 85/87 d. A.).

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils,

- die Beklagten samtverbindlich zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, nicht unter 20.000,- €, zu bezahlen, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.02.2012,

- die Beklagten samtverbindlich zu verurteilen, an den Kläger Verdienstausfall bis Juni 2013 in Höhe von 4.728,32 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, sowie monatlich 229,05 € ab 01.07.2013 zu bezahlen,

- festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger jeden weiteren materiellen Schaden aus dem Unfallereignis zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergehen oder übergegangen sind.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat gemäß Beschluss vom 19.05.2015 mit Zustimmung der Parteien schriftlich entschieden, § 128 II ZPO; als Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, wurde der 03.06.2015 bestimmt (Bl. 112/113 d. A.). Der Kläger hat ergänzend beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (Schriftsatz v. 07.05.2015, Bl. 106/107 d. A.). Die Beklagten haben einen Zurückverweisungsantrag hilfsweise gestellt (Schriftsatz v. 12.05.2015, Bl. 108/111 d. A.).

Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die Berufungserwiderung vom 12.05.2015 (Bl. 108/111 d. A.), die Hinweisverfügung des Senatsvorsitzenden vom 30.03.2015 (Bl. 91/101 d. A.) und die Schriftsätze des Klägers vom 30.04. und 07.05.2015 (Bl. 105/107 d. A.) Bezug genommen.

B.

Die statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache vorläufig Erfolg.

I.

Das Landgericht hat entschieden, dass grundsätzlich bestehende Schadensersatzansprüche des Klägers aus straßenverkehrsrechtlicher Verschuldenshaftung (§ 18 I StVG) der bei der Beklagten zu 2) versicherten Beklagten zu 1) mangels Verschuldens entfallen (EU 4, 6 = Bl. 69, 71 d. A.), und selbst die Betriebsgefahr des Fahrzeugs wegen des weit überwiegenden Mitverschuldens des Klägers zurückzutreten habe (EU 3, 6 = Bl. 68, 71 d. A.). Das Erstgericht hat sich davon überzeugt, dass der Kläger den Unfall und damit seinen Schaden allein selbst verursacht und verschuldet habe, weil er sich als Fußgänger unaufmerksam, schlecht erkennbar, erheblich alkoholisiert und ohne nachvollziehbaren Grund auf der Fahrbahn der Straße aufgehalten und den dortigen Vorrang des Kraftfahrzeugverkehrs missachtet habe (EU 3/4 = Bl. 68/69 d. A.).

Diese Ergebnisse entbehren, jedenfalls derzeit, angesichts einerseits lückenhafter Tatsachenfeststellung, andererseits fehlerhafter Rechtsanwendung einer überzeugenden Grundlage.

1. Das Ersturteil hat die für den Streitgegenstand entscheidungserheblichen Tatsachen verfahrensfehlerhaft nicht vollständig festgestellt. Deswegen sind konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Tatsachenfeststellung ersichtlich, so dass der Senat nicht nach § 529 I Nr. 1 ZPO gebunden (BGH NJW 2005, 1583 [1585]), und eine erneute Sachprüfung eröffnet ist. Nachdem - wenn auch sehr allgemein - die erstinstanzlichen Feststellungen angegriffen sind (BB 3 = Bl. 87 d. A.), kommt es auf die umstrittene Frage, ob insoweit eine Prüfung von Amts wegen ohne Bindung an das Berufungsvorbringen vorzunehmen ist (so BGH [V. ZS] NJW 2004, 1876; [VI. ZS] NJW 2014, 2797 ohne nähere Begründung), nicht entscheidend an.

a) Die Beweiserhebung des Erstgerichts ist zu beanstanden, weil gegen die Verpflichtung verstoßen wurde, den zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt auszuschöpfen und sämtlichen Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen von Amts wegen nachzugehen (BGH NJW-RR 2011, 428; NJW-RR 2004, 425; NJW 2004, 1871; NZV 2000, 504; NJW 2008, 2846; NJW 2009, 2604 [2605 ]; Senat, Urt. v. 14.03.2014 - 10 U 2996/13 [juris]; v. 27.01.2012 - 10 U 3065/11 [juris]; v. 10.02.2012 - 10 U 4147/11 [juris]).

aa) Das Erstgericht hat keine mündliche Verhandlung durchgeführt (Beschl. v. 19.08.2014 = Bl. 60 d. A.) und folglich die Anhörung der unfallbeteiligten Parteien (§ 141 I 1 ZPO) unterlassen. Abgesehen von der grundsätzlichen Bedeutung der Parteianhörung in Fällen, in denen der Ablauf eines Verkehrsunfalls streitig ist (BGH NJW 2013, 2601 [2602 unter Tz. 10, 11]), wäre eine solche Anhörung aus folgenden Gründen hier zwingend geboten gewesen:

- Zum ersten bestand keinerlei Anlass, auf derartigen, schriftsätzliches Vorbringen ergänzenden „qualifizierten“ Parteivortrag zu verzichten zumal sich beide Parteien im Strafverfahren nicht geäußert haben (Akten 340 Js 10280/12 d. StA Traunstein, Bl. 8, 9).

- Zum zweiten wurde dem Gutachter und dem Gericht die Möglichkeit genommen, eine unmittelbare Unfalldarstellung zu erhalten, die Parteien ergänzend zu befragen und weitere Anknüpfungspunkte zu gewinnen.

- Zum dritten wurde die Verpflichtung eingeschränkt, das Gutachten von Amts wegen auf seine Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen, und mit den Schilderungen der Parteien abzugleichen.

Bei dieser Sachlage stellt eine schriftliche Entscheidung ohne Anhörung der Parteien einen schweren Verfahrensfehler dar (OLG Schleswig NJW-RR 2008, 1525; Senat, Urt. v. 09.10.2009 - 10 U 2309/09 [juris, dort Rz. 23]), zumal nichts dafür ersichtlich ist, dass die Parteien äußerungsunfähig sein könnten.

bb) Weiterhin hat das Erstgericht die oben genannten Ermittlungsakten beigezogen (EU 3 = Bl. 68 d. A.). Abgesehen von dieser ohnehin unzulässigen summarischen Bezugnahme (BGH LM § 295 ZPO Nr. 9 = BeckRS 1954, 31397883) ist nicht erkennbar, ob sich eine Partei und wenn ja auf welche bestimmte Urkunden bezogen hat, und welche Aktenbestandteile wie verwertet wurden. Dies wäre jedoch schon deswegen klärungsbedürftig gewesen, weil aus den Angaben der polizeilichen Unfallsachbearbeiterin (Bl. 6/7 d. A. 340 Js 10280/12) zeitnahe Tatsachen zum Unfallgeschehen, sowie eine unabhängige Einschätzung hätten ermittelt werden können.

cc) Das Erstgericht hat zum Haftungsgrund Beweis erhoben ausschließlich durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens (EU 3 = Bl. 68 d. A.).

Dabei wurde zunächst außer Acht gelassen, dass der beauftragte Sachverständige weder Diplomingenieur noch für Unfallanalytik öffentlich bestellt und vereidigt ist. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Hinweise des Senatsvorsitzenden (v. 30.03.2015, S. 4 = Bl. 94 d. A., 1. Spiegelstrich) Bezug genommen.

Zudem bewerten der Sachverständige, der bereits im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren ein schriftliches Gutachten erstellt hatte (Bl. 19/70 d. A. 340 Js 10280/12) und Erstgericht den streitgegenständlichen Sachverhalt - neben einem straßenverkehrsrechtlichen Fehlverhalten des Klägers - vorwiegend unter strafrechtlichen Gesichtspunkten, also ob der Beklagten zu 1) schadensursächliche, rechtswidrige und schuldhafte Verkehrsverstöße nachgewiesen werden können, die zu einer Körperverletzung geführt haben (Gutachten v. 10.07.2014, S. 8 = Bl. 48 ff. der Akten). Dies ist rechtsfehlerhaft, weil für die Beklagte zu 1) günstige Tatumstände angenommen werden (Gutachten v. 21.03.2012, S. 22 = Bl. 40 d. A. 340 Js 10280/12), ohne insgesamt auf die besonderen verkehrsrechtlichen Anforderungen an den Fahrzeugführer und dessen Haftung aus vermutetem Verschulden einzugehen. So ist nicht ersichtlich, und - bis auf den dürftigen Hinweis auf „die Umweltbedingungen“ - nicht erklärt, warum von einer nahezu doppelten als der üblichen Reaktionszeit der Fahrzeugführerin auszugehen sei (1,5 Sekunden, Gutachten v. 10.07.2014, S. 8 = Bl. 48 ff. d. A.). Auch hätte die für das Fahrzeug - bei im Ermittlungsverfahren durchgeführtem Bremsversuch (für die Staatsanwaltschaft erstelltes Gutachten S. 9, 21 = Bl. 27, 39 d. A. 340 Js 10280/12) - ermittelte Bremsverzögerung von 6 m/s² der Erläuterung bedurft, u. a. ob die Messung mit einem selbstschreibenden Bremsmessgerät durchgeführt wurde und es sich bei dem Wert von 6 m/Sek.² nicht lediglich um die mittlere Verzögerung handelt, die der Vermeidbarkeitsbetrachtung gerade nicht zugrunde zu legen ist. Es erschließt sich nicht, warum der mit ABS ausgestattete BMW 316i nicht durchschnittliche und übliche Verzögerungswerte von wenigstens 7,5 m/s² bzw. deutlich mehr erreichen konnte, zumal die Fahrzeugführerin für ein schlechteres Bremsverhalten beweisbelastet wäre.

Das schriftliche Gutachten enthält keine Beurteilung der Licht- und Sichtverhältnisse gerade für die Beklagte zu 1) und deren Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt. Zum einen wurde die Beklagte zu 1) nicht angehört, zum anderen ein Sichtversuch nicht mit dem von ihr geführten Fahrzeug und dessen konkreter Beleuchtungsanlage durchgeführt. Deswegen hätte der Sachverständige zwingend die Unfalldarstellung der Beklagten zu 1) zur Kenntnis nehmen und würdigen müssen.

Gutachten und Landgericht gehen hinsichtlich des Gebots des Fahrens auf Sicht von rechtlich unzutreffenden Voraussetzungen aus. Ein Kraftfahrer darf gemäß § 3 I 4 StVO zunächst auch bei Dunkelheit nur so schnell fahren, dass er innerhalb der überschaubaren, hier durch das Abblendlicht und die sonstige Beleuchtung ausgeleuchteten Strecke halten kann (BGH NJW 2000, 1949 = VersR 2000, 736; KG NZV 1996, 235; Senat, Urt. v. 04.03.2011 - 10 U 4408/10; allg. M.). Darüber hinaus darf er gemäß § 3 I 2 StVO nur so schnell fahren, dass der Anhalteweg im Sichtbereich liegt, d. h. in dem Bereich, in dem nach den konkreten Umständen (Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Witterungsverhältnisse, technische Einrichtungen der Fahrzeuge, persönliche Fähigkeiten des Fahrers) Hindernisse erkennbar werden (BGH NJW 1984, 2412 = VersR 1984, 741).

(1) Das Gutachten gelangt einerseits zu einer Sichtweite von 80 - 100 Metern, andererseits zu einer Reichweite des Lichtkegels (Fahrbahnausleuchtung durch das Abblendlicht) von (nur!) 20 Metern. Es mag zwar sein, dass eine ausreichende Sicht auf den weiter entfernt liegenden Kreisverkehr durch dessen gute Ausleuchtung gegeben war, dies gilt aber, wie sich dem Foto auf S. 10 des Gutachtens entnehmen lässt, nicht für den Bereich jenseits der Reichweite der Scheinwerfer bis zum Kreisverkehr. Die zusätzliche Straßenbeleuchtung führt nach dem vorliegenden Gutachten gerade nicht zu einer erhöhten Sichtweite, andererseits ist der Fußgänger, wie sich Foto 46 des im Ermittlungsverfahren erholten Gutachtens entnehmen lässt, innerhalb der angeblichen Reichweite der Scheinwerfer trotz dunkler Kleidung gut erkennbar. Unter „Reichweite“ im Straßenverkehr versteht man grundsätzlich die Entfernung, die ein Scheinwerfer unter Berücksichtigung seiner Bauform ausleuchten kann. Die „Sichtweite“ hingegen kennzeichnet die Strecke, auf welche der Fahrzeuglenker bei einer Nachtfahrt im Licht seines eigenen Scheinwerfers ein Sichtobjekt gerade noch erkennen kann. Sie hängt zwar mit der Reichweite zusammen, wird jedoch wesentlich durch die Eigenschaften des zu erkennenden Objektes bestimmt.

Die vom Sachverständigen ermittelte Reichweite der Scheinwerfer ist zunächst ungewöhnlich, zumal der E 36 bereits mit einer sehr guten Beleuchtungsanlage ausgestattet war (mit Abblendlicht darf der Kraftfahrer je nach der konkreten Bauart seiner Scheinwerfer höchstens 40 km/h bei zusätzlicher Nässe [OLG Köln MDR 2003, 567 = VersR 2003, 219], unter 60 km/h [OLG Frankfurt NZV 1990, 154], höchstens 55 km/h [vgl. BGH NJW 2000, 1949] oder unter 70 km/h [OLG Hamm r + s 2000, 281 f.] fahren). Soweit der Sachverständige anmerkt, man dürfe bei Abstellen auf den „Sichtkegel“ auch auf Landstraßen mit Abblendlicht nicht schneller als 30 bis 40 km/h fahren, ist anzumerken, dass der Kraftfahrer dann eben, soweit zulässig, mit Fernlicht fahren, oder durch Leuchtweitenregulierung und Verwendung brauchbarer Beleuchtungsmittel die Reichweite seines Abblendlichtes den üblichen Werten anpassen kann.

(2) Das Sichtfahrgebot gilt auch gegenüber einem bei Dunkelheit auf der rechten Fahrbahnseite gehenden volltrunkenen Fußgänger (OLG Naumburg NZV 1999, 466; Senat, Beschl. v. 05.07.2007 - 10 U 5758/06). Das Sichtfahrgebot soll nicht nur vor Kollisionen mit Entgegenkommenden, sondern auch davor schützen, auf Hindernisse aufzufahren. Mit Fahrbahnhindernissen, wie schlecht oder gar nicht beleuchteten Fahrzeugen oder Radfahrern (BGH NJW 1967, 257) muss der Kraftfahrer stets rechnen, und zwar innerorts auch ohne Schreckzeit (OLG Naumburg NZV 1999, 466; OLG Schleswig NZV 1995, 445; OLG Zweibrücken NZV 1993, 153). Der Fahrzeugführer muss daher (auch) vor unvermuteten Hindernissen auf der Fahrbahn anhalten können. Dies erlaubt nur ein - von § 3 I 4 StVO gefordertes - Fahren auf Sicht.

Durch den Vertrauensgrundsatz begrenzt wird das Sichtfahrgebot für solche Hindernisse, mit denen der Kraftfahrer unter keinem vertretbaren Gesichtspunkt rechnen muss, etwa mit unvermittelt von der Seite zwischen parkenden Fahrzeugen hervortretenden Fußgängern oder mit einem plötzlich vom Müllfahrzeug abspringenden Müllwerker (BGH NJW 1985, 1950; KG NZV 1998, 376; OLG Köln VRS 1989, 105 und 446; OLG Oldenburg NZV 1990, 158) oder mit auf der Fahrbahn befindlichen Gegenständen, deren Erkennbarkeit in atypischer Weise besonders erschwert ist (BGH VersR 1972, 1067, 1068; Senat, Urt. v. 04.03.2011 - 10 U 4408/10). In ihrer Beschaffenheit sind diese durch fehlenden Kontrast und hohe Lichtabsorption gekennzeichnet. So hat der Bundesgerichtshof entschieden, der Kraftfahrer müsse nicht damit rechnen, dass ein Baumstamm 3 Meter nach hinten aus dem unbeleuchteten Anhänger herausragt (BGH VersR 1955, 379), dass sich ein nicht kenntlich gemachter und nicht beleuchteter Splithaufen auf der Fahrbahn befindet (BGH VersR 1960, 636) oder dass eine verkehrswidrig abgelegte Absperrstange eines Weidezaunes spitzwinklig entgegen der Fahrtrichtung frei in den Luftraum über der Verkehrsfläche hineinragt (BGH VersR 1972, 1067, 1068; vgl. auch BayObLG VRS 22, 380 = JR 1962, 189 mit Anm. Martin S. 190; für einen auf der Fahrbahn liegenden Reifenprotektor von 20 cm Höhe und im Umfang etwa eines halben LKW-Reifens vgl. insgesamt BGH NJW 1984, 2412).

Ein dunkel gekleideter, auf der Fahrbahn gehender Fußgänger gehört nicht zu derartigen Hindernissen (KG NZV 1995, 235: auf der Fahrbahn hockende oder liegende Person [anders AG Emmendingen, NStZ 2008, 633 für - in Selbsttötungsabsicht - flach auf der Fahrbahn liegende Person]; Thüringer Oberlandesgericht, NZV 2009, 553-554: unbeleuchtete Sperrschranke; BGH NJW-RR 1987, 1235: unbeleuchteter Panzer mit Tarnanstrich auf BAB; Thüringer Oberlandesgericht, DAR 2003, 37: schwarze Kuh). Das Nichterkennen eines Fahrbahnhindernisses ist nur dann nicht vorwerfbar, wenn es sich um ein ungewöhnlich schwer sichtbares - weil kleines oder kontrastarmes - Hindernis handelt, auf das nichts hindeutet; wie z. B. ein Eisenteil oder eine Stange auf der Autobahn (OLG Düsseldorf NZV 1990, 231; OLG Nürnberg DAR 1996, 59).

Im Streitfall war der Kläger als Fußgänger innerhalb der angeblichen Reichweite der Scheinwerfer als solcher unschwer erkennbar, vgl. Foto 46 des im Ermittlungsverfahren erholten Gutachtens.

(3) Selbst ausgehend von dem erholten Gutachten steht bei einer Unterstellung einer Erkennbarkeitsweite von nur 20 Metern und einer Bremsverzögerung von nur 6 m/s² aus einer Ausgangsgeschwindigkeit von 44 km/h bereits ein Verstoß gegen das Gebot des Fahrens auf Sicht als Kardinalpflicht eines jeden Fahrzeugführers fest, weil der Anhalteweg bei ordnungsgemäßer Reaktion mindestens 23,42 Meter betragen hätte. Dieser Verstoß muss zu einer erheblichen Mithaftung wegen bewiesenen Verschuldens führen. Dagegen hätte bei Annahme üblicher Werte (Bremsverzögerung 7,5 m/s², Reaktionszeit 0,8 Sekunden) aus einer Geschwindigkeit von 40 km/h der Anhalteweg nur 18,19 Metern betragen, so dass ein vorwerfbarer unfallursächlicher Reaktionsverzug vorläge (der Pkw war nach dem Gutachten zum Kollisionszeitpunkt nicht gebremst). Ebenso gelangt das Gutachten (S. 18) zu dem Ergebnis, dass die Sichtfahrgeschwindigkeit bei Abstellen auf die Reichweite der Scheinwerfer 31 km/h betrug. Diese hat die Beklagte zu 1) laut ihren eigenen Angaben (ca. 40 km/h) ebenfalls deutlich überschritten.

Zur Vervollständigung wird auf die Hinweise des Senatsvorsitzenden (v. 30.03.2015, S. 4/5 = Bl. 94/95 d. A., 2.-4. Spiegelstrich) verwiesen.

Bei dieser Sachlage ist unter Würdigung aller Gesamtumstände die unterlassene Einholung eines umfassenden, schriftlichen, auf zivilrechtliche Fragestellungen bezogenen unfallanalytischen Sachverständigengutachtens (Senat, Urt. v. 14.03.2014 - 10 U 2996/13 [juris, dort Rz. 5-7]; v. 11.04.2014 - 10 U 4757/13 [juris, dort Rz. 45, 60]) einerseits, die unterlassene Anhörung der Parteien in Anwesenheit des Sachverständigen andererseits verfahrensfehlerhaft, und schließt aus, dass die Beweiserhebung des Erstgerichts auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht (OLG München, Urt. v. 21.02.2014 - 25 U 2798/13 [juris]).

dd) Eine zum Unfallzeitpunkt wirksame Blutalkoholkonzentration des Klägers von 1,47 Promille (EU 2, 4 = Bl. 67, 69 d. A.) hätte nur dann mitverschuldenserhöhend berücksichtigt werden dürfen, wenn weitere Feststellungen, insbesondere Tatsachen und Umstände, wie sich die Alkoholisierung auf die Unfallursache ausgewirkt habe, getroffen worden wären. Denn grundsätzlich bestehen Fehlverhalten und Verkehrsverstoß des Klägers darin, dass er sich auf der Fahrbahn aufgehalten hat, dieses unzulässige Verhalten wird nicht dadurch unzulässiger, dass es in alkoholisiertem Zustand geschah (BGH NJW 1995, 1029: „Absolute Fahruntüchtigkeit eines am Unfall beteiligten … infolge Alkoholgenusses darf bei der Abwägung nach § 17 StVG nur berücksichtigt werden, wenn feststeht, dass sie sich in dem Unfall niedergeschlagen hat“; DAR 1995, 198 = NJW 1995, 1029; OLG Koblenz NVersZ 2002, 272: für einen Überholvorgang).

Deswegen ist die gesamte Beweisaufnahme unter Erholung eines unfallanalytischen Gutachtens eines anderen Sachverständigen zu wiederholen, § 538 II 1 Nr. 1 ZPO, und hierbei zu klären, ob die Beklagte zu 1) sich von dem zu vermutendem Verschulden als Fahrzeugführerin (§ 18 I 2 StVG) hinsichtlich der behaupteten Verstöße gegen das Gebot des Fahrens auf Sicht und das allgemeine Rücksichtnahmegebot entlasten kann. Bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge ist auch das Bewegungsverhalten des Verletzten von Bedeutung, insbesondere ob die Annahme des Sachverständigen zutrifft, dieser habe die Fahrbahn nicht überquert, sondern sich auf dieser in derselben Richtung wie der Pkw bewegt. Dies erfordert eine Abklärung durch ein verletzungsmechanisches Gutachten, worauf der Sachverständige bereits in seinem Gutachten hingewiesen hatte.

b) An die Beweiswürdigung des Erstgerichts ist der Senat nach § 529 I Nr. 1 ZPO nicht gebunden, weil konkrete Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit ersichtlich geworden sind. Schon die unvollständige, fehlerhafte oder unterlassene Beweiserhebung macht das Ersturteil verfahrensfehlerhaft mit der Folge, dass eine sachgerechte Prüfung und Bewertung eines vollständigen Beweisergebnisses fehlen (OLG München, Urt. v. 21.02.2014 - 25 U 2798/13 [juris]).

Darüber hinaus versagt sich das Erstgericht jegliche ernsthafte Auseinandersetzung mit den Gutachtensergebnissen, indem die Annahmen des Sachverständigen ungeprüft übernommen werden (EU 5 = Bl. 70 d. A.). Deswegen wird missachtet, dass der Gutachter seine Berechnungen ausschließlich zugunsten des Fahrzeugführers vorgenommen und somit die diesen treffende Beweislast nicht beachtet hat. Zudem wurde offen gelassen, ob dem Kläger ein Verstoß gegen das Verbot der Fahrbahnnutzung (§ 25 I 1 (und 3) StVO), oder gegen Sorgfaltsgebote beim Überschreiten der Fahrbahn (§ 25 III 1 StVO) vorzuwerfen ist (EU 3 = Bl. 68 d. A.). Zuletzt hätte die Alkoholisierung des Klägers nicht ohne weitere Feststellungen über deren Auswirkungen - mitverschuldenserhöhend - berücksichtigt werden dürfen. Ergänzend wird auf die Hinweise des Senatsvorsitzenden (v. 30.03.2015, S. 6/7 = Bl. 96/97 d. A., 2 b-d) verwiesen.

2. im Übrigen hat das Landgericht auch entscheidende sachlich-rechtliche Fragen unzutreffend beantwortet und voreilig jegliches Verschulden der Beklagten zu 1), sowie jegliche mögliche Mitverursachungsanteile der Beklagten einschließlich der Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs ausgeschlossen.

a) Nach den bisherigen Feststellungen sind Körper und Gesundheit des Klägers verletzt und dessen Vermögen beeinträchtigt worden. Diese Rechtsgüterverletzung geschah unstreitig beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs, so dass ein Anspruch aus §§ 7 I, 18 I StVG, 115 I 1 Nr. 1, 4 VVG, 823 BGB in Betracht kommt, wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat. Zu berücksichtigen sind jedoch auch die Haftung des Fahrzeugführers aus vermutetem Verschulden (§ 18 I StVG) und die aus 18 I 2 StVG folgende Beweislastumkehr.

b) Ein jegliche Haftung der Beklagten ausschließender Fall höherer Gewalt gemäß § 7 II StVG liegt nicht vor. Je nach Schwere des von der Beklagten zu beweisenden Verschuldens des Fußgängers kommt auch dessen alleinige Haftung in Betracht (§§ 9 StVG, § 254 I BGB), insbesondere bei Nachweis der Einhaltung der an einen Idealfahrer zu stellenden Anforderungen (unabwendbares Ereignis i. S. d. § 17 III StVG). Die Beklagten müssen aber hierzu fehlendes eigenes Verschulden der Beklagten zu 1) beweisen, was eine vollständige und genaue Prüfung und Darlegung des Fahrverhaltens, insbesondere der Wahrnehmung und Beurteilung des Verhaltens des Klägers erfordert, welcher sich - unter noch nicht genau geklärten Umständen und für eine unbekannte Zeitdauer - in der Fahrlinie des Pkw bewegt hatte. Hierzu fehlen jedoch tragfähige Feststellungen des Erstgerichts, zumal der eingeschaltete Sachverständige die zivilrechtlichen Grundsätze der Beweisführungs- und Feststellungslast für die Einzelheiten und genauen Umstände des sonst unstreitigen Anstoßes nicht umfassend verfolgt hat.

c) Zudem sind die Beklagten darlegungs- und beweisbelastet für eine schuldhafte Unfallverursachung des Klägers und ein diesem anspruchsmindernd zuzurechnendes Mitverschulden. Dies hat zur Folge, dass Sachverständiger und Gericht zu allen Bewegungen des Klägers in die und auf der Fahrbahn bei nicht eindeutig feststellbaren Umständen die für den Kläger (nicht die Beklagten) günstigsten technisch möglichen Werte anzusetzen haben.

Bei dieser Sachlage ist bisher nicht vertretbar, Sorgfaltspflichtverletzung und Verschulden der Beklagten zu 1) für ausgeschlossen oder nicht erwiesen zu halten, vielmehr wird das Erstgericht hierfür maßgebliche und geeignete Umstände erst noch verfahrensfehlerfrei zu ermitteln und sachgerecht zu würdigen haben.

d) Das Erstgericht wird bei der erneuten Entscheidung die straßenverkehrsrechtlichen Sorgfaltspflichten von Kraftfahrern und Fußgängern zu beachten haben, dargestellt und begründet in der Hinweisverfügung des Senatsvorsitzenden (v. 30.03.2015, S. 7/10 = Bl. 97/100 d. A.).

e) Der Kläger räumt wohl ein, den Unfall zur Hälfte durch Verstöße gegen straßenverkehrsrechtliche Sorgfaltspflichten mitverursacht zu haben, und deswegen eine schwerwiegende mitwirkende Obliegenheitsverletzung (§ 254 I BGB) gegen sich gelten lassen zu müssen (BB 2/3 = Bl. 86/87 d. A.). Sollte das Erstgericht wiederum zu dem Ergebnis gelangen, dass dieses Mitverschulden jegliche Haftung der Beklagten, selbst diejenige für Betriebsgefahr, aufzehre, wäre folgendes zu berücksichtigen: In die Abwägung sind alle Faktoren, soweit unstreitig oder erwiesen, einzubeziehen, die eingetreten sind, zur Entstehung des Schadens beigetragen haben und einem der Beteiligten zuzurechnen sind (BGH NJW 1995, 1029; 2007, 506 [207]; NJW-RR 1988, 1177; OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.08.2014 - 1 U 151/13 [juris, Rz. 64]), insbesondere auch Fahrverhalten und festgestellte Sorgfaltsverstöße des Unfallgegners (BGH NJW-RR 1993, 480: Mitverschulden im Verhältnis zur Betriebsgefahr bei der Bahn). Eine Gewichtung der Mitverursachung oder des Mitverschuldens kann nur aufgrund einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls erfolgen, insbesondere der genauen Klärung des Unfallhergangs (BGH NJW 2014, 217, [8]: „Mangels ausreichender Feststellungen zum Unfallhergang ergibt sich ein derart überwiegendes Mitverschulden der Klägerin am Zustandekommen des Unfalls nicht bereits daraus, dass diese … unter Verstoß gegen § 25 § 25 III StVO die Straße überquerte, ohne auf den Fahrzeugverkehr zu achten“). Zusätzlich wird auf die Hinweise des Senatsvorsitzenden (v. 30.03.2015, S. 10 = Bl. 100 d. A.) verwiesen.

II.

Der Senat hat eine eigene Sachentscheidung nach § 538 I ZPO erwogen, sich aber - entgegen seiner sonstigen Praxis - aus folgenden Gründen dagegen entschieden:

1. Eine derartig mangelhafte Beweiserhebung stellt einen Zurückverweisungsgrund nach § 538 II 1 Nr. 1 ZPO dar (Senat, Urt. v. 09.10.2009 - 10 U 2309/09 [juris, dort Rz. 23]; v. 25.06.2010 - 10 U 1847/10 [juris, dort Rz. 13]; VersR 2011, 549 ff.; NJW 2011, 3729 und v. 22.07.2011 - 10 U 1481/11). Als schwerwiegender Verfahrensfehler erweist sich, dass das Erstgericht die Pflicht zu umfassender Sachverhaltsaufklärung, insbesondere durch vollständige Parteianhörungen und geeignete sachverständige Begutachtung, verletzt hat. Die erforderliche Beweisaufnahme wäre umfangreich und aufwändig (§ 538 II 1 Nr. 1, 2. Satzhälfte ZPO), weil der Senat sich nicht darauf beschränken dürfte, ein vollständiges Sachverständigengutachten zu erholen. Vielmehr wären zusätzlich beide Parteien anzuhören und die in der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige genannten Zeugen zu vernehmen, denn eine Beurteilung sowohl der Glaubhaftigkeit der Sachdarstellung, als auch der Glaubwürdigkeit der Zeugen und Parteien anhand ihrer früheren Aussagen wäre rechtsfehlerhaft, wenn der Senat auf einen eigenen persönlichen Eindruck verzichten wollte (s. etwa BGH r + s 1985, 200; NJW 1997, 466; NZV 1993, 266; VersR 2006, 949). Durch die gebotene Beweisaufnahme würde der Senat zu einer mit der Funktion eines Rechtsmittelgerichts unvereinbaren teilweise erstmaligen Beweiserhebung, im Übrigen vollständigen Wiederholung des erstinstanzlichen Verfahrens (Senat VersR 2011, 549 ff.) gezwungen. Hinzu kommt, dass je nach dem Ergebnis der durchzuführenden Beweiserhebung über den Hergang des Unfalls auch zur Höhe des Schmerzensgelds und Verdienstausfallschadens erstmals entschieden werden müsste (§ 538 II 1 Nr. 4, 2. Alt. ZPO, Senat NJW 1972, 2048 [2049]; OLG Köln NJW 2004, 521).

2. Auch die aus unterlassener Beweiserhebung und fehlerhafter Rechtsauffassung folgende, teilweise fehlende oder erheblich fehlerhafte Beweiswürdigung stellt einen Verfahrensverstoß dar, welcher zur Zurückverweisung gemäß § 538 II 1 Nr. 1 ZPO berechtigt (Senat, Urt. v. 14.07.2006 - 10 U 5624/05 [juris]; v. 01.12.2006 - 10 U 4328/06; v. 04.09.2009 - 10 U 3291/09; v. 06.11.2009 - 10 U 3254/09; v. 19.03.2010 - 10 U 3870/09 [juris, dort Rz. 23]; v. 25.06.2010 - 10 U 1847/10 [juris, dort Rz. 13]; VersR 2011, 549 ff.; v. 22.07.2011 - 10 U 1481/11 [juris, dort Rz. 8]).

3. Der durch die Zurückverweisung entstehende grundsätzliche Nachteil einer Verzögerung und Verteuerung des Prozesses muss hingenommen werden, wenn ein ordnungsgemäßes Verfahren in erster Instanz nachzuholen ist und den Parteien die vom Gesetz zur Verfügung gestellten zwei Tatsachenrechtszüge erhalten bleiben sollen (Senat NJW 1972, 2048 [2049]; OLG Naumburg NJW-RR 2012, 1535 [1536]); eine schnellere Erledigung des Rechtsstreits durch den Senat ist im Übrigen angesichts seiner außerordentlich hohen Geschäftsbelastung vorliegend nicht zu erwarten.

III.

Die Kostenentscheidung war dem Erstgericht vorzubehalten, da der endgültige Erfolg der Berufung erst nach der abschließenden Entscheidung beurteilt werden kann (OLG Köln NJW-RR 1987, 1032; Senat in st. Rspr., zuletzt VersR 2011, 549 ff.; NJW 2011, 3729).

Die Gerichtskosten waren gemäß § 21 I 1 GKG niederzuschlagen, weil ein wesentlicher Verfahrensmangel - nur ein solcher kann zur Aufhebung und Zurückverweisung führen (§ 538 II 1 Nr. 1 ZPO) -, denknotwendig eine unrichtige Sachbehandlung i. S. des § 21 I 1 GKG darstellt.

§ 21 I 1 GKG erlaubt auch die Niederschlagung von Gebühren des erstinstanzlichen Verfahrens (vgl. OLG Brandenburg OLGR 2004, 277; OLG Düsseldorf NJW-RR 2007, 1151; Senat, Beschl. v. 17.09.2008 - 10 U 2272/08, st. Rspr., zuletzt Urt. v. 19.03.2010 - 10 U 3870/09 [juris, dort Rz. 93] und v. 27.01.2012 - 10 U 3065/11 [juris, dort Rz. 12]).

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 S. 1 ZPO. Auch im Falle einer Aufhebung und Zurückverweisung ist im Hinblick auf §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit geboten (BGH JZ 1977, 232; Senat in st. Rspr., zuletzt u. a. VersR 2011, 549 ff. und NJW 2011, 3729), allerdings ohne Abwendungsbefugnis (Senat a. a. O.). Letzteres gilt umso mehr, als das vorliegende Urteil nicht einmal hinsichtlich der Kosten einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist.

V.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben.

Weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache (BVerfG NJW 2014, 2417 [2419, Tz. 26-32]; BGH NJW-RR 2014, 505) noch die Fortbildung des Rechts (BVerfG a. a. O. Tz. 33) oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (BVerfG a. a. O. [2420, Tz. 34]; BGH NJW 2003, 1943) erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Entscheidung weicht nicht von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung ab und betrifft einen Einzelfall, der grundlegende Rechtsfragen nicht aufwirft.

VI.

Der Streitwert errechnet sich aus den summierten Beträgen der einzelnen Forderungen:

- Mindestbetrag des Schmerzensgeldes:20.000,- €

- Feststellungsinteresse entsprechend der Schätzung des Klägers,

jedoch nur hälftig wegen eingestandenen hälftigen Mitverschuldens:5.000,- €

- Künftige Verdienstausfallrente, 3,5-facher Jahresbetrag:9.620,10 €

- Rückständiger Verdienstausfall bis Klageerhebung (Juli 2013) 4.728,32 + 229,05 €.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.