Oberlandesgericht München Endurteil, 22. Dez. 2017 - 10 U 429/17

published on 22/12/2017 00:00
Oberlandesgericht München Endurteil, 22. Dez. 2017 - 10 U 429/17
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Landgericht München I, 19 O 6894/13, 05/01/2017

Gericht

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Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers vom 08.02.2017 wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 05.01.2017 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

I. Die Beklagten werden verurteilt, samtverbindlich an den Kläger ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 1.500,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.09.2009 zu zahlen.

II. Die Beklagten werden weiterhin verurteilt, samtverbindlich an den Kläger weitere 360,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.06.2013 zu zahlen.

III. Die Beklagten werden weiterhin verurteilt, samtverbindlich den Kläger von einer Inanspruchnahme vorgerichtlich angefallener Anwaltskosten gegenüber seinem anwaltlichen Vertreter in Höhe von 606,28 € freizustellen.

IV. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

V. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits (erster Instanz).

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Der Klägerin begehrt von den Beklagten den Ersatz materiellen Schadens sowie Schmerzensgeld aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 17.03.2009 gegen 01.40 Uhr auf der Kreuzung F. Str. / M. Str. in N. (im Landkreis M.). Es kam auf der Kreuzung zur Kollision, weil der Beklagte zu 1) mit dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw die Vorfahrt des Klägers missachtete. Die alleinige Haftung der Beklagten ist unstreitig. Streitig sind der Umfang der Verletzungen sowie der entsprechenden Ansprüche des Klägers.

Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz sowie der Anträge der Parteien in erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 05.01.2017 (Bl. 188/209 d.A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage überwiegend abgewiesen. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses dem Kläger am 11.01.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem beim Oberlandesgericht München am 08.02.2017 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt (Bl. 217/218 d.A.) und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit einem beim Oberlandesgericht München am 13.04.2017 eingegangenen Schriftsatz (Bl. 225/254 d.A.) begründet.

Ferner haben die Beklagten gegen dieses Urteil mit einem beim Oberlandesgericht München am 12.05.2017 eingegangenen Schriftsatz Anschlussberufung (Bl. 259/276 d.A.) eingelegt, und zwar mit dem Ziel einer vollständigen Abweisung der Klage. Die Anschlussberufung ist sodann mit einem am 14.09.2017 beim Oberlandesgericht München eingegangenen Schriftsatz (Bl. 297 d.A.) zurückgenommen worden.

Der Kläger beantragt,

I. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger über die bisherige Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 2.500,00 € sowie durch das Endurteil des Landgerichts München I vom 15.01.2017 ausgeurteilte weitere Schmerzensgeld in Höhe von 1.500,00 € ein darüber hinausgehendes Schmerzensgeld, das in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zuzüglich 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 30.09.2009 zu bezahlen.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten samtverbindlich verpflichtet sind, dem Kläger alle materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Schadensereignis vom 17.03.2009 entstanden und noch bezifferbar sind, bzw. noch entstehen werden, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder einen Dritten übergegangen ist.

III. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 12.500,00 € zuzüglich 5 Prozentpunkte über den Basiszinssatz hieraus seit dem 15.04.2010 zu bezahlen.

IV. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger weitere 45.000,00 € zuzüglich 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz hieraus seit Klagezustellung zu bezahlen.

V. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger weitere 2.866,72 € zuzüglich 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz hieraus seit Klagezustellung zu bezahlen.

VI. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger über die vom Erstgericht ausgeurteilten 360,00 € weitere 2.190,00 € zuzüglich 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 05.06.2013 zu bezahlen.

VII. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger von einer Inanspruchnahme vorgerichtlich angefallener Anwaltskosten gegenüber seinem anwaltlichen Vertreter in Höhe von 1.310,76 € freizustellen.

Die Beklagten beantragen,

Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 05.01.2017 wird zurückgewiesen.

Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die Berufungserwiderung vom 12.05.2017 (Bl. 259/276 d.A.), den Schriftsatz des Klägervertreters vom 21.06.2017 (Bl. 280/285 d.A.), den Beschluss des Senats vom 16.08.2017 (Bl. 286/295 d.A.), den Schriftsatz des Klägervertreters vom 21.09.2017 (Bl. 298/302 d.A.) sowie das Protokoll der Sitzung des Senats vom 22.12.2017 (Bl. 305/310 d.A.) Bezug genommen.

B.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache nur geringen Erfolg. Denn das Ersturteil ist, soweit vom Kläger angefochten, nur insoweit zu beanstanden, als die Klage hinsichtlich des Antrags auf Freistellung bzgl. vorprozessualer Anwaltskosten nicht vollständig hätte abgewiesen werden dürfen.

I.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Senat gem. § 529 I Nr. 1 ZPO an die vom Erstgericht festgestellten Tatsachen gebunden, weil keine konkreten Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten.

1.) Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht den vom Kläger angebotenen Zeugenbeweis (behandelnde Ärzte sowie Lebensgefährtin, Zeugin S.) nicht erhoben hat. Denn für die Frage, ob der Kläger aufgrund des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls die von ihm dargelegten Verletzungen / gesundheitlichen Beeinträchtigungen erlitten hat, sind nicht Zeugenaussagen, sondern Sachverständigengutachten relevant. Die behandelnden Ärzte könnten zwar als sachverständige Zeugen ggf. Angaben zur jeweiligen Diagnose und jeweiligen Therapie machen, nicht aber zur Kausalität. Im Übrigen lagen den Sachverständigen die vom Kläger eingereichten ärztlichen Atteste vor.

Die Zeugin S. wiederum könnte zwar ggf. Angaben zum Gesundheitszustand des Klägers insb. auch vor dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall, soweit für sie erkenn- und beurteilbar, machen. Die bloße zeitliche Nähe zwischen einem Unfallereignis und der Entstehung der Beschwerden und die daran anknüpfende gefühlsmäßige Wertung, beide Ereignisse müssten irgendwie miteinander in Zusammenhang stehen, reicht jedoch nicht aus (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 04.11.2003, Az.: VI ZR 28/03, NJW 2004, 777). Einer solchen Wertung liegt nämlich der verbreitete Fehlschluss „post hoc, ergo propter hoc“ – also der Schluss aus der bloßen Zeitfolge auf ein Ursachenverhältnis, aus dem bloßen Folgen auf ein Erfolgen – zugrunde (vgl. z.B. Senat, Urteil vom 21.5.2010, Az.: 10 U 2853/06, juris).

Im Übrigen ist anzumerken, dass der Kläger unstreitig als Kind einen Schädelbasisbruch erlitten hatte und deswegen monatelang intensivmedizinisch versorgt werden musste (vgl. die Anlage B6) und dass er erst am 25.02.2005 wegen eines Sturzes auf den Rücken und den Hinterkopf und damit verbundener gesundheitlicher Probleme neurologisch untersucht worden war, mit dem Ergebnis des Verdachts auf posttraumatischen Otolithenschwindel (vgl. die Anlage B5).

2.) Entgegen der Auffassung des Klägers sind die vom Erstgericht erholten medizinischen Sachverständigengutachten nicht zu beanstanden. Zu den diesbezüglich einzelnen Berufungsrügen:

– Soweit sich der Sachverständige Dr. Ma. ausweislich S. 3 des Protokolls der erstinstanzlichen Sitzung vom 22.01.2015 (= Bl. 136 d.A.) im Zusammenhang mit der Frage des Vorliegens eines neurologischen Schadens beim Kläger auch auf die Anlage K4 berufen hat, ist dem Kläger zwar zuzugeben, dass dies fragwürdig ist. Entscheidend ist indes, dass die Sachverständigen Dr. H., Dr. K. und Dr. M. keine unfallbedingten neurologischen Schäden beim Kläger festgestellt haben. Denn nur auf solche, kausale Schäden kam es für den Sachverständigen Dr. Ma. an (vgl. auch S. 46 seines Gutachtens, Bl. 109 ff d.A., wo es heißt: „Unfallbedingte neurologische Ausfälle sind nicht beschrieben worden.“).

– Soweit der Kläger beanstandet, der Sachverständige Dr. Ma. habe eine schwerere HWS-Distorsion sowie einen orthopädischen Dauerschaden ausgeschlossen, ohne die Wirbelsäulenuntersuchung beim Kläger abgeschlossen zu haben, ist zu bemerken, dass der Sachverständige gleichwohl hinreichende Erkenntnisse gewonnen hatte, um auf S. 47 seines o.g. Gutachtens die entscheidenden Feststellungen treffen zu können, nämlich dass die paravertebrale Muskulatur beim Kläger normal entwickelt ist und dass keine Hinweise auf einen vorzeitigen Verschleiß oder destabilisierende Veränderungen vorliegen. Der Sachverständige ist zudem angehört worden; weitere Fragen hatten der Kläger bzw. der Klägervertreter an ihn nicht gestellt (vgl. S. 3 des o.g. Sitzungsprotokolls = Bl. 136 d.A.).

– Soweit sich der Kläger daran stört, dass der Sachverständige Dr. Ma. die Frage des Einflusses psychovegetativer Faktoren zwar angeschnitten, aber nicht untersucht hat, ist darauf hinzuweisen, dass solche Fragen in das Sachgebiet des psychiatrischen Sachverständigen fallen, nicht des orthopädischen, und dass ein psychiatrisches Sachverständigengutachten erholt worden ist.

– Soweit das Erstgericht zu der Überzeugung gekommen ist, dass die unfallbedingten Verletzungen des Klägers nach 5 ½ Monaten folgenlos ausgeheilt waren, steht dies – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht im Widerspruch zu den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Ma., sondern entspricht diesen exakt. Der Sachverständige Dr. Ma. hat nämlich auf S. 53 seines o.g. Gutachtens eine vollständige Arbeitsunfähigkeit für die Dauer von sechs Wochen nach dem Unfall sowie eine verminderte Belastbarkeit für die Dauer von weiteren vier Monaten festgestellt bzw. eine MdE für sechs Wochen von 100%, für weitere vier Wochen von 50%, für weitere zwei Monate von 20% und für einen weiteren Monat von 10%.

– Es ist nicht ersichtlich, was der Kläger aus seiner Kritik, die Sachverständige Dr. H. habe nur den Verdacht (die Vermutung) des Vorliegens einer Otosklerose geäußert, zu seinen Gunsten herleiten will. Der Kläger verkennt, dass er die Beweislast dafür trägt, die von ihm dargelegten Verletzungen aufgrund des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls erlitten zu haben. Es geht nicht darum, dass die Beklagten eine andere Ursache nachweisen müssten.

– Soweit der Kläger rügt, die Ausführungen der Sachverständigen Dr. H. auf S. 39 ihres Gutachtens (Bl. 153ff d.A.) seien unzutreffend, wonach der Kläger bei der gutachterlichen Untersuchung angegeben habe, eine Hörminderung erst ca. zwei Wochen nach dem streitgegenständlichen Unfall bemerkt zu haben, gilt wiederum Folgendes: Es ist zunächst zu unterscheiden zwischen der Frage, wann die behauptete Hörminderung erstmals auftrat (dazu beantragt der Kläger die Vernehmung der Zeugin S.) und der Frage, was der Kläger gegenüber der Sachverständigen geäußert hat (dass der Kläger etwas anderes geäußert hätte, trägt er bereits nicht substantiiert vor). Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass der Sachverständigen ausweislich S. 5 ihres o.g. Gutachtens bereits bei Abfassung des Gutachtens sehr wohl bekannt war, dass – den klägerischen Angaben zur Folge – die Lebensgefährtin des Klägers meine, dass alle Beschwerden direkt nach dem Unfall begonnen hätten. Im Übrigen müssen die Ausführungen der Sachverständigen im Zusammenhang gewürdigt werden: Demnach kommt es gem. S. 39 ihres o.g. Gutachtens nicht nur auf die Frage des zeitlichen Abstandes zwischen dem Unfall und dem erstmaligen Auftreten der Hörminderung an, sondern auch auf den Verlauf der Hörkurve und die beim Kläger gemessene Schallleitungskomponente.

– Soweit der Kläger meint, es komme nicht auf die Dauer, sondern die Intensität der Abknickbewegung an, erschließt sich nicht, inwiefern er über eine höhere Sachkunde als die Sachverständige Dr. H., einer Fachärztin für HNO-Heilkunde, verfügen sollte.

– Soweit der Kläger weiterhin beanstandet, die Sachverständige Dr. H. habe die Frage nicht beantwortet, ob aus dem Umstand, dass eine Verletzung des Gleichgewichtsorgans in der Bildgebung nicht nachgewiesen worden ist, folgt, dass Koordinationsstörungen ausgeschlossen sind, erschließt sich bereits die Relevanz dieser Frage nicht: Denn selbst wenn ein solcher Ausschluss nicht statthaft sein sollte, hätte der Kläger nicht nachgewiesen, dass er unter auf dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall beruhenden Koordinationsstörungen leidet. Im Übrigen hätte der Kläger in der erstinstanzlichen Sitzung vom 06.10.2016 Gelegenheit gehabt, diese Frage (nochmals) an die Sachverständige zu richten, wovon jedoch explizit kein Gebrauch gemacht worden ist (vgl. S. 4 des Sitzungsprotokolls = Bl. 175 d.A.), und zwar auch nicht im Rahmen des klägerischen Schriftsatzes im 30.11.2016 (Bl. 180/183 d.A.).

– Entsprechendes gilt für die – pauschale – Kritik des Klägers an den Ausführungen der Sachverständigen Dr. K. und Dr. M.: Weder in der o.g. Sitzung vom 06.10.2016 noch im Rahmen des o.g. Schriftsatzes vom 30.11.2016 wurden weitere Fragen an diese Sachverständigen gerichtet. Darüber hinaus lässt sich der Berufungsbegründung nicht entnehmen, was im Einzelnen an den gutachtlichen Feststellungen falsch sein sollte. Dass der Kläger mit den Ergebnissen der Sachverständigen nicht einverstanden ist, stellt keinen rechtlich relevanten Berufungsgrund dar.

II.

Das Erstgericht hat auch die sachlich-rechtlichen Fragen ganz überwiegend zutreffend beantwortet.

1.) Soweit das Erstgericht, ausgehend von den von ihm getroffenen Feststellungen, ein Schmerzensgeld i.H.v. insg. 4.000,00 € für angemessen erachtet hat, ist dies nicht zu beanstanden. Soweit der Kläger demgegenüber die Auffassung vertritt, selbst bei diesen Feststellungen sei ein Schmerzensgeld i.H.v. mindestens noch 6.000,00 €, d.h. insg. 8.500,00 €, zuzusprechen (vgl. S. 5 des klägerischen Schriftsatzes vom 21.06.2017 = Bl. 284 d.A.), zeigt er schon keinen Fehler des Ersturteils in Form der nicht vollständigen oder nicht richtigen Berücksichtigung der maßgeblichen Umstände oder der greifbar fehlerhaften Bewertung des Schmerzensgelds auf. Der Senat ist im Übrigen aufgrund eigenständiger Überprüfung (vgl. dazu BGH, Urteil vom 28.03.2006, Az.: VI ZR 46/05, NJW 2006, 1589; Senat, Urt. vom 30.7.2010, Az.: 10 U 2930/10, juris) der Ansicht, dass das zugesprochene Schmerzensgeld angemessen ist.

2.) Auch soweit das Erstgericht bei der Berechnung des Haushaltsführungsschadens nicht von einem Stundensatz i.H.v. 8,50 €, sondern nur von 8,00 € ausgeht, ist dies nicht zu beanstanden. Insb. entspricht dies der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Urteil vom 21.03.2014, Az.: 10 U 1750/13, juris).

3.) Unzutreffend ist das Ersturteil hingegen bzgl. der vorprozessualen Anwaltskosten. Der Kläger hat gegen die Beklagten Anspruch auf samtverbindliche Freistellung von vorprozessualen Anwaltskosten gegenüber seinem anwaltlichen Vertreter, Rechtsanwalt Sorg, in Höhe von 606,28 €.

a) Anzuwenden ist die Gebührentabelle gem. Anlage 2 zu § 13 I RVG in der bis zum 31.07.2013 geltenden Fassung. Dabei ist von einem Gegenstandswert i.H.v. bis 19.000,00 € auszugehen. Gegenstand der vorprozessualen Rechtsverfolgung waren die Positionen Schmerzensgeld (hiervon 4.000,00 € zu Recht begehrt), Verdienstausfall (hiervon mindestens 6.412,50 € und höchstens 7.250,00 € zu Recht begehrt) und Behandlungskosten (hiervon 7.398,56 € unstreitig zu Recht begehrt). Bzgl. des Verdienstausfalls gilt dabei Folgendes: Ausgehend von den vertretbaren und von den Parteien insoweit auch nicht beanstandeten Ausführungen des Erstgerichts errechnet sich der Verdienstausfall auf 7.250,00 €, nämlich 3.750,00 € (nicht nur „3.700,00 €“) zuzüglich 1.500,00 € zuzüglich 2 x 750,00 € zuzüglich 500,00 €. Ob hiervon Abzüge i.H.v. 500,00 € (bzgl. des letzten Monats; MdE nur noch 20%) und/oder i.H.v. 5% im Hinblick auf ersparte berufsbedingte Aufwendungen vorzunehmen sind, kann dahingestellt bleiben, weil sich an der bei Anwendung der o.g. Tabelle maßgeblichen Einstufung (über 16.000,00 € bis 19.000,00 €) nichts ändert.

Soweit das Erstgericht demgegenüber von einem Gegenstandswert in Höhe von 21.758,00 € ausgeht, ist dies in mehrfacher Hinsicht unzutreffend:

– Addiert man zu dem Betrag i.H.v. 19.898,56 € den vom Erstgericht zugesprochenen Betrag i.H.v. 1.860,00 €, so errechnen sich nicht 21.758,00 €, sondern 21.758,56 €.

– Es ist jedoch bereits nicht zutreffend, von dem Betrag i.H.v. 19.898,56 € auszugehen. Denn in diesem Betrag enthalten ist auch ein Betrag i.H.v. 10.000,00 €, welchen die Beklagte zu 2) vorprozessual auf die Position Verdienstausfall gezahlt hat, ohne dass damit ein Anerkenntnis verbunden gewesen wäre.

– Ebenso wenig zutreffend ist es, den Betrag i.H.v. 1.860,00 € hinzuzurechnen. Denn darin enthalten ist zum einen ein Betrag i.H.v. 350,00 € bzgl. der Position Haushaltsführungsschaden, welcher nicht Gegenstand der vorprozessualen Rechtsverfolgung war, und zum anderen ein Betrag i.H.v. 10,00 € („Eigenbeteiligung“), welcher vom Erstgericht zu Unrecht zugesprochen worden ist (s.u.).

b) Die Gebühr in Höhe von 606,00 € ist – entsprechend der Auffassung des Klägers und unter Korrektur des anderslautenden Hinweises des Senats im Beschluss vom 16.08.2017, worauf wiederum der Senat in der Sitzung vom 22.12.2017 hingewiesen hat – mit dem Faktor 2,0 zu multiplizieren. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 2012, 2813; NJW-RR 2013, 1020 unter Aufgabe von VersR 2012, 1056) eine Erhöhung der Geschäftsgebühr über die Regelgebühr von 1,3 hinaus nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig war. Auch macht der Umstand, dass nach einem Verkehrsunfall mit Körperverletzung ärztliche Berichte und Gutachten zu übersenden und neben Schmerzensgeld auch Sachschäden und Haushaltsführungsschaden geltend zu machen sind und Teilzahlungen unter Ablehnung weitergehender Regulierung erfolgen, die Angelegenheit grundsätzlich weder schwierig noch umfangreich (vgl. Senat in st. Rspr., z.B. Beschluss vom 21.08.2014, Az.:10 U 1252/14). Im vorliegenden Fall stellt sich jedoch die Rechtsverfolgung aus den vom Kläger genannten Gründen als deutlich überdurchschnittlich umfangreich dar.

c) Zu dem sich errechnenden Betrag in Höhe von 1.212,00 € ist die Pauschale in Höhe von 20,00 € hinzuzurechnen, so dass sich 1.232,00 € ergeben.

d) Abschließend – und dies hat das Erstgericht übersehen – sind 19% Umsatzsteuer hinzuzurechnen. Denn zwar war der Kläger ursprünglich zum Vorsteuerabzug berechtigt. Allerdings hat er, wie auf S. 10 der Replik (= Bl. 56 d.A.) vorgetragen und von den Beklagten nicht bestritten, bereits im Jahre 2010 sein Gewerbe abgemeldet und ist seitdem nicht mehr vorsteuerabzugsberechtigt.

e) So errechnet sich ein Betrag i.H.v. 1.466,08 €, von welchem die bereits vorprozessual regulierten 859,80 € abzuziehen sind, so dass noch 606,28 € offen sind.

III.

Die Kostenentscheidung bzgl. der Kosten des Verfahrens erster Instanz beruht auf § 92 II Nr. 1 ZPO. Denn das teilweise Unterliegen der Beklagten ist in der Hauptsache mit 1.860,00 € im Verhältnis zum Streitwert i.H.v. 100.416,72 €, d.h. mit ca. 2%, verhältnismäßig geringfügig. Die Rechtsverteidigung hat insoweit, mangels Gebührensprungs, auch keine höheren Kosten verursacht.

IV.

Im Übrigen war die Berufung zurückzuweisen.

V.

Auch die Kostenentscheidung bzgl. der Kosten des Berufungsverfahrens folgt aus § 92 II Nr. 1 ZPO (vgl. auch Heßler in Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 516 ZPO, Rdnr. 22). Die Berufung des Klägers hatte in der Hauptsache keinen Erfolg. Zwar haben die Beklagten die Anschlussberufung zurückgenommen. Diese machte jedoch mit 1.860,00 € nur ca. 2% des Streitwertes des Berufungsverfahrens (insg. 100.416,72 €) aus.

VI.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO. Nur dem Kläger, nicht auch den Beklagten, steht die Abwendungsbefugnis gem. § 711 ZPO zu, weil nur seine Beschwer (98.556,72 €), und nicht auch die der Beklagten (1.860,00 €), den Betrag i.H.v. 20.000,00 € gem. § 26 Nr. 8 EGZPO übersteigt.

VII.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e
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published on 04/11/2003 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 28/03 Verkündet am: 4. November 2003 Blum, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Z
published on 28/03/2006 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 46/05 Verkündet am: 28. März 2006 Blum, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:
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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.