Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers vom 31.08.2017, eingegangen am 06.09.2017, wird das Endurteil des LG München I vom 09.08.2017 wie folgt abgeändert:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag von 5.431,25 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 02.07.2015, sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 480,20 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.01.2017 zu bezahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz zu tragen.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

B.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache nahezu uneingeschränkt Erfolg.

I.

Das Landgericht ist davon ausgegangen (EU 2/3 = Bl. 42/43 d. A.), dass der Kläger für den Verkehrsunfall vom 24.05.2015 gegen 15.00 Uhr an der Kreuzung der O.straße mit der P.straße keinen Schadensersatz verlangen könne, weil er selbst die Schäden jedenfalls ganz überwiegend verursacht und mitverschuldet habe (§§ 17 I, II, 9 StVG, 254 I BGB), so dass der Verursachungsbeitrag und (fehlende) Verschuldensanteil des Beklagtenfahrzeugs zu vernachlässigen seien (BGH NJW-RR 2007, 1077; Senat, Urt. v. 13.11.2015 – 10 U 3964/14 [juris]; Urt. v. 12.06.2015 – 10 U 3673/14 [juris], jeweils m.w.N.).

Dieses Entscheidungsergebnis erweist sich hinsichtlich der rechtlichen Bewertung der die Unfallbeteiligten treffenden straßenverkehrsrechtlichen Sorgfaltspflichten als weder zutreffend, noch überzeugend begründet, ohne dass eine erneute Beweisaufnahme durch den Senat notwendig gewesen wäre. Die notwendige Richtigstellung bringt zu Tage, dass der Kläger wegen einer Verkehrslage bei „mehrspurigem parallelen Abbiegen“ (BGH NZV 2007, 185) auf der von ihm gewählten Linksabbiegespur Vorrang hatte. Dagegen ist dem Fahrer des Beklagtenfahrzeugs ein Verstoß gegen die Gefahrvermeidungspflicht beim Spurwechsel (§ 7 V StVO) unterlaufen, deswegen hat der Kläger gegen den Beklagten Anspruch auf Schadensersatz in voller Höhe, einschließlich Zinsen und verzinster vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten, mit Ausnahme der auf letztere entfallenden Umsatzsteuer.

1. Der Senat ist an die entscheidungserheblichen tatsächlichen Feststellungen (s. Senat, Urt. v. 24.01.2014 – 10 U 1673/13 [juris, Rz. 16]) nach § 529 I Nr. 1 ZPO gebunden, weil keinerlei konkrete Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit vorgetragen oder ersichtlich wurden. Eine Bindung für das weitere Verfahren entfiele nur dann, wenn und soweit diese Feststellungen offensichtlich lückenhaft, widersprüchlich oder unzutreffend wären (BGH NJW 2005, 1583, 1585), und somit fassbare Einzelumstände Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit wecken würden (BGH r + s 2003, 522). Solche Anhaltspunkte ergeben sich weder aus Berufungsrügen des Klägers noch aus der Berufungserwiderung des Beklagten, die solche Umstände nicht geltend machen wollen. Auch eine vom Senat von Amts wegen vorgenommene (so BGH [V. ZS] NJW 2004, 1876; [VI. ZS] NJW 2014, 2797) Überprüfung offenbart insoweit keine Mängel des Ersturteils.

Hinsichtlich einzelner Gesichtspunkte der Schadensberechnung hat der Beklagte auf die Hinweise des Senats (v. 20.09.2017, S. 2 = Bl. 58 d. A.) entweder nicht mehr Stellung genommen, oder allein rechtliche Erwägungen geliefert (Schriftsatz v. 08.11.2017, S. 2/3 = Bl. 64/65 d A.).

2. Dagegen ist der sachlich-rechtliche Ansatz des Erstgerichts (§§ 513 I 1. Alt., 546 ZPO) im entscheidenden Punkt zu beanstanden: In Fällen „mehrspurigen parallelen Abbiegens“ im Sinne der BGH-Rechtsprechung werden das Recht der freien Fahrstreifenwahl des am weitesten rechts eingeordneten Abbiegers und das Rechtsfahrgebot ersetzt durch das Gebot, die Spur zu halten (BGH NZV 2007, 185: „An die Stelle des Rechtsfahrgebots tritt die Pflicht zum Spurhalten … Ziel der Richtungspfeile und der Möglichkeit zum parallelen Abbiegen ist nämlich die Schaffung von mehr Verkehrsraum, der auch genutzt werden soll. Dem liefe der Vorrang des am weitesten rechts Eingeordneten entgegen, weil dadurch die ausgewiesene zweite Abbiegespur nur erschwert zum Abbiegen verwendet und unbenutzt bleiben könnte. … grundsätzlich kein Vorrang des am weitesten rechts eingeordneten Fahrzeugs … Die für einen Spurwechsel geltende Sorgfalt ist auch in einem solchen Fall zu beachten“).

a) Die Unfallörtlichkeit im Streitfall weist unstreitig im Kreuzungsbereich Fahrbahnmarkierungen, insbesondere Leitlinien (Anlage 3 zu § 42 II StVO, Zeichen 340) für den Rechtsabbiegerverkehr nicht auf. Ebenso unstreitig trägt die in Fahrtrichtung des Beklagtenfahrzeugs von rechts gesehen zweite Fahrbahn der Oettingen Straße einen kombinierten Rechts- und Geradeauspfeil (Anlage 2 zu § 41 I StVO, Zeichen 297).

b) Der Senat bleibt bei seiner den Parteien bereits mitgeteilten Rechtsauffassung (Verfügung v. 20.09.2017, S. 1/2 = Bl. 57/58 d. A.), dass das vorgenannte Urteil des Bundesgerichtshofs in folgendem Sinne auszulegen ist: Die Erwägung, dass „in einem solchen Fall“ in mehreren Reihen nebeneinander gefahren werden dürfe, ohne zu überholen oder sich stets vor dem weiter rechts Fahrenden einordnen zu müssen, gilt auch dann, wenn der in zweiter Reihe nach rechts Abbiegende einem solchen Richtungspfeil folgen darf (aber auch geradeaus weiterfahren dürfte). Dieses Ergebnis ist nach dem Regelungszweck der Ge- und Verbotspfeile zwingend, da auch der kombinierte Rechtsabbieger- und Geradeauspfeil das Ziel verfolgt, mit der Möglichkeit zum parallelen Abbiegen mehr Verkehrsraum zu schaffen, den Verkehrsfluss zu erhöhen und das Abbiegen zu beschleunigen. Dies gilt im Streitfall umso mehr, als die Prinzregenten Straße in Fahrtrichtung der Beteiligten ebenfalls mehrspurig fortgeführt wird. Der übrige Verkehr wird durch den kombinierten Pfeil nicht weniger unterrichtet und gewarnt als durch einen ausschließlich nach rechts weisenden Pfeil.

c) Erneut ist darauf hinzuweisen, dass der Senat diese Frage nicht bereits abweichend entschieden hat (Bl. 28/30 d. A.). Abgesehen davon, dass nicht Urteile, sondern Beschlüsse nach § 522 II ZPO vorlagen, betrafen diese Entscheidungen nicht die Ausgangslage, dass das mehrspurige Abbiegen durch Richtungspfeile vorgesehen oder geboten war. Auch neuere Urteile (10 U 1963/15 [n.v.] und 10 U 3295/15 [n.v.]) hatten – bei grundsätzlich zulässigem mehrspurigen Abbiegen – keine Fahrbahnmarkierungen oder Richtungspfeile zur Grundlage, die faktisch zwei voneinander unabhängige Abbiegespuren geschaffen hätten.

d) Die Beklagtenvertreter versagen sich eine gedankliche Auseinandersetzung und nachvollziehbare Begründung ihrer gegenteiligen Auffassung, was umso mehr geboten gewesen wäre, als ihre Rechtsmeinung eine den in zweiter Spur rechts Abbiegenden verwirrende und die Sicherheit des Straßenverkehrs insgesamt beeinträchtigende Folge hätte: Es entstünde der Eindruck, gleichzeitig mit und neben dem ganz rechts Eingeordneten abbiegen zu dürfen, wobei die jederzeit mitwirkende Pflicht, dessen Recht auf freie Fahrstreifenwahl zu achten, keineswegs gleichwertig naheliegt.

e) Der Senat hält deswegen die Berufung des Klägers für begründet, denn dem Fahrer des Beklagtenfahrzeugs ist ein Verstoß gegen die umfassenden Sorgfaltspflichten beim Fahrstreifenwechsel (§ 7 V StVO) vorzuwerfen.

Hinsichtlich der Schadenshöhe war zuletzt lediglich noch streitig, ob der Kläger bei fiktiver Abrechnung den Wiederbeschaffungsaufwand so errechnen müsse, dass der Wiederbeschaffungswert ohne, der Restwert dagegen mit 19 Prozent Umsatzsteuer anzusetzen seien (Schriftsatz v. 08.11.2017, S. 2/3 = Bl. 64/65 d. A.). Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden, denn sie berücksichtigt nicht, dass die Ermittlung des Wiederbeschaffungsaufwands insgesamt nicht auf konkreten Kauf- und Verkaufsgeschäften, sondern auf fiktiven Einschätzungen beruht. Letztere kann und darf sich nur auf vergleichbare Werte stützen, anderenfalls entstünde ein methodischer Bruch: der Wiederbeschaffungsaufwand enthielte einen gewichteten Umsatzsteueranteil, der im tatsächlichen Wirtschaftsleben nicht auftreten kann. Somit sind grundsätzlich die jeweiligen Bruttowerte miteinander zu vergleichen (BGH NJW 2009, 1340). Ist der Geschädigte vorsteuerabzugsberechtigt, sind die Nettowerte (Netto-WBA, Netto-WBW, Netto-Restwert) als Vergleichsmaßstab heranzuziehen (Jahnke in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht 24. Aufl. 2016, BGB § 249 Rn. 44, 45).

f) Klage und Berufung sind insoweit unbegründet, als der vorsteuerabzugsberechtigte Kläger auch den Umsatzsteueranteil der Rechtsanwaltskosten (von 91,24 €) beansprucht. Hierauf wurde vom Senat hingewiesen (Verfügung v. 20.09.2017, S. 2 = Bl. 58 d. A.), ohne dass der Kläger hierauf eingegangen wäre. Hierauf beruhen Ziffern I. 2, II der Urteilsformel.

II.

Die Kostenentscheidung beruht für beide Rechtszüge auf § 92 I Nr. 1 ZPO.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 S. 1, 713 ZPO, 26 Nr. 8 S. 1 EGZPO.

IV.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben, denn weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache (BVerfG NJW 2014, 2417 [2419, Tz. 26–32]; BGH NJW-RR 2014, 505) noch die Fortbildung des Rechts (BVerfG a.a.O. Tz. 33) oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (BVerfG a.a.O. [2420, Tz. 34]; BGH NJW 2003, 1943) erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Entscheidung betrifft einen Einzelfall, der grundlegende Rechtsfragen nicht aufwirft, und weicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht ab.

… … … Vorsitzender Richter Richter Richter am Oberlandesgericht

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Tenor

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 6.025,- € festgesetzt.

Gründe

A. Der Kläger macht gegen den Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz aus einem Unfall mit Beteiligung eines Frachtfahrzeugs geltend. Er verlangt als Hauptforderungen ein ab Rechtshängigkeit verzinstes angemessenes Schmerzensgeld und eine verzinste Unkostenpauschale.

Zugrunde liegt ein Zusammenstoß am 19.06.2013 gegen 22.15 Uhr auf der Frachtrampe des Flughafens München zwischen dem Kläger als Fußgänger und einem vom Beklagten geführten Frachtfahrzeug, bestehend aus Zugmaschine und zwei Anhängern. Der Unfall ereignete sich auf Höhe der Laderampe der Firma C.G. Flughafen München GmbH. Der Kläger hatte mit einem von ihm geführten Transportfahrzeug Kühlwaren abzuholen, sein Fahrzeug jedoch während des Beladevorgangs verlassen. Der Beklagte fuhr zunächst auf der hierfür vorgesehenen Fahrbahn rechts am Kläger vorbei, um dann nach rechts in eine Toreinfahrt abzubiegen. Der Kläger wurde - unter ungeklärten Umständen und aus zwischen den Parteien streitigen Ursachen - von einem der beladenen Anhänger angestoßen und kam zu Sturz. Er macht mittelschwere Verletzungen, heute noch bestehende Beeinträchtigungen aufgrund der Unfallfolgen und eine achtmonatige Arbeitsunfähigkeit geltend. Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 05.09.2014 (Bl. 38/46 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht Landshut hat nach Beweisaufnahme die Klage vollständig abgewiesen, weil die grundsätzliche Haftung des Beklagten als Führer eines Kraftfahrzeugs, einschließlich des bei ihm zu vermutenden Verschuldens, hinter dem überragenden Mitverschulden des Klägers zurücktrete. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 41/46 d. A.) des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses ihm am 16.09.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger mit beim Oberlandesgericht München am 15.10.2014 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt (Bl. 54/55 d. A.) und diese mit Schriftsatz vom 29.10.2014, eingegangen bei Gericht am 30.10.2014, begründet (Bl. 59/63 d. A.).

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils,

- den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 6.000,- € zu bezahlen, nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit,

- den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger eine gleichartig verzinste Unkostenpauschale von 25,- € zu bezahlen,

- den Beklagten zu verurteilen, gleichartig verzinste vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 316,18 € zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt (Bl. 58 d. A.),

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat gemäß Beschluss vom 23.10.2015 mit Zustimmung der Parteien schriftlich entschieden, § 128 II ZPO; als Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, wurde der 06.11.2015 bestimmt (Bl. 97/98 d. A.). Der Kläger hat hilfsweise beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (Bl. 94/95 d. A.).

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die Hinweisverfügungen des Senatsvorsitzenden vom 04.09.2015 (Bl. 82/88) und des Berichterstatters vom 06.10.2015 (B. 92 d. A.) Bezug genommen. Von weiterer Darstellung der Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

B. Die statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache jedenfalls vorläufig Erfolg.

I. Das Landgericht hat entschieden, dass grundsätzlich denkbare Schadensersatzansprüche des Klägers aus straßenverkehrsrechtlicher Verschuldenshaftung (§§ 18 I, 7 I BGB) des Beklagten entfallen (EU 4/6 = Bl. 41/43 d. A.), weil ein zu vermutendes Verschulden des Beklagten gegenüber dem weit überwiegenden Mitverschulden des Klägers zurückzutreten habe (EU 7/9 = Bl. 44/46 d. A.). Das Erstgericht hat sich davon überzeugt, dass der Kläger den Unfall und damit seien Schaden allein selbst verursacht und verschuldet habe, weil er als Fußgänger den Anweisungen des Flughafenpersonals, sich nicht in Fahrbahnnähe aufzuhalten, nicht nachgekommen sei und unaufmerksam das herannahende Fahrzeug des Beklagten übersehen und überhört habe. Dagegen könne dem Beklagten (nur) zugerechnet werden, dass er möglicherweise den Zusammenstoß durch technisch unvermeidliches Ausscheren seines Anhängers mit verursacht habe. Weil insoweit dem Kläger ein Nachweis nicht gelungen sei, schieden Ansprüche aus deliktsrechtlicher Verschuldenshaftung (§ 823 I, II BGB) aus.

Diese Ergebnisse entbehren, jedenfalls derzeit, angesichts einerseits lückenhafter Tatsachenfeststellung, sowie mangelhafter Beweiserhebung und -würdigung, andererseits fehlerhafter Rechtsanwendung einer überzeugenden Grundlage.

1. Das Ersturteil hat die für den Streitgegenstand entscheidungserheblichen Tatsachen verfahrensfehlerhaft weder vollständig, noch uneingeschränkt zutreffend festgestellt. Deswegen liegen konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Tatsachenfeststellung, nämlich offensichtliche Lücken und Widersprüche, vor, so dass der Senat nicht nach § 529 I Nr. 1 ZPO gebunden (BGH NJW 2005, 1583; WM 2015, 1562), und eine erneute Sachprüfung eröffnet ist. Da die Berufung wenigstens einzelne Gesichtspunkte der Beweiserhebung und -würdigung bemängelt (BB 3/4 = Bl. 61/62 d. A.), besteht keine Bindung des Senats an und keine Beschränkung auf das Berufungsvorbringen, vielmehr sind die gesamten erstinstanzlichen Feststellungen von Amts wegen (so BGH [V. ZS] NJW 2004, 1876; [VI. ZS] NJW 2014, 2797 ohne nähere Begründung) zu überprüfen.

a) Die Beweiserhebung des Erstgerichts ist zu beanstanden, weil eine umfassende und sachgerechte Aufklärung des Unfallgeschehens für entbehrlich gehalten wurde und unterblieben ist, und somit gegen die Verpflichtung verstoßen wurde, den zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt auszuschöpfen und sämtlichen Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen von Amts wegen nachzugehen (s. Senat, Urt. v. 12.06.2015 - 10 U 3981/14 [juris, Rn. 18, m. w. N.]).

aa) Das Erstgericht hat verfahrensfehlerhaft weder Beweis erhoben, noch Feststellungen getroffen, ob das Fahrzeug des Beklagten konstruktionsbedingt mit keiner höheren Geschwindigkeit als zwanzig Kilometer in der Stunde fahren konnte (§ 8 Nr. 1 StVG), und deswegen eine Haftung des Beklagten nach §§ 18 I, 7 I StVG schon grundsätzlich auszuscheiden hatte (EU 6 = Bl. 43 d. A.). Derartige Umstände wären auch aus Sicht des Erstgerichts entscheidungserheblich gewesen, weil - wenn auch rechtsfehlerhaft - das vermutete Verschulden des Beklagten bei der Abwägung der Verursachungsbeiträge berücksichtigt wurde (EU 9 = Bl. 46 d. A.).

(1) Die vorstehend beschriebene Klärung wäre erforderlich gewesen, obwohl der Kläger das Versäumnis als ihm günstig nicht rügt. Zwar wurde seine Klage - aus anderen Gründen - als unbegründet abgewiesen, jedoch könnte ein Erfolg seiner Berufung trotz Begründetheit seiner Berufungsrügen scheitern: Die nachteilige Klageabweisung könnte sich aufgrund der Bereichsausnahme des § 8 StVG als jedenfalls zutreffend herausstellen, obwohl die erhobenen Beanstandungen erfolgreich wären. Hätte das Erstgericht, auch nur hilfsweise, entschieden, dass eine Haftung nach § 18 I StVG gar nicht eröffnet sei, hätte der Kläger auch diese Feststellungen angreifen müssen (BGH NJW-RR 2015, 756).

(2) Das Erstgericht konnte Fragen der grundsätzlichen Haftung nach dem Straßenverkehrsgesetz nicht deswegen für unerheblich halten, weil der Beklagte darlegungs- und beweisbelastet für die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Bereichsausnahme gewesen sei (BGH NZV 1997, 390).

Letzteres ist zwar zutreffend, entbindet das Gericht aber nicht von der Verpflichtung, dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen. Deswegen wäre ein rechtlicher Hinweis (§ 139 I 2 ZPO) zu erteilen gewesen (BGH ZfBR 2012, 24; NJW-RR 2011, 1556; Senat, Verfügung v. 03.06.2008 - 10 U 2966/08 [juris]), welcher notwendige und zielführende Vortrag des Beklagten vermisst oder welcher gehaltene Vortrag für unzulänglich oder ergänzungsbedürftig gehalten werde. Dem Beklagten sind insoweit keine Versäumnisse vorzuwerfen, denn die Klage war von Anfang an allein auf eine unerlaubte Handlung gestützt (Klageschrift 3 = Bl. 3 d. A.), während das Erstgericht die beabsichtigte Anwendung straßenverkehrsgesetzlicher Vorschriften bewusst nicht offengelegt hat (EU 9 = Bl. 46 d. A.).

Wäre etwa nachgefragt worden, ob die behaupteten geringe Höchstgeschwindigkeit und Geschwindigkeitsdrosselung so gemeint seien, dass eine Bereichsausnahme vorliege, und falls ja, inwieweit Sachvortrag und Beweisantritt verbesserungsbedürftig oder ergänzungswürdig seien, hätten die Parteien, insbesondere der Beklagte, mit hoher Wahrscheinlichkeit geeigneten Vortrag und Beweisangebote geliefert. Dies zeigt sich schon daran, dass auf die Hinweise des Senats (v. 04.09.2015, S. 4/5 = Bl. 85/86 d. A.; v. 06.10.2015, Bl. 92 d. A.) entsprechende schriftsätzliche Ausführungen gefolgt sind (Schriftsätze d. Bekl. v. 02.10.2015, Bl. 90/91 d. A.; v. 06.10.2015, Bl. 93 d. A. u. v. 30.10.2015, Bl. 99/100 d. A.; Schriftsatz d. Kl. v. 20.10.2015, Bl. 94/85 d. A.). Hätte das Erstgericht diese Tatsachenbehauptungen verfolgt, wäre ihm im Rahmen der gebotenen Beweisaufnahme möglicherweise eine Klärung gelungen.

(3) Das Landgericht hatte darüber hinaus keinen Anlass, insoweit seiner Entscheidung nicht etwa nur mangelhaften, sondern vollständig fehlenden Sachvortrag (EU 6 = Bl. 43 d. A.) zugrunde zu legen.

Zum ersten hat der Beklagte vorgetragen, er habe mit dem Zugfahrzeug samt Anhängern maximal Schrittgeschwindigkeit fahren können (Klageerwiderung S. 2 = Bl. 11 d. A.). Zudem hat der Zeuge P. bestätigt, dass die Zugmaschine geschwindigkeitsgedrosselt (gewesen) sei (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 20.08.2014, S. 7 = Bl. 29 d. A.), wobei ohne weiteres davon auszugehen war, dass der Beklagte sich dieses Beweisergebnis, weil ihm günstig, als eigenen Vortrag zu eigen gemacht hat (etwa BGH r + s 2002, 43). Zum zweiten lag eine konstruktionsbedingte Geschwindigkeitsbegrenzung schon nach dem Einsatzzweck des Fahrzeugs und den Lichtbildern (Anlage B5, Bl. 48, 52 der Strafakten) nahe, zum dritten war eine Zulassungsfreiheit des Fahrzeugs unstreitig (EU 2 = Bl. 39 d. A.). Die Rechtsbehauptung, die Anwendung des § 7 StVG sei ausgeschlossen, muss dagegen von den Parteien nicht erhoben werden.

bb) Das Erstgericht hat zudem verfahrensfehlerhaft mögliche schuldhafte Sorgfaltspflichtverletzungen des Beklagten und deren mögliche Unfallursächlichkeit - auch hinsichtlich des Schadensausmaßes - nicht ausreichend festgestellt. Die insoweit durchgeführte Beweiserhebung ist unzulänglich, weil - bei allein streitentscheidenden Ablauf und genauer Einzelheiten eines Unfallgeschehens - nahe liegende Beweismittel und Feststellungsmöglichkeiten grundlos und ohne Begründung vernachlässigt wurden.

(1) Die gebotene Anhörung beider Parteien (§ 141 I 1 ZPO) wurde nicht in der erforderlichen Anwesenheit eines unfallanalytischen Sachverständigen (vgl. grds. BGH VersR 1979, 939 [juris, Rn. 23]; Senat, Beschl. v. 22.09.2014 - 10 W 1643/14) durchgeführt, obwohl sowohl der Kläger, als auch der Beklagte unmittelbar an dem Geschehen beteiligt waren. Durch den Verzicht auf jegliche Beteiligung unfallanalytischer Sachkunde hat sich das Landgericht die Möglichkeit genommen, die unmittelbaren Unfalldarstellungen zu überprüfen, zu erweitern, ergänzende Fragen zu stellen und weitere Anknüpfungspunkte zu gewinnen.

(2) Das Erstgericht hat - nicht nachvollziehbar - auf die Erholung eines Sachverständigengutachtens verzichtet, und deswegen bereits weder die genaue Anstoßstelle, noch die tatsächlichen, noch die möglichen Bewegungen des Klägers und des Beklagtenfahrzeugs ermittelt. Entscheidungserhebliche Fragen, wie die tatsächliche oder unter den Umständen des Einzelfalles höchstmögliche Fahrgeschwindigkeit des Beklagten, dessen tatsächliche oder technisch mögliche Fahrlinien, sowie die technische Möglichkeit eines Ausscherens des zweiten Anhängers, wären durchaus einer unfallanalytischen, sowie bio- und verletzungsmechanischen Begutachtung zugänglich gewesen. Gleiches gilt für die optischen und akustischen Wahrnehmungsmöglichkeiten des Klägers. Ergänzend wird auf die Hinweise des Senats (v. 04.09.2015, S. 5/6 = Bl. 86/87 d. A.) verwiesen.

Bei dieser Sachlage ist unter Würdigung aller entscheidungserheblicher Umstände des Streitfalles die unterlassene Einholung eines umfassenden auf zivilrechtliche Fragestellungen bezogenen unfallanalytischen und biomechanischen Sachverständigengutachtens (Senat, Urt. v. 14.03.2014 - 10 U 2996/13 [juris, dort Rz. 5-7]; v. 11.04.2014 - 10 U 4757/13 [juris, dort Rz. 45, 60]) einerseits, sowie die unterlassene Anhörung des Sachverständigen in Anwesenheit der Parteien verfahrensfehlerhaft, und schließt aus, dass die Beweiserhebung des Erstgerichts auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht (OLG München, Urt. v. 21.02.2014 - 25 U 2798/13 [juris]).

cc) Deswegen ist die gesamte Beweisaufnahme zu wiederholen, § 538 II 1 Nr. 1 ZPO, und hierbei zu klären, ob zum ersten den Beklagten eine straßenverkehrsrechtliche Haftung aus vermutetem Verschulden als Fahrzeugführer (§ 18 I 1 StVG) treffen, und zum zweiten ob er sich vom Vorwurf einer Sorgfaltspflichtverletzung entlasten kann (§ 18 I 2 StVG), wobei insoweit zunächst die gewöhnliche verkehrserforderliche Sorgfalt und Anforderungen an einen durchschnittlichen Kraftfahrer maßgeblich sind (etwa BGH NJW NJW 1986, 183; OLG Nürnberg, Urt. v. 09.02.2004 - 8 U 2772/03 [BeckRS 2008, 18777]). Abhängig vom Ergebnis dieser Beweiserhebung ist anhand der gültigen Beweislastverteilung festzustellen, welche Partei der Gegenpartei Mitverursachungsbeiträge und (Mit-)Verschuldensanteile nachweisen kann. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass derzeit keinerlei Sachvortrag oder Beweisantritt als verspätet bezeichnet werden kann, ergänzend wird auf die Hinweise des Senats (v. 04.09.2015, S. 6 = Bl. 87 d. A.) Bezug genommen.

b) Auch an die Beweiswürdigung des Erstgerichts ist der Senat - nach § 529 I Nr. 1 ZPO - angesichts durchgreifender Mängel nicht gebunden.

aa) Schon die unvollständige, fehlerhafte oder unterlassene Beweiserhebung macht das Ersturteil verfahrensfehlerhaft mit der Folge, dass eine sachgerechte Prüfung und Bewertung eines vollständigen Beweisergebnisses fehlen (OLG München, Urt. v. 21.02.2014 - 25 U 2798/13 [juris]).

bb) Darüber hinaus versagt sich das Erstgericht eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Gesichtspunkten, die das Verschulden oder Mitverschulden der Parteien entscheidend bestimmen.

Hinsichtlich möglicher Sorgfaltspflichtverletzungen des Beklagten konnte sich das Landgericht nicht davon überzeugen, dass er „jegliche verkehrserforderliche Sorgfalt angewandt und einen ordnungsgemäßen Abbiegevorgang auch unter Berücksichtigung der Tatsache durchgeführt (habe), dass sich der Kläger im Bereich der Fahrlinie aufgehalten ... (und) er diesen gesehen (habe)“ (EU 6/7 = Bl. 43/44 d. A.). Es bleibt jedoch unklar, wie dieser „ordnungsgemäße Abbiegevorgang“ aus Sicht des Erstgerichts hätte aussehen müssen und welches Fehlverhalten dem Beklagten vorgeworfen werden könnte. Erwähnt wird allein eine - im Übrigen unbestimmte - Abstandsunterschreitung, während eine Verringerung der Geschwindigkeit, ein Verzicht auf die Weiterfahrt oder eine Unterstützung durch eine einweisende Person offenbar nicht bedacht wurden. Zudem kann aufgrund der vorstehenden Erwägungen das Gewicht eines möglichen Verschuldens des Beklagten nicht bestimmt und nicht in ein gültiges Verhältnis zum Mitverschulden des Klägers gesetzt werden, abgesehen davon, dass ein bloß vermutetes Verschulden - entsprechend den Hinweisen des Senats (v. 04.09.2015, S. 3 = Bl. 84 d. A.) - grundsätzlich in der Abwägung keine Berücksichtigung finden darf.

Hinsichtlich des Mitverschuldens des Klägers beschränkt sich das Erstgericht auf die Feststellung und Bewertung von Umständen, die vor dem eigentlichen Zusammenstoß liegen, nämlich den weisungswidrigen Aufenthalt auf der Fahrbahn und die Bemerkbarkeit des herannahenden Beklagtenfahrzeugs (EU 7/9 = Bl. 44/46 d. A.). Dagegen fehlt eine überzeugende Begründung für das überragende Gewicht solcher Verstöße, das sich - auch aus Sicht des Erstgerichts - allein aus einem Hineintreten in die Fahrlinie des Frachtzuges ergeben hätte. Nur dann wäre die Gewichtung des Fehlverhaltens als faktisch alleiniges Verschulden nachvollziehbar und vertretbar, gerade diesen entscheidenden Umstand hat das Landgericht jedoch für nicht feststellbar erachtet. Ergänzend wird auf die Hinweise des Senats (v. 04.09.2015, S. 3 = Bl. 84 d. A.) Bezug genommen.

2. Das Landgericht hat zuletzt entscheidende sachlich-rechtliche Fragen unzutreffend beantwortet und voreilig jegliches Verschulden des Beklagten als nicht erweislich ausgeschlossen. Deswegen beanstandet die Berufung im Ergebnis zu Recht, das Erstgericht habe die Pflichten eines sorgfältigen Kraftfahrzeugführers verkannt (BB 4 = Bl. 62 d. A.) und ein Mitverschulden des Klägers unsachgemäß gewichtet (BB 4/5 = Bl. 62/63 d. A.).

a) Nach den bisherigen Feststellungen sind Körper und Gesundheit des Klägers verletzt, sowie dessen Vermögen (geringfügig) beeinträchtigt worden, so dass ein Anspruch aus § 823 I, II BGB grundsätzlich in Betracht kommt. Soweit diese Rechtsgüterverletzung beim Betrieb eines der Halterhaftung (§ 7 I StVG) unterfallenden Kraftfahrzeugs (§ 8 Nr. 1 StVG) geschehen sein sollte, würde der Beklagte auch als Fahrzeugführer aus vermutetem Verschulden (§ 18 I StVG) mit nach § 18 I 2 StVG umgekehrter Beweislast haften. Insoweit sind die Erwägungen des Erstgerichts zutreffend und nicht zu beanstanden, ergänzend wird auf die Hinweise des Senats (v. 04.09.2015, S. 2 = Bl. 83 d. A., II 1, 2) verwiesen.

b) Das Landgericht unterliegt insoweit einem Rechtsirrtum, als vermutetes Verschulden des Beklagten zur Bewertung seines Haftungsanteils herangezogen wird. § 18 I StVG betrifft jedoch ausschließlich den Haftungsgrund, der Beklagte haftet zunächst dem Grunde nach unbeschränkt, wenn erstens eine Haftung nach dem StVG grundsätzlich eröffnet sein sollte, und ihm eine Entlastung (weiterhin) misslingen sollte. Erst in diesem Rahmen können eine Mitverursachung oder ein Mitverschulden des Klägers bedeutsam werden (Senat, Urt. v. 06.02.2015 - 10 U 70/14 [juris, Rn. 40]; sowie Urt. v. 28.02.2014 - 10 U 3878/13 [juris, Rn. 6] u. Urt. v. 16.05.2008 - 10 U 1701/07 [juris] für das gleichartige Verhältnis von § 17 III zu § 17 I, II StVG). Diese sind im Rahmen der Haftungsverteilung gesondert und nachrangig zu prüfen und zu bewerten (BGH NJW 1962, 796), entsprechend den Hinweisen des Senats (v. 04.09.2015, S. 2 = Bl. 83 d. A., II 3).

c) Zudem wird die gültige Beweislastverteilung nicht ausreichend beachtet, die im Streitfall davon abhängt, ob der Kläger sich neben deliktsrechtlicher Vorschriften (auch) auf eine straßenverkehrsrechtliche Anspruchsgrundlage stützen kann. Ergänzend wird auf die Hinweise des Senats (v. 04.09.2015, S. 2/3 = Bl. 83/84 d. A.) Bezug genommen.

aa) Im ersten Fall wäre zunächst der Kläger darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass der Beklagte den Unfall verursacht und verschuldet habe. Erst wenn dieser Beweis gelungen sein sollte, wäre ein gegen den Kläger gerichteter Mitverschuldenseinwand (§ 254 I StGB) erheblich und dessen tatsächliche Voraussetzungen vom Beklagten zu beweisen.

bb) Im zweiten Fall trüge zunächst der Beklagte die Beweislast dafür, dass Unfall und Schadensausmaß „vorwiegend von dem ... anderen Teil verursacht“ oder verschuldet worden seien (§§ 9 StVG 254 I BGB), insbesondere in einem Umfang, der seine vollständige Freistellung von einer Haftung rechtfertige. Erst wenn dieser Beweis geführt sein sollte, wäre der Kläger beweispflichtig für Mitverursachungsbeiträge und Verschuldensanteile des Beklagten, die gegen dessen verringerte oder entfallende Haftung abzuwägen wären.

Hieraus folgend wäre zum einen eine vollständige und genaue Prüfung und Darlegung des Fahrverhaltens des Beklagten, insbesondere der Wahrnehmung und Beurteilung des Verhaltens des Klägers, geboten gewesen, zum anderen hätten Entfernungen, Geschwindigkeiten und Sichtverhältnisse ermittelt, und gegebenenfalls eine Berechnung zugunsten des Klägers durchgeführt werden müssen, nicht zugunsten des Unfallfahrers (s. a. BGH NJW 2014, 3300).

d) Weiterhin wäre zu berücksichtigen gewesen, dass im Rahmen der Haftungsverteilung nur solche Umstände Berücksichtigung finden können, die sich erwiesenermaßen auf den Unfall ausgewirkt haben, also sich als Gefahrenmoment in dem Unfall tatsächlich niedergeschlagen haben. Diese Umstände müssen feststehen, also unstreitig, zugestanden oder nach § ZPO § 286 I 1 ZPO bewiesen sein (BGH NJW 1995, 1029; NZV 2007, 190; NJW 2014, 217; Hinweisverfügung v. 08.09.2015, Bl. 38/39 d. A.). Deswegen ist eine Bewertung des bloß vermuteten Verschuldens des Beklagten (EU 9 = Bl. 46 d. A.) weder zulässig, noch sachgerecht (Hinweise des Senats v. 04.09.2015, S. 3 = Bl. 84 d. A.).

e) Eine Gewichtung der Mitverursachung und des (Mit-)Verschuldens kann nur aufgrund einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls erfolgen, insbesondere der genauen Klärung des Unfallhergangs (Senat, Urt. v. 12.06.2015 - 10 U 3981/14 [juris, Rn. 49, m. w. N.]; Urt. v. 31.07.2015 - 10 U 4377/14 [juris, Rn. 55, m. w. N.]). Hierzu fehlen jedoch tragfähige Feststellungen des Erstgerichts, unstreitig und damit beanstandungsfrei festgestellt ist bisher lediglich, dass der Kläger von einem Anhänger des vom Beklagten geführten Frachtzuges angestoßen und zu Fall gebracht worden ist.

f) Zuletzt ist zu beachten, dass nach ständiger Rechtsprechung des BGH auch bei erheblich verkehrswidrigem Verhalten eines Fußgängers im Regelfall nicht jeglicher Schadensersatz zu versagen ist (zuletzt: BGH DAR 2015, 455: „... eine vollständige Überbürdung des Schadens auf einen der Beteiligten ist (im Grundsatz) ... unter dem Gesichtspunkt der Mitverursachung nur ausnahmsweise in Betracht zu ziehen“), sondern lediglich in Fällen der Unvermeidbarkeit für den Fahrzeugführer oder bei besonderen Umständen (Senat, Urt. v. 12.06.2015 - 10 U 3981/14 [juris, Rn. 48]; Urt. v. 31.07.2015 - 10 U 4377/14 [juris, Rn. 43, 48]; Hinweise v. 08.07.2015, S. 12 = Bl. 163 d. A.).

Bei dieser Sachlage ist bisher nicht vertretbar, Sorgfaltspflichtverletzung und Verschulden des Beklagten für ausgeschlossen oder nicht erwiesen zu halten, vielmehr wird das Erstgericht hierfür maßgebliche und geeignete Umstände erst noch verfahrensfehlerfrei zu ermitteln und sachgerecht zu würdigen haben.

II. Der Senat hat eine eigene Sachentscheidung nach § 538 I ZPO erwogen, sich aber - entgegen seiner sonstigen Praxis - aus folgenden Gründen dagegen entschieden:

1. Eine derartig mangelhafte Beweiserhebung stellt einen Zurückverweisungsgrund nach § 538 II 1 Nr. 1 ZPO dar (Senat, Urt. v. 31.07.2015 - 10 U 4733/14 [juris, dort Rz. 57, m. w. N.]). Als schwerwiegender Verfahrensfehler erweist sich, dass das Erstgericht die Pflicht zu umfassender Sachverhaltsaufklärung, insbesondere durch geeignete sachverständige Begutachtungen, verletzt hat. Die erforderliche Beweisaufnahme wäre umfangreich und aufwändig (§ 538 II 1 Nr. 1, 2. Satzhälfte ZPO), weil der Senat sich nicht darauf beschränken dürfte, einzelne Sachverständigengutachten zu erholen. Vielmehr wären zusätzlich erneut beide Parteien anzuhören und erneut die bisher benannten Zeugen zu vernehmen, denn eine Beurteilung sowohl der Glaubhaftigkeit der Sachdarstellung, als auch der Glaubwürdigkeit der Zeugen und Parteien anhand ihrer früheren Aussagen wäre rechtsfehlerhaft, wenn der Senat auf einen eigenen persönlichen Eindruck verzichten wollte (s. etwa BGH r + s 1985, 200; NJW 1997, 466; NZV 1993, 266; VersR 2006, 949). Durch die gebotene Beweisaufnahme würde der Senat zu einer mit der Funktion eines Rechtsmittelgerichts unvereinbaren teilweise erstmaligen Beweiserhebung, im Übrigen vollständigen Wiederholung des erstinstanzlichen Verfahrens (Senat VersR 2011, 549 ff.) gezwungen. Hinzu kommt, dass je nach dem Ergebnis der durchzuführenden Beweiserhebung über den Hergang des Unfalls auch zur Höhe des Schmerzensgelds erstmals entschieden werden müsste (§ 538 II 1 Nr. 4, 2. Alt. ZPO, Senat NJW 1972, 2048 [2049]).

2. Auch die aus unterlassener Beweiserhebung und fehlerhafter Rechtsauffassung folgende, teilweise fehlende oder erheblich fehlerhafte Beweiswürdigung stellt einen Verfahrensverstoß dar, welcher zur Zurückverweisung gemäß § 538 II 1 Nr. 1 ZPO berechtigt (Senat, Urt. v. 31.07.2015 - 10 U 4733/14 [juris, dort Rz. 58, m. w. N.]).

3. Der durch die Zurückverweisung entstehende grundsätzliche Nachteil einer Verzögerung und Verteuerung des Prozesses muss hingenommen werden, wenn ein ordnungsgemäßes Verfahren in erster Instanz nachzuholen ist und den Parteien die vom Gesetz zur Verfügung gestellten zwei Tatsachenrechtszüge erhalten bleiben sollen (Senat NJW 1972, 2048 [2049); eine schnellere Erledigung des Rechtsstreits durch den Senat ist im Übrigen angesichts seiner außerordentlich hohen Geschäftsbelastung vorliegend nicht zu erwarten.

III. Die Kostenentscheidung war dem Erstgericht vorzubehalten, da der endgültige Erfolg der Berufung erst nach der abschließenden Entscheidung beurteilt werden kann (OLG Köln NJW-RR 1987, 1032; Senat in st. Rspr., zuletzt VersR 2011, 549 ff.; NJW 2011, 3729).

Die Gerichtskosten waren gemäß § 21 I 1 GKG niederzuschlagen, weil ein wesentlicher Verfahrensmangel - nur ein solcher kann zur Aufhebung und Zurückverweisung führen (§ 538 II 1 Nr. 1 ZPO) -, denknotwendig eine unrichtige Sachbehandlung i. S. des § 21 I 1 GKG darstellt.

§ 21 I 1 GKG erlaubt auch die Niederschlagung von Gebühren des erstinstanzlichen Verfahrens (etwa Senat, Urt. v. 27.01.2012 - 10 U 3065/11 [juris, dort Rz. 12]).

IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 S. 1 ZPO. Auch im Falle einer Aufhebung und Zurückverweisung ist im Hinblick auf §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit geboten (BGH JZ 1977, 232; Senat VersR 2011, 549; NJW 2011, 3729), allerdings ohne Abwendungsbefugnis. Letzteres gilt umso mehr, als das vorliegende Urteil nicht einmal hinsichtlich der Kosten einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist.

V. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben.

Weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache (BVerfG NJW 2014, 2417 [2419, Tz. 26-32]; BGH NJW-RR 2014, 505) noch die Fortbildung des Rechts (BVerfG a. a. O. Tz. 33) oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (BVerfG a. a. O. [2420, Tz. 34]; BGH NJW 2003, 1943) erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Entscheidung weicht nicht von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung ab und betrifft einen Einzelfall, der grundlegende Rechtsfragen nicht aufwirft.

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers vom 22.09.2014 wird das Endurteil des LG Traunstein vom 22.08.2014 (Az. 6 O 4070/13) samt dem zugrundeliegenden Verfahren aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG Traunstein zurückverwiesen.

2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem LG Traunstein vorbehalten. Gerichtsgebühren für die Berufungsinstanz, sowie gerichtliche Gebühren und Auslagen, die durch das aufgehobene Urteil verursacht worden sind, werden nicht erhoben.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Der Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend. Er verlangt ein angemessenes Schmerzensgeld, beziffert mit mindestens 25.000,-€, Reparatur-, Gutachter- und Folgekosten von insgesamt 4.475,34 € zuzüglich Verzugszinsen, sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere künftige materielle und immaterielle Schäden.

Zugrunde liegt ein Verkehrsvorfall vom 14.07.2013 gegen 15.45 Uhr zwischen dem Kläger als Motorradfahrer (Yamaha FZS, amtl. Kennzeichen …7) und dem bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversicherten Pkw VW T5, amtliches Kennzeichen … 3, gefahren vom Beklagten zu 2). Der Unfall ereignete sich auf der I.-straße in M., in Höhe der Hausnummer 28, der Kläger kam im Anblick des herannahenden Beklagtenfahrzeugs zu Sturz, sein Motorrad rutschte gegen die untere Frontstoßstange des Beklagtenfahrzeugs. Der Kläger wurde mittelschwer verletzt und macht heute noch bestehende Beeinträchtigungen aufgrund der Unfallfolgen geltend. Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 22.08.2014 (Bl. 113/119 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht Traunstein hat nach Beweisaufnahme die Klage vollständig abgewiesen, weil der Kläger eine Verursachung des Unfalls durch den Beklagten zu 2) und dessen Verschulden nicht habe nachweisen können. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 117/119 d. A.) des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses ihm am 27.08.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger mit beim Oberlandesgericht München am 22.09.2014 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt (Bl. 126/140 d. A.) und diese gleichzeitig begründet. Mit Schriftsatz vom 26.09.2014, eingegangen bei Gericht am 29.09.2014, hat er die Anträge ergänzt (Bl. 143/144 d. A.).

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils,

- die Beklagten samtverbindlich zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu bezahlen,

- die Beklagten samtverbindlich zu verurteilen, an den Kläger 4.475,34 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 23.08.2013 zu bezahlen,

- festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger jeden künftigen materiellen und immateriellen Schaden aus dem Unfallereignis zu ersetzen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat gemäß Beschluss vom 19.05.2015 mit Zustimmung der Parteien schriftlich entschieden, § 128 II ZPO; als Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, wurde der 03.06.2015 bestimmt (Bl. 160/161 d. A.). Der Kläger hat ergänzend vorsorglich beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (Schriftsatz v. 15.05.2015, Bl. 157 d. A.). Die Beklagten haben einen Zurückverweisungsantrag ebenfalls hilfsweise gestellt (Schriftsatz v. 13.05.2015, Bl. 158/159 d. A.).

Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsschrift, die Berufungserwiderung vom 13.05.2015 (Bl. 158/159 d. A.), die Hinweisverfügung des Senatsvorsitzenden vom 14.04.2015 (Bl. 148/156 d. A.), und die Schriftsätze des Klägers vom 26.09.2014 und 07.03.2015 (Bl. 143/144, 146/147 d. A.) Bezug genommen.

B.

Die statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache vorläufig Erfolg.

I.

Das Landgericht hat entschieden, dass grundsätzlich in Betracht kommende Schadensersatzansprüche des Klägers aus straßenverkehrsrechtlicher Gefährdungshaftung sowie aus Verschuldenshaftung des Fahrzeugführers (§ 18 I StVG) entfallen (EU 5 = Bl. 117 d. A.), weil der Kläger eine Verursachung des Unfalls durch ein Verhalten der Beklagten nicht habe beweisen können. Das Erstgericht hat sich davon überzeugt, dass der Kläger den Unfall und damit seinen Schaden allein selbst verursacht und verschuldet habe, weil er sein Motorrad nicht beherrscht habe und aufgrund einer Fehlreaktion ohne sonstigen Anlass zu Sturz gekommen sei (EU 6/7 = Bl. 118/119 d. A.).

Diese Ergebnisse entbehren, jedenfalls derzeit, angesichts einerseits lückenhafter Tatsachenfeststellung, andererseits fehlerhafter Rechtsanwendung einer überzeugenden Grundlage.

1. Das Ersturteil hat die für den Streitgegenstand entscheidungserheblichen Tatsachen verfahrensfehlerhaft nicht vollständig festgestellt. Deswegen sind konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Tatsachenfeststellung ersichtlich, so dass der Senat nicht nach § 529 I Nr. 1 ZPO gebunden (BGH NJW 2005, 1583, 1585), und eine erneute Sachprüfung eröffnet ist. Nachdem - wenn auch nur teilweise - die erstinstanzlichen Feststellungen angegriffen wurden, kommt es auf die umstrittene Frage, ob insoweit eine Prüfung von Amts wegen ohne Bindung an das Berufungsvorbringen vorzunehmen ist (so BGH [V. ZS] NJW 2004, 1876; [VI. ZS] NJW 2014, 2797 ohne nähere Begründung), nicht entscheidend an.

a) Die Beweiserhebung des Erstgerichts ist zu beanstanden, weil gegen die Verpflichtung verstoßen wurde, den zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt auszuschöpfen und sämtlichen Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen von Amts wegen nachzugehen (BGH NJW-RR 2011, 428; NJW-RR 2004, 425; NJW 2004, 1871; NZV 2000, 504; NJW 2008, 2846; NJW 2009, 2604 [2605 ]; Senat, Urt. v. 14.03.2014 - 10 U 2996/13 [juris]; v. 27.01.2012 - 10 U 3065/11 [juris]; v. 10.02.2012 - 10 U 4147/11 [juris]).

aa) Das Erstgericht hat die Ermittlungsakten (350 Js 23863/13 d. Staatsanwaltschaft Traunstein) beigezogen (Verfügung v. 27.11.2013 = Bl. 14 d. A.; EU 4 = Bl. 116 d. A.). Abgesehen von dieser ohnehin unzulässigen summarischen Bezugnahme (BGH LM § 295 ZPO, Nr. 9 = BeckRS 1954, 31397883) ist nicht erkennbar, ob sich eine Partei und wenn ja auf welche bestimmte Urkunden bezogen hat, und welche Aktenbestandteile wie verwertet wurden. Anscheinend wurden lediglich die Lichtbilder vorgehalten (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 05.02.2014, S. 2, 4/5 = Bl. 28, 30/31 d. A.) und aus einer Anzeigeerstattung des Klägers erst 16 Tage nach dem Unfall auf seine Einschätzung eigener Verursachung und eigenen Verschuldens geschlossen (EU 7 = Bl. 119 d. A.).

Obwohl klärungsbedürftig blieb jedoch ungeklärt, welche Lichtbilder der Sachverständige T. verwendet hat, denn einerseits bezieht er sich auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung und die strafrechtlichen Ermittlungsakten (Gutachten v. 31.03.2014, S. 2 = Bl. 45 d. A.), andererseits auf Bildmaterial eines Parteigutachters (S. 3 = Bl. 46 d. A.). Zudem liefert der Kläger, worauf die Berufung zu Recht hinweist (BB 13/14 = Bl. 138/139 d. A.), im Ermittlungsverfahren eine wenigstens prüfbare Erklärung für seine späte Anzeigeerstattung (Bl. 12 d. A. 350 Js 23863/13), so dass die Schlussfolgerung des Erstgerichts, unabhängig von ihrer Überzeugungskraft, nicht auf einer vollständigen Tatsachengrundlage beruht.

bb) Das Erstgericht hat zum Haftungsgrund Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens (EU 4 = Bl. 116 d. A.), jedoch ohne streitentscheidende Grundsätze der Beweisführungslast anzuwenden. Insbesondere wurde übersehen, dass eine Haftung der Beklagten dem Grunde nach besteht, und diese deswegen darlegungs- und beweisbelastet sind, dass der Schadensumfang „vorwiegend von dem … anderen Teil verursacht“ oder verschuldet wurde (§§ 17 I, II StVG, 9 StVG 254 I BGB), insbesondere in einem Umfang, der eine Alleinhaftung des Klägers rechtfertige. Erst wenn dieser Beweis geführt sein sollte, wäre der Kläger beweispflichtig für im Rahmen des § 17 I, II StVG zu würdigende Mitverursachungsbeiträge und Verschuldensanteile des Beklagten zu 2), die gegen eine verringerte oder entfallende Haftung der Beklagten abzuwägen wären.

- Das Erstgericht hält jedoch für sämtliche Tatumstände unterschiedslos den Kläger für beweisbelastet (Beweisbeschluss v. 05.02.2014, S. 7 = Bl. 33 d. A.), folglich wurde der Sachverständige nicht sachgerecht angeleitet und angewiesen (§ 404 a I, III, IV ZPO). Deswegen wurden ersichtlich keine Berechnungen und Erwägungen mit den für den Kläger günstigsten Annahmen (zu Brems- und Rutschverzögerung, Kollisionsgeschwindigkeit, Reaktionszeit, Ausgangsgeschwindigkeiten und Sichtabstand) vorgenommen (Gutachten v. 31.03.2014, S. 18/19, 23 = Bl. 61/62, 66 d. A.).

- Weiterhin hat das Erstgericht nicht berücksichtigt, dass der Sachverständige gestellte, entscheidungserhebliche Fragen nicht oder allenfalls verschwommen beantwortet hat: Die Antwort auf die Frage, ob der Beklagte zu 2) den Unfall durch Nutzung der klägerischen Fahrbahn und überhöhte Geschwindigkeit verursacht habe, schweigt sich darüber aus, wie weit das Fahrzeug des Beklagten zu 2) bei Reaktionsaufforderung und Bremsbeginn in die klägerische Fahrbahn hineingeragt und diese für den Kläger blockiert hat, und wie sich die Lücke im Verlauf der Annäherung durch eine Bremsung in Richtung des rechten Fahrbahnrandes vergrößert hat (Gutachten v. 31.03.2014, S. 13, 19/20, 24 = Bl. 56, 62/63, 67 d. A.). Der Senat merkt an, dass diese Lücke angesichts der Fahrzeugbreite anfangs lediglich 65 Zentimeter betragen haben kann, und der Beklagte die Mittellinie um mindestens 50 Zentimeter überschritten haben muss. Zudem wurde die Ausgangsgeschwindigkeit des Beklagten zu 2) nur ungefähr - statt mit Mindest- und Höchstwert - angegeben, die zulässige Geschwindigkeit überhaupt nicht (Gutachten S. 19, 24 = Bl. 62, 67 d. A.).

- Erstgericht und Sachverständiger bewerten damit den streitgegenständlichen Sachverhalt - rechtsfehlerhaft - allein unter dem Gesichtspunkt, ob ein straßenverkehrsrechtliches Fehlverhalten des Klägers festzustellen sei. Dagegen fehlen Ermittlungen und eine Beurteilung, ob auch dem Fahrzeugführer des Beklagtenfahrzeugs schadensursächliche, rechtswidrige und schuldhafte Verkehrsverstöße vorzuwerfen seien, vielmehr wird dies - trotz gegenteiliger Hinweise - für nicht erweislich gehalten (Gutachten S. 24 = Bl. 67 d. A.; EU 5 = Bl. 117 d. A. „Der Kläger hat den ihm obliegenden Beweis … nicht erbringen können“). Zudem hätten hinsichtlich der Mitverursachungsbeiträge und Mitverschuldensanteile des Klägers nicht die für den Beklagten zu 2) günstigsten Tatumstände angenommen werden dürfen.

- Zuletzt fehlt jegliche Prüfung, wann unter welchen Umständen und aus welchen Gründen der Beklagte zu 2) zunächst die Gegenfahrbahn genutzt hat, und ob er hierfür unter Berücksichtigung eigener Fahrbahnhindernisse und des erkennbaren Gegenverkehrs berechtigt, oder wartepflichtig gewesen wäre. In diesem Umfang wären auch die Sichtverhältnisse für den Kläger, die wegen einer Rechtskurve und weiterer Fahrzeuge vor ihm nicht notwendig gleich sein müssen, aufzuklären gewesen. Das Erstgericht hat sich jedoch, wie der Sachverständige, besonders aber der vorgebliche Privatgutachter, vorrangig damit befasst, dem Kläger mangelndes Fahrgeschick vorzuwerfen und nachzuweisen. Dabei wurde die ständige Rechtsprechung außer Acht gelassen, dass eine falsche Reaktion eines Verkehrsteilnehmers dann nicht notwendig ein Verschulden begründet, wenn er in einer unverschuldeten und nicht voraussehbaren Gefahrenlage keine Zeit zu ruhiger Überlegung und deshalb nicht das Richtige unternommen hatte, um den Unfall zu verhüten, sondern aus verständlicher Bestürzung objektiv falsch gehandelt hatte (BGH NJW 1976, 1504; Senat, Urt. v. 16.03.2012 - 10 U 4398/12 [juris [20]]; Beschl. v. 11.08.2006 - 10 U 2990/06 und v. 22.08.2007 - 10 U 3101/07; Urt. v. 18.01.2008 - 10 U 4156/07 [juris = NJW-Spezial 2008, 201]).

Bei dieser Sachlage ist unter Würdigung aller Gesamtumstände die unterlassene Einholung eines umfassenden, schriftlichen, auf zivilrechtliche Fragestellungen bezogenen unfallanalytischen Sachverständigengutachtens (Senat, Urt. v. 14.03.2014 - 10 U 2996/13 [juris, dort Rz. 5-7]; v. 11.04.2014 - 10 U 4757/13 [juris, dort Rz. 45, 60]) einerseits, die unterlassene Anhörung der Parteien in Anwesenheit des Sachverständigen andererseits verfahrensfehlerhaft, und schließt aus, dass die Beweiserhebung des Erstgerichts auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht (OLG München, Urt. v. 21.02.2014 - 25 U 2798/13 [juris]).

Deswegen ist die gesamte Beweisaufnahme zu wiederholen, § 538 II 1 Nr. 1 ZPO, und hierbei zu klären, wie sich die gutachtlich festgestellte Geschwindigkeit des Beklagten zu 2) von ca. 35 km/h und das ursprüngliche Überfahren der Mittellinie um 50 Zentimeter als Verstöße gegen das Rechtsfahrgebot und die Geschwindigkeitsvorschriften erweisen, und sich etwa auf den Unfall auswirkt haben.

b) An die Beweiswürdigung des Erstgerichts ist der Senat nach § 529 I Nr. 1 ZPO nicht gebunden, weil konkrete Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit ersichtlich geworden sind. Schon die unvollständige, fehlerhafte oder unterlassene Beweiserhebung macht das Ersturteil verfahrensfehlerhaft mit der Folge, dass eine sachgerechte Prüfung und Bewertung eines vollständigen Beweisergebnisses fehlen (OLG München, Urt. v. 21.02.2014 - 25 U 2798/13 [juris]).

Darüber hinaus versagt sich das Erstgericht jegliche ernsthafte Auseinandersetzung mit den Gutachtensergebnissen (vgl. etwa BVerfGE 91, 176 = NJW 1995, 40; RGZ 162, 223 [226 f.]; BGH NJW 1986, 1928 [1930]; BGHZ 116, 47 [58] = NJW 1992, 1817; NJW-RR 1995, 914 [915]; 1998, 1117 [1118 unter II 2]; NJW 1999, 3408; NJW 2001, 1787 [unter II 2]; BGHZ 169, 30 = NJW-RR 2007, 106; DS 2007, 377; WM 2007, 1901; NJW 2010, 3230; VersR 2011, 400 [402]; BayObLG NJW-RR 1991, 1098 [1100]; FamRZ 2006, 68; OLG Frankfurt a. M. NJW-RR 2007,19; Senat NJW 2011, 396 [397] = VersR 2011, 549 ff.; NJW 2011, 3729 [3730 unter I 3 b] m. zust. Anm. Kääb FD-StrVR 2011, 318319), indem die Annahmen des Sachverständigen ungeprüft übernommen werden (EU 6/7 = Bl. 118/119 d. A.).

aa) Zunächst wird missachtet, dass der Gutachter seine Berechnungen ausschließlich zugunsten des Beklagten zu 2) vorgenommen und dadurch die diesen treffende Beweislast für Verkehrsverstöße und Mitverursachungsbeiträge des Klägers nicht beachtet hat. Weiterhin ist die Berechnung des Sachverständigen zur Vermeidbarkeit für den Kläger unvollständig, denn aus einer Entfernung von 40 Metern zwischen den Unfallfahrern zum Reaktionszeitpunkt ergibt sich nur dann, dass der Kläger 3 Meter vor dem Beklagten zu 2) hätte anhalten können, wenn keine höhere Geschwindigkeit des Klägers (als 40 km/h), und eine genaue Geschwindigkeit des Beklagten zu 2) (35 km/h) angesetzt werden; andere Rechenergebnisse aufgrund sonstiger möglicher Annahmen fehlen, insbesondere ergäbe allein eine höhere Reaktionszeit des Klägers (etwa wegen einer „Schrecksekunde“) von nur 1,1 Sekunden, dass der gemeinsame Anhalteweg nicht mehr zur Verhinderung des Zusammenstoßes ausgereicht hätte. Darüber hinaus folgt das Erstgericht dem Sachverständigen, indem für beide Fahrzeuglenker eine „mittige Position bei der gesamten Fahrbahnbreite angenommen werden könne“. Abgesehen davon, dass damit erwiesen wäre, dass das Beklagtenfahrzeug 95 Zentimeter der durch die am rechten Fahrbahnrand parkenden Fahrzeuge auf 1,15 Meter verknappten Fahrbahnhälfte des Klägers eingenommen hätte, verhalten sich weder das Gutachten, noch die Entscheidungsgründe des Ersturteils dazu, zu welchem Zeitpunkt der Kläger eine derartige Gefahrenlage und deren Auflösung bemerken konnte. Es wäre jedoch von entscheidender Bedeutung, in welcher räumlichen und zeitlichen Entfernung der Kläger hätte erkennen können, dass die versperrte Fahrbahn sich rechtzeitig zu dem Zeitpunkt öffnen würde, zu dem er diese Stelle erreicht. Erstgericht und Gutachter betrachten jedoch lediglich den Endzustand (Abstand zum Fahrbahnrand von 20 bis 30 Zentimetern), und gehen nicht darauf ein, dass diese „Verlagerung“ erst mit zeitlicher Verzögerung und räumlicher Abstandsverkürzung erreicht werden kann. Soweit der Sachverständige diese endgültige Position aus der ursprünglichen Fahrtstellung ableitet (Gutachten, S. 24 = Bl. 67 d. A. „dies würde bedeuten“), ist dies unschlüssig. Soweit zuletzt gefolgert wird, die Sturzlage des Klägers sei auf einen eigenen Fahrfehler zurück zu führen, fehlt jegliche Auseinandersetzung mit der Behauptung, dass ein derartiger Fahrfehler durch das vorangegangene Verhalten des Beklagten zu 2) verursacht oder mitverursacht worden sei.

bb) Das Erstgericht verzichtet auf jegliche Beurteilung des Wahrheitsgehalts der Angaben des Beklagten zu 2), die zwar im Urteil wiedergegeben, aber nicht gewürdigt werden (EU 5 = Bl. 117 d. A.). Dabei wäre zu berücksichtigen gewesen, dass der Beklagte zu 2), entgegen den durch die Lage der Bremsspuren nachgewiesenen Tatsachen nicht eingeräumt hatte, ursprünglich die Fahrbahn des Klägers versperrt zu haben, und die behauptete Einhaltung der vorgeschriebenen Geschwindigkeit von 30 km/h gutachtlich nicht bestätigt wurde (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 05.02.2014, S. 3/5 = Bl. 29/31).

Ergänzend wird auf die Hinweise des Senatsvorsitzenden (v. 14.04.2015, S. 5/7 = Bl. 152/154 d. A.) Bezug genommen.

2. Zudem hat das Landgericht auch entscheidende sachlich-rechtliche Fragen unzutreffend beantwortet und voreilig jegliches Verschulden des Beklagten zu 2), sowie jegliche mögliche Mitverursachungsanteile der Beklagten einschließlich der Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs ausgeschlossen.

a) Grundsätzlich genügt der Kläger seiner Darlegungs- und Beweislast mit der Behauptung, sein Körper oder seine Gesundheit, sowie sein Motorrad seien im Straßenverkehr bei dem Betrieb des Kraftfahrzeugs der Beklagten verletzt und beschädigt worden (§§ 7 I, 18 I StVG). Nachdem unstreitig ein Unfall im Begeg-nungsverkehr stattgefunden hat und keine Partei geltend macht oder geltend machen kann, der Unfall sei durch höhere Gewalt (§ 7 II StVG) verursacht worden und deswegen eine Ersatzpflicht ausgeschlossen, scheitern Ansprüche des Klägers nicht schon daran, dass er vor dem eigentlichen Zusammenstoß der Fahrzeuge zu Fall gekommen ist, eine Ausweich- oder Abwehrhandlung vorgenommen hat, oder weil ihm ein mitwirkendes Fehlverhalten vorzuwerfen wäre (etwa BGH NJW 1968, 249; NJW 1971, 2030; NJW 2005, 2081; NJW 2009, 2605; NJW-RR 2008, 764; KG KGR 2000, 316: für einen Fall des angedeuteten Spurwechsels ohne Fahrzeugberührung; OLG Schleswig OLGR 1998, 4: Gegenverkehr ohne nachgewiesene Fahrfehler; Senat, Beschl. v. 16.03.2012 - 10 U 4398/11 [juris]: das ein Ausweichmanöver möglicherweise auslösende Fahrverhalten stammt von einem nicht in den Zusammenstoß verwickelten Fahrzeug).

b) Jegliche Haftungsbegrenzungen (§§ 9, 17 III, 18 I 2, III StVG), die eine Berücksichtigung der jeweiligen Verursachungsbeiträge wie eines etwaigen Verschuldens erlauben, so dass der Schaden angemessen verteilt und gegebenenfalls sogar die Haftung einem Kraftfahrer allein auferlegt werden kann (BGH NJW 2005, 2081; Senat, Beschl. v. 16.03.2012 - 10 U 4398/11 [juris]) erfordern grundsätzlich einen entsprechenden Nachweis (BGH und Senat, je a. a. O.), wobei die Darlegungs- und Beweislast für eine Unabwendbarkeit, für fehlendes Verschulden des Fahrzeugführers und für ein dem Geschädigten anzulastende Verhalten grundsätzlich den Halter und Führer (des als Unfallverursacher beklagten Fahrzeugs) treffen (BGH NJW 1995, 1029; 2007, 1063; 2009, 2605).

c) Eine - auch gewichtige - Missachtung wesentlicher Verkehrsvorschriften durch den Kläger, und damit ein Mitverschuldens- oder Mitverursachungsanteil (§§ 9, 17 II StVG, 254 BGB), dürfen ohne weiteres festgestellt und berücksichtigt werden. Allerdings wären hierzu Feststellungen und eine Abwägung aller Faktoren, soweit unstreitig oder erwiesen, geboten, die eingetreten sind, zur Entstehung des Schadens beigetragen haben und einem der Beteiligten zuzurechnen sind (BGH NJW 1995, 1029; 2007, 506 [207]; NJW-RR 1988, 1177; OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.08.2014 - 1 U 151/13 [juris, Rz. 64]). Dies gilt umso mehr, wenn das Mitverschulden jegliche Haftung, selbst diejenige für Betriebsgefahr, aufzehren soll (BGH NJW-RR 1993, 480), und erfordert eine Aufklärung etwaiger Verkehrsverstöße samt deren Auswirkungen auf den Unfall, sowie eine sachgerechte Bewertung und Vergleich der Pflichtwidrigkeiten.

d) Lediglich hinsichtlich der im Rahmen der Abwägung (§ 17 I, II StVG) vom Geschädigten geltend gemachten Mitverursachungsbeiträge oder Verschuldensanteile des Ersatzpflichtigen trägt der Geschädigte, im Streitfall der Kläger, sowohl die Beweisführungs- als auch die Feststellungslast (BGH r + s 2012, 356; NJW 2000, 3069; NZV 1995, 145; Urteil vom 17.01.1967 - BGH 19670117 Aktenzeichen VI ZR 100/65 [BeckRS 1967, 00154]; NJW 1957, 99; OLG Hamm NJW-RR 2005, 817; OLG Naumburg, Urt. v. 23.11.1999 - 9 U 319/98 [juris]; OLG Köln NZV 1995, 400; OLG Koblenz, VRS 68, 32).

e) Sollte sich ergeben, dass die jeweiligen Verursachungsbeiträge und (Mit-)verschuldensanteile nicht mehr aufzuklären sind und deswegen eine Beweislastentscheidung erforderlich wird, wären lediglich die beiderseitigen Betriebsgefahren berücksichtigungsfähig, wobei sich eine jeweils hälftige Gewichtung ergäbe. Zwar mag die Betriebsgefahr des Klägers wegen der Instabilität seines Motorrads erhöht sein, dies würde nach Einschätzung des Senats jedoch auch für die Beklagten aufgrund des Anhängers und die Größe des Gesamtfahrzeugs im Verhältnis zur Straßenbreite gelten.

Bei dieser Sachlage ist bisher nicht vertretbar, Sorgfaltspflichtverletzung und Verschulden des Beklagten zu 2) für ausgeschlossen oder nicht erwiesen zu halten, vielmehr wird das Erstgericht hierfür maßgebliche und geeignete Umstände erst noch verfahrensfehlerfrei zu ermitteln und sachgerecht zu würdigen haben.

II.

Der Senat hat eine eigene Sachentscheidung nach § 538 I ZPO erwogen, sich aber - entgegen seiner sonstigen Praxis - aus folgenden Gründen dagegen entschieden:

1. Eine derartig mangelhafte Beweiserhebung stellt einen Zurückverweisungsgrund nach § 538 II 1 Nr. 1 ZPO dar (Senat, Urt. v. 09.10.2009 - 10 U 2309/09 [juris, dort Rz. 23]; v. 25.06.2010 - 10 U 1847/10 [juris, dort Rz. 13]; VersR 2011, 549 ff.; NJW 2011, 3729 und v. 22.07.2011 - 10 U 1481/11). Als schwerwiegender Verfahrensfehler erweist sich, dass das Erstgericht die Pflicht zu umfassender Sachverhaltsaufklärung, insbesondere durch vollständige Parteianhörungen und geeignete sachverständige Begutachtung, verletzt hat. Die erforderliche Beweisaufnahme wäre umfangreich und aufwändig (§ 538 II 1 Nr. 1, 2. Satzhälfte ZPO), weil der Senat sich nicht darauf beschränken dürfte, ein vollständiges Sachverständigengutachten zu erholen. Vielmehr wären zusätzlich beide Parteien anzuhören und erstinstanzlich benannte Zeugen zu vernehmen, denn eine Beurteilung sowohl der Glaubhaftigkeit der Sachdarstellung, als auch der Glaubwürdigkeit der Zeugen und Parteien anhand früherer Aussagen wäre rechtsfehlerhaft, wenn der Senat auf einen eigenen persönlichen Eindruck verzichten wollte (s. etwa BGH r + s 1985, 200; NJW 1997, 466; NZV 1993, 266; VersR 2006, 949). Durch die gebotene Beweisaufnahme würde der Senat zu einer mit der Funktion eines Rechtsmittelgerichts unvereinbaren vollständigen Wiederholung des erstinstanzlichen Verfahrens (Senat VersR 2011, 549 ff.) gezwungen. Hinzu kommt, dass je nach dem Ergebnis der durchzuführenden Beweiserhebung über den Hergang des Unfalls auch zur Höhe des Schmerzensgelds und Vermögensschadens erstmals entschieden werden müsste (§ 538 II 1 Nr. 4, 2. Alt. ZPO, Senat NJW 1972, 2048 [2049]; OLG Köln NJW 2004, 521).

2. Auch die aus unterlassener Beweiserhebung und fehlerhafter Rechtsauffassung folgende, teilweise fehlende oder erheblich fehlerhafte Beweiswürdigung stellt einen Verfahrensverstoß dar, welcher zur Zurückverweisung gemäß § 538 II 1 Nr. 1 ZPO berechtigt (Senat, Urt. v. 14.07.2006 - 10 U 5624/05 [juris]; v. 01.12.2006 - 10 U 4328/06; v. 04.09.2009 - 10 U 3291/09; v. 06.11.2009 - 10 U 3254/09; v. 19.03.2010 - 10 U 3870/09 [juris, dort Rz. 23]; v. 25.06.2010 - 10 U 1847/10 [juris, dort Rz. 13]; VersR 2011, 549 ff.; v. 22.07.2011 - 10 U 1481/11 [juris, dort Rz. 8]).

3. Der durch die Zurückverweisung entstehende grundsätzliche Nachteil einer Verzögerung und Verteuerung des Prozesses muss hingenommen werden, wenn ein ordnungsgemäßes Verfahren in erster Instanz nachzuholen ist und den Parteien die vom Gesetz zur Verfügung gestellten zwei Tatsachenrechtszüge erhalten bleiben sollen (Senat NJW 1972, 2048 [2049]; OLG Naumburg NJW-RR 2012, 1535 [1536]); eine schnellere Erledigung des Rechtsstreits durch den Senat ist im Übrigen angesichts seiner außerordentlich hohen Geschäftsbelastung vorliegend nicht zu erwarten.

III.

Die Kostenentscheidung war dem Erstgericht vorzubehalten, da der endgültige Erfolg der Berufung erst nach der abschließenden Entscheidung beurteilt werden kann (OLG Köln NJW-RR 1987, 1032; Senat in st. Rspr., zuletzt VersR 2011, 549 ff.; NJW 2011, 3729).

Die Gerichtskosten waren gemäß § 21 I 1 GKG niederzuschlagen, weil ein wesentlicher Verfahrensmangel - nur ein solcher kann zur Aufhebung und Zurückverweisung führen (§ 538 II 1 Nr. 1 ZPO) -, denknotwendig eine unrichtige Sachbehandlung i. S. des § 21 I 1 GKG darstellt.

§ 21 I 1 GKG erlaubt auch die Niederschlagung von Gebühren des erstinstanzlichen Verfahrens (vgl. OLG Brandenburg OLGR 2004, 277; OLG Düsseldorf NJW-RR 2007, 1151; Senat, Beschl. v. 17.09.2008 - 10 U 2272/08, st. Rspr., zuletzt Urt. v. 19.03.2010 - 10 U 3870/09 [juris, dort Rz. 93] und v. 27.01.2012 - 10 U 3065/11 [juris, dort Rz. 12]).

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 S. 1 ZPO. Auch im Falle einer Aufhebung und Zurückverweisung ist im Hinblick auf §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit geboten (BGH JZ 1977, 232; Senat in st. Rspr., zuletzt u. a. VersR 2011, 549 ff. und NJW 2011, 3729), allerdings ohne Abwendungsbefugnis (Senat a. a. O.). Letzteres gilt umso mehr, als das vorliegende Urteil nicht einmal hinsichtlich der Kosten einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist.

V.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben.

Weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache (BVerfG NJW 2014, 2417 [2419, Tz. 26 - 32]; BGH NJW-RR 2014, 505) noch die Fortbildung des Rechts (BVerfG, a. a. O. Tz. 33]) oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (BVerfG, a. a. O. [2420, Tz. 34]; BGH NJW 2003, 1943) erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Entscheidung weicht nicht von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung ab und betrifft einen Einzelfall, der grundlegende Rechtsfragen nicht aufwirft.

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten vom 01.02.2015 wird das Endurteil des LG München I vom 24.04.2015 (Az. 17 O 17670/14) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

2. Gründe A.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

B.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.

Gründe

I.

Das Landgericht hat zu Unrecht einen Anspruch des Klägers auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 18.06.2014, 12.30 Uhr, an der Kreuzung H. Straße zur I. bejaht.

Nach den tatrichterlichen Feststellungen stand der Beklagte zu 2) mit seinem Gespann auf der Rechtsabbiegerspur der H. Straße Straße, um nach rechts in die I. Straße einzubiegen. Der Zeuge … stand mit dem Pkw des Klägers (BMW 645 i) auf der mittleren Spur, die keine Pfeile aufweist, und bog nach rechts (in zweiter Reihe) ab. Am Ausgang des Kurvenbereichs geriet das Gespann des Beklagten zu 2) in die linke Spur der I. Straße, wo es zur Kollision mit dem Kläger-Pkw kam, der versucht hat, auf dieser linken Spur der I. Straße das Gespann des Beklagten zu 2) zu überholen.

Entgegen der Rechtsauffassung der Berufungskläger sind Fehler des Ersturteils bei der Tatsachenfeststellung nicht ersichtlich.

Der Kläger hat zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass das Landgericht sich nicht abschließend zu allen Angaben der unfallbeteiligten Fahrer äußern wollte. Dem Ersturteil ist jedoch nicht zu entnehmen, dass sich das Landgericht von der Darstellung des klägerischen Zeugen insoweit überzeugt hätte, der Unfall sei nicht im Zuge des Abbiegevorgangs, sondern erst deutlich danach, d.h. ohne jeden Bezug zum vorherigen (parallelen) Abbiegen der Fahrzeuge erfolgt. Dementsprechend hat das Erstgericht das Ergebnis der Beweisaufnahme auf S. 8 des Ersturteils zusammengefasst, wonach der Beklagte zu 2) „beim Rechtsabbiegen in die I. Straße“ gegen § 7 V StVO verstoßen habe (was rechtlich unzutreffend ist, s.u.). Weiter führt das Landgericht aus, „dass beim paarweisen Rechtsabbiegen der links Fahrende den Bogen so weit zu nehmen hat, dass er den Inhaber der rechten Fahrspur nicht in Bedrängnis bringt“. Selbst wenn das Erstgericht auf Seite 9 unten wieder einschränkend ausführte, der Beklagte zu 2) habe „beim oder nach dem Rechtsabbiegen seine Fahrspur verlassen“, beinhaltet dies nicht die Lesart des Klägers, der Unfall habe sich ohne jeden Bezug zum Abbiegen ereignet, wie sich im Übrigen auch aus dem Hinweis des Landgericht in der Beweisverhandlung ergibt. Selbst die Unfalldarstellung des Klägers in der Klage beginnt mit dem Stehen an der Ampel und dem Abbiegemanöver, was wenig Sinn macht, wenn doch das Abbiegemanöver für den Unfallhergang keine ursächliche Rolle gespielt haben soll.

Zusammenfassend geht der Senat daher mit dem Landgericht davon aus, dass der Unfall, wenn auch nicht mehr im unmittelbaren Kreuzungsbereich, so aber noch im Zuge des gleichzeitigen Abbiegens der Fahrzeuge erfolgte. Auch im Lichte der Ausführungen des Sachverständigen (vgl. auch dessen Unfallskizzen) gibt es keine Veranlassung anzunehmen, der Beklagte zu 2) sei mit seinem Gespann, hier vor allem dem Anhänger, nicht im Zuge des Abbiegevorgangs in die linke Spur geraten. Das noch in der Klage vom Kläger behauptete unerfindliche Verlieren der Kontrolle deutlich nach dem Abbiegen in Geradeausfahrt, das Hupen und dem durch ein Rechtsziehen verursachten Schlingern in die Fahrbahn des klägerischen Fahrzeugs hat so selbst der klägerische Fahrer (Zeuge .) nicht bestätigt (vgl. Protokoll vom 23.03.2015, Bl. 35 d.A.). Nach den Angaben des Zeugen habe der Anhänger in der Geradeausfahrt „noch einmal einen Schlenker nach links“ gemacht. Ohne jegliche technische, in der Fahrbahn liegende oder witterungsbedingte Ursachen, von denen nichts bekannt wurde, machen Anhänger unabhängig von dem Zugfahrzeug keine Schlen-ker, was der Senat als Spezialsenat für Verkehrsunfälle aller Art in eigener Sachkenntnis feststellen kann.

Wie beim ähnlichen Fall des Anfahrens vom Fahrbahnrand endet ein Abbiegevorgang nicht schon mit dem Verlassen der Kreuzung (dort Verlassen der Parklücke), sondern erst dann, wenn sich der Abbiegende so weit von der Kreuzung entfernt und sich in seinem Fahrverhalten (Einordnen, Geschwindigkeit) so dem Verkehrsfluss angepasst hat, dass die Tatsache seines Abbiegens unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr für den weiteren Geschehensablauf ursächlich sein kann.

Im vorliegenden Fall ist daher nach den Feststellungen des Landgerichts davon auszugehen, dass die Kollision der Fahrzeuge am Ende der Kurvenfahrt oder unmittelbar danach erfolgte, also noch zu einer Zeit, zu der der Beklagte zu 2) die vom klägerischen Fahrer zu achtende bevorrechtigte Wahl hatte, in welcher Fahrspur der I. Straße er weiterfahren will.

Denn das Landgericht hat die von ihr zur Stützung ihrer Ansicht (Verstoß des Beklagten zu 2) gegen § 7 V StVO) herangezogene Entscheidung des BGH (NZV 2007, 185) missverstanden. Diese Entscheidung betrifft nur den Fall, in dem durch Richtungspfeile zwei Abbiegespuren ausdrücklich ausgewiesen sind (vgl. Senat Hinweis v. 09.04.2008 - 10 U 2009/08; Beschluss v. 31.08.2011, Az. 10 U 3307/11). Dementsprechend führt der BGH in der angeführten Entscheidung auch aus: „Dem am weitesten rechts eingeordneten Rechtsabbieger kann jedoch dann nicht stets das Vortrittsrecht zugebilligt werden, wenn paralleles Abbiegen in eine mehrspurige Straße durch Richtungspfeile geboten ist.“

Da hier kein paralleles Abbiegen ausgewiesen war, hat der ordnungsgemäß am weitesten rechts eingeordnete Abbiegende die freie Wahl, ein Fahrstreifenwechsel liegt insoweit nicht vor (allg. M. seit BayObLG DAR 1974, 304; ferner etwa KG NZV 2005, 91; Senat a.a.O.).

Vorliegend sind auf der vom Kläger benutzten mittleren Spur keine Richtungspfeile angebracht. Die mittlere Fahrspur der H. Straße endet an der Kreuzung zur I. Land Straße und wird auch nicht als zweite Links- und/oder Rechtsabbiegerspur in der Kreuzung weitergeführt (vgl. hierzu Haarmann DAR 1987, 139). Der Beklagte zu 2) hatte als ordnungsgemäß eingeordneter Rechtsabbieger grundsätzlich gegenüber dem links von ihm eingeordneten Kläger den Vorrang und hinsichtlich des Fahrstreifens auf der I. Straße die freie Wahl. Der paarweise abbiegende, links eingeordnete Fahrer musste das Gespann des Beklagten zu 2) ständig beobachten (BayObLG und KG a.a.O.; Senat, Be-schl. v. 10.02.2012 - 10 U 4890/11.). Auch wenn, wie der Sachverständige ausgeführt hat, ein paarweises Abbiegen theoretisch möglich war, musste der Kläger damit rechnen, dass der ihm gegenüber vorfahrtsberechtigte Beklagte zu 2) womöglich sogar vollständig in die linke Spur der I. Land Straße hineinzieht. Er durfte demgemäß nicht versuchen, den Beklagten zu 2) mit seinem Gespann im Zuge des Abbiegemanövers zu überholen. Dieser Verstoß rechtfertigt seine alleinige Haftung. Aus den vom Landgericht zutreffend festgestellten Tatsachen ergäbe sich für den Beklagten zu 2) lediglich dann eine Vermeidbarkeit des Unfalls, wenn er die rechte Fahrspur der I. Land Straße eingehalten hätte (siehe Ersturteil S. 7, vorletzter Absatz), hierzu war der Beklagte zu 2) aber nicht verpflichtet. Es ist auch nicht ersichtlich (Kollision mit dem Anhänger), weshalb der Beklagte zu 2) rechtzeitig hätte erkennen können, dass der Kläger sein Vorrecht missachtet. Zuletzt rechtfertigt das fehlerhafte Verkehrsverhalten des Klägers, eine etwaige Haftung der Beklagten dahinter zurücktreten zu lassen, weswegen die Klage insgesamt abzuweisen war.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils und dieses Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

IV.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers vom 09.09.2015 wird das Endurteil des LG München II vom 04.08.2015 (Az. 12 O 313/14) abgeändert und wie folgt neu gefasst: 10 u 3295/15 - Seite 2 Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger samtverbindlich 3.257,23 € sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 413,64 € nebst jeweils Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.12.2013 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 30% und die Beklagten samtverbindlich 70%. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 45%, die Beklagten samtverbindlich 55%.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.