Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten vom 01.06.2018 wird das Endurteil des LG Traunstein vom 11.05.2018 (Az. 5 O 2804/16) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

I. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 24.08.2016 zu zahlen.

II. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 83,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 24.08.2016 zu zahlen.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Von den Kosten des Rechtsstreits (erster Instanz) tragen der Kläger 96% und die Beklagten gesamtschuldnerisch 4%.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das vorgenannte Urteil des Landgerichts sowie dieses Urteil sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

B.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.

I.

Mit der Berufung greifen die Beklagten nur die vom Landgericht zugesprochenen Reparaturkosten in Höhe von 2.332,85 € an. Das Landgericht hat zu Unrecht einen Anspruch des Klägers auf Erstattung der Reparaturkosten bejaht.

1. Bei dem Unfall wurde der Kläger verletzt und sein Fahrrad beim Zusammenstoß mit dem zum Unfallzeitpunkt von der Beklagten zu 2) geführten Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen … beschädigt. Der Beklagte zu 1) ist der Halter und die Beklagte zu 3) die Haftpflichtversicherung des Fahrzeugs. Deshalb kommt grundsätzlich ein Anspruch des Klägers aus § 7 I StVG i. Verb. m. § 115 I 1 Nr. 1 VVG und, soweit ein Verschulden der Beklagten zu 2) vorliegen sollte, aus § 823 I BGB in Betracht. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.

2. Der Kläger begehrt die Erstattung von aufgrund des Kostenvoranschlages vom 18.09.2015 (vgl. Anlage K1) ermittelten Reparaturkosten in Höhe von insgesamt 3.832,85 €. Da die Beklagten lediglich auf Totalschadensbasis abrechnen wollen (vgl. Tatbestand Ersturteil S. 3= Bl. 148 d.A.), ist damit die vom Kläger gewollte Abrechnung auf Reparaturbasis und deren tatsächliche Grundlagen bestritten. Die Beklagten haben in der Klagerwiderung ein Kurzgutachten des Sachverständigen Sch. vorgelegt sowie vorgetragen, dass am klägerischen Fahrrad ein Totalschaden eingetreten sei und der Kläger auf Totalschadenbasis abrechnen müsse (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert). Dieser Sachvortrag wurde unter Beweis gestellt durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Der Senat hat deshalb zur Abklärung der Angemessenheit der vom Kläger in der Klageschrift Bl. 4 geltend gemachten Reparaturkosten in Höhe von 3.832,85 € sowie zur Berechnung des Wiederbeschaffungswertes und Restwertes des streitgegenständlichen Fahrrads ergänzende Feststellungen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO) getroffen und hierzu den Kläger sowie den Sachverständigen Dipl.-Ing. Albert S. in der Sitzung vom 16.11.2018 zur Erstattung eines mündlichen Gutachtens angehört.

Nach der Anhörung des Sachverständigen ist der Senat davon überzeugt, dass aufgrund des streitgegenständlichen Unfallereignisses beim Fahrrad des Klägers ein wirtschaftlicher Totalschaden eingetreten ist. Im Einzelnen:

a) Grundsätzlich kann ein Geschädigter im Totalschadensfalle ausnahmsweise die voraussichtlichen Reparaturkosten zzgl. einer etwaigen Wertminderung erstattet verlangen, wenn diese Summe den Wiederbeschaffungswert um nicht mehr als 30% übersteigt (BGH VersR 1992,61; BGH r+s 2003, 303; r+s 2005, 172; r+s 2009, 434; r+s 2010, 128; Jahnke in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. A., § 249 BGB, Rn. 65). Maßgeblich für die Berechnung ist grundsätzlich die Reparaturkostenkalkulation des Sachverständigen, nicht der schlussendlich tatsächlich angefallene Reparaturaufwand. Der Restwert des Fahrzeuges wird bei dieser Berechnung nicht berücksichtigt. Grundlage dieser Rechtsprechung ist das besondere Integritätsinteresse des Geschädigten. Damit soll faktisch sichergestellt sein, dass das Eigentum des Geschädigten für den Bedarfsfall in seiner konkreten Zusammensetzung und nicht nur dem Wert nach erhalten bleiben kann. Der Reparaturkostenersatz erfolgt allerdings nur nach tatsächlich durchgeführter, fachgerechter Reparatur im Umfange des Sachverständigengutachtens (BGH DAR 2005, 266), jedenfalls aber in einem Umfang, der den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigt (BGH DAR 2005, 268 [269]). Eine Teilreparatur ist nicht ausreichend. Setzt der Geschädigte nach einem Unfall sein Kraftfahrzeug nicht vollständig und fachgerecht in Stand, ist regelmäßig die Erstattung von Reparaturkosten über dem Wiederbeschaffungswert nicht gerechtfertigt. Im Hinblick auf den Wert der Sache wäre eine solche Art der Wiederherstellung im Allgemeinen unvernünftig und kann dem Geschädigten nur ausnahmsweise im Hinblick darauf zugebilligt werden, dass der für ihn gewohnte und von ihm gewünschte Zustand des Fahrzeuges auch tatsächlich wie vor dem Schadensfall erhalten bleibt bzw. wiederhergestellt wird (vgl. BGH VersR 2007, 1244; BGHZ 162, 161, 168; BGH VersR 1972, 1024 f. und VersR 1985, 593, 594). Dass der Geschädigte Schadensersatz erhält, der den Wiederbeschaffungswert übersteigt, ist deshalb mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot und Bereicherungsverbot nur zu vereinbaren, wenn er den Zustand des ihm vertrauten Fahrzeuges wie vor dem Unfall wieder herstellt.

b) Diese zu beschädigten Kraftfahrzeugen ergangene Rechtsprechung ist nach Auffassung des Senats auch für ein, wie hier nahezu vollständig beschädigtes Rennrad, übertragbar. Entgegen der Ansicht des Klägers gibt es keinen Grund, bei Fahrrädern, welche die letzten Jahrzehnte ebenfalls wie Kraftfahrzeuge eine stetige technische Weiterentwicklung vollzogen haben, die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze für Kraftfahrzeuge hier nicht anzuwenden. Der Kläger betont im vorliegenden Rechtsstreit gerade die Besonderheiten im Hinblick auf den beim beschädigten Fahrrad vorhanden Karbonrahmen. Selbst wenn das Fahrrad nach den Angaben des Klägers zu einem Liebhaberstück wurde, ist zu bedenken, dass es sich nach den Angaben des Sachverständigen Dipl.-Ing. Albert S. um ein Komplettrad der Marke Scott handelte, welches einen relativ geringen Wiederbeschaffungswert aufweist. Nicht überzeugend ist der Einwand des Klägers, wonach für die Frage der Unverhältnismäßigkeit der Reparatur auch andere Umstände als das reine Wertverhältnis, wie der Grad des Verschuldens, zu berücksichtigen seien. Die zitierte Entscheidung des BGH (vgl. BGH MDR 1988, 213) betraf den Ersatz von Aufwendungen im Rahmen eines Auftragsverhältnisses und keinen Schaden im Rahmen eines Verkehrsunfalles. Das Verschulden wird hier bereits im Rahmen der Haftungsquote berücksichtigt.

c) Der Kläger hat im Rahmen seiner Anhörung vor dem Senat am 16.11.2018 angegeben, dass er das Fahrrad vor ca. 10 bis 12 Jahren, „round about“, bei einem Händler im Allgäu habe zusammenbauen lassen und dort abgeholt habe. Damit hat der Kläger seinen zunächst in der Replik vom 26.10.2016 genannten Erwerbszeitraum des Fahrrads im Jahr 2012/2013 (vgl. Bl. 31 d.A.) geändert. Nach den überzeugenden Angaben des Sachverständigen Dipl.-Ing. Albert S. steht für den Senat fest, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Fahrrad, entgegen der Angaben des Klägers, nicht um einen Individualaufbau, sondern um ein Komplettrad handelt, welches dem Modelljahr 2004 zuzuordnen ist. Der Sachverständige hat hierzu beim Hersteller Scott recherchiert, welcher anhand der Rahmennummer des Fahrrades das Modelljahr ermitteln konnte. Der Senat übersieht nicht, wonach der Sachverständige ausführte, dass natürlich nicht auszuschließen sei, dass ein Händler ein Fahrrad aus dem Modelljahr 2004 länger aufhebe. Es sei jedoch sehr ungewöhnlich, dass ein Fahrrad aus dem Modelljahr 2004 erst viele Jahre später verkauft werde.

d) Nach den ausführlichen, von sorgfältiger Recherche geprägten Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. Albert S. ergibt sich für das Fahrrad, ausgehend vom Modelljahr 2004 unter Beachtung der Abwertungskurve nach Schwacke ein Wiederbeschaffungswert von 930,60 €. Da der Allgemeinzustand des Fahrrads zum Unfallzeitpunkt sehr gut gewesen ist, ist der Abwertungsschlüssel hier um 10% auf 28% zu erhöhen, so dass sich der für das Fahrrad angemessene Wiederbeschaffungswert auf 1.447,60 € beläuft.

e) Damit liegen die vom Kläger geltend gemachten Reparaturkosten weit über 130% des Wiederbeschaffungswertes. Bezüglich der unbeschädigten Teile ging der Sachverständige von einem Restwert von ca. 28,00 € aus, so dass der Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts 1.419,60 € beträgt. Im Lichte der obigen Rechtsprechung musste der Kläger daher auf Totalschadenbasis abrechnen und kann nicht die geltend gemachten Reparaturkosten beanspruchen. Insoweit ist die vom Kläger ins Feld geführte, vom Erstgericht geteilte, Begründung, wonach ihm nicht zumuten sei, ein gebrauchtes Rennrad mit Karbonrahmen, bei dem der Kläger keine ausreichende Kenntnis über eventuelle Vorschädigungen des Karbonrahmens haben wird, als Ersatz zu akzeptieren, nicht überzeugend. Das gleiche Risiko hat letztlich auch jeder Geschädigte eines Kraftfahrzeugs, welcher angesichts der oben dargestellten Rechtsprechung auf Totalschadenbasis abrechnen muss. Sofern dieser auch nur den vom Schadensfall erstatteten Betrag zur Ersatzbeschaffung einsetzen kann, ist dieser auch auf den Erwerb eines gebrauchten Kraftfahrzeugs beschränkt. Auch bei einem gebrauchten Kraftfahrzeug besteht das Risiko, ein Fahrzeug zu erwerben, welches (versteckte) Vorschädigungen, z.B. im Getriebe, aufweist.

f) Da die Beklagte bereits 1.500,00 € für den Sachschaden am Fahrrad bezahlt hat, besteht für den Kläger kein weitergehender Schadenersatzanspruch mehr. Insoweit war das Ersturteil abzuändern und die Klage auch diesbezüglich abzuweisen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 I 1 Fall 1, 100 II, IV ZPO.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils und dieses Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

IV.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 249 Art und Umfang des Schadensersatzes


(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. (2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadenser

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

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Landgericht Traunstein Endurteil, 11. Mai 2018 - 5 O 2804/16

bei uns veröffentlicht am 11.05.2018

Tenor I. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 24.08.2016 zu zahlen.

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Tenor

I. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 24.08.2016 zu zahlen.

II. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 2.332,85 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 23.03.2016 zu zahlen.

III. Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 24.08.2016 zu bezahlen.

IV. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

V. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 75 % und die Beklagten gesamtschuldnerisch 25 %.

VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Parteien streiten wegen Schmerzensgeld und Schadensersatzansprüche aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 05.08.2015 in Neubeuern.

Der Kläger kam mit seinem Fahrrad zu Sturz, als die Beklagte zu 2) unter Vorfahrtsmissachtung auf die vom Kläger befahrene bevorrechtigte Straße fuhr.

Die Haftung der Beklagten zu 2) als Fahrerin, des Beklagten zu 1) als Halter und der Beklagten zu 3) als Haftpflichtversicherung des unfallbeteiligten PKWs mit dem amtlichen Kennzeichen ... sind unstreitig.

Die Beklagte zu 3) hat vorgerichtlich einen Betrag von 1.500,00 € für den Schaden des Fahrrades an den Kläger gezahlt.

Der Kläger trägt vor, dass er durch den Unfall verletzt worden sei. Der rechte Fuß habe geblutet, sei angeschwollen und geschürft gewesen. Ebenfalls sei das rechte Knie angeschwollen. Da der Kläger bereits einen einwöchigen Italienurlaub gebucht hatte, sei er vor dem Urlaub nicht mehr zum Arzt gegangen. Es habe sich dann infolge dauerhafter Beschwerden herausgestellt, dass er eine Lendenwirbelsäulenproblematik habe. Die unfallbedingten Verletzungen ergäben sich aus den Schreiben der Kernspintomographie im Aicherpark vom 26.11.2015 (Anlage K 6) und der Patientendokumentation vom 19.11.2015 (Anlage K 5).

Infolge der körperlichen Beeinträchtigungen habe der Kläger auch Kosten für die Kernspintomographie in Höhe von 815,71 €, der Firma ... über 40,74 €, des Dr. ... über 38,87 € und des ... Zentrum ... über 258,65 € tragen müssen.

Daneben sei bei dem Unfall das Fahrrad des Klägers, das er ca. 2012/2013 zu einem Preis von 7.500,00 € neu gekauft habe, beschädigt worden. Die erforderlichen Reparaturkosten würden 3.832,85 € betragen. Insbesondere komme eine Verweisung des Klägers auf die Abrechnung als Totalschaden mit dem beklagtenseits vorgestellten Wiederbeschaffungswert 1.600,00 € abzüglich Restwert 100,00 €, insgesamt 1.500,00 € Fahrradschaden nicht in Betracht. Der Kläger habe sich kein neues Rennrad kaufen wollen, da das verunfallte einen technischen Stand aufweist, der dem aktuellen entspreche. Technische Neuerungen gäbe es praktisch nicht. Für Rennräder dieser Klasse gebe es auch keinen Gebrauchtmarkt. Darüber hinaus seien die Rahmenhöhen sehr spezifisch, so dass auch aus diesem Grund kein gebrauchtes, dem beschädigten des Klägers gleichwertiges oder identisches Rennrad beschafft werden könne. Die Abrechnung auf Gutachtenbasis sei daher möglich, auch weil der Kläger mit dem verunfallten Fahrrad auch einen ideellen Wert verbinde.

Der Kläger beantragt:

  • 1.Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes angemessenes Schmerzensgeld, mindestens 6.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

  • 2.Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 3.486,82 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 2.332,85 € seit 23.03.2016 und aus 895,32 € seit 15.04.2016 und aus 258,65 € seit 07.05.2016 zu zahlen.

  • 3.Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger die nicht anrechenbaren Kosten für die außergerichtliche Regulierung in Höhe von 566,02 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

  • 4.Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die dem Kläger aus dem Verkehrsunfall vom 05.08.2015 noch entstehen werden, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist oder noch übergehen wird.

Die Beklagten beantragen

Klageabweisung.

Sie bestreiten, dass der Kläger bei dem bei dem Unfall verletzt worden sei. Soweit der Kläger materielle Ansprüche geltend mache, komme eine Abrechnung auf Gutachtenbasis nicht in Betracht. Es sei von einem Zeitwert des klägerischen Fahrrads vor dem Unfallereignis von 1.600,00 € und von einem Fahrradrestwert des Fahrrads im beschädigten Zustand in Höhe von 100,00 € auszugehen. Aufgrund dieses Totalschadens könne der Kläger lediglich den Fahrzeugschaden in Form des Wiederbeschaffungswertes abzüglich des Restwertes verlangen, den die Beklagte zu 3) bereits an ihn gezahlt hat.

Daneben seien die geltend gemachten Heilbehandlungskosten mangels unfallbedingter Verletzung des Klägers ebenfalls nicht zu erstatten.

Wegen der weiteren Einzelheiten und zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf sämtliche zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

Das Gericht hat die Parteien informatorisch angehört im Termin vom 22.12.2016 (Bl. 56-66 d.A.). Auf die Sitzungsniederschrift wird ebenfalls vollumfänglich Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Erholung eines Sachverständigengutachtens der Sachverständige Dr. .../Dr. ... vom 08.02.2018 (Bl. 83 d.A.). Auf dieses wird ebenfalls vollumfänglich Bezug genommen.

Mit Schriftsätzen vom 03.04.2018 und 26.03.2018 haben die Parteien einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt.

Mit Beschluss vom 17.04.2018 wurde als Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht und bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, der 04.05.2018 bestimmt.

Gründe

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.

Der Kläger hat den Nachweis dafür, dass er über Schürfwunden am Fuß/Bein und eine Prellung des Knies hinaus bei dem streitgegenständlichen Unfall verletzt wurde, nicht führen können. Mangels Nachweis einer unfallbedingten Verletzung über die Schürfwunden bzw. Knieprellung hinaus, kommt eine Erstattung von Heilbehandlungskosten nicht in Betracht. Nachdem auch keine Verletzungen gegeben sind, die zukünftige materielle oder immaterielle Beeinträchtigungen erwarten lassen, war dem Feststellungsantrag nicht stattzugeben.

Der Kläger kann Ersatz der Reparaturkosten des bei dem Unfall beschädigten Fahrrades unter Berücksichtigung des bereits seitens der Beklagten bezahlten Betrages von 1.500,00 € auf den Fahrradschaden verlangen.

I.

Der Kläger ist beweispflichtig für die von ihm geltend gemachten unfallbedingten Verletzungen. Diesbezüglich hat er im Termin vom 22.12.2016 ausgeführt, dass er bei dem Fahrradsturz verletzt worden sei dergestalt, dass er Schmerzen erlitten habe sowie Schürfwunden am rechten Schienbein und am rechten Knie eine Schwellung erlitten habe.

1. Das Gericht geht davon aus, dass diese Angaben zutreffend sind. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger angesichts des Unfallgeschehens, das für das Gericht plausibel und nachvollziehbar seitens des Klägers geschildert wurde, nicht wie von ihm beschrieben verletzt wurde.

Soweit die Beklagtenpartei unfallbedingte Verletzungen bestritten hat, ist das Gericht aufgrund der informatorischen Angaben des Klägers davon überzeugt, dass der Kläger Schürfwunden sowie eine Schwellung des rechten Knies erlitten hat und die hiermit verbundenen Schmerzen bestanden.

2. Soweit der Kläger weitere unfallbedingte Verletzungen geltend macht, ist ein Nachweis der Unfallkausalität nicht gelungen.

Die Sachverständigen Dr. .../Dr. ... kommen in ihrem Gutachten vom 08.02.2018 für das Gericht nachvollziehbar und plausibel zu dem Ergebnis, dass der Unfall beim Kläger zu keinen nachweisbar auf das Unfallgeschehen zurückzuführenden Verletzungen im Lendenwirbelsäulenbereich geführt hat.

Die Sachverständigen, die dem Gericht aus einer Vielzahl von gerichtlichen Sachverständigengutachten als kompetent und fundiert bekannt sind, stellen vielmehr fest, dass degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule und anlagebedingte Veränderungen am Spinalkanal vorliegen, die nicht auf den Unfall zurückzuführen seien. Auch der klinische Verlauf des Klägers nach dem Unfall sei mit einer wissenschaftlich begründeten Diagnosestellung einer schweren strukturellen Läsion nicht zu vereinbaren. Vielmehr handle es sich um ausnahmslos anlagebedingte Veränderungen.

Das Gericht legt die Ausführungen der Sachverständigen in ihrem Gutachten vom 08.02.2018 bei seiner Entscheidung vollumfänglich zugrunde.

Der Nachweis, dass über die unfallbedingt erlittenen Verletzungen in Form der Schürfwunden und der Schwellung des rechten Knies weitere Verletzungen des Klägers durch den Unfall verursacht wurde, ist damit nicht gelungen.

3. Bei der Bemessung des klägerseits wegen der Verletzungen begehrten Schmerzensgeldes geht das Gericht in der Gesamtschau davon aus, dass - insbesondere auch in Bezug auf vergleichbare Fälle - hier ein Schmerzensgeld in Höhe von 500,00 € erforderlich aber auch ausreichend ist, um die Schmerzen des Klägers zu kompensieren.

Ein höheres Schmerzensgeld kommt mangels weiterer dauerhafter Schmerzen aufgrund der Schürfwunden oder der Knieschwellung nicht in Betracht.

II.

Nachdem ein Nachweis weiterer unfallbedingter materieller oder immaterieller Schäden nicht gelungen ist, kommt auch der Ersatz von Heilbehandlungskosten für solche körperlichen Beeinträchtigungen, die der Kläger aufgrund des Unfalls geltend macht, nicht in Betracht. Des Weiteren besteht auch kein Anhaltspunkt dafür, dass aufgrund der lediglich erwiesenen Schürfwunden und Knieschwellung materielle oder immaterielle Zukunftsschäden des Klägers zu befürchten sind, für die ein entsprechendes Feststellungsinteresse bestehen würde.

Die Klage war daher im Übrigen abzuweisen.

III.

Der Kläger kann Ersatz der Reparaturkosten für sein Fahrrad verlangen.

1. Soweit Reparaturkosten aufgrund des Kostenvoranschlags vom 18.09.2015 (Anlage K 1) in Höhe von 3.832,85 € seitens des Klägers vorgetragen werden, sind diese durch die Beklagte der Höhe nach nicht bestritten worden.

2. Die Beklagte hat vielmehr vorgetragen, dass eine Erstattung von Reparaturkosten nicht in Betracht käme, da es sich vorliegend um einen Totalschaden des Fahrrades handeln würde. Der Kläger könne daher nur auf Totalschadenbasis abrechnen, d.h. die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert verlangen. Hierzu verweist die Beklagte auf das Kurzgutachten Schaffner vom 20.01.2016 (Anlage B 2).

Das Gericht geht im vorliegenden Fall davon aus, dass ein Verweis des Klägers auf eine Abrechnung auf Totalschadenbasis nicht in Betracht kommt.

Der Kläger kann Erstattung der Reparaturkosten verlangen, da ihm nicht zuzumuten ist, ein gebrauchtes Rennrad mit Carbonrahmen, bei dem der Kläger keine ausreichende Kenntnis über eventuelle Vorschädigungen des Carbonrahmens haben wird, als Ersatz zu akzeptieren. Bei Carbonrahmen sind Beschädigungen, anders als bei sonstigen Rahmenwerkstoffen, nicht ohne weiteres erkennbar. Eventuelle Haarrisse, die beispielsweise aufgrund Umfallens des Fahrrades oder eines (auch nur leichten, aber für den Rahmen ungünstigen) Sturzes entstehen können, sind ohne weitere Diagnostik des Rahmens nicht sichtbar. Sie sind jedoch äußerst gefährlich, da sie bei Belastung zu einem plötzlichen Brechen des Rahmens führen können, das nicht vorhersehbar ist.

Der Kläger müsste daher bei Verweis auf eine Abrechnung auf Totalschadenbasis ein gebrauchtes Fahrrad kaufen, bei dem für ihn nicht erkennbar ist, ob es Vorschäden hat.

Dies ist zur Überzeugung des Gerichts nicht zumutbar.

Selbst wenn man den Kläger darauf verweist, dass er überprüfen lassen kann, ob der Rahmen unbeschädigt ist (was letztlich nur durch aufwendige und teure Diagnostik, wohl eine Computertomographie des Rahmens, möglich wäre), übersteigt dies zur Überzeugung des Gerichts das dem Kläger im Rahmen der Schadensregulierung Zumutbare.

Ausgangspunkt ist nämlich, dass der Kläger als Geschädigter so zu stellen ist, wie er ohne den Unfall stünde. Ohne den Unfall hätte der Kläger ein Rennrad mit Carbonrahmen, das er neu gekauft hat und dessen Zustand er genau kennt.

Dieser Zustand ist für ihn wiederherzustellen. Dies ist zur Überzeugung des Gerichts nur durch Ersatz des Rahmens mittels eines neuen Bauteils (Frameset) möglich.

3. Daneben ist zu berücksichtigen, dass ein nennenswerter Gebrauchtmarkt für Fahrräder, die dem des Klägers vergleichbar sind, nicht existiert. Insbesondere sind Rennräder in der vorliegenden Preisklasse individuell für den jeweiligen Fahrer ausgesucht und in Bezug auf die Rahmenspezifikationen, d.h. die Rahmengröße, Rahmengeometrie, d.h. die Längen der Rahmenbauteile (Oberrohr, Unterrohr, Vorbau, Sattelstütze etc.) auf die jeweiligen Proportionen des Fahrers abgestimmt. Es wäre deswegen eher Zufall, wenn ein gebrauchtes Fahrrad mit vergleichbaren Spezifikationen, gleicher Geometrie und vergleichbarem Alter in für den Kläger zumutbarer Nähe auf dem Markt zur Verfügung stehen würde.

Der Kläger kann daher aufgrund der zu erwartenden langen Nutzungsdauer eines Rennrades in der streitgegenständlichen Preisklasse, dem Umstand, dass ein Gebrauchtmarkt, der beispielsweise einem Kfz-Gebrauchtmarkt entsprechen würde, für solche Fahrräder nicht existiert und dem ideellen Interesse, das der Kläger an dem Fahrrad berechtigterweise hat, insbesondere aufgrund der Kenntnis darüber, ob (bzw. dass nicht!) mit dem Carbonrahmen eventuelle Unfälle geschehen sind, vorliegend Reparatur anstatt Abrechnung auf Totalschadenbasis verlangen.

Die der Höhe nach bestrittenen Reparaturkosten sind mit insgesamt 3.832,85 € brutto zugrunde zu legen, wovon die bereits auf den Fahrradschaden gezahlten 1.500,00 € in Abzug zu bringen sind. Der Kläger kann daher Ersatz von noch 2.332,85 € für den Fahrradschaden verlangen.

IV.

Aus dem Gegenstandswert von 2.832,85 € kann der Kläger Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangen. Diese sind im Umfang von 1,3 Gebühren zuzüglich Pauschale und Mehrwertsteuer, insgesamt 334,75 € zu erstatten.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.