Oberlandesgericht München Beschluss, 17. Nov. 2015 - 7 W 1896/15

bei uns veröffentlicht am17.11.2015

Gericht

Oberlandesgericht München

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 02.10.2015, Az: 26 O 17641/14, aufgehoben und wird die Rechtspflegerin am Landgericht München I angewiesen, das Versäumnisurteil vom 10.03.2015 und den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 04.08.2015 als Europäischen Vollstreckungstitel zu bestätigen.

Gründe

I. Der Kläger hat gegen den Beklagten am 10.03.2015 ein Versäumnisurteil erstritten und beantragte die Erteilung einer Bestätigung als Europäische Vollstreckungstitel bezüglich des Versäumnisurteils und des Kostenfestsetzungsbeschlusses.

Die Rechtspflegerin am Landgericht München I hat durch Beschluss vom 02.10.2015 den Antrag zurückgewiesen, weil sie die Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Bestätigung nicht als vorliegend ansah. Nach ihrer Auffassung handelt es sich um eine Verbraucherangelegenheit, der Beklagte/Schuldner habe zum Zeitpunkt der gerichtlichen Geltendmachung seinen Wohnsitz nicht im Ursprungsmitgliedstaat gehabt, so dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel nicht vorliegen.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers, der seinen Antrag, Versäumnisurteil und Kostenfestsetzungsbeschluss als Europäischen Vollstreckungstitel auszufertigen, weiterverfolgt. Er verweist darauf, dass die Klageforderung bereits mittels Auslandsmahnbescheids geltend gemacht worden sei und mitgeteilt worden sei, dass der Schuldner kein Verbraucher sei. Auch aus der Tatsache, dass für die Klageforderung Verzugszinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz beansprucht und zuerkannt worden seien, sei zu schließen, dass der Antragsgegner kein Verbraucher sei.

Das Landgericht hat durch Beschluss vom 16.10.2015 der sofortigen Beschwerde des Klägers nicht abgeholfen. Es hielt an seiner Auffassung, wonach die Nutzung einer Kreditkarte für private Zwecke, wie sie der Kläger vortragen ließ, eine Nutzung als Verbraucher darstelle, fest.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde des Klägers, §§ 1080 Abs. 2, 724, 567 Abs. 1 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG (Zöller, ZPO, 31. Auflage, § 724 Rdnr. 13), erweist sich in der Sache als erfolgreich.

Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 EuVTVO liegen vor, es liegen unbestrittene Forderungen vor, die Entscheidungen sind im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar (Art. 6 Abs. 1 a)) und Bedenken gegen das Vorliegen der Voraussetzungen in Art. 6 b) und c) bestehen nicht. Zu Recht hat das Landgericht vorliegend bei der Frage, ob der Antrag des Klägers begründet ist, die Voraussetzungen des Art. 6 d) (EG) Nr. 805/2004 (EuVTVO) geprüft und eine gegen einen Verbraucher ergangene Versäumnisentscheidung angenommen. Bei der Frage, ob der Beklagte/Schuldner als Verbraucher zu qualifizieren ist, kommt es maßgeblich auf die Anspruchsbegründung des Klägers an, mithin darauf, auf welchen Lebenssachverhalt er seine Ansprüche stützt. Der Kläger hat nach eigenem Vortrag dem Beklagten „ca. im Juli 2000 eine American Express Platinum Zweitkarte ... mit der Maßgabe überreicht, dass der Beklagte nur für private Zwecke und nur bis zu einem monatlichen Höchstbetrag von 1.000,00 DM nutzen dürfe“. Mit seiner Klage machte der Kläger Ansprüche gegen den Beklagten in Höhe von 16.685,71 Euro geltend, die er damit begründete, dass der Beklagte abredewidrig am 14. und 15.09.2000 in Prag die Karte 15 mal einsetzte, um Telefone und hochwertige Kleidung einzukaufen. Hierdurch sei er, der Kläger, vorsätzlich durch den Beklagten geschädigt. Der Senat teilt die Auffassung des Erstgerichts, wonach aus dem Klägervortrag selbst zu entnehmen ist, dass die Überlassung der Kreditkarte an den Beklagten ein Verbrauchergeschäft darstellt. Anhaltspunkte dafür, dass die Überlassung der Kreditkarte und die dieser zugrunde liegende Vereinbarung sowohl auf Seiten des Klägers als auch auf Seiten des Beklagen im Rahmen einer gewerblichen oder selbstständigen Tätigkeit erfolgten, ergeben sich aus dem Klägervortrag nicht. Allein die Tatsache, dass der Kläger gem. § 288 Abs. 2 BGB a. F. Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz beantragte und im Versäumnisurteil auch zugesprochen bekam, ist nicht geeignet, einen Beleg dafür zu geben, dass der Beklagte kein Verbraucher war. Gleiches gilt im Hinblick auf den Mahnbescheidsantrag und den Schriftsatz vom 13.11.2013. In diesem Schriftsatz finden sich keine Ausführungen, die die Annahme rechtfertigen würden, dass der Antragsgegner kein Verbraucher ist.

Damit ist aufgrund der Darstellung des Klägers davon auszugehen, dass es sich auf beiden Seiten nicht um ein unternehmerisches Geschäft gehandelt hat und sowohl der Kläger als auch der Beklagte bei der Überlassung der Kreditkarte nicht berufs- oder gewerbsbezogen handelten.

Zwar etabliert die EuVTVO Art. 6 Abs. 1 d) bei gegen Verbraucher ergangenen Versäumnisentscheidungen ein von Art. 45 Abs. 1 e), i) i. V. m. Art. 17 ff EuGVVO abweichendes eigenständiges Schutzsystem dergestalt, dass gegen ihn nur in seinem Wohnsitzstaat ergangene Säumnisentscheidungen als Europäische Vollstreckungstitel bestätigt werden können (vgl. Zöller, a. a. O. § 1080 Rdnr. 17). Für den vorliegenden Fall, in dem ein für beide Seiten nichtunternehmerisches Geschäft vorliegt, d. h. ein sog. C2C Geschäft, findet nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH vom 05.12.2013 - C-508/12), die besondere Bestätigungsvoraussetzung des Art. 6 Abs. 1 d) EuVTVO jedoch keine Anwendung (vgl. Prütting, Gehrlein, ZPO, 7. Auflage, Anhang nach § 1086, Art. 6 VO 805/2004 Rdnr. 5). Danach ist Art. 6 Abs. 1 Buchst. d) der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen dahin auszulegen, dass er nicht auf Verträge anwendbar ist, die zwischen zwei nicht berufs- oder gewerbsbezogen handelnden Personen geschlossen werden. Grund für die Regelung in Art. 6 Abs. 1 d) EuVTVO ist die Notwendigkeit, die schwächere Partei des Vertrags zu schützen, wenn dieser zwischen einer nicht berufs- oder gewerbsbezogen und einer berufs- oder gewerbsbezogen handelnden Person geschlossen wurde. An einem derartigen Ungleichgewicht zwischen den Parteien fehlt es, wenn beide Vertragspartner als „Verbraucher“ handeln. Dies rechtfertigt es, die Norm des Art. 6 Abs. 1 d) EuVTVO nicht anzuwenden.

Da damit die Voraussetzungen für die Erteilung einer Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel gem. Art. 6 EuVTVO vorliegen, war der Beschluss des Landgerichts aufzuheben und die Rechtspflegerin anzuweisen eine entsprechende Bestätigung auszufertigen, Art. 9 EuVTVO.

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Oberlandesgericht München Beschluss, 17. Nov. 2015 - 7 W 1896/15 zitiert 4 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden


#BJNR001950896BJNE028103377 (1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. (2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, betr

Rechtspflegergesetz - RPflG 1969 | § 11 Rechtsbehelfe


(1) Gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers ist das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist. (2) Kann gegen die Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Recht

Zivilprozessordnung - ZPO | § 1080 Entscheidung


(1) Bestätigungen nach Artikel 9 Abs. 1, Artikel 24 Abs. 1, Artikel 25 Abs. 1 und Artikel 6 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 sind ohne Anhörung des Schuldners auszustellen. Eine Ausfertigung der Bestätigung ist dem Schuldner von Amts wegen zuz

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(1) Bestätigungen nach Artikel 9 Abs. 1, Artikel 24 Abs. 1, Artikel 25 Abs. 1 und Artikel 6 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 sind ohne Anhörung des Schuldners auszustellen. Eine Ausfertigung der Bestätigung ist dem Schuldner von Amts wegen zuzustellen. Das gilt nicht, wenn die antragstellende Person Übermittlung an sich zur Zustellung im Parteibetrieb beantragt hat.

(2) Wird der Antrag auf Ausstellung einer Bestätigung zurückgewiesen, so sind die Vorschriften über die Anfechtung der Entscheidung über die Erteilung einer Vollstreckungsklausel entsprechend anzuwenden.

(1) Gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers ist das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist.

(2) Kann gegen die Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel nicht eingelegt werden, so findet die Erinnerung statt, die innerhalb einer Frist von zwei Wochen einzulegen ist. Hat der Erinnerungsführer die Frist ohne sein Verschulden nicht eingehalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Erinnerung binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Die Wiedereinsetzung kann nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, nicht mehr beantragt werden. Der Rechtspfleger kann der Erinnerung abhelfen. Erinnerungen, denen er nicht abhilft, legt er dem Richter zur Entscheidung vor. Auf die Erinnerung sind im Übrigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die sofortige Beschwerde sinngemäß anzuwenden.

(3) Gerichtliche Verfügungen, Beschlüsse oder Zeugnisse, die nach den Vorschriften der Grundbuchordnung, der Schiffsregisterordnung oder des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wirksam geworden sind und nicht mehr geändert werden können, sind mit der Erinnerung nicht anfechtbar. Die Erinnerung ist ferner in den Fällen der §§ 694, 700 der Zivilprozeßordnung und gegen die Entscheidungen über die Gewährung eines Stimmrechts (§ 77 der Insolvenzordnung) ausgeschlossen.

(4) Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei.

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(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.