Oberlandesgericht München Beschluss, 26. Mai 2015 - 34 Wx 155/15

bei uns veröffentlicht am26.05.2015

Gericht

Oberlandesgericht München

Tenor

Die Sache wird unter Aufhebung der Vorlageverfügung vom 19. Mai 2015 an das Amtsgericht Deggendorf zurückgegeben.

Gründe

Das Verfahren hat einen Antrag auf Feststellung der Unschädlichkeit (sog. Unschädlichkeitszeugnis) - Eingang bei Gericht am 2.12.2013 - nach dem (bayerischen) Unschädlichkeitszeugnisgesetz (UnschZG) vom 15.6.1898 (BayRS 403J) in der Fassung vom 9.11.2012 (GVBl S. 534) zum Gegenstand. Während nach dem bis zum 1.12.2012 geltenden Rechtszustand ein Rechtsmittel nur gegeben war, wenn die Feststellung der Unschädlichkeit versagt wurde (Art. 8 UnschZG a. F.), und sich Zuständigkeit und das Verfahren nach den allgemeinen Regeln der freiwilligen Gerichtsbarkeit richteten, somit die funktionelle Zuständigkeit des Oberlandesgerichts nach der Bundesnorm des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG bestand (siehe Senat vom 27.11.2012, 34 Wx 157/12 bei juris), hat die gesetzliche Novelle zum einen die Anfechtungsmöglichkeiten auch auf stattgebende Entscheidungen des Amtsgerichts erweitert. Zum anderen bestimmt auf Empfehlung des Ausschusses für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz vom 18.10.2012 (Drucksache 16/14166) die Neufassung von Art. 8 UnschZG - unter Ausschluss der Rechtsbeschwerde - das Landgericht als Beschwerdegericht. Ob dies im Hinblick auf die eng verzahnte Materie mit dem zu den (bundesrechtlichen) Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zählenden Grundbuchrecht (§ 23a Abs. 2 Nr. 8 GVG) - wofür in Beschwerdesachen das Oberlandesgericht zuständig ist (vgl. § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG) - sachgerecht erscheint, hat der Senat nicht zu beurteilen. Jedenfalls war der Landesgesetzgeber nicht gehindert, in der ihm vorbehaltenen Materie (siehe Art. 120 EGBGB), deren Ausgestaltung und Verfahren eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit bildet (VerfGHE 23, 143/146; Demharter Rpfleger 2004, 406/407), den Rechtsweg eigenständig und abweichend von bundesrechtlichen Materien zu regeln. Somit ist gegen eine Entscheidung des Amtsgerichts, die den Antrag auf Feststellung der Unschädlichkeit zurückweist, nach Art. 8 Satz 1 UnschZG (n. F.) nun das Rechtsmittel der Beschwerde zum Landgericht gegeben.

Wegen (funktioneller) Unzuständigkeit des Oberlandesgerichts ist demzufolge unter Aufhebung der Vorlageverfügung die Sache an das Amtsgericht zurückzugeben. Das Amtsgericht wird das Rechtsmittel (erneut) dem als Beschwerdegericht zuständigen Landgericht vorzulegen haben, das seinerseits Gelegenheit hat, seine (interne) Rückgabeverfügung vom 18.5.2015 zu überdenken. Sollte das Landgericht sich weiterhin für unzuständig halten, wäre nach § 5 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 FamFG zu verfahren.

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Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht München Beschluss, 26. Mai 2015 - 34 Wx 155/15 zitiert 3 §§.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 5 Gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit


(1) Das zuständige Gericht wird durch das nächsthöhere gemeinsame Gericht bestimmt: 1. wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung der Gerichtsbarkeit rechtlich oder tatsächlich verhindert ist;2. wenn es mit Rücksicht

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 23a


(1) Die Amtsgerichte sind ferner zuständig für 1. Familiensachen;2. Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, soweit nicht durch gesetzliche Vorschriften eine anderweitige Zuständigkeit begründet ist.Die Zuständigkeit nach Satz 1 Nummer 1 ist

Referenzen

(1) Die Amtsgerichte sind ferner zuständig für

1.
Familiensachen;
2.
Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, soweit nicht durch gesetzliche Vorschriften eine anderweitige Zuständigkeit begründet ist.
Die Zuständigkeit nach Satz 1 Nummer 1 ist eine ausschließliche.

(2) Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind

1.
Betreuungssachen, Unterbringungssachen sowie betreuungsgerichtliche Zuweisungssachen,
2.
Nachlass- und Teilungssachen,
3.
Registersachen,
4.
unternehmensrechtliche Verfahren nach § 375 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
5.
die weiteren Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach § 410 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
6.
Verfahren in Freiheitsentziehungssachen nach § 415 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
7.
Aufgebotsverfahren,
8.
Grundbuchsachen,
9.
Verfahren nach § 1 Nr. 1 und 2 bis 6 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen,
10.
Schiffsregistersachen sowie
11.
sonstige Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, soweit sie durch Bundesgesetz den Gerichten zugewiesen sind.

(3) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 sind für die den Amtsgerichten obliegenden Verrichtungen in Teilungssachen im Sinne von § 342 Absatz 2 Nummer 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit anstelle der Amtsgerichte die Notare zuständig.

(1) Das zuständige Gericht wird durch das nächsthöhere gemeinsame Gericht bestimmt:

1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung der Gerichtsbarkeit rechtlich oder tatsächlich verhindert ist;
2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke oder aus sonstigen tatsächlichen Gründen ungewiss ist, welches Gericht für das Verfahren zuständig ist;
3.
wenn verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben;
4.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für das Verfahren zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben;
5.
wenn eine Abgabe aus wichtigem Grund (§ 4) erfolgen soll, die Gerichte sich jedoch nicht einigen können.

(2) Ist das nächsthöhere gemeinsame Gericht der Bundesgerichtshof, wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.

(3) Der Beschluss, der das zuständige Gericht bestimmt, ist nicht anfechtbar.