Oberlandesgericht München Beschluss, 10. Dez. 2015 - 11 W 2293/15

bei uns veröffentlicht am10.12.2015
vorgehend
Landgericht München I, 6 O 27724/13, 14.10.2015

Gericht

Oberlandesgericht München

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Festsetzungsbeschluss vom 14.10.2015 aufgehoben; es verbleibt bei dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13.08.2015.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Beschwerdewert beträgt 321,08 €.

Gründe

I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter, der mit dem vorliegenden Rechtsstreit gegen die Beklagte erfolgreich Ansprüche aus Insolvenzanfechtung geltend gemacht hat (Endurteil des Landgerichts vom 01.08.2014).

Die Kanzlei des Klägers befindet sich in Hamburg; den Rechtsstreit führte eine ebenfalls dort geschäftsansässige und in dieser Kanzlei tätige Anwältin.

Das klägerische Kostenfestsetzungsgesuch vom 29.04.2015 enthält deshalb auch deren Reisekosten von Hamburg nach München und zurück (Flug, Abwesenheitsgeld, Parkgebühren, insgesamt den beschwerdegegenständlichen Betrag von € 321,08).

Mit dem ersten Kostenfestsetzungsbeschluss in dieser Sache vom 13.08.2015 erkannte die Rechtspflegerin diese Fahrtkosten in voller Höhe an, wobei sie zur Begründung auf die Darlegungen des Klägers in dessen Schriftsatz vom 16.07.2015 Bezug nahm. Dagegen richtete sich zunächst die sofortige Beschwerde der Beklagten, die diese im Wesentlichen mit der Entscheidung des BGH vom 08.03.2012 - IX ZB 174/10, = WM 12, 664 begründete: Den Kläger, als Rechtsanwalt bzw. Insolvenzverwalter, habe kostenrechtlich die Obliegenheit getroffen, einen am Sitz des Prozessgerichts in München tätigen Rechtsanwalt zu beauftragen und zu instruieren. Mit dem neuen Festsetzungsbeschluss vom 14.10.2015 half die Rechtspflegerin dieser Beschwerde ab: Der Kläger habe einen in München ansässigen Prozessbevollmächtigten beauftragen und informieren können; das Verfahren weise keine besonderen Schwierigkeiten im Sinne der BGH-Rechtsprechung auf.

Mit seiner dagegen gerichteten Beschwerde macht nunmehr der Kläger insbesondere geltend, Anfechtungsprozesse im Sinne von § 133 InsO seien per se weder rechtlich noch tatsächlich einfach.

II. Die gemäß §§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO auch gegen den Abhilfebeschluss zulässige sofortige Beschwerde des Klägers hat in der Sache Erfolg; bei der hier gegebenen Konstellation war der erste Kostenfestsetzungsbeschluss, mithin die Berücksichtigung der beschwerdegegenständlichen Fahrtkosten, zutreffend.

1. Würde man alleine auf die bereits mehrfach zitierte Entscheidung des BGH vom 08.03.2012 -IX ZB 174/10, = WM 12, 664 abstellen, wonach einen Insolvenzverwalter - jedenfalls vom Grundsatz her - die Obliegenheit trifft, einen Prozessbevollmächtigten am Ort des Gerichts zu beauftragen und entsprechend anzuweisen, hätte hier wohl die Beklagte Recht: Der BGH weicht hier von seiner Rechtsprechung ab, wonach eine Partei in der Regel berechtigt ist, einen Anwalt entweder am Sitz des Prozessgerichts oder aber an ihrem Wohn/Geschäftsort zu mandatieren: Ein Insolvenzverwalter sei ohne Weiteres imstande, einen am Gerichtsort tätigen Anwalt sachgerecht zu unterrichten (a. a. O., Tz 11) - Fahrtkosten eines Anwaltes am Geschäftssitz daher nicht „notwendig" im Sinne von § 91 Abs. 1 ZPO. Soweit der BGH hiervon eine Ausnahme zulässt - was naturgemäß häufig zu Rechtsmitteln Anlass gibt - dürfte eine solche hier nicht vorliegen:

Unbeschadet der Frage, wieviele Leitzordner die das vorliegende Verfahren betreffenden Vorgänge bei den jeweiligen Prozessbevollmächtigten füllen, erscheint es nicht so umfangreich bzw. so schwierig gelagert, dass eine Abweichung vom Grundsatz des BGH geboten wäre; der Senat wäre jedenfalls zuversichtlich, dass es einem Rechtsanwalt aus München gelingen würde, sich hier einzuarbeiten.

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass das Kostenfestsetzungsverfahren ein, vom BGH oft so bezeichnetes, „Massenverfahren" ist, das zügiger und unkomplizierter Abwicklung bedarf und deshalb knapp, bündig und formal ausgestaltet ist (etwa BGH, Beschl. v. 13.10.2011 - V ZB 290/10, = NJW 12, 319; näher Musielak-Lackmann, ZPO, 12. Aufl., § 104 Rn. 1, 8); wenn der BGH deshalb einen Grundsatz aufstellt - hier die Obliegenheit des Insolvenzverwalters, einen Anwalt am Sitz des Prozessgerichts zu mandatieren - sollte eine Abweichung davon nur in wirklich deutlichen Ausnahmefällen erfolgen; bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme ist nach dem BGH nämlich eine typisierende Betrachtungsweise geboten, weil der Gerechtigkeitsgewinn, der bei einer übermäßig differenzierenden Beurteilung im Einzelfall erzielbar ist, in keinem Verhältnis zu den Nachteilen steht, die sich ergeben, wenn in jedem Einzelfall über die Erstattungsfähigkeit der jeweiligen Kosten gestritten wird (etwa BGH, Beschl. v. 25.10.2011 - VIII ZB 93/10 Tz 13). Dem mit den sachlichen Einzelheiten nicht befassten Rechtspfleger wird es auch kaum möglich sein, belastbare Überlegungen dazu anzustellen und niederzulegen, ob ein Verfahren im genannten Sinne „umfangreich" oder „schwierig" war oder nicht.

Die Anzahl von Leitzordnern erscheint insoweit als Maßstab jedenfalls fragwürdig.

2. Der vorliegende Fall allerdings liegt anders:

Der Kläger hat - dies unbestritten - vorgetragen, seine Prozessbevollmächtigte habe neben dem vorliegenden Rechtsstreit noch 16 weitere Prozesse, nachdem es sich bei der Insolvenzschuldnerin um eine Kette handelt, offensichtlich an verschiedenen Orten in Deutschland, geführt; er selbst sei Insolvenzverwalter und nicht Prozessanwalt. Unter diesen Umständen wäre es - auch bei strikter Beachtung des Gebotes der Kostengeringhaltung - nach Auffassung des Senates zu viel verlangt vom Kläger, an den verschiedenen Gerichtsorten jeweils wieder neue Anwälte zu mandatieren und zu instruieren; vielmehr konnte er sich hier einer, einzigen, Prozessbevollmächtigten bedienen, die für ihn die hier betroffenen Rechtsstreitigkeiten an den jeweiligen Orten führt und die dementsprechend dann auch jeweils auf dem neuesten Stand ist bzw. den erforderlichen Überblick hat (vgl. hierzu neben dem Beschluss des KG Berlin vom 24.10.2007 - 2 W 114/08, = VersR 08, 271 auch Senat, Beschl. v. 07.08.2014 - 11 W 1308/14 oder vom 11.04.2012 - 11 W 2051/11; Beschl. v. 17.02.2011 - 11 W 259/11; Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 22. Aufl., VV 7003 7006 Rn. 143).

Dabei mag nicht zuletzt auch der Gesichtspunkt zu beachten sein, dass die Mandatierung eines Prozessbevollmächtigten am Wohn- bzw. Geschäftssitz grundsätzlich kostenrechtlich möglich ist.

3. Was die Höhe der geltend gemachten Reisekosten anbelangt, so bestehen hier von der Angemessenheit her keine Bedenken (Flugkosten von € 195,38); der angemeldete Betrag erscheint moderat und keinesfalls überzogen

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Insolvenzordnung - InsO | § 133 Vorsätzliche Benachteiligung


(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Tei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 104 Kostenfestsetzungsverfahren


(1) Über den Festsetzungsantrag entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Auf Antrag ist auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags, im Falle des § 105 Abs. 3 von der Verkündung des Urteils ab mit fünf Proz

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(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.

(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.

(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.

(1) Über den Festsetzungsantrag entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Auf Antrag ist auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags, im Falle des § 105 Abs. 3 von der Verkündung des Urteils ab mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verzinsen sind. Die Entscheidung ist, sofern dem Antrag ganz oder teilweise entsprochen wird, dem Gegner des Antragstellers unter Beifügung einer Abschrift der Kostenrechnung von Amts wegen zuzustellen. Dem Antragsteller ist die Entscheidung nur dann von Amts wegen zuzustellen, wenn der Antrag ganz oder teilweise zurückgewiesen wird; im Übrigen ergeht die Mitteilung formlos.

(2) Zur Berücksichtigung eines Ansatzes genügt, dass er glaubhaft gemacht ist. Hinsichtlich der einem Rechtsanwalt erwachsenden Auslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen genügt die Versicherung des Rechtsanwalts, dass diese Auslagen entstanden sind. Zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen genügt die Erklärung des Antragstellers, dass er die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen kann.

(3) Gegen die Entscheidung findet sofortige Beschwerde statt. Das Beschwerdegericht kann das Verfahren aussetzen, bis die Entscheidung, auf die der Festsetzungsantrag gestützt wird, rechtskräftig ist.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 290/10
vom
13. Oktober 2011
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Grundsätzlich kann jeder kostenrechtlich obsiegende Streitgenosse die Kosten eines
eigenen Anwalts erstattet verlangen (§ 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO); mit Rücksicht darauf,
dass es sich bei dem Kostenfestsetzungsverfahren um ein Massenverfahren handelt
, das einer zügigen und möglichst unkomplizierten Abwicklung bedarf, gilt etwas
anders nur in besonderen – atypischen – Konstellationen.
BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2011 - V ZB 290/10 - OLG Frankfurt am Main
LG Wiesbaden
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Oktober 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Prof. Dr. Schmidt-Räntsch
und Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

beschlossen:
Die Rechtbeschwerde gegen den Beschluss des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom1. November 2010 auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 64.984,47 €.

Gründe:

I.

1
Der Kläger hatte die drei Beklagten im Zusammenhang mit dem Kauf von Eigentumswohnungen u.a. auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Landgericht gab der Klage statt. Das Oberlandesgericht wies sie kostenpflichtig ab. Die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde blieb erfolglos. Im ersten Rechtszug hatten sich die Beklagten durch einen gemeinsamen Rechtsanwalt vertreten lassen. Während die Beklagten zu 1 und 2 auch in der Berufungsinstanz an diesem Anwalt festhielten, ließ sich die Beklagte zu 3 insoweit von einem eigenen Rechtsanwalt unter Berufung darauf vertreten, das Vertrauensverhältnis zu dem in erster Instanz tätig gewordenen Prozessbevollmächtigten sei erschüttert gewesen.
2
Die Rechtspflegerin hat dem auf die Erstattung der zweitinstanzlichen Kosten gerichteten Antrag der Beklagten zu 3 mit der Erwägung stattgegeben, diese habe für den Anwaltswechsel triftige Gründe vorgetragen. Die gegen diese Kostenfestsetzung gerichtete Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte die Klägerin weiterhin die Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrags erreichen.

II.


3
Das Beschwerdegericht meint, es sei von dem Grundsatz auszugehen, wonach es jedem Streitgenossen auch unter kostenrechtlichen Gesichtspunkten gestattet sei, sich durch einen eigenen Rechtsanwalt vertreten zu lassen. Etwas anderes gelte nur dann, wenn nach den Gegebenheiten des Einzelfalles nachvollziehbare Gründe für die Beauftragung eines eigenen Prozessbevollmächtigten nicht ersichtlich seien. So verhalte es sich hier jedoch nicht. Zwar handle es sich bei den Beklagten um Konzernunternehmen. Die Beklagte zu 3 habe jedoch unbestritten vorgetragen, sie habe dem in erster Instanz tätig gewordenen Prozessbevollmächtigten nicht mehr vollständig vertraut, sondern es für möglich gehalten, dass diesem der Vorwurf einer fehlerhaften Sachbehandlung zu machen sei. Deshalb könne der Anwaltswechsel nicht als sachwidrig bewertet werden.

III.


4
Der nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaften und auch im Übrigen zulässigen Rechtsbeschwerde (§ 575 ZPO) bleibt in der Sache der Erfolg versagt. Das Beschwerdegericht hat die Erstattungsfähigkeit der von der Beklagten zu 3 geltend gemachten Kosten zu Recht bejaht.
5
1. Die Beklagte zu 3 traf keine kostenrechtliche Obliegenheit, sich auch im Berufungsrechtszug von einem gemeinschaftlichen Rechtsanwalt vertreten zu lassen.
6
a) § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO belegt, dass zu den notwendigen Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO) in aller Regel auch die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts gehören. Sind für die kostenrechtlich obsiegende Partei dagegen in derselben Instanz mehrere Prozessbevollmächtigte tätig geworden, sind nach § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO Anwaltskosten grundsätzlich nur insoweit erstattungsfähig , als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen. Mit Blick auf Streitgenossen wird damit etwa der Fall erfasst, in dem der in Anspruch genommene Haftpflichtversicherer für sich und den Halter einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten bestellt, der Halter aber zudem einen eigenen Rechtsanwalt mit seiner Rechtsverteidigung beauftragt (vgl. dazu und zu Ausnahmekonstellationen BGH, Beschluss vom 20. Januar 2004 – VI ZB 76/03, NJW-RR 2004, 536). Davon zu unterscheiden sind Fälle, in denen sich ein Streitgenosse entweder von vornherein oder aber in einem höheren Rechtszug nur (noch) durch einen einzigen (eigenen) Anwalt vertreten lässt. Da die Partei nicht (mehr) durch mehrere Rechtsanwälte vertreten wird, verbleibt es im rechtlichen Ausgangspunkt bei der von § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO angeordneten Erstattungsfähigkeit (jedenfalls im Ergebnis ebenso BGH, Beschluss vom 3. Februar 2009 - VIII ZB 114/07, ZMR 2009, 442, 443; vgl. auch BVerfG, NJW 1990, 2124; Henssler/Deckenbrock, MDR 2005, 1321, 1326); ansonsten hätte es der Ausnahmeregelung des § 50 WEG nicht bedurft, wonach Wohnungseigentümern grundsätzlich nur die Kosten eines Rechtsanwalts zu erstatten sind. Das hindert jedoch nicht, dem in der Regelung des § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO enthaltenen Rechtsgedanken Rechnung zu tragen. Denn jedenfalls in Verbindung mit der in Absatz 1 Satz 1 der Vorschrift allgemein zum Ausdruck ge- kommenen Obliegenheit von Prozessparteien, die Kosten so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Mai 2007 – XII ZB 156/06, NJW 2007, 2257 mwN), zeigt die Norm, dass der Erstattungsfähigkeit auch von Rechtsanwaltskosten Grenzen gesetzt sind und ein Streitgenosse nicht stets die Kosten eines eigenen Anwalts erstattet verlangen kann (vgl. auch BGH, Beschluss vom 3. Februar 2009, aaO).
7
b) Bei der Beantwortung der Frage, inwieweit Ausnahmen von der Erstattungsfähigkeit anzuerkennen sind, gilt es zu bedenken, dass es sich bei dem Kostenfestsetzungsverfahren um ein Massenverfahren handelt, das einer zügigen und möglichst unkomplizierten Abwicklung bedarf (Senat, Beschluss vom 25. Januar 2007 - V ZB 85/06, MDR 2007, 802, 803; Beschluss vom 7. Juli 2011 - V ZB 260/10, juris Rn. 6). Der Gerechtigkeitsgewinn, der bei einer übermäßig differenzierenden Betrachtung im Einzelfall zu erzielen ist, steht in keinem Verhältnis zu den sich einstellenden Nachteilen, wenn in nahezu jedem Einzelfall darüber gestritten werden kann, ob die Kosten einer bestimmten Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme erstattungsfähig sind oder nicht (Senat, Beschluss vom 25. Januar 2007 - V ZB 85/06, aaO; BGH, Beschluss vom 13. September 2005, X ZB 30/04, NJW-RR 2005, 1662). Greifen daher wie hier gesetzliche Ausnahmetatbestände wie § 50 WEG nicht ein, kann die Erstattungsfähigkeit der Kosten des eigenen Rechtsanwalts nur in besonderen - atypischen - Konstellationen verneint werden.
8
Für das verfassungsgerichtliche Verfahren hat das Bundesverfassungsgericht angenommen, dass die Erstattungsfähigkeit der Kosten des eigenen Anwalts lediglich bei einem Rechtsmissbrauch zu verneinen ist (NJW 1990, 2124). Der Bundesgerichtshof hat diesen rechtlichen Ausgangspunkt für das zivilprozessuale Kostenfestsetzungsverfahren konkretisiert. Danach ist von einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten nur dann auszugehen, wenn feststeht, dass für die Beauftragung eines eigenen Prozessbevollmächtigten kein sachlicher Grund besteht (Beschluss vom 3. Februar 2009 - VIII ZB 114/07, ZMR 2009, 442, 443). Verweist der Streitgenosse dagegen auf plausible und schutzwürdige Belange, verbleibt es bei dem Grundsatz, dass ein Streitgenosse einen eigenen Prozessbevollmächtigten einschalten darf, ohne dass er deshalb kostenrechtliche Nachteile zu tragen hat.
9
2. Auf dieser Grundlage hat das Beschwerdegericht einen Ausnahmetatbestand rechtsfehlerfrei verneint. Ihm ist darin zuzustimmen, dass ein sachlicher Grund für ein Abrücken von einem gemeinschaftlichen Anwalt schon dann vorliegen kann, wenn aus der Sicht einer verständigen Prozesspartei das Vertrauen in den Anwalt erschüttert ist. Dass es sich hier so verhält, hat das Beschwerdegericht in tatrichterlicher Würdigung, die im Rechtsbeschwerdeverfahren nur einer eingeschränkten rechtlichen Überprüfung unterliegt, ebenfalls ohne Rechtsfehler angenommen.

III.

10
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Schmidt-Räntsch Roth
Brückner Weinland

Vorinstanzen:
LG Wiesbaden, Entscheidung vom 11.08.2010 - 14 O 8/07 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 01.11.2010 - 18 W 214/10 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 93/10
vom
25. Oktober 2011
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Macht die bei einem auswärtigen Gericht klagende Partei Reisekosten eines
Rechtsanwalts geltend, der weder am Gerichtsort noch am Wohn- oder Geschäftsort
der Partei ansässig ist ("Rechtsanwalt am dritten Ort"), sind diese Kosten
regelmäßig nur bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohn- oder
Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts zu erstatten (Fortführung von
BGH, Beschlüsse vom 7. Juni 2011 - VIII ZB 102/08, WuM 2011, 433 Rn. 8; vom
13. September 2011 - VI ZB 9/10, juris Rn. 9; jeweils mwN).

b) Bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten Rechtsverfolgungsoder
Rechtsverteidigungsmaßnahme ist eine typisierende Betrachtungsweise geboten
(Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 12. Dezember 2002 - I ZB 29/02,
NJW 2003, 901 unter II 2 b aa - Auswärtiger Rechtsanwalt I; vom 2. Dezember
2004 - I ZB 4/04, GRUR 2005, 271 unter II 2 - Unterbevollmächtigter III; vom
13. September 2005 - X ZB 30/04, NJW-RR 2005, 1662 unter II 2 - Auswärtiger
Rechtsanwalt V; vom 28. Juni 2006 - IV ZB 44/05, NJW 2006, 3008 Rn. 13; vom
16. April 2008 - XII ZB 214/04, NJW 2008, 2122 Rn. 19; vom 28. Januar 2010
- III ZB 64/09, JurBüro 2010, 369 unter [III] b; vom 13. September 2011 - VI ZB
9/10, juris Rn. 8). Für die Erstattungsfähigkeit von Reisekosten bedarf es daher
nicht der Feststellung im Einzelfall, dass die Partei zu dem den Termin wahrnehmenden
Rechtsanwalt ein besonderes Vertrauensverhältnis gehabt hat (Anschluss
an BGH, Beschluss vom 28. Januar 2010 - III ZB 64/09, aaO).
BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2011 - VIII ZB 93/10 - LG Tübingen
AG Münsingen
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Oktober 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, die Richterinnen Dr. Milger, Dr. Hessel und
Dr. Fetzer sowie den Richter Dr. Bünger

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen vom 13. Dezember 2010 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 245,97 € festgesetzt.

Gründe:

I.

1
Die Parteien schlossen Anfang des Jahres 2006 einen (Finanzierungs-) Leasingvertrag über ein EC-Karten-Zahlungsterminal. Da der Beklagte ab April 2008 die monatlichen Leasingraten nicht mehr zahlte, erklärte die Klägerin am 1. Juli 2008 unter Berufung auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen die fristlose Kündigung des Leasingvertrages und forderte den Beklagten erfolglos zur Zahlung der Leasingraten für April bis Juni 2008 sowie zur Zahlung von Schadensersatz für die vorzeitige Beendigung des Leasingvertrages auf. Am 27. Oktober 2008 erwirkte die Klägerin einen Mahnbescheid über diese Forde- rungen, gegen den der Beklagte durch seinen Prozessbevollmächtigten Widerspruch erhob.
2
Mit Schriftsatz vom 21. Januar 2009 teilte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten der Klägerin mit, er habe den Vertrag inzwischen geprüft und festgestellt, dass der Anspruch der Klägerin "vom Grunde her berechtigt" sei; nach Mitteilung der endgültigen Forderung unter Berücksichtigung des Verwertungserlöses werde er dem Beklagten empfehlen, die Forderung zu begleichen und den Widerspruch gegen den Mahnbescheid in dieser Höhe zurückzunehmen.
3
Da beides nicht erfolgte, hat die anwaltlich vertretene Klägerin die Durchführung des streitigen Verfahrens beantragt und ihren Anspruch begründet. Der Beklagtenvertreter hat daraufhin Verteidigungsbereitschaft angezeigt und sich gegen die Höhe der geltend gemachten Mahn- und Bankrücklastschriftkosten gewandt, von der Ankündigung eines Sachantrags aber zunächst mit der Begründung abgesehen, der Beklagte habe seinen Kraftfahrzeughandel aufgegeben und sei völlig mittellos, so dass - wie schon außergerichtlich - vorgeschla- gen werde, im Wege eines Vergleichs 300 € zur Erledigung aller streitgegen- ständlichen Ansprüche zu zahlen. Die Klägerin hat dieses Vergleichsangebot nicht angenommen. Daraufhin hat sich der Beklagtenvertreter schriftsätzlich gegen die Klageforderung gewandt und hierzu ausgeführt, der Leasingvertrag sei wegen Wuchers gemäß § 138 BGB nichtig, hilfsweise werde der von der Klägerin bei der Verwertung des Leasingobjekts erzielte Erlös als zu niedrig beanstandet.
4
In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am 8. April 2010 hat der Beklagte den gegen ihn geltend gemachten Anspruch anerkannt und ist daraufhin seinem Anerkenntnis gemäß - kostenpflichtig - verurteilt worden.
5
Hierauf gestützt hat die Klägerin Kostenfestsetzung beantragt und hierbei unter anderem die Festsetzung der Reisekosten des Klägervertreters für die Fahrt von dessen Kanzlei zum Gerichtsort begehrt (Fahrtkosten in Höhe von 252 € für insgesamt 842 km und Abwesenheitsgeld in Höhe von 60 €). Der Be- klagte ist (nur) der Festsetzung der Reisekosten entgegengetreten.
6
Das Amtsgericht hat die vom Beklagten zu erstattenden Kosten der Klägerin auf 298,88 € festgesetzt. Dabei hat es an Stelle der geltend gemachten Kosten für die Reise des Klägervertreters zum Gerichtsort die Kosten angesetzt , die bei der Beauftragung eines Unterbevollmächtigten mit Sitz am Gerichtsort angefallen wären.
7
Die von der Klägerin hiergegen mit dem Ziel der antragsgemäßen Festsetzung der Reisekosten ihres Prozessbevollmächtigten eingelegte sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg gehabt. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihr über den angefochtenen Beschluss hinausgehendes Kostenfestsetzungsbegehren weiter.

II.

8
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 575 ZPO) hat Erfolg.
9
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht seien statt der mit dem Kostenfestsetzungsantrag geltend gemachten Reisekosten nur die Kosten eines fiktiven Unterbevollmächtigten anzusetzen. Für die Klägerin habe bei der hier gegebenen Sachlage trotz der dauernden Zusammenarbeit mit ihrem Rechtsanwalt keine Veranlassung bestanden, diesen mit der Wahrneh- mung des Güte- und Verhandlungstermins zu beauftragen und hierdurch Reisekosten zu verursachen, die nahezu ein Drittel der Hauptforderung ausmachten. Diese Kosten seien nicht notwendig gewesen, da die Klägerin die Wahrnehmung des Verhandlungstermins ohne jeden Verzicht auf die wirksame und sachgerechte Vertretung ihrer Ansprüche auf einen billigeren Unterbevollmächtigten hätte übertragen können.
10
2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
11
a) Reisekosten eines Rechtsanwalts, der - wie hier - eine Partei vertritt, die bei einem auswärtigen Gericht klagt, und der weder am Gerichtsort noch am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässig ist ("Rechtsanwalt am dritten Ort"), sind gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO regelmäßig nur bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts zu erstatten (st. Rspr.; z.B. Senatsbeschluss vom 7. Juni 2011 - VIII ZB 102/08, WuM 2011, 433 Rn. 8; BGH, Beschluss vom 23. Januar 2007 - I ZB 42/06, NJW-RR 2007, 1561 Rn. 13 mwN - Auswärtiger Rechtsanwalt VI). Dies führt hier jedoch schon deshalb nicht zu einer Einschränkung der Erstattungsfähigkeit der beantragten Reisekosten, weil die Entfernung von der Kanzlei des Klägervertreters zum Gerichtsort unstreitig geringer ist als diejenige vom Geschäftsort der Klägerin zum Gerichtsort und die Klägerin daher im Hinblick auf die Entfernung zum Gerichtsort nicht höhere, sondern niedrigere Reisekosten angemeldet hat, als sie bei einem am Geschäftsort der Klägerin ansässigen Rechtsanwalt angefallen wären (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. März 2004 - VII ZB 27/03, NJW-RR 2004, 858 unter II 2 b (1) und (2); vom 11. Dezember 2007 - X ZB 21/07, NJW-RR 2008, 1378 Rn. 5 f.; vom 13. September 2011 - VI ZB 9/10, juris Rn. 9).
12
b) Die Erstattungsfähigkeit der hier geltend gemachten Reisekosten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist mithin entsprechend dem nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2002 - VIII ZB 30/02, WM 2003, 1617 unter [B] II 2 b bb; BGH, Beschlüsse vom 11. März 2004 - VII ZB 27/03, aaO unter II 2 a; vom 2. Dezember 2004 - I ZB 4/04, GRUR 2005, 271 unter II 3 a - Unterbevollmächtigter III; vom 16. April 2008 - XII ZB 214/04, NJW 2008, 2122 Rn. 7; vom 28. Januar 2010 - III ZB 64/09, JurBüro 2010, 369 unter [III] a mwN) geltenden Grundsatz zu beurteilen, dass sich die Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende Partei im Regelfall als eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung darstellt. Ein tragender Grund für diese Annahme einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung ist, dass üblicherweise ein persönliches mündliches Gespräch zwischen der Partei und dem Rechtsanwalt erforderlich und gewünscht ist. Ferner ist von Bedeutung, dass die Partei grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran hat, sich durch einen Rechtsanwalt ihres Vertrauens auch vor auswärtigen Gerichten vertreten zu lassen. Letzteres ist ein entscheidender Gesichtspunkt bereits für die Änderung des Lokalisationsprinzips in § 78 ZPO gewesen (vgl. BT-Drucks. 12/4993, S. 43, 53) und vom Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 103, 1, 16) im Streit um die Singularzulassung als ein rechtlich anzuerkennender Vorteil für den Mandanten gewürdigt worden (BGH, Beschluss vom 28. Januar 2010 - III ZB 64/09, aaO).
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Bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten Rechtsverfolgungsoder Rechtsverteidigungsmaßnahme ist eine typisierende Betrachtungsweise geboten. Denn der Gerechtigkeitsgewinn, der bei einer übermäßig differenzierenden Beurteilung im Einzelfall zu erzielen ist, steht in keinem Verhältnis zu den sich ergebenden Nachteilen, wenn in nahezu jedem Einzelfall darum gestritten werden kann, ob die Kosten zu erstatten sind oder nicht (BGH, Be- schlüsse vom 12. Dezember 2002 - I ZB 29/02, NJW 2003, 901 unter II 2 b aa - Auswärtiger Rechtsanwalt I; vom 2. Dezember 2004 - I ZB 4/04, aaO unter II 2; vom 13. September 2005 - X ZB 30/04, NJW-RR 2005, 1662 unter II 2 - Auswärtiger Rechtsanwalt V; vom 28. Juni 2006 - IV ZB 44/05, NJW 2006, 3008 Rn. 13; vom 16. April 2008 - XII ZB 214/04, aaO Rn. 19; vom 28. Januar 2010 - III ZB 64/09, aaO unter [III] b; vom 13. September 2011 - VI ZB 9/10, aaO Rn. 8). Deshalb bedarf es für die Erstattungsfähigkeit von Reisekosten nicht der - hier vom Beschwerdegericht allerdings getroffenen - Feststellung im Einzelfall, dass die Partei zu dem den Termin wahrnehmenden Rechtsanwalt ein besonderes Vertrauensverhältnis gehabt hat (BGH, Beschluss vom 28. Januar 2010 - III ZB 64/09, aaO).
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c) Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass die Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende Partei im Regelfall eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung darstellt, kann jedoch dann eingreifen, wenn schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Anwalts feststeht, dass ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozessführung nicht erforderlich sein wird. Dies kommt zum Beispiel in Betracht bei gewerblichen Unternehmen, die über eine eigene Rechtsabteilung verfügen, die die Sache bearbeitet hat. Die Zuziehung eines Rechtsanwalts am Ort des Prozessgerichts kann ferner zur Kostenersparnis zumutbar sein, wenn bei einem in tatsächlicher Hinsicht überschaubaren Streit um eine Geldforderung die Gegenseite versichert hat, nicht leistungsfähig zu sein und gegenüber einer Klage keine Einwendungen zu erheben (Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2002 - VIII ZB 30/02, aaO; BGH, Beschlüsse vom 14. September 2004 - VI ZB 37/04, NJW-RR 2005, 707 unter II 2; vom 16. April 2008 - XII ZB 214/04, aaO Rn. 8; vom 28. Januar 2010 - III ZB 64/09, aaO mwN).
15
So liegen die Dinge hier jedoch nicht. Die Klägerin verfügt unstreitig nicht über eine Rechtsabteilung. Auch stellte sich der Fall vor der mündlichen Verhandlung nicht (mehr) so dar, dass zu erwarten gewesen wäre, der Beklagte werde gegenüber der Klage keine Einwendungen erheben. Mag der Fall sich auch anfänglich so dargestellt haben, dass von einer Versicherung des Beklagten , gegenüber der Klage keine Einwendungen zu erheben, ausgegangen werden konnte, so trat durch den Inhalt des letzten Schriftsatzes des Beklagtenvertreters eine wesentliche Änderung der Sachlage ein. Denn der Beklagte wandte sich nun nicht nur - wie zuvor - gegen einen Teil der Nebenforderungen, sondern stellte zudem die Hauptforderung vollumfänglich in Abrede. Bei dieser Sachlage ist kein Raum für die Annahme des Beschwerdegerichts, die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin stelle keine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung dar.
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d) Ist danach die Hinzuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, ist der Partei regelmäßig auch das Recht zuzubilligen, sich durch diesen mit der Sache vertrauten Rechtsanwalt in der mündlichen Verhandlung vertreten zu lassen, so dass dessen Reisekosten in vollem Umfang und nicht beschränkt auf die fiktiven Kosten eines unterbevollmächtigten Terminsvertreters zu ersetzen sind (BGH, Beschluss vom 28. Januar 2010 - III ZB 64/09, aaO [III] unter d mwN). Auch im umgekehrten Fall, dass eine Partei, weil ausnahmsweise eine entsprechende Hinzuziehung nicht erforderlich ist, einen am Ort des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalt beauftragt, würden Reisekosten - dann der Partei zu einem Informationsgespräch mit dem Anwalt - erstattungsfähig sein (Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2002 - VIII ZB 30/02, aaO unter [B] II 2 b bb (1); BGH, Beschluss vom 28. Januar 2010 - III ZB 64/09, aaO). § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO verlangt insoweit keine zusätzliche Prüfung, ob im konkreten Einzelfall auch die Wahrnehmung des Verhandlungs- termins gerade durch diesen Rechtsanwalt unbedingt erforderlich war. Vielmehr ist das Interesse der Partei an der Terminswahrnehmung durch ihren Anwalt gegenüber dem Interesse der Gegenseite an einer Kostenersparnis grundsätzlich vorrangig (BGH, Beschluss vom 28. Januar 2010 - III ZB 64/09, aaO).
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Dass im vorliegenden Fall, wie das Beschwerdegericht zur Begründung seiner Entscheidung unter anderem ausgeführt hat, die von der Klägerin im Kostenfestsetzungsantrag geltend gemachten Reisekosten ihres Prozessbevollmächtigten nahezu ein Drittel der Hauptforderung ausmachen, ändert hieran nichts. Denn selbst dem Umstand, dass die Reisekosten im Einzelfall - bei geringen Streitwerten und großer Entfernung zwischen Kanzleisitz und Prozessgericht - die Kosten eines Unterbevollmächtigten deutlich übersteigen können, kommt insoweit grundsätzlich keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu (BGH, Beschlüsse vom 11. Dezember 2007 - X ZB 21/07, aaO Rn. 10; vom 28. Januar 2010 - III ZB 64/09, aaO). Das Gesetz schützt die Parteien auch sonst nicht davor, dass sich ihr im Falle eines Rechtsstreits bestehendes Kostenrisiko durch in der Sphäre des Gegners liegende Umstände wie etwa durch eine von ihm vorgenommene Abtretung des streitigen Anspruchs oder durch eine Verlegung seines Wohn- oder Geschäftssitzes erhöht (Senatsbeschluss vom 7. Juni 2011 - VIII ZB 102/08, aaO Rn. 11; BGH, Beschluss vom 23. Januar 2007 - I ZB 42/06, aaO Rn. 16).

III.

18
Das Beschwerdegericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zur Höhe der dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zur Wahrnehmung des Termins bei dem Amtsgericht Münsingen entstandenen Reisekosten getroffen. Im Rechtsbeschwerdeverfahren können diese Feststel- lungen nicht nachgeholt werden (§ 577 Abs. 2 Satz 4 ZPO i.V.m. § 599 ZPO). Der angefochtene Beschluss ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 3 ZPO), damit die erforderlichen Feststellungen zur Höhe der über den Betrag von 298,88 € hinaus festzusetzenden Kosten getroffen werden können. Ball Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Fetzer Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG Münsingen, Entscheidung vom 20.08.2010 - 2 C 277/09 -
LG Tübingen, Entscheidung vom 13.12.2010 - 5 T 369/10 -

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.