Landgericht Traunstein Endurteil, 18. Juli 2017 - 1 O 4450/16

bei uns veröffentlicht am18.07.2017

Gericht

Landgericht Traunstein

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrag vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 33.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Kaskoversicherungsvertrag.

Am ... gegen ... Uhr befuhr der Kläger mit dem bei der Beklagten kaskoversicherten Fahrzeug Opel Speedster, amtliches Kennzeichen ... die Nordschleife des Nürburgrings in Nürburg/Eifel. Der Kläger nahm dabei am sog. „DSK Hugo-Emde-Freies Fahren“ teil. Dabei handelt es sich um eine Veranstaltung der DSK-Service & Betriebs-GmbH für DSK-Mitglieder. Der Kläger befuhr die Straße, auf der eine Einbahnstraßenregelung galt, zusammen mit dem Beifahrer .... Auf einem leichten Bergab-Stück am Ausgang des Abschnitts „Hohe Acht“ brach bei leicht feuchter Fahrbahn das Heck des Fahrzeugs aus und der Wagen prallte gegen die Leitplanke.

Der Versicherungsschein (Anlage B1) enthält unter dem Punkt „Besondere Vereinbarungen“ u.a. folgende Klausel:

„Kein Versicherungsschutz besteht in der Fahrzeugversicherung für Schäden, die unter Beteiligung an Fahrtveranstaltungen entstehen, bei denen es auf Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit ankommt. Dies gilt auch für dazugehörige Übungsfahrten. Diese Bestimmung gilt entsprechend für: Gleichmäßigkeitsfahrten, die eine Fahrerlizenz voraussetzen; Fahrtveranstaltung auf abgesperrten Strecken, bei denen die gesetzlich vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit überschritten wird; jeweils einschließlich der dazugehörigen Übungsfahrten. Außerdem bei Privatfahrten, Fahrerlehrgängen oder Sicherheitstrainings auf Rennstrecken (z.B. Nürburgring, Hockenheimring, Salzburgring ...).“

Die in den Vertrag einbezogenen allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB 01.10.2012, Anlage K2) enthalten unter Ziffer A.2.17.2 folgende Ausschlussklausel:

„Rennen:

Kein Versicherungsschutz besteht für Schäden, die bei Beteiligung an Fahrtveranstaltungen, entstehen, bei denen es auf Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit ankommt. Dies gilt auch für dazugehörige Übungsfahrten. Hinweis: Die Teilnahme an behördlichen nicht genehmigten Rennen stellt eine Pflichtverletzung nach D.2.2 dar.“

Der Kläger trägt vor, dass er zum Unfallzeitpunkt deutlich unter 100 km/h gefahren sei und technische Mängel am Fahrzeug ausgeschlossen werden können. Die Reparaturkosten würden sich auf 34.500,00 € belaufen, der Wiederbeschaffungswert sei mit 39.000,00 € anzusetzen. Der Restwert mit 5.000,00 €. Das Fahrzeug sei noch nicht repariert. Unter Abzug einer vereinbarten Selbstbeteiligung in Höhe von 1.000,00 € würde sei der Schaden mit insgesamt 33.000,00 € anzusetzen. Rechtsanwaltskosten seien in Höhe von 1.474,89 € vorgerichtlich angefallen.

Die im Versicherungsschein enthaltene Ausschlussklausel sei als allgemeine Geschäftsbedingung einzustufen, die den Kläger unangemessen benachteilige. Es werde nicht danach differenziert, ob es sich um Rennen oder sonstige Fahrten auf den ausgeschlossenen Strecken handle. An einem Rennen im Sinne von Ziffer A.2.17.2 AKB habe der Kläger nicht teilgenommen, da es bei der Veranstaltung nicht auf die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten und der Ermittlung der kürzesten Zeit angekommen sei, sondern Ziel vielmehr die Verbesserung der Fahrsicherheit für den Straßenverkehr gewesen sei. Es habe sich auch nicht um eine sog. „Touristenfahrt“ auf dem Nürburgring gehandelt, da die Veranstaltung nur einem begrenzten Teilnehmerkreis offen gestanden sei.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 33.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 12.01.2017 sowie weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.474,89 € nebst 5 %-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit 12.01.2017 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Die Beklagte trägt vor, dass der im Versicherungsschein vereinbarte Ausschluss für die Nutzung des betroffenen Sportwagens bei Privatwagen auf Rennstrecken, wie dem Nürburgring, der darin ausdrücklich genannt werde, eingreife. Auf die Teilnahme an einem Rennen komme es dabei ohnehin nicht an. Darüber hinaus greife auch die Ausschlussklausel der Ziffer A.2.17.2 AKB ein, zumal sich der Unfall bei der Geschwindigkeit von deutlich unter 100 km/h, wie vom Kläger vorgetragen, nicht so ereignet haben könne. Unfallursächlich sei daher eine deutlich höhere Geschwindigkeit von mindestens 130 km/h im Zusammenspiel mit einer starken Beschleunigung. Ziel der Veranstaltung des DSK sei letztlich, zu erlernen, so schnell wie möglich zu Fahren.

Wegen der weiteren vorgetragenen Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen.

Das Gericht in der mündlichen Verhandlung vom 04.07.2017 Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen Wolfgang Servas und Reinhard Michel. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Leistung aus der zwischen den Parteien bestehenden Kasko-Versicherung für das bei dem Vorfall am 29.07.2016 auf der Nordschleife des Nürburgrings beschädigte Fahrzeug Opel Speedster des Klägers. Es greift die Ausschlussklausel unter den „besonderen Vereinbarungen“ des Versicherungsscheins (Anlage B1) ein.

1. Zweifelhaft ist, ob auch die Ausschlussklausel in den allgemeinen Versicherungsbedingungen Ziffer A.2.17.2 AKB für Rennen eingreift.

Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 01.04.2003, NJW 2003, 2018) ist es für das Vorliegen des Merkmals „Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit“ ausreichend, wenn die Höchstgeschwindigkeit zumindest mitbestimmend ist. Der Sinn und Zweck der sog. „Rennklausel“ besteht darin, dass Veranstaltungen, bei denen Kraftfahrzeuge nicht, wie im öffentlichen Straßenverkehr in einer den Verkehrsregeln angepassten Weise benutzt werden und dadurch in ungewöhnlichem Maße gesteigerte Risiken eintreten, gesondert zu beurteilen sind. Anders zu beurteilen ist die Teilnahme an sog. Fahrsicherheitstrainings, die nicht der Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten dienen. Bei der streitgegenständlichen Veranstaltung „DSK-Hugo-Emde-Freies Fahren“ handelt es sich um ein sog. Fahrsicherheitstraining, das nicht unter die sog. „Rennklausel“ fällt. Dies ergibt sich zum einen aus den allgemeinen Bedingungen des DSK (Anlage K6) sowie auch aus den Schilderungen des Geschäftsführers der ... in der mündlichen Verhandlung vom .... Bei der Veranstaltung handelt es sich auch nicht um eine sog. „Touristenfahrt“ auf der Nordschleife des Nürburgrings, da die Veranstaltung nach dem Bekunden des Zeugen ... nicht für die Öffentlichkeit, sondern nur für Mitglieder abgehalten wird und eine Einführung und Kontrolle der Teilnehmer stattfindet.

2. Letztlich kommt es jedoch darauf nicht an, da bereits die Ausschlussklausel in den „besonderen Vereinbarungen“ des Versicherungsscheins eingreift. Übereinstimmend mit der Klägerseite geht das Gericht davon aus, dass es sich bei der Regelung im Versicherungsschein um eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 I BGB handelt. Diese wurde nach Maßgabe des § 305 II BGB wirksam in den Vertrag einbezogen. Die Klausel ist entgegen der Ansicht des Klägers wirksam. Der Risikoausschluss ist weder überraschend im Sinne des § 305 c I BGB noch benachteiligt er den Kläger unangemessen im Sinne des § 307 I, II BGB (so auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.04.2014, r+s 2014, 275).

a) Die Klausel im Versicherungsschein zu den besonderen Vereinbarungen bezüglich des Risikoausschlusses bei Privatfahrten u.a. auf dem Nürburgring ist keine überraschende Klausel im Sinne des § 305 c I BGB und wurde daher Vertragsbestandteil. Für den Versicherungsnehmer ist deutlich erkennbar, dass diese Vereinbarung anhand der Überschrift „kein Versicherungsschutz“ einen Ausschluss von Risiken beinhaltet. Die Klausel ist durch die Aufnahme direkt in den Versicherungsschein sogar noch besonders hervorgehoben, da sie sich direkt überhalb der Informationen zu den Versicherungsbeiträgen findet und nicht nur einen Punkt im Klauselwerk der AKB darstellt.

Es ist für den Versicherungsnehmer auch nicht überraschend, dass die Versicherung gewisse Risiken von vorneherein ausschließt, die der Versicherungsnehmer durch die Benutzung besonders gefahrträchtigter Strecken selbst schafft. Derartige Risikoausschlüsse sind daher für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht überraschend, sondern häufig Bestandteil von allgemeinen Versicherungsbedingungen.

b) Der Risikoausschluss benachteiligt den Kläger nicht unangemessen im Sinne des § 307 I, II BGB. Die Formulierung der Klausel ist inhaltlich klar verständlich, da sie sämtliche Privatfahrten auf Rennstrecken vom Versicherungsschutz ausschließt und hierbei sogar den streitgegenständlich betroffenen Nürburgring speziell aufzählt. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass es bei Fahrten auf diesen Strecken nicht darauf ankommt, ob die vorgeschriebene gesetzliche Höchstgeschwindigkeit überschritten wird, oder ob es sich im Einzelnen um Rennveranstaltungen handelt, da allgemein auf die Strecke an sich abgestellt wird. Die Klausel ist gerade auch deswegen klar und deutlich verständlich, weil sie sämtliche Fahrten auf den genannten Strecken ausschließt. Der Versicherungsnehmer ist sich daher bei einer Fahrt auf einer derartigen Strecke im Klaren, dass er keinen Versicherungsschutz genießt.

Angesichts der erhöhten Gefahr bei Fahrten auf einer Rennstrecke auch außerhalb eines Rennens ist, anhand einer Abwägung der Interessen des Versicherers und der gesamten Versichertengemeinschaft mit denen des Versicherten eine entsprechende Ausschlussklausel durchaus nachvollziehbar. Im Gegensatz zu öffentlichen Straßen sind derartige Strecken, wie sogar der Kläger selbst in seiner informatorischen Anhörung angibt, generell gefährlich, wenn man sie nicht kennt. Dies ist auch dann der Fall, wenn diese Strecken außerhalb von allgemeinen Touristenfahrten befahren werden und Streckenposten zur Absicherung vorhanden sind. Der Zeuge Servas gibt an, dass die Fahrt dazu diente, diese Strecke kennenzulernen. Die Strecke ist im Gegensatz zu öffentlichen Straßen bewusst mit entsprechenden Kuppen und Kurven versehen, was die Gefährlichkeit erhöht. Dadurch erhöht sich auch das Risiko eines Unfalls, das die Versicherung im Interesse der versicherten Gemeinschaft ausschließt. Es benachteiligt daher den Kläger nicht unangemessen, wenn er, bei Teilnahme an derartigen Veranstaltungen, das Schadensrisiko selbst zu tragen hat. Die Versichertengemeinschaft müsste sonst mit ihren Versicherungsbeiträgen die erheblichen Risiken derartiger Fahrten und daraus resultierender hoher Schäden an den regelmäßig überdurchschnittlich teuren Fahrzeugen mittragen. Es ist daher für den Kläger zumutbar, für die Fahrt auf derartigen Strecken eine gesonderte Versicherung abzuschließen.

c) Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ausschlussklausel unter den besonderen Vereinbarungen des Versicherungsscheins liegen vor, da es sich um eine Privatfahrt auf dem Nürburgring handelte. Gerade das Risiko, das die Versicherung durch die Klausel ausschließen wollte, hat sich im streitgegenständlichen Unfall realisiert. Ob es sich um eine Rennveranstaltung handelt, ist vorliegend nicht erheblich, da es sich bei dem freien Fahren der DSK um eine in der Klausel aufgeführte Privatfahrt handelt.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, 2 ZPO.

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Referenzen - Gesetze

Landgericht Traunstein Endurteil, 18. Juli 2017 - 1 O 4450/16 zitiert 3 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung


Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur

Referenzen

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.