Landgericht Nürnberg-Fürth Endurteil, 16. Dez. 2014 - 11 O 6287/14

bei uns veröffentlicht am16.12.2014
nachgehend
Oberlandesgericht Nürnberg, 8 U 37/15, 01.04.2015

Gericht

Landgericht Nürnberg-Fürth

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 60.000,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Leistungen aus einer Forderungsausfallversicherung.

Der Kläger schloss am 01.03.2004 eine private Haftpflichtversicherung bei der Beklagten ab. Diesen Versicherungsschutz erweiterte er am 27.02.2009 mittels einer Vertragsänderung, so dass nun auch ein Forderungsausfall umfasst ist. Am 22.11.2005 wurde die Tochter des Klägers ermordet, was ihn psychisch stark beeinträchtigte und zu Einschränkungen seiner Arbeitsfähigkeit bis zum September 2006 führte. Dem Kläger wurde in einem Urteil vom OLG Nürnberg vom 13.07.2011 ein Schmerzensgeldanspruch gegenüber dem Mörder seiner Tochter eingeräumt, Versuche seitens des Klägers diesen Titel zu vollstrecken blieben erfolglos. Mit Schreiben vom 05.02.2014 forderte der Kläger die Beklagte zur Zahlung auf und berief sich dabei auf den bestehenden Versicherungsvertrag, diese lehnte mit Schreiben vom 18.02.2014 eine Leistung ab. Am 30.08.2014 erhob der Kläger seine Klage vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth.

Der Kläger behauptet,

ihm sei im Rahmen des ergangenen Urteils des OLG Nürnberg ein Schmerzensgeld in Höhe von 60.000 € eingeräumt worden. Ferner seien Ihm insgesamt 1.954,46 € an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten entstanden.

Der Kläger ist der Ansicht,

dass ihm die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten durch die Beklagte zu erstatten seien. § 103 VVG sei hier nicht einschlägig, auch sei in § 18 Abs. 4 der Versicherungsbedingungen kein Ausschluss für Vorsatztaten enthalten und § 18 Abs. 2 der Versicherungsbedingungen sei so zu verstehen, dass die Undurchsetzbarkeit von berechtigten Forderungen gegenüber Schadensersatzpflichtigen (Forderungsausfall) Voraussetzung für einen Leistungsanspruch gegenüber der Beklagten sei. Das im § 18 Abs. 2 a der Vertragsbedingungen gemeinte Schadensereignis sei daher der Forderungsausfall, welcher während der Laufzeit des Versicherungsverhältnisses eingetreten sei. Diese Auffassung werde auch durch § 18 c der Versicherungsbedingungen gestützt, dessen Formulierung mache deutlich, dass ein Versicherungsfall immer einen Forderungsausfall voraussetze. Dieser sei das versicherte Schadensereignis.

Der Kläger beantragt,

I.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 60.000, 00 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klageerhebung.

II.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.954,46 € an außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Klageerhebung.

III.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V.

Für den Fall der Anerkenntnis oder Säumnis wird ausdrücklich beantragt, im Wege eines Anerkenntnis- oder Versäumnisurteils, ohne mündliche Verhandlung, zu entscheiden.

VI.

Es wird weiterhin beantragt, der Klagepartei Sicherheitsleistung nachzulassen, die auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder Sparkasse erbracht werden kann.

Die Beklagte beantragt,

Die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Die Beklagte behauptet,

dass sich das im vom OLG Nürnberg ergangenen Urteil vom 13.07.2011 dem Kläger zugesprochene Schmerzensgeld auf nur 50.000 € belaufe.

Die Beklagte ist der Ansicht,

dass nach § 18 BBR 06 das Schadensereignis jenes Ereignis sei, aufgrund dessen die Schädigung am Kläger unmittelbar entsteht. Dies sei hier der Mord an der Tochter des Klägers, welcher am 22.11.2005 stattfand. Da der Abschluss der Forderungsausfall- Versicherung erst später stattfand, falle das Schadensereignis nicht in den versicherten Vertragszeitraum.

Ferner fehle es an Anspruchsvoraussetzungen des § 18 BBR 06. Dieser solle den Versicherungsnehmer, den Kläger, so stellen, als ob der Schadensersatzpflichtige, der Mörder …, einen Versicherungsschutz im Rahmen und Umfang der AGB für Haftpflichtversicherungen (AHB) und er zusätzlichen Bedingungen des § 18 BBR 06 hätte. Diese Anforderungen seien hier aber nicht erfüllt, da der Schadensersatzpflichtige aufgrund der Herbeiführung des Schadensereignisses als Vorsatztat keinen Haftpflichtschutz genießen würde, zu entnehmen sei dies dem § 103 VVG und § 7 Abs. 1 AHB. Ferner seien auch nur Gefahren des täglichen Lebens von der Haftpflichtversicherung umfasst, nach § 1 BBR 06, ein solcher Mord wie er hier vorliege gehöre nicht dazu.

Auch stehe dem Kläger keine Erstattung der außergerichtlichen Geschäftsgebühr zu, da die Voraussetzungen hierfür, nämlich ein materiel-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch, und ein Vermögensschaden durch bereits vorgenommene Zahlung der außergerichtlichen Kosten nicht gegeben seien.

Beweis hat das Gericht nicht erhoben.

Auf den wechselseitigen Parteivortrag sowie den sonstigen Akteninhalt wird ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig aber unbegründet.

A. Die Klage ist unbegründet, weil das dem Forderungsausfallerstattungsanspruch zugrundeliegende Schadensereignis, geschehen am 22.11.2005, nicht vom Vertragsschutz gemäß § 103 VVG, § 7 Abs. 1 AHB umfasst gewesen wäre und auch vor Abschluss der Versicherung am 27.02.2009 erfolgt ist.

I.

Die Höhe der in Frage kommenden Zahlung seitens der Beklagten aufgrund des Forderungsausfalls beträgt 50.000€, § 18 Abs. 1 BBR 06.

Der Kläger beruft sich auf ein Urteil des OLG Nürnberg vom 12.07.2011, in diesem wurde der Schädiger … zu 50.000 € Schadensersatz an den Kläger, nicht 60.000 € wie vom Kläger gefordert, verurteilt. Es kann nur der Betrag, den der Kläger ursprünglich aufgrund des bestehenden Titels vom Schädiger selbst vollstrecken wollte, von dem Forderungsausfallerstattungsanspruch umfasst sein, § 18 Abs. 1 BBR 06.

II.

Das in § 18 BBR 06 zugrunde gelegte Schadensereignis besteht nicht erst in dem Eintritt des Forderungsausfalls, sondern in dem Ereignis, welches eine Zahlung der Haftpflichtversicherung erforderlich macht.

Dem Klägervortrag, der § 18 Abs. 2 BBR 06 sei so zu verstehen, dass der Schadenseintritt mit dem Forderungsausfall gleichzusetzen sei und der § 18 c BBR 06 stütze dies kann nicht gefolgt werden. Es ist zutreffend, dass der Forderungsausfall eine Bedingung für die Leistung aus dem § 18 BBR 06 darstellt, dies ist aber auch notwendig um die zweckmäßige Anwendung des Versicherungsschutzes sicherzustellen. Wenn eine bestehende Forderung problemlos erfüllt werden kann, besteht gar kein Bedarf für den Ersatz durch die Forderungsausfallversicherung. Daraus lässt sich aber nicht schließen, dass das im § 18 Abs. 2a BBR 06 benannte Schadensereignis der Forderungsausfall selbst ist. Dieser spricht von Personen- und Sachschäden infolge von Schadensereignissen. Dabei sind nicht Personen- und Sachschäden infolge des Forderungsausfalls gemeint, wie man annehmen müsste folgte man der Auffassung des Klägers, sondern solche Schäden welche von einer Haftpflichtversicherung übernommen werden würden, nach den Kriterien der hier vorliegenden AHB. Die Tatsache, dass der Kläger nicht den Schaden der ihm aufgrund des Forderungsausfalls entstanden ist erstattet erhalten will, sondern den welchen er vormals vergeblich vollstrecken wollte stützt die gerichtliche Auslegung des Vertragstextes weiter. Auch im § 18 c BBR 06 bezeichnet das Schadensereignis, das Ereignis, welche die Haftpflichtansprüche, nicht Forderungsausfallerstattungsansprüche, gemäß § 18 Abs. 1 BBR 06 zur Folge haben könnte. Gemeint ist auch hier das Geschehnis welches, bei Bestehen einer Haftpflichtversicherung, Zahlungsansprüche aus einer gewöhnlichen Haftpflichtversicherung begründen könnte. Dieses Schadensereignis ist im vorliegenden Fall der Mord an der Tochter des Klägers, da es die Schmerzensgeldansprüche des Klägers begründet.

III.

Es besteht kein Haftpflichtversicherungsschutz für den Schadensersatzpflichtigen Schädiger des Klägers, da das Schadensereignis auf Vorsatz begangen wurde und keine Gefahr des täglichen Lebens nach § 1 BBR 06 darstellt, § 103 VVG, § 7 Abs. 1 AHB.

Das Schadensereignis, der Mord, ist ein vorsätzlich begangenes Verbrechen und der Versicherer somit nicht zur Leistung verpflichtet, § 103 VVG. Auch der Eintritt von Gesundheitsschäden bei nahen Angehörigen durch Schock oder psychischen Erkrankungen ist als Schadensfolge vom Vorsatz umfasst. Es ist hier auch nichts ersichtlich was der Anwendung des § 103 VVG im Wege stehen könnte. Auch der § 7 Abs. 1 AHB schließt Versicherungsansprüche von Personen aus, die den Schaden vorsätzlich herbeigeführt haben. Da somit für den Schadensersatzpflichtigen Mörder in der gegebenen Situation kein Haftpflichtschutz besteht, kann auch der Forderungsausfallersatz durch die Versicherung des Klägers nicht zur Anwendung kommen. Er wird lediglich so gestellt als ob eine Haftpflichtversicherung unter den Voraussetzungen der AHB und des § 18 BBR 06 seitens des Schadensersatzpflichtigen bestünde. Diese hätte bei Vorsatztaten keine Leistungspflicht so dass auch bei Vorhandensein einer solchen dem Kläger nur die konventionelle Zwangsvollstreckung als Mittel bliebe.

Der Mord stellt auch keine Gefahr des täglichen Lebens dar, daher ist der eingetretene Schaden nicht vom Haftpflichtschutz umfasst, § 1 BBR 06. Die Gefahren des täglichen Lebens umfassen solche, die im Verlauf des Lebens erwartungsgemäß vorkommen können. Da aus Perspektive des virtuell Haftpflichtversicherten zu prüfen ist, müssten das Begehen eines Mordes mit 26 Messerstichen und die daraus resultierenden Schäden im Bereich des täglichen Lebens liegen.

IV.

Das Schadensereignis ist außerhalb der Vertragslaufzeit der Forderungsausfallversicherung aufgetreten, so dass kein vertraglicher Anspruch auf Leistungen nach dem Versicherungsvertrag besteht, § 18 BBR 06.

Der Mord fand am 22.11.2005 statt, zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger bei der Beklagten lediglich eine gewöhnliche Haftpflichtversicherung. Die Vertragsänderung zur Forderungsausfallversicherung erfolgte erst am 27.02.2009. Es besteht auch wegen dem Fehlen einer wirksamen Vertraglichen Grundlage zur Zahlung, die sich auf den Zeitpunkt des Schadenseintritts beziehen muss, §§ 18 Abs. 1 und Abs. 2 c BBR 06, kein Anspruch des Klägers auf Zahlung seitens der Beklagten.

V.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, da kein Anspruch hierüber gegenüber der Beklagten vorliegt, § 249 I BGB.

Da hier keine vertragliche Verpflichtung vorliegt an den Kläger etwas zu leisten, muss die Beklagte auch nicht die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Klägers tragen, §§ 241 I 1, II; 249 I BGB.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit gründet sich auf § 709 ZPO.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung


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Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.