Die Kläger machen Einsichtsrechte geltend.
Beide Kläger sind neben etwa 150 anderen als Kommanditisten an der Beklagten beteiligt, der Kläger zu 1 mit einer Haftungssumme von 10.800,00 DM, der Kläger zu 2 mit einer Haftungssumme von 120.357,89 €. Der Kläger zu 2) war bis Mitte 2009 Vorsitzender des Verwaltungsrates der Beklagten.
Komplementärin der Beklagten ist die ..., deren einzige Gesellschafterin wiederum die Beklagte ist.
Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten enthält u.a. folgende Regelungen:
§ 5 Geschäftsführung und Vertretung
... 2. Die Komplementärin darf Handlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb der Gesellschaft hinausgehen ... nur mit vorheriger Zustimmung des Verwaltungsrates vornehmen ....
3. Die folgenden Handlungen bedürfen der Zustimmung des Verwaltungsrates auch dann, wenn sie im Einzelfall nicht Handlungen sein sollten, zu denen die Komplementärin nach Ziffer 2. der Zustimmung des Verwaltungsrates bedarf: ...
§ 12 Aufgaben und Rechte des Verwaltungsrates
Der Verwaltungsrat hat neben den anderen ihm in diesem Gesellschaftsvertrag zugewiesenen Aufgaben und Rechten die folgenden:
a) Der Verwaltungsrat hat die Komplementärin zu beraten und zu überwachen. Zu diesem Zweck kann er von ihr jederzeit Auskunft über alle Angelegenheiten der Gesellschaft verlangen und sich auch selbst darüber informieren; er kann insbesondere die Bücher und Schriften der Gesellschaft sowie deren Vermögensgegenstände einsehen und prüfen ....
§ 13 Jahresabschluss
... 5. Das Recht nach § 166 Abs. 1 HGB, die Richtigkeit des Jahresabschlusses unter Einsicht der Bücher und Papiere der Gesellschaft zu prüfen, ist ausgeschlossen, wenn ein Wirtschaftsprüfer die Richtigkeit des Jahresabschlusses, insbesondere seine Übereinstimmung mit den gesetzlichen Bestimmungen und diesem Gesellschaftsvertrag, uneingeschränkt bestätigt hat.
Wegen des weiteren Wortlauts des Gesellschaftsvertrags wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen.
Die Jahresabschlüsse 2009 bis 2015 wurden von einem Wirtschaftsprüfer geprüft, jeweils mit uneingeschränktem Prüfvermerk bestätigt und durch Beschlüsse der Gesellschafterversammlung festgestellt. Die Vorlage der Bilanz, der Gewinn- und Verlustrechnung und wesentlicher Kostenkonten an die Gesellschafter erfolgte jeweils mehrere Wochen vor der Gesellschafterversammlung, bei der die Feststellung des Jahresabschlusses beschlossen werden sollte. Die Geschäftsführung der Beklagten und der Verwaltungsrat wurden jeweils durch Beschlüsse der Gesellschafterversammlung entlastet.
Die Feststellung des Jahresabschlusses für 2015 erfolgte in der Gesellschafterversammlung vom 16.09.2016. Zeitlich entsprechend erfolgte dies für die Vorjahre.
Mit Schreiben vom 14.10.15 und erneut mit Schreiben vom 13.01.2016 begehrte der Kläger zu 1) Einsicht in diverse Unterlagen, u.a. in Abrechnungen und Protokolle des Verwaltungsrates ab 2009 und in Unterlagen betreffend erstattete Auslagen des Verwaltungsrates. Wegen des Wortlauts dieser Schreiben wird auf das Anlagenkonvolut K 2 Bezug genommen.
Die Beklagte verweigerte die Einsicht unter Hinweis auf die Satzungsbestimmungen.
Die Kläger führen aus, sie brauchten diese Unterlagen für die Prüfung der Jahresabschlüsse 2009 bis 2015. Im Übrigen seien aufgrund des Grundsatzes der Bilanzkontinuität zur Überprüfung des Jahresabschlusses 2015 auch die Unterlagen aus den Vorjahren erforderlich.
Sie sind der Ansicht, ein Anspruch auf Einsichtnahme stehe ihnen aus § 166 I HGB zu. Dieser sei durch § 13 Ziffer 5 des Gesellschaftsvertrags nicht wirksam abbedungen. In diesem Zusammenhang argumentieren die Kläger, der in § 51 a III GmbHG niedergelegte Grundsatz, dass einem GmbH-Gesellschafter das Einsichtsrecht in Bücher und Schriften der Gesellschaft nicht durch eine Regelung im Gesellschaftsvertrag genommen werden könne, müsse auch und gerade in der PublikumsKG gelten.
Hilfsweise stützen die Kläger sich auf § 51 a I GmbHG analog als Anspruchsgrundlage mit der Begründung, dieser müsse auch bei einer Einheitsgesellschaft wie hier gelten, denn sonst würde es zu einem Zirkel der Kontrollbefugnisse kommen und die Geschäftsführung der Komplementärin und der Verwaltungsrat würden sich selbst kontrollieren. Der Verwaltungsrat sei infolge der Zustimmungsbefugnisse in die Geschäftsführung der Komplementärin eingebunden und könne deshalb den Kommanditisten ihre Kontrollbefugnisse nicht nehmen. Eine effektive Kontrolle sei nur durch eine eigene Einsichtsmöglichkeit der Kommanditisten möglich.
Die Kläger beantragen:
I.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger zu 1) und dem Kläger zu 2) je einzeln oder gemeinsam selbst oder einem von diesen beauftragten Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer in den Geschäftsräumen der Beklagten in ... Einsicht in die nachfolgend benannten, für die Beklagte geführten Geschäftsunterlagen zu gewähren:
-
1.Abrechnungen der Mitglieder des Verwaltungsrates über Auslagen in den Geschäftsjahren 2009 bis 2015
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2.Rechnungen, die ein Mitglied des Verwaltungsrates selbst oder die eine Gesellschaft, an der ein Mitglied des Verwaltungsrates mit mehr als 10 % am Kapital beteiligt ist, in den Geschäftsjahren 2009 bis 2015 an die ... gestellt hat,
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3.Rechnungen, die die ... für Beratungsleistungen, insbesondere Rechtsberatungsleistungen, die in den Geschäftsjahren 2009 bis 2015 erbracht wurden, erhalten hat,
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4.Zahlungsbelege für die Erstattung von Auslagenersatz gegenüber den Mitgliedern des Verwaltungsrates sowie für die Zahlung auf Rechnungen im Sinne von Ziff. 2 und Ziff. 3,
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5.Protokolle der Sitzungen des Verwaltungsrates in den Geschäftsjahren 2009 bis 2015.
II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger zu 1) und dem Kläger zu 2) selbst je einzeln oder gemeinsam oder einem von diesen beauftragen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer in den Geschäftsräumen der Beklagten Einsicht in die für die Beklagte geführten Geschäftsunterlagen zum Zwecke der Prüfung auch der Jahresabschlüsse für die Geschäftsjahre 2016 und später zu gewähren, solange der jeweilige Kläger Kommanditist der Beklagten ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie wendet ein, ein Einsichtsrecht der einzelnen Kommanditisten nach § 166 I HGB sei im Gesellschaftsvertrag wirksam abbedungen. Die Regelung im Gesellschaftsvertrag kompensiere dies im Übrigen durch ein erweitertes Einsichts- und Prüfungsrecht, das auf den Verwaltungsrat übertragen sei. Diese Regelung sei auch wirksam, insbesondere sei der Verwaltungsrat nicht in die Geschäftsführung der Komplementärin eingebunden. Die Zustimmungsvorbehalte seien vielmehr Teil der Überwachungsfunktion des Verwaltungsrates.
Ein Einsichtsrecht ergebe sich auch nicht aus § 51 a I GmbHG analog, denn es fehle wegen der Übertragung der Einsichtsrechte und Überwachungsfunktion auf den Verwaltungsrat an einer Regelungslücke und § 51 a GmbHG dürfe nach der Rechtsprechung auf „Nur-Kommanditisten“ nicht angewendet werden. Außerdem könnten die Kläger die begehrte Einsicht nicht verlangen, weil sie an der Feststellung sämtlicher Jahresabschlüsse mitgewirkt und die Geschäftsführung der Beklagten nach Feststellung der Jahresabschlüsse jeweils umfänglich entlastet hätten. Ein Einsichtsrecht sei auch nicht auf Bevollmächtigte übertragbar.
Hilfsweise führt die Beklagte aus, ein Einsichtsrecht aus § 166 I HGB hinsichtlich der Unterlagen für 2009 bis 2014 bestehe außerdem schon deshalb nicht, weil es nicht in angemessener zeitlicher Frist nach Mitteilung des Jahresabschlusses geltend gemacht worden sei.
Der Feststellungsantrag sei nicht ausreichend bestimmt und nicht vollstreckungsfähig.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird zur Ergänzung des Tatbestands auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf das Sitzungsprotokoll vom 22.02.2017 (Bl. 49/52 d.A.) sowie auf die gerichtlichen Beschlüsse und Verfügungen Bezug genommen.
A.
Die Klage erweist sich im vollen Umfang als unbegründet. Den Klägern steht das in Klageantrag Ziffer I. geltend gemachte Einsichtsrecht aus keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt zu. Klageantrag II ist mangels Feststellungsinteresses unzulässig.
I.
Die Kläger haben keinen Anspruch auf Einsicht in die in Klageantrag I genannten Geschäftsunterlagen.
1. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 166 I HGB, denn diese Regelung ist nach Ansicht der Kammer im streitgegenständlichen Fall wirksam durch § 13 Ziffer 5 des Gesellschaftsvertrags abbedungen.
a. Gemäß § 13 Ziffer 5 des Gesellschaftsvertrags können die Gesellschafter Einsicht in Bücher und Papiere der Gesellschaft zur Prüfung des Jahresabschlusses gemäß § 166 I HGB dann nicht mehr verlangen, wenn ein Wirtschaftsprüfer die Richtigkeit des Jahresabschlusses uneingeschränkt bestätigt hat. Dies ist bei den streitgegenständlichen Jahresabschlüssen für die Geschäftsjahre 2009 bis einschließlich 2015 unstreitig jeweils der Fall.
b. Die Regelung in § 13 Ziffer 5 des Gesellschaftsvertrags ist nach Ansicht der Kammer wirksam.
aa. Nach der Systematik des HGB handelt es sich bei § 166 I HGB nicht um eine schlechthin unabdingbare Regelung, da das HGB diesbezüglich – anders als beispielsweise in den §§ 87 a V, 87 c V oder 173 II HGB – kein Verbot einer abweichenden vertraglichen Regelung enthält.
bb. Die Unabdingbarkeit ergibt sich nach Ansicht der Kammer auch nicht aus dem 1980 in das GmbHG eingefügten § 51 a III, der unter anderem bestimmt, dass einem GmbH-Gesellschafter das Recht auf Einsicht in Bücher und Schriften der Gesellschaft nicht durch eine Regelung im Gesellschaftsvertrag genommen werden kann. Zwar hat der Bundesgerichtshof in BGH NJW 89, 225 die Frage aufgeworfen, ob sich aufrechterhalten lässt, dass § 166 HGB nachgiebiges Recht ist, nachdem § 51 a GmbHG dem GmbH-Gesellschafter ein nicht abdingbares Informationsrecht zubilligt. Der BGH hat diese Frage jedoch ausdrücklich offengelassen.
Da § 166 HGB jedoch seit dieser Entscheidung, also seit immerhin 27 Jahren, nicht geändert bzw entsprechend angepasst wurde und es sich nach der Systematik des HGB bei § 166 I HGB mangels einer dem § 51 a III GmbHG vergleichbaren Regelung grundsätzlich um nachgiebiges Recht handelt, kann man nach Ansicht der Kammer die für den GmbH-Gesellschafter geltende Regelung des § 51 a GmbHG nicht auf den Kommanditisten einer KG übertragen, zumal der Grundsatz der Vertragsautononomie im Personengesellschaftsrecht von fundamentaler Bedeutung ist. Damit gilt: Wenn man sich für die Rechtsform einer KG entscheidet, richten sich die Rechte der Gesellschafter nach §§ 161 ff HGB, wenn man sich für die Rechtsform einer GmbH entscheidet, nach dem GmbHG.
c. Der Kern des Informations- und Kontrollrechts eines Kommanditisten, der nach allgemeiner Meinung auch bei einer Einschränkung im Gesellschaftsvertrag erhalten bleiben muss (Baumbach/Hopt, HGB, 37. Auflage, 2016, § 166 HGB, Rn. 18), ist im streitgegenständlichen Fall nicht berührt, denn zum einen nimmt § 13 Ziffer 5 den Kommanditisten ihr Einsichtsrecht nicht komplett, sondern nur für den Fall der uneingeschränkten Bestätigung der Richtigkeit des Jahresabschlusses durch einen Wirtschaftsprüfer und zum anderen kann nach § 12 des Gesellschaftsvertrags das Einsichtsrecht durch den Verwaltungsrat ausgeübt werden. Da dieser wiederum durch die Gesellschafterversammlung aus dem Kreis der Gesellschafter gewählt wird, stellt dies nach Ansicht der Kammer angesichts der großen Anzahl der Kommanditisten eine praktikable, den Kommanditisten zumutbare Regelung dar, die den Kernbereich ihres Informationsrechts nicht einschränkt. Die in § 5 des Gesellschaftsvertrags geregelten Zustimmungsbefugnisse des Verwaltungsrats stehen dem nicht entgegen, da diese Ausfluss der Kontrollfunktion des Verwaltungsrats sind. Zu berücksichtigen ist ferner, dass das Recht der Kommanditisten, bei Vorliegen wichtiger Gründe nach § 166 III HGB vorzugehen und die Anordnung der Vorlegung von Büchern oder Papieren zu beantragen, durch die Regelungen im Gesellschaftsvertrag nicht eingeschränkt wird.
2. Obwohl es für die Entscheidung nach Ansicht der Kammer aus den unter obiger Ziffer 1 ausgeführten Gründen nicht mehr erheblich ist, sei noch folgendes ausgeführt:
Selbst wenn man wegen § 51 a GmbHG den Anspruch aus § 166 I, 2. Alt. HGB als unabdingbar ansähe, lägen dessen Voraussetzungen im streitgegenständlichen Fall nicht vor.
a. Hinsichtlich der Unterlagen aus den Geschäftsjahren 2009 bis einschließlich 2013 scheitert ein Einsichtsrecht bereits daran, dass die Kläger es versäumt haben, dieses rechtzeitig geltend zu machen. § 166 I HGB gewährt nämlich kein permanentes Einsichtsrecht, sondern lediglich ein Einsichtsrecht, um die Richtigkeit des jeweiligen Jahresabschlusses zu überprüfen. Daraus folgt, dass das Einsichtsverlangen innerhalb einer vertretbaren Zeitspanne nach Vorlage des Jahresabschlusses geltend gemacht werden muss. Gemäß Casper in Großkommentar, HGB, 5. Auflage, 2015, Anmerkung 11 zu § 166 HGB ist das Einsichtsrecht auf einen Zeitraum von 3 Monaten nach Vorlage des Jahresabschlusses zu beschränken. Dem folgt die Kammer. Da das Einsichtsrecht erstmals im Oktober 2015 geltend gemacht wurde, wurde die Frist im Hinblick auf die Jahresabschlüsse 2009 bis 2013 jedenfalls nicht eingehalten. Dass die Unterlagen aus den Jahren 2009 bis 2013 aus Gründen der Bilanzkontinuität für die Überprüfung der Jahresabschlüsse 2014 und 2015 erforderlich wären, hat die Klagepartei nicht substantiiert dargetan. Im Übrigen ist die Bilanzkontinuität ist kein passendes Argument, um Positionen in der Gewinn- und Verlustrechnung nachvollziehen zu können.
b. Was die Unterlagen aus den Geschäftsjahren 2014 und 2015 angeht, so scheitert das Einsichtsrecht daran, dass die Kläger unstreitig die Jahresabschlüsse 2014 und 2015 als verbindlich anerkannt und damit nach Ansicht der Kammer auf ihr Einsichtsrecht verzichtet haben. Zwar ist nach allgemeiner Meinung in der schlichten Stimmabgabe für den Jahresabschluss kein Verzicht auf das Prüfungsrecht aus § 166 I HGB zu sehen, sondern die Frage, ob ein Verzicht auf das Einsichtsrecht vorliegt, ist unter Würdigung aller Umstände zu beantworten. Im vorliegenden Fall haben die Kläger jedoch unstreitig nicht nur bei Feststellung der Jahresabschlüsse 2014 und 2015 mit „ja“ gestimmt, sondern sie haben zusätzlich auch für die Entlastung der Geschäftsführung gestimmt. Hinzu kommt, dass ihnen bei der jeweiligen Abstimmung unstreitig die jeweiligen Jahresabschlüsse schon seit Wochen vorlagen. Angesichts dieser zusätzlichen Umstände geht die Kammer von einem Verzicht aus.
3. Schließlich ergibt sich das streitgegenständliche Einsichtsrecht auch nicht aus § 51 a I GmbHG analog, denn das Recht aus § 51 a I GmbHG hat nach herrschender Ansicht, der die Kammer folgt, nur der GmbH-Gesellschafter.
4. Ein Anspruch aus § 166 III HGB, für den die Kammer überdies nicht zuständig wäre, wurde nicht geltend gemacht.
II.
Die in Antrag II erhobene Feststellungsklage ist mangels Feststellungsinteresses unzulässig.
B.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.