Landgericht München I Endurteil, 28. Mai 2015 - 2 O 1248/15

bei uns veröffentlicht am28.05.2015
nachgehend
Oberlandesgericht München, 1 U 2090/15, 29.10.2015

Gericht

Landgericht München I

Tenor

1. Die am 26.01.2015 angeordnete einstweilige Verfügung wird bestätigt.

2. Die Verfügungsbeklagte hat auch die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin begehrt die vorläufige Untersagung der Beendigung eines Vergabeverfahrens durch Erteilung des Zuschlags. Sie wendet sich gegen drei beschränkte Ausschreibungen von Straßenmarkierungen (Weißmarkierungen), an denen die Verfügungsbeklagte sie nicht beteiligt hat.

Die Verfügungsklägerin ist ein mittelständisches Fachunternehmen, das sich gewerbsmäßig mit dem Aufbringen von Straßenmarkierungen, der Verkehrsüberwachung und Verkehrssicherung sowie dem Aufstellen von Schildern und Verkehrszeichen befasst.

Die Verfügungsbeklagte hat seit vielen Jahren die Aufbringung der Weiß- und Gelbmarkierungen auf den Straßen ... Jahresverträgen öffentlich ausgeschrieben. Dazu hat sie die Straßenmarkierungen in drei Teillose ... aufgeteilt. Die Verfügungsklägerin hat sich in den Vorjahren (d. h. vor 2015) regelmäßig an den öffentlichen Ausschreibungen der Verfügungsbeklagten beteiligt und Teillose im Stadtgebiet gewonnen, zuletzt z. B. in Bietergemeinschaft mit der ... GmbH.

Für die Jahresverträge 2015 hat die Verfügungsbeklagte die Ausschreibungen der Gelbmarkierungen (vorläufige Markierungen, etwa in Baustellenbereichen) von der Ausschreibung der Weißmarkierungen (endgültige Markierungen) getrennt. Zugleich hat sie die bestehenden Gebietslose ... für die Weißmarkierugen weiter in jeweils Teile A und B aufgeteilt. Die Jahresverträge 2015 für die Gelbmarkierungen hat die Verfügungsbeklagte in zwei Lose ... aufgeteilt. Die so gebildeten Einzellose für die Gelb- und Weißmarkierungen hat die Verfügungsbeklagte getrennt und - anders als in den Vorjahren - beschränkt ausgeschrieben. Hierbei hat sie die Verfügungsklägerin lediglich für die mit „Teil A“ bezeichneten Gebiete für die Weißmarkierungen zur Abgabe eines Angebots aufgefordert. Bis auf das Teillos für das Gebiet Nord Teil A hat die Verfügungsbeklagte für die mit „Teil A“ bezeichneten Gebiete Angebote abgegeben. Für die Gelbmarkierungen und die - hier allein streitgegenständlichen - mit „Teil B“ bezeichneten Teillose für die Weißmarkierungen hat die Verfügungsbeklagte die Verfügungsklägerin dagegen nicht zur Abgabe eines Angebots aufgefordert.

Die beschränkte Ausschreibung für die Teillose „Teil A“ ist mittlerweile aufgehoben worden. Für diese Teillose ist nunmehr im März 2015 eine öffentliche Ausschreibung erfolgt.

Die Verfügungsklägerin hat sämtliche beschränkten Ausschreibungen von Straßenmarkierungen für das Vertragsjahr 2015 bei der VOB-Stelle, ... mit einem Antrag nach § 21 VOB/A angegriffen.

Im Einzelnen wurde die Verfügungsklägerin an folgenden Ausschreibungen von Weißmarkierungen der Verfügungsbeklagten nicht beteiligt:

- „Gebiet Nord ...“

- „Gebiet Süd ...“

- „Gebiet Ost ...“

Die Auftragswerte dieser Ausschreibungen übersteigen einzeln und in der in der Summe die Wertschwelle von 125.000 Euro. Der Schwellenwert nach § 100 Abs. 1 GWB für die Anwendung des Vergaberechts nach dem vierten Teil des GWB ist nicht erreicht.

Ein Zuschlag wurde noch nicht erteilt, stand aber unmittelbar bevor.

Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, dass die Verfügungsbeklagte die Ausschreibungen der Teillose für die Weißmarkierungen nicht beschränkt hätte ausschreiben dürfen. Insbesondere sei die beschränkte Ausschreibung nicht nach § 3 Abs. 3 Nr. 3 VOB/A zulässig. Nach § 3 Abs. 2 VOB/A gelte vielmehr der Grundsatz der öffentlichen Ausschreibung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Verfügungsklägerin wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Mit Antrag vom 23.01.2015 hat die Verfügungsklägerin folgende einstweilige Verfügung vom 26.01.2015 erwirkt:

„Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu zweihundertfünfzigtausend Euro wegen jeder Zuwiderhandlung aufgegeben, in den Vergabeverfahren zur Beschaffung von Weißmarkierungen „Gebiet Nord ..., „Gebiet Süd ... und „Gebiet Ost ... einstweilen bis zur Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache keine Zuschläge zu erteilen.“

Die Verfügungsbeklagte hat Widerspruch eingelegt ....

Mit Beschluss der Kammer vom 05.03.2015 wurde das Verfahren dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen ....

Die Verfügungsklägerin beantragt,

die einstweilige Verfügung aufrechtzuerhalten.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte trägt vor, gegen die Verfügungsklägerin bestehe seit längerem der Verdacht, dass diese im Rahmen ihrer Firmenpolitik und auf der Grundlage von Absprachen mit Konkurrenten einen ordnungsgemäßen Wettbewerb gefährde, indem sie sich mit nicht im Wettbewerb kalkulierten Angeboten an den Ausschreibungen für die Markierungsarbeiten beteilige. Auch wenn die Verfügungsbeklagte hierfür keine eindeutigen Beweise vorlegen könne, bestehe aus ihrer Sicht ein begründeter Verdacht für ein solches Verhalten der Verfügungsklägerin. Das Bundeskartellamt habe u. a. gegen die Verfügungsklägerin Ermittlungen wegen des Verdachts kartellrechtswidriger Absprachen durchgeführt. Die Ermittlungen seien jedoch in den Jahren 2005 oder 2006 eingestellt worden, weil das Ermittlungsergebnis für den Erlass eines Bußgeldbescheids nicht ausgereicht habe. Für Ausschreibungen der Markierungsarbeiten ... habe die Verfügungsbeklagte die Erfahrung gemacht, dass bei öffentlichen Ausschreibungen zwar mehrere Interessenten die Ausschreibungsunterlagen abfordern, Angebote jedoch in der Regel nur von wenigen, oftmals gleichen Firmen, nämlich der Verfügungsklägerin und der ... GmbH, abgegeben worden seien. Aus einer Aufstellung des Preisniveaus aller Anbieter für das Gebiet Nord hätten sich zudem Auffälligkeiten bei den Angebotspreisen gezeigt. Stets seien die Angebote so bepreist worden, dass die Aufträge entweder an die Verfügungsklägerin oder die ... GmbH gegangen seien. Andere Anbieter hätten nur sporadisch Angebote erteilt. Für die Jahresausschreibung 2014 habe die Verfügungsklägerin in Bietergemeinschaft mit der bisher allein als alternative Auftragnehmern in Betracht kommenden ... GmbH angeboten. Hierbei sei ein Preissprung von nahezu ...% eingetreten. Die Bietergemeinschaft habe dennoch an erster Stelle gelegen, weil Alternativangebote noch erheblicher teurer gewesen seien. Die Überprüfung der Verfügungsbeklagten habe zwar keine ausreichenden Belege für ein „Überangebot“ ergeben. Der Preissprung sei jedoch nicht nachvollziehbar gewesen.

Die Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, dass die Nichtabgabe eines Angebots für das - hier nicht streitgegenständliche - Teillos für das Gebiet Nord ... das Interesse der Verfügungsklägerin an den streitgegenständlichen Teillosen für den jeweiligen Teil ... in Frage stelle. Die beschränkte Ausschreibung der streitgegenständlichen Weißmarkierungen sei nach § 3 Abs. 3 Nr. 3 VOB/A zulässig, weil eine Ausschreibung aus anderen Gründen unzweckmäßig gewesen sei. Die beschränkte Ausschreibung diene dem Schutz des Wettbewerbs und der Möglichkeit für andere Wettbewerber, mit den gleichen Chancen an den Ausschreibungen für die Markierungsarbeiten teilzunehmen. Sie verfolge das Ziel, auf dem Gebiet der Markierungsarbeiten faktische Monopolstellungen und Abhängigkeiten der Verfügungsbeklagten von ein oder zwei Unternehmen zu verhindern. Der Bezug von § 3 Abs. 3 Nr. 3 VOB/A auf die Zweckmäßigkeit führe im Übrigen dazu, dass der Verfügungsbeklagten ein Beurteilungsspielraum bei der Frage zuzugestehen sei, ob und inwieweit Tatsachen die Unzweckmäßigkeit einer öffentlichen Ausschreibung rechtfertigten. Die Beurteilung der Verfügungsbeklagten sei insoweit nur auf - hier nicht vorliegende - Beurteilungsfehler überprüfbar. Auch die VOB-Stelle habe - wie aus dem als Anlage ... vorgelegten Bescheid ... hervorgehe - die beschränkte Ausschreibung auf Grundlage von § 3 Nr. 3 Abs. 1 c VOB/A (2006) für zulässig gehalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Verfügungsbeklagten wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen, insbesondere den Schriftsatz der Verfügungsbeklagten vom 02.03.2015, Bezug genommen.

Die Verfügungsklägerin wendet dagegen ein, sie sei an allen Ausschreibungen der Verfügungsbeklagten interessiert. Sie wolle sich auch an der im März 2015 erfolgten öffentlichen Ausschreibung der Teillose ... beteiligen. Den Vorwurf, sie habe sich in der Vergangenheit an wettbewerbswidrigen Absprachen beteiligt, weist die Verfügungsklägerin zurück. Sie ist der Auffassung, dass die Zulässigkeit der beschränkten Ausschreibung nicht mit dem Schutz des Wettbewerbs und der Chancengleichheit anderer Wettbewerber gerechtfertigt werden könne. Wettbewerbsschutz und Chancengleichheit mit einer Wettbewerbsbeschränkung herstellen zu wollen, sei ein Widerspruch in sich.

Das Gericht hat über den Widerspruch der Verfügungsbeklagten am 30.04.2015 mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen (Bl. 69/70 d. A.). Im Übrigen wird wegen des weiteren Vorbringens der Parteien auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Der Widerspruch der Verfügungsbeklagten ist zulässig. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet. Die am 26.01.2015 angeordnete einstweilige Verfügung war daher zu bestätigen.

I.

Für Ansprüche bei Auftragsvergaben unter den EU-Schwellenwerten nach § 100 Abs. 1 GWB ist der Zivilrechtsweg eröffnet. Die Anrufung der Nachprüfungsstelle nach § 21 VOB/A steht der Anrufung des Gerichts nicht entgegen, weil die Anrufung der Nachprüfungsstelle bei Vergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte keinen gesetzlichen Suspensiveffekt hat (vgl. Portz in: Ingenstau/Korbion, VOB, 18. Aufl. 2013, § 21 VOB/A, Rdnr. 5 und 10 m. w. N.). Die Verfügungsklägerin kann bei der hier gegebenen sog. Unterschwellenvergabe Primärrechtsschutz im Wege des Erlasses einer einstweiligen Verfügung erlangen, wenn in einem nach der VOB/A durchgeführten Vergabeverfahren gegen bieterschützende Vorschriften der VOB/A verstoßen wird. Die Vergabepraxis und die den öffentlichen Auftraggebern vorgegebene Anwendung der VOB/A führt zu einer Selbstbindung der Verwaltung. Hierdurch kommt den Vorschriften der VOB/A mittelbare Außenwirkung zu. Demnach muss jeder Mitbewerber die faire Chance erhalten, nach Maßgabe des durch die VOB/A vorgesehenen Verfahrens berücksichtigt zu werden (vgl. Portz in: Ingenstau/Korbion, VOB, 18. Aufl. 2013, § 21 VOB/A, Rdnr. 10 m. w. N.; OLG Schleswig, Beschluss v. 8.1.2013 - 1 W 51/12, zitiert nach juris).

II.

1. Die Verfügungsklägerin hat gegen die Verfügungsbeklagte einen Anspruch auf Unterlassung der Zuschlagserteilung aus Verschulden bei Vertragsschuss (culpa in contrahendo) gemäß §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 1, 280 Abs. 1 BGB glaubhaft gemacht.

a) In der Rechtsprechung des BGH ist insoweit anerkannt, dass die Eröffnung eines Vergabeverfahrens ein vorvertragliches Schuldverhältnis zwischen der nachfragenden Vergabestelle und den am Auftrag interessierten Bewerbern und Bietern begründet (BGH, Urt. v. 9.6.2011 - X ZR 143/10, BGHZ 190, 89 ff. = Vergaberecht 2011, 703 ff, zitiert nach juris). Ein solches vorvertragliches Schuldverhältnis ist auch zwischen den Parteien entstanden. Die Verfügungsklägerin hat glaubhaft gemacht, dass sie an ein Interesse daran hat, sich in den hier streitgegenständlichen Vergabeverfahren der Verfügungsbeklagten für die Weißmarkierungen der Gebiete Nord, Süd und Ost ... zu beteiligen. Der Umstand, dass sie im Rahmen der ursprünglich beschränkt ausgeschriebenen Weißmarkierungen für das Gebiet Nord ... kein Gebot abgegeben hat, steht dem nicht entgegen. Die Gebietsteillose mit der Bezeichnung ... sind nicht streitgegenständlich. Aus der einmaligen Nichtabgabe eines Angebots in einem anderen Vergabevergabe kann zudem nicht der Schluss gezogen werden, die Verfügungsklägerin habe kein ernsthaftes Interesse an der Vergabe der streitgegenständliche Teillose. Hinzu kommt, dass die Verfügungsklägerin unstreitig in der Vergangenheit regelmäßig an den Vergabeverfahren der Verfügungsklägerin teilgenommen hat und nach der mittlerweile erfolgten Aufhebung der beschränkten Ausschreibung für die Gebietsteillose ... erklärt hat, an der öffentlichen Ausschreibung dieser Gebietslose teilnehmen zu wollen.

b) Die Verfügungsbeklagte hat gegen ihre Pflichten aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis schuldhaft verstoßen, weil sie die Teillose für die Weißmarkierungen in den Teillosen ... entgegen § 3 Abs. 2 VOB/A nicht öffentlich ausgeschrieben hat. Nach § 3 Abs. 2 VOB/A muss eine öffentliche Ausschreibung stattfinden, soweit nicht die Eigenart der Leistung oder besondere Umstände eine Abweichung rechtfertigen. Wann ein Abweichen gerechtfertigt ist, ist § 3 Abs. 3 bis 5 VOB/A zu entnehmen. Bei der Ermittlung der Ausnahmetatbestände ist der Grundsatz des Vorrangs der Öffentlichen Ausschreibung zu beachten (vgl. Müller-Wrede in: Ingenstau/Korbion, VOB, 18. Aufl. 2013, § 3 VOB/A, Rdnr. 5).

c) Die Voraussetzungen für die Anwendung der vorliegend allein in Betracht kommenden Ausnahmetatbestände nach § 3 Abs. 3 VOB/A sind nicht gegeben.

aa) Der Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 3 Nr. 1 VOB/A, der die beschränkte Ausschreibung bei Nichterreichen bestimmter Auftragswertschwellen regelt, ist nicht erfüllt. Bei den hier vorliegenden Straßenmarkierungen handelt es sich um eine Straßenausstattung im Sinne des § 3 Abs. 3 Nr. 1 VOB/A, so dass eine Auftragsschwelle von 50.000 Euro gilt, die hier unstreitig überschritten ist. Nichts anderes gilt, wenn man entsprechend der von der Klägerin in ihrer Antragsschrift vom 23.01.2015 (Seite 11, Bl. 11 d. A.) zitierten Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren über die Vergabe vom Aufträgen im kommunalen Bereich von einer Auftragsschwelle von bis zu 125.000 Euro ausgeht.

bb) Da den angegriffenen beschränkten Vergabeverfahren keine öffentliche Ausschreibung vorangegangen ist, findet § 3 Abs. 3 Nr. 2 VOB/A keine Anwendung.

cc) Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten ist auch der Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 3 Nr. 3 VOB/A nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift kann eine beschränkte Ausschreibung erfolgen, wenn eine Öffentliche Ausschreibung aus anderen Gründen (z. B. Dringlichkeit, Geheimhaltung) unzweckmäßig ist. Hierbei handelt es sich um einen Auffangtatbestand. Bei dem Tatbestandsmerkmal der Unzweckmäßigkeit einer öffentlichen Ausschreibung handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der im Einzelfall nach objektiven Maßstäben und unter Beachtung der Hierarchie der Vergabearten (Vorrang der Öffentlichen Ausschreibung vor der beschränkten Ausschreibung) auszulegen ist. Die Unzweckmäßigkeit der Öffentlichen Ausschreibung muss sich demnach aus der Eigenart der Leistung oder mit dieser zusammenhängenden besonderen Umständen ergeben (vgl. Müller-Wrede in: Ingenstau/Korbion, VOB, 18. Aufl. 2013, § 3 VOB/A, Rdnr. 33). Ob und inwieweit der Verfügungsbeklagten bei der Feststellung der Unzweckmäßigkeit ein gerichtlich nur begrenzt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zukommt, kann dahinstehen, da die von der Verfügungsbeklagten für die Zulässigkeit der beschränkten Ausschreibung angeführten Gründe den von § 3 Abs. 3 Nr. 3 VOB/A vorgegebenen Rahmen gerade nicht einhalten.

Die Verfügungsbeklagte möchte mit der beschränkten Ausschreibung den Wettbewerb schützen, die Chancengleichheit der Wettbewerber sicherstellen und faktische Monopolstellungen und Abhängigkeiten der Verfügungsbeklagten von ein oder zwei Unternehmen verhindern. Diese Zielsetzung steht mit der Eigenart der hier zu vergebenden Leistung - den Markierungsarbeiten - oder besonderen Umständen bei der Leistungserbringung gerade nicht in Zusammenhang. Es handelt sich hierbei vielmehr um Befürchtungen, die ihre Ursache im von der Verfügungsbeklagten vermuteten wettbewerbswidrigen Verhalten der Verfügungsklägerin haben. Solche Befürchtungen können aber die beschränkte Ausschreibung, die nicht nur die Verfügungsklägerin, sondern ggf. auch andere unbeteiligte Mitbewerber von der Vergabe ausschließen, nicht rechtfertigen. Zwar stehen die von der Verfügungsbeklagten angeführten Ziele in Einklang mit dem in § 2 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 VOB/A normierten Auftrag, wettbewerbsbeschränkende und unlautere Verhaltensweisen zu bekämpfen. Die Verfügungsklägerin weist jedoch zu Recht darauf hin, dass der Schutz des Wettbewerbs nicht mit einer Beschränkung des Wettbewerbs sichergestellt werden kann. Der Verordnungsgeber geht vielmehr mit der in § 3 VOB/A normierten Hierarchie der Vergabeverfahren davon aus, dass grundsätzlich das Verfahren anzuwenden ist, das den größtmöglichen Wettbewerb ermöglicht. Die beschränkte Ausschreibung engt den möglichen Anbieterkreis aber von vorherein ein und führt so gerade nicht zu mehr Wettbewerb und Chancengleichheit.

Soweit es der Verfügungsbeklagten um die Verhinderung wettbewerbswidrigen Verhaltens geht, sieht die VOB/A hierfür besondere Regelungen vor: So ist in § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. d VOB/A angeordnet, dass Angebote von Bietern, die in Bezug auf die Ausschreibung wettbewerbsbeschränkende Abreden getroffen haben, von der Vergabe auszuschließen sind. Zudem darf nach § 16 Abs. 6 Nr. 1 VOB/A kein Zuschlag für ein Angebot mit einem unangemessen hohen oder niedrigen Preis erteilt werden. Der der von der Verfügungsbeklagten geäußerte bloße Verdacht wettbeschränkender Absprachen oder unangemessener Preisbildung kann es daher nicht rechtfertigen, den Bieterkreis von vorherein einzuschränken und von einer öffentlichen Ausschreibung der Leistung abzusehen. Die Verfügungsbeklagte hat insoweit selbst eingeräumt, dass sie für ein wettbewerbswidriges Verhalten der Verfügungsklägerin keine Beweise vorlegen kann. Soweit sie einen auffälligen Preissprung im Angebot der Verfügungsklägerin bei der Jahresausschreibung 2014 beanstandet, führt sie aus, dass Alternativangebote noch teurer gewesen seien und ein überhöhter Preis letztlich nicht nachgewiesen werden konnte. Insoweit kann von einem wettbewerbswidrigen Verhalten der Verfügungsklägerin nicht ausgegangen werden.

Aus dem von der Verfügungsbeklagten vorgelegten Bescheid ... ergibt sich nichts anderes. In dem Bescheid wird die Zulässigkeit der beschränkten Ausschreibung wegen der von der Verfügungsbeklagten befürchteten Absprachen zwischen den Wettbewerbern zwar postuliert, aber nicht näher begründet.

2. Die Verfügungsklägerin hat auch einen Verfügungsgrund ausreichend glaubhaft gemacht, nachdem die Vergabe der streitgegenständlichen Leistungen nach unbestrittenem Vortrag der Verfügungsklägerin unmittelbar bevorstand.

III.

Die Kostentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nicht erforderlich, da es bei der kraft Gesetzes gegebenen Vollstreckbarkeit der einstweiligen Verfügung vom 26.01.2015 verbleibt (Thomas/Putzo, ZPO, 36. Aufl. 2015, § 708, Rdnr. 7).

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Bundesgerichtshof Urteil, 09. Juni 2011 - X ZR 143/10

bei uns veröffentlicht am 09.06.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 143/10 Verkündet am: 9. Juni 2011 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR:

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(1) Sektorenauftraggeber sind

1.
öffentliche Auftraggeber gemäß § 99 Nummer 1 bis 3, die eine Sektorentätigkeit gemäß § 102 ausüben,
2.
natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts, die eine Sektorentätigkeit gemäß § 102 ausüben, wenn
a)
diese Tätigkeit auf der Grundlage von besonderen oder ausschließlichen Rechten ausgeübt wird, die von einer zuständigen Behörde gewährt wurden, oder
b)
öffentliche Auftraggeber gemäß § 99 Nummer 1 bis 3 auf diese Personen einzeln oder gemeinsam einen beherrschenden Einfluss ausüben können.

(2) Besondere oder ausschließliche Rechte im Sinne von Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a sind Rechte, die dazu führen, dass die Ausübung dieser Tätigkeit einem oder mehreren Unternehmen vorbehalten wird und dass die Möglichkeit anderer Unternehmen, diese Tätigkeit auszuüben, erheblich beeinträchtigt wird. Keine besonderen oder ausschließlichen Rechte in diesem Sinne sind Rechte, die aufgrund eines Verfahrens nach den Vorschriften dieses Teils oder aufgrund eines sonstigen Verfahrens gewährt wurden, das angemessen bekannt gemacht wurde und auf objektiven Kriterien beruht.

(3) Die Ausübung eines beherrschenden Einflusses im Sinne von Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe b wird vermutet, wenn ein öffentlicher Auftraggeber gemäß § 99 Nummer 1 bis 3

1.
unmittelbar oder mittelbar die Mehrheit des gezeichneten Kapitals des Unternehmens besitzt,
2.
über die Mehrheit der mit den Anteilen am Unternehmen verbundenen Stimmrechte verfügt oder
3.
mehr als die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Unternehmens bestellen kann.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 143/10 Verkündet am:
9. Juni 2011
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Rettungsdienstleistungen II
Der auf Verstöße des öffentlichen Auftraggebers gegen Vergabevorschriften gestützte
Schadensersatzanspruch des Bieters ist nach der Kodifikation der gewohnheitsrechtlichen
Rechtsfigur der culpa in contrahendo durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz
nicht mehr daran geknüpft, dass der klagende Bieter auf die Einhaltung
dieser Regelungen durch den Auftraggeber vertraut hat, sondern es ist dafür auf die
Verletzung von Rücksichtnahmepflichten durch Missachtung von Vergabevorschriften
abzustellen (Weiterentwicklung von BGH, Urteil vom 8. September 1998
- X ZR 99/96, BGHZ 139, 280, 283; Urteil vom 27. November 2007 - X ZR 18/07,
VergabeR 2008, 219 Leitsatz e).
BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - X ZR 143/10 - OLG Naumburg
LG Magdeburg
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
Verhandlung vom 9. Juni 2011 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning, Dr. Grabinski und Hoffmann sowie
die Richterin Schuster

für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das am 28. Oktober 2010 verkündete Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin macht aufgewendete Rechtsanwaltskosten als Schadensersatz geltend, nachdem ein vom Beklagten durchgeführtes Vergabeverfahren, an dem sie sich beteiligt hatte, wegen Verwendung vergaberechtswidriger Wertungskriterien aufgehoben wurde.
2
Der Beklagte schrieb im offenen Verfahren Rettungsdienstleistungen für den Zeitraum von Anfang Juli 2009 bis Ende Juni 2015 losweise aus. Der Zuschlag sollte auf das wirtschaftlich günstigste Angebot erteilt werden. Die Vergabeunterlagen sahen folgende Wirtschaftlichkeitskriterien mit jeweils zugeordneter Gewichtung vor: 1. Preis. Gewichtung 40 2. Mitarbeit bei Großschadenslagen und Massenanfall von Verletzten. Gewichtung 35 3. Erfahrung im Rettungsdienst. Gewichtung 10 4. Qualitätsmanagement. Gewichtung 5 5. Qualifikation des Personals. Gewichtung 5 6. Arbeitszeit des Personals. Gewichtung 5
3
Nachdem die Klägerin die Vergabeunterlagen angefordert hatte, übermittelte sie diese ihrem jetzigen Prozessbevollmächtigten mit der Bitte um Überprüfung (Schreiben vom 7. Juli 2008). Durch sein Schreiben vom 10. Juli 2008 rügte die Klägerin, in dem Bewertungsschema für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit würden vergaberechtswidrig Eignungs- und Wirtschaftlichkeitskriterien miteinander vermischt. Ihren kurz darauf gestellten (ersten) Nachprüfungsantrag nahm die Klägerin zurück, nachdem die Vergabekammer ihn als unzulässig eingeschätzt hatte. Nach Ablauf der Angebotsfrist reichte die Klägerin ein Angebot für ein Los des ausgeschriebenen Auftrags ein und stellte erneut einen Nachprüfungsantrag, der in der Beschwerdeinstanz Erfolg hatte. Der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Naumburg sprach in seinem Beschluss vom 3. September 2009 (VergabeR 2009, 933) aus, dass der inzwischen mit einem anderen Anbieter geschlossene Vertrag über die ausgeschriebenen Leistungen nichtig sei, und verpflichtete den Beklagten, das Vergabeverfahren aufzuheben. Diese Maßnahmen begründete der Vergabesenat im Wesentlichen mit einem Verstoß gegen die vergaberechtlich gebotene Trennung von Eignungs - und Wirtschaftlichkeitskriterien. Zumindest die Zuschlagskriterien zu Nr. 2, 3, 5 und 6 seien bieterbezogen, das Kriterium zu Nummer 4 sei intransparent , die Auswahl des günstigsten Angebots hänge somit zu mindestens 55 % nicht von dessen Inhalt, sondern von der Person des Bieters ab. Den Kos- tenstreitwert des Nachprüfungsverfahrens setzte das Oberlandesgericht auf bis zu 800.000 € fest.
4
Nach Aufhebung des Vergabeverfahrens verlangte die Klägerin vom Beklagten die Erstattung einer 2,3-fachen Gebühren nach Nr. 2300 VV-RVG (10.687,15 €) für die Beauftragung ihres Prozessbevollmächtigten mit der Überprüfung der Vergabeunterlagen vor Einleitung des ersten Nachprüfungsverfahrens. Nachdem der Beklagte die Zahlung ablehnte, hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie diese Summe zuzüglich eines Betrags von 962,71 € für die vorprozessuale Geltendmachung dieses Schadensersatzanspruchs (beide Gebühren zuzüglich Umsatzsteuer) verlangt hat.
5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht ihr stattgegeben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


6
Die Revision bleibt in der Sache ohne Erfolg.
7
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung sinngemäß wie folgt begründet. Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens aus dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo zu. Danach könnten einem Bieter Ansprüche auf Erstattung von Kosten zustehen, wenn er sich ohne Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens nicht oder nicht wie geschehen daran beteiligt hätte. Nicht schutzwürdig sei ein Bieter lediglich dann, wenn er sich in Kenntnis eines Vergabeverstoßes taktierend am Verfahren beteilige. So verhalte es sich hier aber nicht. Die Klägerin habe sich nicht auf das als vergaberechtswidrig erkannte Vergabeverfahren eingelassen, sondern ein Angebot erst gar nicht und am Ende nur deshalb abgegeben, um den Status eines Bieters zu erhalten und dadurch die vergaberechtliche Antragsbefugnis sicherzustellen. Sie habe aber von vornherein die von ihr als vergaberechtswidrig erkannten Fehler gerügt. Der entsprechende prozessuale Prüfungsauftrag habe somit entgegen der Ansicht des Beklagten nicht der "Torpedierung" des Vergabeverfahrens gedient. Der geltend gemachte Gebührentatbestand sei auch nicht bereits anderweitig kostenrechtlich erfasst. Nach der Kostenentscheidung des Vergabesenats im Nachprüfungsverfahren könne die Klägerin zwar die Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erstattet verlangen. Dass der Prüfungsauftrag vom 7. August 2008 bereits die Vertretung im Nachprüfungsverfahren umfasst habe, sei aber weder dessen Wortlaut zu entnehmen noch naheliegend. Eine Verbindung mit anderen Gebührentatbeständen lasse sich somit nicht feststellen.
8
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe sind nicht begründet.
9
1. Der Klägerin steht dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 Nr. 1 und § 280 Abs. 1 BGB zu.
10
a) Der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Naumburg hat im Nachprüfungsverfahren rechtskräftig entschieden, dass die Beklagte vergaberechtswidrige Wertungskriterien für die Zuschlagsentscheidung vorgesehen hatte. Diese Beurteilung ist für die ordentlichen Gerichte im Schadensersatzprozess bindend (§ 124 Abs. 1 GWB). Infolge der festgestellten Vergaberechtsverstöße musste das Vergabeverfahren aufgehoben werden. Die Aufhebung aus einem solchen Grund ist von der einschlägigen Vergabe- und Vertragsordnung nicht vorgese- hen (vgl. § 26 Nr. 1 und 2 VOL/A 2006, § 17 Abs. 1 VOL/A 2009) und deshalb nicht von vornherein sanktionsfrei.
11
b) Mit der Aufstellung von Wertungskriterien, die eine vergaberechtskonforme Angebotswertung nicht zuließen und die deshalb die Aufhebung des Vergabeverfahrens nach sich ziehen musste, hat der Beklagte gegen seine Pflichten aus § 241 Abs. 2 BGB verstoßen. Danach kann ein Schuldverhältnis einen Teil zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten. Ein solches Schuldverhältnis entsteht auch durch Aufnahme von Vertragsverhandlungen (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB), und darum handelt es sich - in je nach Verfahrensart mehr oder minder stark formalisierter Form - bei der Durchführung eines Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Aufträge. Mit der in der mündlichen Verhandlung weiter verfochtenen Ansicht, zur Klägerin habe ein solches vorvertragliches Schuldverhältnis nicht bestanden, weil dieser nur an der Unterminierung des Vergabeverfahrens gelegen gewesen sei, unternimmt die Revision den ihr verschlossenen Versuch, die Sachverhaltswürdigung des Berufungsgerichts durch die eigene zu ersetzen.
12
c) Werden die auf diese Weise formalisierten Vertragsverhandlungen auf der Grundlage der vom Auftraggeber ausgearbeiteten und den Bietern zur Teilnahme überlassenen Vergabeunterlagen geführt, wie es für das Vergabeverfahren typisch ist, trifft den öffentlichen Auftraggeber aus § 241 Abs. 2 BGB die Verpflichtung, diese Unterlagen vergaberechtskonform so auszuarbeiten, dass keine Wirtschaftlichkeitskriterien aufgestellt werden, die eine ordnungsgemäße Wertung der Angebote nicht zulassen und deshalb bei Beanstandung eine Aufhebung des Vergabeverfahrens unausweichlich machen. Durch die Aufhebung wird der je nach Auftragsgegenstand unter Umständen ganz beträchtliche Ausschreibungsaufwand der Bieter zunichte gemacht anstatt, seinem eigentlichen Zweck entsprechend, für den Wettbewerb um den ausgeschriebenen Auftrag eingesetzt zu werden. Die Bieter und Bewerber haben aber - in den Grenzen der von den Vergabe- und Vertragsordnungen anerkannten Tatbestände - ein von § 241 Abs. 2 BGB geschütztes Interesse daran, dass der öffentliche Auftraggeber das Verfahren so anlegt und durchführt, dass die genannten Aufwendungen der Bieter dem Wettbewerbszweck entsprechend tatsächlich verwendet werden können.
13
d) Infolge seines Verstoßes gegen die ihn treffenden Rücksichtnahmepflichten ist der Beklagte verpflichtet, der Klägerin den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen (§ 280 Abs. 1 Satz 1 BGB). Diese Verpflichtung trifft den Schuldner im Allgemeinen nur dann nicht, wenn er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Dazu haben die Instanzgerichte keine Feststellungen getroffen und die Revision macht nicht geltend, dass insoweit erheblicher Vortrag des Beklagten unberücksichtigt geblieben wäre. Daher bedarf an dieser Stelle die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union keiner Erörterung, wonach die Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 in der durch die Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 geänderten Fassung dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, die den Schadensersatzanspruch wegen Verstoßes eines öffentlichen Auftraggebers gegen Vergaberecht von der Schuldhaftigkeit des Verstoßes abhängig macht (EuGH, VergabeR 2011, 71).
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e) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats setzt der aus Verschulden bei Vertragsanbahnung hergeleitete Schadensersatzanspruch ein zusätzliches Vertrauenselement aufseiten des Schadensersatz verlangenden Bieters voraus (vgl. etwa BGH, Urteil vom 8. September 1998 - X ZR 99/96, BGHZ 139, 280, 283). Schadensersatz nach Aufhebung eines Vergabeverfahrens, für die, wie hier, kein vergaberechtlich anerkannter Grund (§ 17 VOL/A 2009, § 20 VOL/A-EG 2009, § 17 VOB/A 2009) vorlag, konnte ein Bieter nur dann verlangen , wenn er sich ohne Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens daran entweder gar nicht oder nicht so wie geschehen beteiligt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2007 - X ZR 18/07, VergabeR 2008, 219 Rn. 39). Diese Rechtsprechung knüpfte daran an, dass die auf die gewohnheitsrechtlich anerkannte Rechtsfigur der culpa in contrahendo gestützte Haftung im Allgemeinen die Gewährung von in Anspruch genommenem Vertrauen voraussetzte (vgl. Palandt/Heinrichs, 61. Aufl., § 276 BGB aF Rn. 65 f.). An dem tatbestandlichen Erfordernis eines solchen zusätzlichen Vertrauenselements hält der Senat für Schadensersatzansprüche, die auf ein vergaberechtliches Fehlverhalten des öffentlichen Auftraggebers vor Vertragsschluss gestützt sind, nicht fest.
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Der aus § 280 Abs. 1 in Verbindung mit § 241 Abs. 2 und § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB hergeleitete Schadensersatzanspruch knüpft nach dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung an die Verletzung einer aus dem Schuldverhältnis herrührenden Rücksichtnahmepflicht der Beteiligten an. Dafür, dass dem Gläubiger nur dann Schadensersatz zustehen soll, wenn er bei Verletzung einer solchen Rücksichtnahmepflicht zusätzlich gewährtes Vertrauen in Anspruch genommen hat, ist der gesetzlichen Regelung nichts zu entnehmen. Für das Recht der öffentlichen Auftragsvergabe besteht auch kein Bedürfnis dafür, das Vertrauen des Bieters etwa als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal weiter zu fordern. Denn dieses Gebiet ist durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass der Ablauf der Vertragsverhandlungen und die dem Auftraggeber dabei auferlegten Verhaltenspflichten eingehend geregelt sind. Oberhalb der gemäß § 2 VgV vorgesehenen Schwellenwerte gelten die Bestimmungen des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, der Vergabeverordnung sowie der Vergabe- und Vertragsordnungen für Bauleistungen und Leistungen und der Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen, und für Vergabeverfahren unterhalb dieser Werte sind die Vorschriften der Vergabe- und Vertragsordnungen für Bauleistungen und Leistungen einschlägig, sofern der Auftraggeber - was allgemein üblich ist - ankündigt, die Vergabe auf der Grundlage dieser Vorschriften durchzuführen. Im Geltungsbereich des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, der für das Vergabeverfahren einschlägig ist, auf das sich der Streitfall bezieht, haben die Unternehmen Anspruch darauf, dass der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält (§ 97 Abs. 7 GWB). An die daraus resultierenden Verhaltenspflichten knüpfen die Rücksichtnahmepflichten aus § 241 Abs. 2 BGB an. Der Inanspruchnahme besonderen Vertrauens als eines Tatbestands, an dessen Erfüllung die Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsanbahnung überhaupt erst festgemacht werden könnte, bedarf es deshalb nicht. Inwieweit der für Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo nach altem Recht vorausgesetzte Vertrauenstatbestand für andere Fallgruppen, die im Rahmen dieser Rechtsfigur entwickelt worden sind, weiterhin Bedeutung hat, bedarf im Streitfall keiner Klärung. Entsprechendes gilt nach den Umständen des Streitfalls auch für die Frage, unter welchen Voraussetzungen sich der klagende Bieter ein Mitverschulden (§ 254 BGB) entgegenhalten lassen muss.
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f) Dass die Klägerin den ausgeschriebenen Auftrag nicht hätte erhalten können, weil sie nicht innerhalb der Angebotsfrist ein Angebot eingereicht hat, steht ihrem Anspruch auf Schadensersatz nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Senats kommt gerade auch in Fällen der ungerechtfertigten Aufhebung des Vergabeverfahrens eine Ausnahme von dem Grundsatz in Betracht, dass nicht nur der auf das Erfüllungsinteresse, sondern auch der auf das negative Interesse gerichtete Schadensersatzanspruch nur dem Bieter zusteht, der bei regulärem Verlauf des Vergabeverfahrens den Zuschlag hätte erteilt bekommen müssen (BGH, VergabeR 2008, 219 Rn. 37 f.; vgl. insoweit auch Scharen in Kompaktkommentar Vergaberecht, 13. Los Rdn. 54).
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g) Die Gebührenforderung, die durch den von der Klägerin erteilten Auftrag zur Prüfung der Vergabeunterlagen und der Rüge ihrer Vergaberechtswidrigkeit gegenüber dem Beklagten ausgelöst worden ist, ist nach dem Schutzzweck der einschlägigen Norm (§ 241 Abs. 2 BGB) als Schaden erstattungsfähig. Mit den sich daraus für den öffentlichen Auftraggeber ergebenden Rücksichtnahmepflichten ist es, wie ausgeführt (oben II 1 b) unvereinbar, in die Wirtschaftlichkeitsprüfung Eignungskriterien einfließen zu lassen (BGH, Urteil vom 8. September 1998 - X ZR 99/96, BGHZ 139, 280, 283; Urteil vom 15. April 2008 - X ZR 129/06, VergabeR 2008, 641 - Sporthallenbau). Zieht der mit solchen Wertungskriterien konfrontierte Bieter deshalb einen Rechtsanwalt zurate, sind die aus dessen Beauftragung resultierenden Kosten ein durch den Pflichtenverstoß adäquat kausal herbeigeführter Schaden. Dafür ist unerheblich, dass der Bieter sich der Vergaberechtswidrigkeit der Vergabeunterlagen bei Beauftragung des Rechtsanwalts regelmäßig nicht sicher sein wird, sondern diesbezüglich erfahrungsgemäß allenfalls Zweifel hegen wird. Entscheidend ist, dass er aufgrund der objektiv gegebenen Vergaberechtswidrigkeit der Vergabeunterlagen Anlass hat, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
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h) Der Anspruch setzt im Streitfall nach dem der Regelung in § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB zugrunde liegenden Rechtsgedanken keine Mahnung des Gläubigers voraus. Vorvertragliche Rücksichtnahmepflichten, wie sie hier in Rede stehen, sind aus in der Natur der Sache liegenden Gründen sofort zu erfüllen. Jedenfalls dann, wenn die Frage, ob die Verletzung einer Rücksichtnahmepflicht vorliegt, nur aufgrund vertiefter Kenntnisse auf dem Gebiet des Vergaberechts beantwortet werden kann, ist es, auch mit Blick auf die regelmäßig engen zeitlichen Dispositionsmöglichkeiten im laufenden Vergabeverfahren, nicht interessengerecht, den am Auftrag interessierten Unternehmen abzuverlangen , den vermeintlichen Mangel zunächst selbst gegenüber dem Auftraggeber zu rügen, bevor sie einen Rechtsanwalt in erstattungsfähiger Weise mit der weiteren Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragen können. Ob das Gleiche in allen denkbaren Fallgestaltungen, insbesondere auch bei Verstößen gilt, die im Sinne von § 107 Abs. 3 Nr. 2 und 3 GWB erkennbar (vgl. dazu etwa MünchKomm.BeihVgR /Jaeger, § 107 Rn. 54) sind, ist hier nicht zu entscheiden.
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i) Der Beklagte kann sich gegenüber der Gebührenersatzforderung nicht mit Erfolg darauf berufen, die fraglichen Kosten wären der Klägerin auch entstanden , wenn er, der Beklagte, sich vergaberechtskonform verhalten hätte. Auf den darin zu sehenden Einwand, der geltend gemachte Schaden wäre auch bei rechtmäßigem Verhalten des Schädigers entstanden, kann dieser sich ausnahmsweise dann nicht berufen, wenn dies mit dem Schutzzweck der verletzten Norm nicht vereinbar wäre (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1986 - IX ZR 91/84, BGHZ 96, 157 ff.). So verhält es sich hier. Dem hier durchgeführten Vergabeverfahren, bei dem ein vergaberechtswidriges Wertungsschema verwendet worden ist, kann nicht im Wege einer fiktiven Alternativbetrachtung ein solches mit vergaberechtlich unbedenklichen Wertungskriterien gegenübergestellt und die hypothetische Prüfung daran angeschlossen werden, ob die Klägerin auch in einem solchen als korrekt fingierten Fall ihren Prozessbevollmächtigten mit der Prüfung der Vergabeunterlagen beauftragt hätte. Der Schutz des § 241 Abs. 2 BGB greift schon dann ein, wenn die Vergabeunterlagen, wie hier, in der Weise fehlerhaft sind, dass eine vergaberechtskonforme Angebotswertung nicht mehr möglich ist. Im Übrigen hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen, aufgrund deren die Haftung des Beklagten unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens fraglich erscheinen könnte , und die Revision zeigt nicht auf, dass das Berufungsgericht insoweit konkreten Vortrag des Beklagten, der nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungsund Beweislast für den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens trägt (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2005 - VI ZR 313/03, NJW 2005, 1718), übergangen hätte.
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2. a) Ohne Erfolg wendet die Revision sich dagegen, dass das Berufungsgericht die Berechnung der geltend gemachten Gebühr nach einem Wert von 800.000 € gebilligt hat. Nach den Ausführungen des Berufungsgerichts, denen die Revision nicht entgegentritt, entspricht dieser Betrag dem für Beschwerdeverfahren nach § 116 GWB gesetzlich vorgegebenen Streitwert von 5 % der Bruttoauftragssumme (§ 50 Abs. 2 GKG). Diesem Streitwert entspricht der Gegenstandswert für die anwaltliche Vertretung des Bieters im erstinstanzlichen Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer (vgl. Kulartz/Kus/Portz Komm. zum GWB-Vergaberecht, 2. Aufl., § 128 Rn. 41; Hardraht in Kompaktkommentar Vergaberecht, 14. Los § 50 Abs. 2 GKG Rn. 2). Da der Bieter das Vergabeverfahren mit einer gegenüber dem Auftraggeber nach § 107 Abs. 3 GWB erhobenen Rüge im Interesse seiner Chance auf den Auftrag in gleicher Weise in korrekte Bahnen lenken will, wie mit einem Nachprüfungsantrag nach § 107 Abs. 1 GWB, begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, diesen Wert auch für die Gebühr nach Nr. 2300 VV-RVG heranzuziehen.
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b) Dass das Berufungsgericht die Erstattung einer 2,3-fachen Gebühr nach Nr. 2300 VV-RVG zugesprochen hat, greift die Revision nicht mit stichhaltigen Rügen an. Dass die außergerichtliche Tätigkeit schon am 16. Juli 2008 endete, muss nicht auf einen spürbar geringen Umfang oder Schwierigkeitsgrad der Sache hindeuten. Das gesamte Vergabeverfahren ist vom vergaberechtli- chen Beschleunigungsgrundsatz beherrscht, der den Bietern unter anderem auferlegt, erkannte Vergabeverstöße unverzüglich zu rügen (§ 107 Abs. 3 GWB) und der es dem für den Bieter tätigen Rechtsanwalt nahelegt, den ihm unterbreiteten Sachverhalt, zu dem häufig umfangreiche Vergabeunterlagen gehören, rasch auf Vergabeverstöße hin zu prüfen und Rügen gegebenenfalls umgehend zu erheben, insbesondere auch dann, wenn, was hier ersichtlich der Fall war, der Ablauf der Angebotsfrist bevorstand.
22
Ob es, wie das Berufungsgericht meint, regelmäßig angemessen ist, in Vergabeverfahren eine überdurchschnittliche Schwierigkeit für die anwaltliche Tätigkeit anzunehmen, die regelmäßig eine deutliche höhere Gebühr als die Mittelgebühr rechtfertigt, kann allerdings in dieser Pauschalität zweifelhaft sein. Es kann insoweit nicht unberücksichtigt bleiben, dass auch vergaberechtliche Streitigkeiten in der Gesamtschau hinsichtlich ihres Umfangs und Schwierigkeitsgrads ganz unterschiedlich gelagert sind und es nicht angemessen erscheint , diesen Fällen pauschal einen Schwierigkeitsgrad beizumessen, dem regelmäßig eine Gebühr im oberen oder obersten Bereich der einschlägigen Rahmengebühr zu entsprechen hat. Das gilt umso mehr, als das Angebot anwaltlicher Dienstleistungen in inzwischen fast allen Lebensbereichen und Rechtsmaterien durch eine Spezialisierung gekennzeichnet ist, die im eigenen wettbewerblichen Interesse erfolgt und die deshalb berechtigterweise bei der Bewertung des Schwierigkeitsgrads nicht ganz außer Betracht bleiben kann. Zweifelhaft kann ferner sein, den Aufwand bei der Vertretung im Vergabeverfahren generell auch daran zu messen, welche Probleme sich im anschließenden Nachprüfungsverfahren ergeben haben, weil die Auseinandersetzung hinsichtlich des Umfangs und Schwierigkeitsgrads dynamisch verlaufen sein kann. Dass das Berufungsgericht im Streitfall diesbezügliches oder in die gleiche Richtung weisendes Vorbringen des Beklagten übergangen hätte, zeigt die Revision indes nicht auf.
23
c) Soweit die Revision die Versäumung der Anrechnung dieser Gebühr nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV-RVG beanstandet, ist nicht die im anschließenden Nachprüfungsverfahren entstandene Gebühr auf die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV-RVG anzurechnen, sondern, nach dem eindeutigen Wortlaut von Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV-RVG, die Geschäftsgebühr auf die später entstandene (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 23. September 2008 - X ZB 19/07, VergabeR 2009, 39 - Geschäftsgebühr im Nachprüfungsverfahren ). Dass die Zuerkennung der 2,3-fachen Gebühr für die Vertretung im Vergabeverfahren mit Blick auf die Kostenerstattung im (zweiten) Nachprüfungsverfahren zu einer Überzahlung geführt hat (vgl. dazu BGH, Urteil vom 22. März 2011 - VI ZR 63/10), macht die Revision nicht geltend.
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3. Ohne Erfolg wendet die Revision sich dagegen, dass das Berufungsgericht der Klägerin auch die auf die Gebühren entfallende Umsatzsteuer zuerkannt hat. Ausweislich des vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Tatbestands des landgerichtlichen Urteils hat die Klägerin beide klageweise geltend gemachten Gebühren einschließlich der darauf entfallenden Umsatzsteuer verlangt. Streitiges Vorbringen dokumentieren weder die Entscheidung des Landgerichts noch das Berufungsurteil. Das entspricht, wie die Revisionserwiderung aufzeigt, dem Sach- und Streitstand schon bei Beendigung der ersten Instanz, nachdem die Klägerin dort nämlich erklärt hatte, sie sei nach dem Gegenstand der von ihr erbrachten Leistungen gemäß § 4 Nr. 17b UStG nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Das Berufungsgericht hat demgegenüber keinen Sachverhalt festgestellt, aus dem sich die Vorsteuerabzugsberechtigung der Klägerin ergäbe. Dass das Berufungsgericht hierzu Vortrag des Beklagten übergangen hätte, macht die Revision ebenfalls nicht geltend.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Gröning Grabinski
Hoffmann Schuster
Vorinstanzen:
LG Magdeburg, Entscheidung vom 02.06.2010 - 36 O 25/10 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 28.10.2010 - 1 U 52/10 (Hs) -

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.