Landgericht Kempten (Allgäu) Endurteil, 08. Apr. 2016 - 52 S 2137/15

Gericht
Principles
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Kempten (Allgäu) vom 30.11.2015, Az. 4 C 792/15
Die Beklagte wird verurteilt, den Breitbandkabelanschluss für das Anwesen W.-straße ... in ... insoweit wieder in Betrieb zu setzen, dass in der Mietwohnung der Kläger (2. OG Süd) wieder ein splitterfähiges Kabelsignal für Rundfunk- und Fernsehempfang ankommt.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Gemäß § 540 II i. V. m. § 313a I 1 ZPO, § 544 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO wird von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen abgesehen.
II.
Die zulässige, insbesondere gemäß §§ 517 ff. ZPO form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Kläger hat in der Sache Erfolg. Die vollständige Abweisung der Klage im angefochtene Urteil des Amtsgerichts Kempten (Allgäu) vom 30.11.2015 beruht auf einem Rechtsfehler, weshalb das erstinstanzliche Urteil im tenorierten Umfang abzuändern war. Die Kammer hat hierbei von der prozessualen Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Klageantrag hinsichtlich des eigentlichen Klagebegehrens, welches die Kläger in der Berufungsverhandlung am 23.03.2016 geäußert hatten, auszulegen und dementsprechend den Urteilstenor neu zu formulieren.
Im Einzelnen:
1.
Zunächst ist davon auszugehen, dass den Klägern ein vertraglicher Anspruch auf Bereitstellung eines Kabelanschlusses zusteht, und zwar gemäß § 535 i 2 BGB:
In § 1 Abs. (6) des Mietvertrages vom
Wurde also (wie hier) vereinbart, dass die Wohnung mit einer bestimmten Empfangsmöglichkeit vermietet wird, so hat der Vermieter den Fortbestand zu gewährleisten. Die Mieter haben gemäß § 535 i 2 BGB hinsichtlich der (bereits bei Vertragsschluss) bauseits vorhandenen Empfangsanlage (hier: dem Breitbandkabelanschluss) einen Instandsetzungs- und Instandhaltungsanspruch (vgl. Hannemann/Wiegner, Münchner Anwaltshandbuch Mietrecht, 4. Auflage 2014, § 16 Rn. 165 m. w. N.). Die Vorsorgung durch (Breitband-)Kabelanschluss gehört auch nicht zu den Anlagen und Einrichtungen, bei denen es dem Vermieter gemäß § 1 Abs. (4) freisteht, sie jederzeit wieder abzuschaffen. Zum einen ist der Kabelanschluss dort nicht ausdrücklich genannt. Zum anderen überlagert die Formulierung in § 1 Abs. (6) nach Auffassung der Kammer die allgemeine Regelung in § 1 Abs. (4); abgesehen davon ginge eine etwaige Unklarheit darüber, ob der in § 1 Abs. (6) angesprochene Kabelanschluss auch zu den in § 1 Abs. (4) genannten Einrichtungen bzw. Anlagen gehört, zulasten der Vermieterseite, die den vorliegenden Formularmietvertrag verwendet hatte. Die in § 18 des Mietvertrages in Bezug genommene Hausordnung ist für die vorliegende Rechtsfrage ohne Erkenntniswert.
2.
Inhalt der Leistungspflicht ist nach Auffassung der Kammer die Bereitstellung des Kabelanschlusses in Form eines entsprechenden Kabelsignals, das in der Wohnung der Kläger ankommt. Wenn das bisherige (nach Mitteilung der Kläger analoge) Kabelsignal splitterfähig war, was zwischen den Parteien unstreitig ist, dann ist die Beklagte in diesem Zusammenhang auch zur Bereitstellung eines splitterfähigen Kabelsignals verpflichtet.
Eine einvernehmliche Vertragsänderung dahingehend, dass eine Versorgung der Kläger nunmehr allein über die von der Beklagten installierte Satellitenanlage erfolgt, liegt nicht vor. Die Beklagte kann vorliegend nicht einseitig das Vertragsverhältnis hinsichtlich der Empfangsart ändern, indem sie die Kläger (insbesondere ohne formgerechte Ankündigung i. S. d. § 555c i BGB, vgl. unten Ziff. II. 4) vor vollendete Tatsachen stellt.
3.
Die Leistungspflicht der Beklagten ist nicht nachträglich erloschen.
a)
Die Leistungspflicht ist nicht nach § 275 i BGB wegen nachträglich eingetretener Unmöglichkeit erloschen. Völlig unabhängig von der Frage, wie die Eigentumsverhältnisse am „alten“ Kabelnetz sind, ist nicht ersichtlich, weshalb eine (Wieder-)herstellung der Versorgung mit dem bisherigen Kabelsignal objektiv bzw. für die Beklagte subjektiv dauerhaft unmöglich sein sollte. Selbst wenn man davon ausginge, dass das (unbestritten nach wie vor vorhandene) Kabelnetz nur mit Zustimmung der Fa. E. genutzt werden darf, so wäre Unmöglichkeit i. S. d. § 275 i BGB nur gegeben, wenn die Wiedereinräumung der Nutzung des „alten“ Kabelnetzes von vornherein aus- geschlossen ist. Dies steht hier nicht fest. Dass die Beklagte das gegenüber der Fa. E. gekündigte Vertragsverhältnis wiederbeleben müsste, ändert daran nichts. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Fa. E. sich einer solchen Sachbehandlung endgültig verweigert hätte.
Die Voraussetzungen des § 275 II BGB liegen ebenfalls nicht vor. Durch die bloße Behauptung, das Kabelnetz sei „veraltet“, kann ein Schuldner keinesfalls die Hürde des § 275 II BGB überspringen, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass die Beklagte die Kosten für die Bereitstellung des Kabelanschlusses im Rahmen des § 2 Abs. 4 Buchstabe u) als Betriebskosten auf die Mieter umlegen darf.
b)
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist die Leistungspflicht der Beklagten auch nicht gemäß § 362 i BGB erloschen. Nach § 362 i BGB erlischt ein Schuldverhältnis nur, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Daran fehlt es hier:
Es mag sein, dass (auch) in der Wohnung der Kläger ein Glasfaseranschlusspunkt (FTTH-Anschluss) vorhanden ist, bei dessen Inanspruchnahme (und nach Abschluss eines Direktvertrages mit dem jeweiligen Anbieter) die Kläger ein splitterfähiges Kabelsignal beziehen könnten. Die Einräumung dieser zusätzlichen Option ist - unabhängig von der Frage von ggf. zusätzlich anfallenden Kosten - jedenfalls kein Bewirken der geschuldeten Leistung. Denn nach den obigen Ausführungen ist der Vermieter verpflichtet, ein entsprechendes Kabelsignal zur Verfügung zu stellen. Die Schaffung der technischen Voraussetzungen, um durch Direktvertrag mit dem jeweiligen Anbieter ein splitterfähiges Kabelsignal beziehen zu können, ist etwas anderes und bereits deswegen nicht erfüllungstauglich. Auf die weiteren Erwägungen des Amtsgerichts kommt es insoweit nicht an. Die Voraussetzungen des § 364 i BGB liegen im Falle der Kläger ohnehin nicht vor, insbesondere auch nicht hinsichtlich des dargebotenen Satellitensignals.
4.
Das Klagebegehren ist auch durchsetzbar.
Zwar sprechen durchaus Argumente für die Rechtsauffassung der Beklagten, dass die Inbetriebnahme der Satellitenanlage eine Modernisierungsmaßnahme im Sinne des § 555b BGB ist. Das bedeutet, dass die Beklagte die Kläger unter den Voraussetzungen der §§ 555b ff. BGB hätte dazu zwingen können, eine solche Maßnahme zu dulden. Bei einer entsprechenden fälligen Duldungsverpflichtung der Mieter wäre das vorliegende Klagebegehren jedenfalls nicht durchsetzbar (§ 242 BGB).
Eine fällige Duldungspflicht der Kläger als Mieter der streitgegenständlichen Wohnung liegt jedoch nicht vor. Selbst wenn sämtliche Voraussetzungen des § 555b BGB gegeben sind und eine Duldungspflicht der Mieter gemäß § 555d I BGB entsteht, so wird diese Duldungspflicht grundsätzlich erst fällig, wenn eine ordnungsgemäße Modernisierungsankündigung i. S. d. § 555c I BGB vorliegt und eine entsprechende Ankündigungsfrist abgelaufen ist (vgl. Palandt/Weidenkaff, § 555d BGB Rn. 3). Daran fehlt es hier:
Nach Aktenlage ist eine Modernisierungsankündigung i. S. d. § 555c I BGB überhaupt nicht erfolgt. Sie war auch nicht gemäß § 555c IV BGB entbehrlich, da insoweit kein tragfähiger Sachvortrag der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagtenseite zu den beiden Voraussetzungen des § 555c IV BGB, die kumulativ vorliegen müssen, gegeben ist.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Ein Teilunterliegen der Kläger liegt nicht vor. Es ging den Klägern nicht darum, dass die Beklagte - über die Bereitstellung eines entsprechenden Kabelsignals hinaus - weitergehende Maßnahmen in der Wohnung der Kläger vornehmen soll. Dies haben die Kläger in der Berufungsverhandlung am 23.03.2016 auf Nachfrage der Kammer nochmals ausdrücklich klargestellt.
IV.
Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision gem. § 543 II ZPO liegen nicht vor.

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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
Modernisierungsmaßnahmen sind bauliche Veränderungen,
- 1.
durch die in Bezug auf die Mietsache Endenergie nachhaltig eingespart wird (energetische Modernisierung), - 2.
durch die nicht erneuerbare Primärenergie nachhaltig eingespart oder das Klima nachhaltig geschützt wird, sofern nicht bereits eine energetische Modernisierung nach Nummer 1 vorliegt, - 3.
durch die der Wasserverbrauch nachhaltig reduziert wird, - 4.
durch die der Gebrauchswert der Mietsache nachhaltig erhöht wird, - 4a.
durch die die Mietsache erstmalig mittels Glasfaser an ein öffentliches Netz mit sehr hoher Kapazität im Sinne des § 3 Nummer 33 des Telekommunikationsgesetzes angeschlossen wird, - 5.
durch die die allgemeinen Wohnverhältnisse auf Dauer verbessert werden, - 6.
die auf Grund von Umständen durchgeführt werden, die der Vermieter nicht zu vertreten hat, und die keine Erhaltungsmaßnahmen nach § 555a sind, oder - 7.
durch die neuer Wohnraum geschaffen wird.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Modernisierungsmaßnahmen sind bauliche Veränderungen,
- 1.
durch die in Bezug auf die Mietsache Endenergie nachhaltig eingespart wird (energetische Modernisierung), - 2.
durch die nicht erneuerbare Primärenergie nachhaltig eingespart oder das Klima nachhaltig geschützt wird, sofern nicht bereits eine energetische Modernisierung nach Nummer 1 vorliegt, - 3.
durch die der Wasserverbrauch nachhaltig reduziert wird, - 4.
durch die der Gebrauchswert der Mietsache nachhaltig erhöht wird, - 4a.
durch die die Mietsache erstmalig mittels Glasfaser an ein öffentliches Netz mit sehr hoher Kapazität im Sinne des § 3 Nummer 33 des Telekommunikationsgesetzes angeschlossen wird, - 5.
durch die die allgemeinen Wohnverhältnisse auf Dauer verbessert werden, - 6.
die auf Grund von Umständen durchgeführt werden, die der Vermieter nicht zu vertreten hat, und die keine Erhaltungsmaßnahmen nach § 555a sind, oder - 7.
durch die neuer Wohnraum geschaffen wird.
(1) Der Mieter hat eine Modernisierungsmaßnahme zu dulden.
(2) Eine Duldungspflicht nach Absatz 1 besteht nicht, wenn die Modernisierungsmaßnahme für den Mieter, seine Familie oder einen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen sowohl des Vermieters als auch anderer Mieter in dem Gebäude sowie von Belangen der Energieeinsparung und des Klimaschutzes nicht zu rechtfertigen ist. Die zu erwartende Mieterhöhung sowie die voraussichtlichen künftigen Betriebskosten bleiben bei der Abwägung im Rahmen der Duldungspflicht außer Betracht; sie sind nur nach § 559 Absatz 4 und 5 bei einer Mieterhöhung zu berücksichtigen.
(3) Der Mieter hat dem Vermieter Umstände, die eine Härte im Hinblick auf die Duldung oder die Mieterhöhung begründen, bis zum Ablauf des Monats, der auf den Zugang der Modernisierungsankündigung folgt, in Textform mitzuteilen. Der Lauf der Frist beginnt nur, wenn die Modernisierungsankündigung den Vorschriften des § 555c entspricht.
(4) Nach Ablauf der Frist sind Umstände, die eine Härte im Hinblick auf die Duldung oder die Mieterhöhung begründen, noch zu berücksichtigen, wenn der Mieter ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war und er dem Vermieter die Umstände sowie die Gründe der Verzögerung unverzüglich in Textform mitteilt. Umstände, die eine Härte im Hinblick auf die Mieterhöhung begründen, sind nur zu berücksichtigen, wenn sie spätestens bis zum Beginn der Modernisierungsmaßnahme mitgeteilt werden.
(5) Hat der Vermieter in der Modernisierungsankündigung nicht auf die Form und die Frist des Härteeinwands hingewiesen (§ 555c Absatz 2), so bedarf die Mitteilung des Mieters nach Absatz 3 Satz 1 nicht der dort bestimmten Form und Frist. Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.
(6) § 555a Absatz 3 gilt entsprechend.
(7) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.