Landgericht Kempten (Allgäu) Endurteil, 16. Nov. 2015 - 21 O 1342/14

bei uns veröffentlicht am16.11.2015

Tenor

1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1) 55%, die Klägerin zu 2) 27% und die Klägerin zu 3) 18%.

3. Das Urteil ist für die Beklagte jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche aus Staatsanleihen der Beklagten.

Die Klägerin zu 1) und die Klägerin zu 2) erwarben am 07.10.2004 Staatsanleihen der Beklagten unter der WKN AOABV1/ISIN Gr... zu einem Nominalwert von je 30.000,- € bei der Sparkasse ... (Anlage K 2 und K 3). Der Zinssatz betrug 4,5%, Endfälligkeit war der 20.05.2014.

Die Klägerin zu 3) erwarb ebenfalls am 07.10.2004 Staatsanleihen der Beklagten unter der genannten Wertpapierkennnummer zu einem Nominalwert von 20.000,- €.

Im Zuge der Finanzkrise der Beklagten wurde seitens der Staaten der EURO Zone ein 2. Rettungspaket beschlossen. Zum 20.03.2012 wurden Staatsanleihen der Beklagten in Höhe von rd. 14,5 Milliarden EUR fällig. Aufgrund Vereinbarung der Europäischen Kommission in Vertretung der Mitgliedstaaten des EURO Währungsfonds wurde am 22.02.2012 eine Regelung dahingehend getroffen, dass allen privaten Gläubigern ein Angebotsumtausch der Staatsanleihen unterbreiten sollte. Auch andere noch ausstehende Staatsanleihen sollte dieses Angebot mit umfassen. Mit griechischem Gesetz 4050/2012 vom 23.02.2012 schuf das Parlament der Beklagten die Möglichkeit, dass die Mehrheit der Anleihgläubiger einen Beschluss hinsichtlich einer Umschuldung zu schaffen. Am 24.02.2012 unterbreitete die Beklagte ihren privaten Gläubigern ein Umtauschangebot für die gegenständlichen Staatsanleihen, die weder von den Klägerinnen zu 1) und 2) noch von der Klägerin zu 3) angenommen wurde. Vorgesehen war ein Umtausch in verschiedene Anleihen mit insgesamt verlängerter Laufzeit, wobei die privaten Gläubiger auf 53,5% des Nennwertes der Staatsanleihen verzichten sollten. Im Umtauschangebot, das drei Varianten der Zustimmung von Gläubigern vorsah, hatte sich die Beklagte auch vorbehalten, die Annahme des Umtauschangebots für sämtliche Anleihen, auch solche von Gläubigern, die dem Umtausch nicht zugestimmt haben, kraft Hoheitsakts auf diese zu erstrecken. Ausgehend von einer (klägerseits bestrittenen) Quote belegte die Regierung der Beklagten die Mehrheitsentscheidung, sodass der Beschluss der Anleihgläubiger für alle, auch nicht zustimmenden Gläubiger, bindend werden sollte.

Die Klägerin zu 1) behauptet darüberhinaus über die Sparkasse Memmingen-Lindau-Mindelheim weiter Anleihen der Beklagten unter der bereits erwähnten Mehrpapierkennnummer zu einem Nominalwert von 30.000,- € am 20.01.2009 aus einem Nachlass erhalten zu haben (Anlage K 4).

Die Beklagte sei gegenüber sämtlichen Klägerinnen zur Rückzahlung der fälligen Anleihe verpflichtet. Im Übrigen hafte sie auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung bzw. enteignungsgleichem Eingriff.

Entgegen der Ansicht der Beklagten sei die Klage zulässig, das Landgericht Kempten sei zur Entscheidung in Bezug auf die Klägerinnen zu 1) und 2) nach gemäß dem Verbrauchergerichtstand des Art. 15 Abs. 1 c EuGVVO a.F. zuständig. Hinsichtlich der beklagtem Stiftung (Klägerin zu 3) bestehe ein Gerichtsstand gem. Art. 5 Ziff. 1 c und a EuGVVO a.F. Die Beklagte könne sich auch nicht auf eine Staatenimmunität gem. § 20 GVG bzw. Art. 25 Satz 1 GG berufen. Im privatrechtlichen Bereich bestehe keine Staatenimmunität. Vorliegend würden die Ansprüche nicht aus einer hoheitlichen Tätigkeit der Beklagten abgeleitet, sondern aus privatrechtlichem Handeln. Immunitätsschutz bestehe nur für den Kernbereich hoheitlichen Handelns. Dies ergäbe sich auch aus einer Stellungnahme der Europäischen Kommission an den EuGH vom 21.02.2014 (Anlage K 14).

Hinsichtlich der Einzelheiten des Vortrags der Klägerinnen wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen.

Im Hinblick auf zwischenzeitlich geleistete Zinszahlungen stellten die Klägerinnen zuletzt folgende Anträge:

Die Beklagte zu verurteilen,

  • 1.an die Klägerin zu 1) € 56.181,- nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 21.05.2014 zu zahlen mit der Maßgabe, dass der Rechtsstreits hinsichtlich eines Teilbetrages von 378,- € für erledigt erklärt wird,

  • 2.an die Klägerin zu 2) € 28.090,50 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 21.05.2014 zu zahlen mit der Maßgabe, dass der Rechtsstreit hinsichtlich eines Teilbetrages von 189,- € erledigt ist,

  • 3.an die Klägerin zu 3) € 18.727,- nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 21.05.2014 zu zahlen mit der Maßgabe, dass der Rechtsstreit hinsichtlich eines Teilbetrages von 126,- € erledigt ist, Zug um Zug gegen Gestattung der Rückbuchung der am 12.03.2012 umgetauschten und sodann eingebuchten Wertpapiere betreffend den Kläger zu 1) je 60 Stück, betreffend den Kläger zu 2) je 30 Stück, betreffend den Kläger zu 3) je 20 Stück,

der nachfolgend näher bezeichneten Anleihen der Beklagten:

EO-Bonds 2012 (23) SER. 1

EO-Bonds 2012 (24) SER. 2

EO-Bonds 2012 (25) SER. 3

EO-Bonds 2012 (26) SER. 4

EO-Bonds 2012 (27) SER. 5

EO-Bonds 2012 (28) SER. 6

EO-Bonds 2012 (29) SER. 7

EO-Bonds 2012 (30) SER. 8

EO-Bonds 2012 (31) SER. 9

EO-Bonds 2012 (32) SER. 10

EO-Bonds 2012 (33) SER. 11

EO-Bonds 2012 (34) SER. 12

EO-Bonds 2012 (35) SER. 13

EO-Bonds 2012 (36) SER. 14

EO-Bonds 2012 (37) SER. 15

EO-Bonds 2012 (38) SER. 16

EO-Bonds 2012 (39) SER. 17

EO-Bonds 2012 (40) SER. 18

EO-Bonds 2012 (41) SER. 19

EO-Bonds 2012 (42) SER. 20

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung, auch hinsichtlich der für erledigt erklärten Teilbeträge.

Sie trägt vor, der Inanspruchnahme der Klägerin stehe bereits nach den allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts der Grundsatz der Staatenimmunität entgegen. Die Klage sei schon deshalb unzulässig. Für die Frage der Staatenimmunität komme es darauf an, gegen welche Handlung sich die Klage im Kern richtet und welcher Natur diese Handlung sei. Es werde kein rein zivilrechtliches Verhalten der Beklagten angegriffen, denn im Kern gehe es um eine gesetzgeberische Maßnahme der hellenischen Republik, nämlich den Erlass des Gesetzes 4050/2012.

Das Landgericht Kempten sei auch zur Entscheidung des Rechtsstreits schon deshalb nicht berufen, da es sich nicht um eine Zivil- oder Handelssache i.S. der EuGVVO handle. Auch begründeten weder Art. 5 EuGVVO noch Art. 15 Abs. 1 c ff VVO a.F. eine Zuständigkeit des Landgerichts Kempten.

Auch in der Sache bestünden keine Ansprüche gegen die Beklagte. Hinsichtlich der Klägerin zu 1) werde im Übrigen ein weiterer Anleiherwerb in Höhe von 30.000,- € im Wege der Erbschaft bestritten.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unzulässig.

A.

Die Beklagte unterliegt bezüglich des Streitgegenstandes nicht der deutschen Gerichtsbarkeit. Zwar wird die Theorie der allgemeinen Staatensouveränität heute nicht mehr aufrecht erhalten, so dass grundsätzlich die Beklagte auch vor einem deutschen Gericht verklagt werden kann, dies findet jedoch seine Grenzen in den allgemeinen Regeln des Völkerrechts. Gemäß § 20 Abs. 2 GVG erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit nicht auf Personen, soweit diese nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts von ihr befreit sind. Dies gilt, soweit hoheitliches Handeln des fremden Staates, vorliegend der Beklagten, den deutschen Gerichten zur Entscheidung unterbreitet ist. Die Ansprüche, die die Kläger im vorliegenden Rechtsstreit geltend machen, sind nicht rein privatrechtlich zu beurteilen, vielmehr ist letztlich durch das angerufene Gericht das Gesetz 4050/12 auf seine Vereinbarkeit mit höherrangigen Recht zu überprüfen. Zutreffend ist zwar der Einwand der Kläger, die Umsetzung dieses Gesetzes sei privatrechtlich erfolgt. Dies ändert im Ergebnis jedoch nichts daran, dass eine hoheitliche Maßnahme der Beklagten, nämlich das Gesetz 4050/12 inzidenter auf die Vereinbarkeit mit griechischem Verfassungsrecht zu überprüfen wäre. Diese Ansicht teilt im Übrigen auch der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen vom 09.12.2014 in den Rechtssachen C - 226/13, C - 245/13, C - 247/13 und C - 578/13 in seiner Stellungnahme, ob es sich bei dem Zwangsumtausch um eine Zivil- oder Handelssache im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Verordnung EGNr. 1393/2007 handelt. Auch das OLG München (Az: 8 U 1308/14) hat sich dieser Auffassung angeschlossen. Ohne Erfolg berufen sich die Kläger auch auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs NJW 2015 Seite 2328 ff. Der Bundesgerichtshof hatte sich in dieser, argentinische Inhaberschuldverschreibungen betreffenden Entscheidung, gerade nicht mit der Frage der Staatenimmunität befasst, sondern mit der Frage eines finanziellen Staatsnotstands.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 91 Abs. 1 ZPO.

C.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 709 ZPO.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landgericht Kempten (Allgäu) Endurteil, 16. Nov. 2015 - 21 O 1342/14

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landgericht Kempten (Allgäu) Endurteil, 16. Nov. 2015 - 21 O 1342/14

Referenzen - Gesetze

Landgericht Kempten (Allgäu) Endurteil, 16. Nov. 2015 - 21 O 1342/14 zitiert 4 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung


Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 25


Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 20


(1) Die deutsche Gerichtsbarkeit erstreckt sich auch nicht auf Repräsentanten anderer Staaten und deren Begleitung, die sich auf amtliche Einladung der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhalten. (2) Im übrigen erstreckt

Referenzen

(1) Die deutsche Gerichtsbarkeit erstreckt sich auch nicht auf Repräsentanten anderer Staaten und deren Begleitung, die sich auf amtliche Einladung der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhalten.

(2) Im übrigen erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit auch nicht auf andere als die in Absatz 1 und in den §§ 18 und 19 genannten Personen, soweit sie nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind.

Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.

(1) Die deutsche Gerichtsbarkeit erstreckt sich auch nicht auf Repräsentanten anderer Staaten und deren Begleitung, die sich auf amtliche Einladung der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhalten.

(2) Im übrigen erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit auch nicht auf andere als die in Absatz 1 und in den §§ 18 und 19 genannten Personen, soweit sie nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.