Landgericht Kempten (Allgäu) Beschluss, 20. Nov. 2015 - 43 T 1576/15

bei uns veröffentlicht am20.11.2015

Tenor

1. Die Beschwerde der Bevollmächtigten ... gegen den Beschluss des Amtsgerichts Kempten vom 23.09.2015 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beschwerdeführerin.

Gründe

Gründe:

1. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht die Betreuung des Betroffenen angeordnet mit den Aufgabenkreisen

- Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, Entgegennahme, öffnen und Anhalten der Post und Entscheidung über Fernmeldeverkehr.

Zum Betreuer wurde ... bestellt und eine Überprüfungsfrist zum 22.09.2020 festgelegt. Darüber hinaus hat das Amtsgericht die sofortige Wirksamkeit dieser Entscheidung angeordnet. Wegen der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

Gegen diesen Beschluss hat die Bevollmächtigte ... durch Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 05.10.2015 Beschwerde eingelegt und beantragt, selbst für die genannten Aufgabenkreise als Betreuerin bestellt zu werden.

Hierzu führt die Beschwerdeführerin aus, der Betroffene wünsche sich keinen Berufsbetreuer und habe sie mit umfassenden Vollmachten ausgestattet. Auch deshalb sei ein Betreuungsbedarf nicht gegeben. Darüber hinaus sei aber die notarielle Vollmacht vom 12.12.2014 wirksam zustande gekommen. Hierzu sei der beurkundende Notar zu vernehmen.

Zu den streitgegenständlichen Barabhebungen im Jahre 2015 in Höhe von 9.965,00 EUR bzw. 9.390,00 EUR lässt die Beschwerdeführerin weiterhin erklären, dass diese Gelder für eine Zahlung in Höhe von 14.500,00 EUR für ein Bauvorhaben im Hause des Betroffenen verwendet worden seien.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie mit Beschluss vom 08.10.2015 dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.

2. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg, da die angefochtene Entscheidung der Sach- und Rechtslage entspricht.

Zunächst wird zur Begründung und zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung sowie des Beschlusses über die Nichtabhilfe vom 08.10.2015 Bezug genommen.

Die Kammer versteht das Vorbringen der Beschwerdeführerin so, dass nicht die Anordnung der Betreuung selbst angegriffen werden soll. Vielmehr strebt die Beschwerdeführerin einen Betreuerwechsel auf ihre Person an.

a) Soweit die Beschwerdeführerin die notarielle Vollmacht vom 12.12.2014 erneut thematisiert, ist festzustellen, dass die Kammer weiterhin (s. hierzu Beschluss v. 06.05.2015 - 42 T 564/15) davon ausgeht, dass der Betroffene zu diesem Zeitpunkt eine notarielle Vollmacht nicht mehr wirksam erteilen konnte. Insoweit wird auf die Gutachten des Sachverständigen ... vom 24.03.2015 (Bl. 149 ff.) sowie das ärztliche Gutachten des ... vom 14.11.2013 (Bl. 381 f.) Bezug genommen. Danach ist davon auszugehen, dass der Betroffene mindestens seit November 2013 an einer mittelschworen Demenz ... bzw. einem leicht bis mittelgradig ausgeprägten demenziellen Syndrom bei Alzheimer-Krankheit, atypische oder gemischte Form und an einer komplexen Altersgebrechlichkeit mit umfassender Pflege-, Hilfs- und Unterstützungsbedürftigkeit leidet .... Der Betroffene kann aufgrund dieser Krankheit seinen Willen nicht mehr frei bestimmen bzw. nicht entsprechend seiner Einsicht handeln und keine umfassenden Vollmachten mehr rechtskräftig abschließen.

Interessant ist dabei, dass die anamnestischen Feststellungen des ... offensichtlich auf Angaben der Beschwerdeführerin beruhten, die den Betroffenen zur Demenzabklärung vorgestellt hatte. Zu Recht weist das Amtsgericht daher darauf hin, dass Zweifel an der Redlichkeit der Beschwerdeführerin begründet sein dürften, wenn sie sich in Kenntnis der demenziellen Erkrankung des Betroffenen eine notarielle Vollmacht erteilen ließ.

Dem steht nicht entgegen, dass hier der beurkundende Notar anscheinend keine Bedenken hinsichtlich der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen hatte. Zwar war der Notar verpflichtet, bei Zweifeln über die Geschäftsfähigkeit entweder die Beurkundung abzulehnen oder die Zweifel in der Urkunde zu vermerken. Allerdings hat ein Notar weder eine Ausbildung in forensischer Psychiatrie noch liegen ihm bei der Beurkundung Krankenunterlagen vor. Er kann sich somit nur einen äußeren Eindruck verschaffen, in der Regel aufgrund eines kurzen, allgemein gehaltenen Gesprächs mit den an der Beurkundung Beteiligten und deren Beobachtung während des Notartermins, so dass auch die Möglichkeit besteht, dass der Betroffene einen „guten Tag“ hatte und dem Notar keine Zweifel kamen. Selbst einem notariellen Vermerk, der gegebenenfalls die Geschäftsfähigkeit ausdrücklich bejaht, kommt daher nicht dasselbe Gewicht zu, wie einem psychiatrischen Gutachten, das auf eingehender Untersuchung des Betroffenen beruht.

Eine Vernehmung des beurkundenden Notars war damit aber nicht veranlasst.

b) Die Kammer teilt die Bedenken des Amtsgerichts hinsichtlich der Redlichkeit der Bevollmächtigten und Beschwerdeführerin. Insbesondere hat sie auch im Beschwerdeverfahren die zahlreichen Barabhebungen vom Girokonto des Betroffenen bei der ... in Höhe von insgesamt 9.965,00 EUR und bei der ... in Höhe von 9.390,00 EUR im Zeitraum von Januar bis März 2015 weder ausreichend erklärt noch überhaupt belegt. Hierzu wurde sie mehrfach aufgefordert und erhielt sie auch in der Beschwerdeinstanz die letzte Gelegenheit. Auch der Kammer ist nicht nachvollziehbar, wie eine Barzahlung in Höhe von 14.500,00 EUR am 10.12.2014 die Barabhebungen im Zeitraum von Januar bis März 2015 erklären sollen. Nachdem auch in der Beschwerdeinstanz aussagekräftige Belege nicht vorgelegt wurden, konnten diese Zweifel nicht ausgeräumt werden.

Die Anordnung der Betreuung und Bestellung eines Berufsbetreuers war danach aber veranlasst, weil es dem Wohl des Betroffenen entspricht. Einem eventuell entgegenstehenden Wunsch des Betreuten musste daher keine Folge geleistet werden.

c) Die Beschwerde war nach alledem mit der Kostenentscheidung aus § 84 FamFG zurückzuweisen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt, § 42 Abs. 3 FamGKG.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diesen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde nach §§ 70 ff. FamFG statthaft.

Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von 1 Monat beim Bundesgerichtshof Karlsruhe, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe einzulegen.

Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses. Erfolgt die schriftliche Bekanntgabe durch Zustellung nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung, ist das Datum der Zustellung maßgebend. Erfolgt die schriftliche Bekanntgabe durch Aufgabe zur Post und soll die Bekanntgabe im Inland bewirkt werden, gilt das Schriftstück 3 Tage nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben, wenn nicht der Beteiligte glaubhaft macht, dass ihm das Schriftstück nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Kann die schriftliche Bekanntgabe an einen Beteiligten nicht bewirkt werden, beginnt die Frist spätestens mit Ablauf von 5 Monaten nach Erlass (§ 38 Abs. 3 FamFG) des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

Die Rechtsbeschwerde wird durch Einreichen einer Rechtsbeschwerdeschrift eingelegt.

Die Rechtsbeschwerdeschrift muss die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird, und die Erklärung enthalten, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt wird.

Die Beteiligten müssen sich durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen, der die Rechtsbeschwerdeschrift zu unterzeichnen hat.

Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischen Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Die zur Vertretung berechtigte Person muss die Befähigung zum Richteramt haben.

Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt bedarf es nicht bei Beteiligten, die durch das Jugendamt als Beistand vertreten sind.

Soweit sich der Rechtsbeschwerdeführer nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen muss, ist die Rechtsbeschwerdeschrift durch ihn oder seinen Bevollmächtigten zu unterzeichnen.

Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Rechtsbeschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1. die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und dessen Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge);

2. die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar

a. die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;

b. soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

Mit der Rechtsbeschwerde soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Beschlusses vorgelegt werden.

Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG):

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Referenzen - Gesetze

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Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 84 Rechtsmittelkosten


Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 38 Entscheidung durch Beschluss


(1) Das Gericht entscheidet durch Beschluss, soweit durch die Entscheidung der Verfahrensgegenstand ganz oder teilweise erledigt wird (Endentscheidung). Für Registersachen kann durch Gesetz Abweichendes bestimmt werden. (2) Der Beschluss enthält

Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen - FamGKG | § 42 Auffangwert


(1) Soweit in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Verfahrenswert sich aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen. (2) Soweit in einer nichtvermögensrechtliche

Referenzen

Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.

(1) Soweit in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Verfahrenswert sich aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen.

(2) Soweit in einer nichtvermögensrechtlichen Angelegenheit der Verfahrenswert sich aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt, ist er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten, nach billigem Ermessen zu bestimmen, jedoch nicht über 500 000 Euro.

(3) Bestehen in den Fällen der Absätze 1 und 2 keine genügenden Anhaltspunkte, ist von einem Wert von 5 000 Euro auszugehen.

(1) Das Gericht entscheidet durch Beschluss, soweit durch die Entscheidung der Verfahrensgegenstand ganz oder teilweise erledigt wird (Endentscheidung). Für Registersachen kann durch Gesetz Abweichendes bestimmt werden.

(2) Der Beschluss enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten;
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Gerichtspersonen, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben;
3.
die Beschlussformel.

(3) Der Beschluss ist zu begründen. Er ist zu unterschreiben. Das Datum der Übergabe des Beschlusses an die Geschäftsstelle oder der Bekanntgabe durch Verlesen der Beschlussformel (Erlass) ist auf dem Beschluss zu vermerken.

(4) Einer Begründung bedarf es nicht, soweit

1.
die Entscheidung auf Grund eines Anerkenntnisses oder Verzichts oder als Versäumnisentscheidung ergeht und entsprechend bezeichnet ist,
2.
gleichgerichteten Anträgen der Beteiligten stattgegeben wird oder der Beschluss nicht dem erklärten Willen eines Beteiligten widerspricht oder
3.
der Beschluss in Gegenwart aller Beteiligten mündlich bekannt gegeben wurde und alle Beteiligten auf Rechtsmittel verzichtet haben.

(5) Absatz 4 ist nicht anzuwenden:

1.
in Ehesachen, mit Ausnahme der eine Scheidung aussprechenden Entscheidung;
2.
in Abstammungssachen;
3.
in Betreuungssachen;
4.
wenn zu erwarten ist, dass der Beschluss im Ausland geltend gemacht werden wird.

(6) Soll ein ohne Begründung hergestellter Beschluss im Ausland geltend gemacht werden, gelten die Vorschriften über die Vervollständigung von Versäumnis- und Anerkenntnisentscheidungen entsprechend.