Landgericht Detmold Beschluss, 28. Apr. 2014 - 4 Qs 50/14
Gericht
AoLs
Tenor
Auf die Beschwerde wird der angefochtene Beschluss dahingehend abgeändert, dass die dem Zeugen Y zahlende Zeugenentschädigung auf 160,00 € festgesetzt wird.
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
1
I.
3In vorliegendem Strafverfahren fand am 28. Dezember 2012 Hauptverhandlungstermin statt. In diesem wurde unter anderem y als Zeuge vernommen. In seiner Eigenschaft als Detektiv hatte dieser am 16. Juni 2012 für seinen Arbeitgeber – die Firma M und S. in Hannover – den R Markt in Bad Salzuflen überwacht und dabei den Angeklagten bei einem Diebstahl von zwei Flaschen Whisky beobachtet.
4Der Zeuge Y beantragte als Zeugenentschädigung einen Verdienstausfall in Höhe von 85,00 € (10 Stunden á 8,50 €) sowie Fahrtkosten in Höhe von 130,00 €. Der Gesamtbetrag in Höhe von 215,00 € wurde ihm antragsgemäß am 28. Dezember 2012 ausgezahlt.
5Durch Beschluss vom 06. Dezember 2013 setzte das Amtsgericht Lemgo die Entschädigung des Zeugen Y in entsprechender Höhe fest. Sein Arbeitgeber hatte zuvor bestätigt, dass der Zeuge Y am Verhandlungstag einen ganztägigen Einsatz beim R-Markt gehabt hätte, den er aufgrund des Verhandlungstermins insgesamt nicht hätte wahrnehmen können, und dass dem Zeugen deswegen sein Gehalt in Höhe von 85,00 € gekürzt worden sei.
6Gegen diesen Beschluss wendet sich der Bezirksrevisor mit seiner Beschwerde vom 17. Februar 2014. Er macht geltend, dass davon auszugehen sei, dass für den Zeugen Y als angestellten Detektiv der Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland vom 01. Dezember 2006 gelte. Danach erhielten angestellte Detektive bei Ladungen von Gerichten zu Sachverhalten, die unmittelbar im Zusammenhang mit ihrer Arbeitstätigkeit als Detektiv stünden – etwa wie hier im Rahmen der Detektivarbeit beobachtete Ereignisse – , gemäß § 9 Nr. 4 des Manteltarifvertrages den hierfür erforderlichen Zeitaufwand vergütet. Daher sei der Arbeitgeber des Zeugen nicht zu einer Kürzung des Lohns berechtigt gewesen und dem Zeugen damit kein Verdienstausfall entstanden, so dass er insofern keinen Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse habe.
7II.
8Die gemäß § 4 Abs. 3 2. Alt. JVEG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde führt zu einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.
91. Gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 JVEG in Verbindung mit § 22 S. 1 JVEG erhält ein Zeuge eine Entschädigung für den von ihm tatsächlich erlittenen Verdienstausfall. Ist der Zeuge Arbeitnehmer kann er danach seinen Bruttoverdienstausfall geltend machen, wenn er nach seinem Arbeitsvertrag keinen Anspruch auf Weiterbezahlung der Bezüge und sein Arbeitgeber mithin berechtigterweise einen Lohnabzug gemacht hat. Die Gewährung einer Entschädigung für den Verdienstausfall ist dabei in der Regel nicht von der Führung eines entsprechenden Nachweises abhängig zu machen, sondern unter freier Beurteilung der Erwerbstätigkeit des Zeugen zu beurteilen [vgl. Meyer-Höfer-Bach-Oberlack, JVEG, 26. Auflage 2014, § 22 Rn.3]. Bei Lohnempfängern ist allerdings grundsätzlich eine Bescheinigung des Arbeitgebers erforderlich, aber auch ausreichend, wenn der darin behauptete Verdienstausfall wahrscheinlich ist [vgl. Hartmann, Kostengesetze, 43. Auflage 2013, § 22 JVEG, Rn.10, 13 m. w. Rspr.-Nachweisen].
10Vorliegend hat der Zeuge Y zwar eine Verdienstausfallsbescheinigung seines Arbeitgebers vom 19. Dezember 2012 zur Akte gereicht. Der Bezirksrevisor hat in seiner Beschwerde jedoch unter Hinweis auf § 9 Nr. 4 des Manteltarifvertrages für das Wach- und Sicherheitsgewerbe konkrete Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, dass der Arbeitgeber des Zeugen nicht zu einer Lohnkürzung berechtigt war und dem Zeugen damit auch kein erstattungsfähiger Verdienstausfall entstanden ist. Mit Rücksicht hierauf war der Zeuge gehalten, den von ihm geltend gemachten Verdienstausfall durch konkrete Nachweise zu belegen [vgl. Meyer-Höfer-Bach-Oberlack, aaO., § 22 Rn.4]. Eine Bestätigung seines Arbeitgebers, dass dieser nicht zur Lohnfortzahlung verpflichtet war, hat der Zeuge im Beschwerdeverfahren – trotz entsprechenden Hinweises der Kammer – indes nicht zur Akte gereicht. Auch hat er weder dargelegt noch nachgewiesen, dass der Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe auf sein Arbeitsverhältnis keine Anwendung findet. Vor diesem Hintergrund muss die Kammer jedoch davon ausgehen, dass der Arbeitgeber des Zeugen die Lohnkürzung unberechtigterweise vorgenommen hat. Eine Verdienstausfallentschädigung aus der Staatskasse kann dem Zeugen Y dann aber nicht gewährt werden.
11Dem Zeugen steht neben dem Anspruch auf Erstattung von Fahrtkosten – in Höhe von unstreitig 130,00 € – nur ein Anspruch auf Entschädigung für seine Zeitversäumnis nach §§ 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, 20 a.F. JVEG in Höhe von 30,00 € (10 Stunden á 3,00 €) zu. Dementsprechend war die Entschädigung für den Zeugen Y auf insgesamt 160,00 € festzusetzen.
122. Die Kostenentscheidung folgt aus § 4 Abs. 8 JVEG.
Annotations
(1) Zeugen erhalten als Entschädigung
- 1.
Fahrtkostenersatz (§ 5), - 2.
Entschädigung für Aufwand (§ 6), - 3.
Ersatz für sonstige Aufwendungen (§ 7), - 4.
Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 20), - 5.
Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung (§ 21) sowie - 6.
Entschädigung für Verdienstausfall (§ 22).
(2) Sofern die Entschädigung nach Stunden bemessen ist, wird sie für die gesamte Dauer der Heranziehung gewährt. Dazu zählen auch notwendige Reise- und Wartezeiten sowie die Zeit, während der der Zeuge infolge der Heranziehung seiner beruflichen Tätigkeit nicht nachgehen konnte. Die Entschädigung wird für nicht mehr als zehn Stunden je Tag gewährt. Die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet, wenn insgesamt mehr als 30 Minuten auf die Heranziehung entfallen; andernfalls beträgt die Entschädigung die Hälfte des sich für die volle Stunde ergebenden Betrages.
(3) Soweit die Entschädigung durch die gleichzeitige Heranziehung in verschiedenen Angelegenheiten veranlasst ist, ist sie auf diese Angelegenheiten nach dem Verhältnis der Entschädigungen zu verteilen, die bei gesonderter Heranziehung begründet wären.
(4) Den Zeugen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, kann unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Verhältnisse, insbesondere ihres regelmäßigen Erwerbseinkommens, nach billigem Ermessen eine höhere als die in Absatz 1 Satz 1 bestimmte Entschädigung gewährt werden.
Zeugen, denen ein Verdienstausfall entsteht, erhalten eine Entschädigung, die sich nach dem regelmäßigen Bruttoverdienst einschließlich der vom Arbeitgeber zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge richtet und für jede Stunde höchstens 25 Euro beträgt. Gefangene, die keinen Verdienstausfall aus einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis haben, erhalten Ersatz in Höhe der entgangenen Zuwendung der Vollzugsbehörde.
(1) Die Festsetzung der Vergütung, der Entschädigung oder des Vorschusses erfolgt durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält. Eine Festsetzung der Vergütung ist in der Regel insbesondere dann als angemessen anzusehen, wenn ein Wegfall oder eine Beschränkung des Vergütungsanspruchs nach § 8a Absatz 1 oder 2 Satz 1 in Betracht kommt. Zuständig ist
- 1.
das Gericht, von dem der Berechtigte herangezogen worden ist, bei dem er als ehrenamtlicher Richter mitgewirkt hat oder bei dem der Ausschuss im Sinne des § 1 Abs. 4 gebildet ist; - 2.
das Gericht, bei dem die Staatsanwaltschaft besteht, wenn die Heranziehung durch die Staatsanwaltschaft oder in deren Auftrag oder mit deren vorheriger Billigung durch die Polizei oder eine andere Strafverfolgungsbehörde erfolgt ist, nach Erhebung der öffentlichen Klage jedoch das für die Durchführung des Verfahrens zuständige Gericht; - 3.
das Landgericht, bei dem die Staatsanwaltschaft besteht, die für das Ermittlungsverfahren zuständig wäre, wenn die Heranziehung in den Fällen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 durch die Finanzbehörde oder in deren Auftrag oder mit deren vorheriger Billigung durch die Polizei oder eine andere Strafverfolgungsbehörde erfolgt ist, nach Erhebung der öffentlichen Klage jedoch das für die Durchführung des Verfahrens zuständige Gericht; - 4.
das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Gerichtsvollzieher seinen Amtssitz hat, wenn die Heranziehung durch den Gerichtsvollzieher erfolgt ist, abweichend davon im Verfahren der Zwangsvollstreckung das Vollstreckungsgericht.
(2) Ist die Heranziehung durch die Verwaltungsbehörde im Bußgeldverfahren erfolgt, werden die zu gewährende Vergütung oder Entschädigung und der Vorschuss durch gerichtlichen Beschluss festgesetzt, wenn der Berechtigte gerichtliche Entscheidung gegen die Festsetzung durch die Verwaltungsbehörde beantragt. Für das Verfahren gilt § 62 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 1 können der Berechtige und die Staatskasse Beschwerde einlegen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.
(4) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.
(5) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 4 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.
(6) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.
(7) Das Gericht entscheidet über den Antrag durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.
(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
(9) Die Beschlüsse nach den Absätzen 1, 2, 4 und 5 wirken nicht zu Lasten des Kostenschuldners.
