Landgericht Deggendorf Urteil, 12. Nov. 2014 - 22 O 298/14

bei uns veröffentlicht am12.11.2014

Gericht

Landgericht Deggendorf

Gründe

Landgericht Deggendorf

Az.: 22 O 298/14

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

...

- Klägerin

Prozessbevollmächtigter: ...

gegen

...

Beklagter

Prozessbevollmächtigte: ...

erlässt das Landgericht Deggendorf - 2. Zivilkammer - durch den Richter am Landgericht ... als Einzelrichter

am 12.11.2014

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30.09.2014 folgendes

Endurteil

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 5.000 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5-% Punkten über dem Basiszinssatz seit 1.8.2014 zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihr zukünftig noch aus dem Unfall vom 2.2.2014 entstehen werden.

3. Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den Kosten der außergerichtlichen Rechts1. Verfolgung in Höhe von EUR 334,75 freizustellen.

4. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt immateriellen Schadensersatz aus einem Skiunfall.

Die Klägerin unternahm am 2.2.2014 mit ihrer Familie den Versuch, das Skifahren zu erlernen. Behufs dessen begab sie sich zur Skischule des Beklagten und buchte dort für ihre Familie eine Unterrichtsstunde. Diese Stunde hielt für den Beklagten der bei ihm angestellte Skilehrer ... Er führte die Klägerin nebst Familie auf eine blaue Piste im Arbergebiet, welche er mit der Familie hinabfuhr. Ca. 100 m vor der Talstation war die Gruppe stehen geblieben und der Skilehrer ... wies die Klägerin an, trotz von oben herannahender Skifahrer, erneut loszufahren. An diesem Tage war die Skipiste viel befahren. Der Anweisung des Skilehrers folgend, startete die Klägerin erneut, bis ihr nach wenigen Metern ein von oben herannahender Skifahrer über die vorderen Skier fuhr. Die Klägerin kam dabei zu Sturze und erlitt eine Maisonneuve-Verletzung bei undislozierter proximaler Fibularfraktur und Syndesmosenruptur rechtes Sprunggelenk. Hinzu kamen Zeichen geringgradiger Bone-bruises des Tibiakopfes postero-lateral und postero-medial. Hinsichtlich der erlittenen Verletzungen wird auf das ärztliche Attest der Kreiskrankenhäuser Z.-V. vom 7.2.2014 (Anlage K 2) und des Dr. med.(|Hm| vom 19.2.2014 (Anlage K 3) Bezug genommen.

Die Klägerin behauptet, der Skilehrer ... habe sie gedrängt, trotz der von ihr geäußerten Bedenken wegen der sich annähernden weiteren Skifahrer loszufahren. Er habe dazu geäußert, dass diese schon aufpassen werden. Obwohl sie nach dem Unfall gegenüber dem Skilehrer über starke Schmerzen im rechten Bein geklagt habe, habe es der Skilehrer unterlassen, den Skirettungsdienst zu benachrichtigen und stattdessen die Klägerin angewiesen, sich nicht „so anzustellen“ und sich zu Fuß zur Talstation zu begeben. Die Klägerin vertritt die Auffassung, der Skilehrer hatte die erste Unterrichtsstunde nicht auf einen stark befahrenen Hang durchführen dürfen, sondern hätte sich mit der Anfängergruppe auf einen „Anfängerhügel“ begeben müssen. Stattdessen habe er die Klägerin Gefahren ausgesetzt, denen sie offensichtlich nicht gewachsen gewesen sei. Darüber hinaus habe er auch die Entfernung und Fahrtüchtigkeit der sich von oben nähernden Gruppe Skifahrer falsch eingeschätzt und die Klägerin infolge dessen gedrängt, auf die Piste zu fahren, obwohl sich die genannte Gruppe von oben in schnellem Tempo angenähert habe. Sie vertritt die Auffassung, der Beklagte habe das Verschulden seines Skilehrers zu vertreten und schulde ihr ein angemessenes Schmerzensgeld.

Sie beantragt:

I.

Den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe ins Ermessen des erkennenden Gerichtes gestellt wird, dessen Höhe aber 5.000 EUR nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

II.

Festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihr zukünftig noch aus dem Unfall vom 2.2.2014 entstehen werden.

III.

Der Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 334,75 freizustellen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, die blaue Piste sei für die Durchführung der ersten Fahrstunde durchaus geeignet gewesen. Es sei üblich, dort erwachsene Skianfänger zu unterrichten. Jedenfalls treffe den Skilehrer kein Verschulden am Zusammenstoß mit einem anderen Skifahrer. Solche Berührungen träten auch bei geübten Skifahrern auf. Die Unachtsamkeit eines Dritten könne dem Beklagten nicht angelastet werden, sondern lägen in der alleinigen Risikosphäre der Klägerin. Selbst wenn der Skilehrer die Klägerin angewiesen hätte, die Skifahrergruppe noch abzuwarten, hätte ein Unfall nicht vermieden werden können, weil an diesem Tage die Skipisten ohnehin viel befahren gewesen seien. Die Klägerin habe nach dem Unfall die Fahrt auch selbstständig fortgesetzt, ohne ihn auf Schmerzen aufmerksam zu machen. Die Verletzungen der Klägerin seien auch durch die eigenmächtige Weiterfahrt mit verursacht worden.

Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Beklagte schuldet der Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld aus den §§ 280, 282, 241 II, 249, 253 BGB.

Der beim Beklagten angestellte Skilehrer ... den sich der Beklagte zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient hat, § 278 BGB, hat den Skiunfall schuldhaft verursacht, weil er die erste Skistunde auf einem nicht geeigneten Hang durchführte. Nach übereinstimmendem Vortrag beherrschte die Klägerin das Skifahren nicht und hatte ihre erste Übungsstunde beim Beklagten gebucht. Gem. Ziff. III „Sicherheitsvorschriften in Wintersportorten E (Skischulen, Skilehrer und Bergführer) Nr. 3“ dürfen Skilehrer dem Schüler keine Risiken zumuten, denen diese mit ihren Fähigkeiten bei den gegebenen Schnee- und Witterungsverhältnissen nicht gewachsen sind. Aus diesen Gründen hat der Skilehrer mit seinen Schülern abseits vom allgemeinen Sportbetrieb zu üben und setzt die Skischüler den drohenden Gefahren des allgemeinen Sportbetriebes nicht aus (vergl. OLG Köln, NJW 1962, S. 1110). Stattdessen hat der beim Beklagten angestellte Skilehrer die Übungsstunde auf einer blauen Piste im allgemeinen Sportbetrieb und das auch noch an einem Tag, an dem. die Piste viel befahren war, erteilt und die Klägerin sehr wohl den drohenden Gefahren des allgemeinen Sportbetriebes ausgesetzt. Er hat die Klägerin sogar angewiesen, anzufahren, obwohl sich von oben andere Skifahrer annäherten. Zumindest hatte er es unterlassen, dafür Sorge zu tragen, dass die Klägerin, welche er anzuleiten hatte, nicht entgegen FIS-Regel 5 anfährt, obwohl sich Skifahrer von oben annäherten. Mit diesem Verfahren hat er gegen die oben aufgezeichneten Verpflichtungen aus dem Unterrichtsverhältnis verstoßen.

Ein Mitverschulden der Klägerin ist nicht ersichtlich. Ein Mitverschulden wäre selbst dann nicht gegeben, wenn die Klägerin auch ohne Anweisung des Skilehrers angefahren wäre. Es wäre nämlich die Pflicht des Skilehrers gewesen, die Klägerin insoweit zu unterweisen und ein gefahrloses Anfahren zu ermöglichen. Dabei hatte der Skilehrer bereits bei der Wahl des Ortes, an dem er die Klägerin unterrichtet, gegen seine Verpflichtungen aus dem Ausbildungsvertrag verstoßen.

Die Höhe des Schmerzensgeldes richtet sich nach Maß und Dauer der Lebensbeeinträchtigung, die Größe, Heftigkeit und die Dauer der Schmerzen und Leiden sowie auch dem Grad des Verschuldens und die Gesamtumstände des Falles (vergl. OLG München, 20 U 4661/10, Urteil vom 19.1.2011). Im Wesentlichen steht im Vordergrund, dass die Klägerin unstreitig eine schmerzhafte Fibulafraktur und eine Syndesmosenruptur des rechten Sprunggelenkes erlitt. Dabei mögen die weiteren Umstände nach dem Unfall dahingestellt bleiben, weil sie nicht wesentlich zu einer Erhöhung des Schmerzensgeldes führen würden. Die geringgradige Bone-bruises des Tibiakopfes posterio laterial und posterio medial sind darüber hinaus ebenfalls zu berücksichtigen. Der Bruch musste mit Titanstellschrauben versorgt und mittels einer Schiene ruhig gestellt werden. Die körperlichen Beeinträchtigungen dauerten über mehrere Wochen hinweg. In Anbetracht dieser Umstände ist ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 5.000 durchaus angemessen, aber auch ausreichend.

Auch der Feststellungsantrag ist begründet. Bei einem derartigen Verletzungsbild kann die Möglichkeit weiterer künftiger Schäden nicht ausgeschlossen werden (vergl. zu den Voraussetzungen der Feststellungsklage BGH NJW 2001, S. 1431). Aus welchem Grunde diese Möglichkeit nicht bestehen sollte, erschließt sich aus dem Vortrag des Beklagten nicht. Da sich diese Möglichkeit schon aufgrund der Art der Verletzungen ergibt, bedarf es zu dessen Feststellung auch keines weiteren medizinischen Gutachtens.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


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Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.