I.
Streitig ist der Wert der Anteile an einer Kapitalgesellschaft für Zwecke der Erbschaftsteuer.
Der im Jahr 2008 verstorbene Erblasser wurde von seiner Ehefrau und seinen Kindern (Erbengemeinschaft, Kläger zu 1) beerbt. Der Erblasser war an der Klägerin zu 2, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), mit 99,61%, seine Ehefrau mit 0,39% beteiligt.
Der Gesellschaftszweck der Klägerin zu 2 bestand satzungsgemäß im Erwerb sowie der Verwaltung und Veräußerung eigenen Vermögens, insbesondere von Immobilien und Beteiligungen an Unternehmen und Gesellschaften aller Art, sowie der Erbringung von Dienstleistungen für diese Beteiligungen und Unternehmen sowie für Dritte. Sie hielt Kommanditanteile von 75,1 v.H. an der … Stiftung & Co. KG Holding KG (Holding), an der YYY GmbH & Co. KG sowie weitere Minderheitsbeteiligungen an verschiedenen GmbHs (zwischen 1,58 v.H. und 5,17 v.H.). Die Kommanditbeteiligungen an der Holding und der YYY GmbH & Co. KG machten den überwiegenden Teil von ungefähr 99 v.H. ihres Betriebsvermögens aus. Unter Einbeziehung der mittelbar über die Holding gehaltenen Beteiligungen (Unter-GmbHs und Unter-KGs) machten die Beteiligungen an den Kapitalgesellschaften (Unter-GmbHs) wertmäßig ungefähr 32 v.H. des Betriebsvermögens der Klägerin zu 2 aus. Der wertmäßige Anteil der Beteiligungen an Personengesellschaften und anderer Wirtschaftsgüter (insbesondere Forderungen) betrug einen Anteil von 68 v.H. im Betriebsvermögen der Klägerin zu 2.
Nachdem das Finanzamt den gemeinen Wert des Anteils des Erblassers an der Klägerin zu 2 zunächst entsprechend der eingereichten Steuererklärungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt hatte, nahm es im Rahmen einer Außenprüfung sowohl eine Berechnung nach dem so genannten Stuttgarter Verfahren unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten und eines Abschlags wegen geringer Erträge als auch eine Bewertung nach den Sonderregeln für Holdinggesellschaften im Sinne von R 103 Abs. 1 Erbschaftsteuerrichtlinien vom 21. Dezember 1998 (ErbStR) ohne Berücksichtigung der Ertragsaussichten vor. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass es sich bei der Klägerin zu 2 um eine Holdinggesellschaft i.S.d. R 103 Abs. 1 ErbStR handle, da sie neben der Verwaltung eigener Beteiligungen keine eigene Produktions-, Handels- oder Dienstleistungstätigkeit ausübe. Wirtschaftlich seien die Anteile an der Holdinggesellschaft identisch mit den von ihr gehaltenen Beteiligungen, da das Zwischenschalten lediglich eine Effektensubstitution bewirke. In den am 14. August 2015 ergangenen Änderungsbescheiden wurde der gemeine Wert der Anteile mit … € für 100 € des Nennkapitals festgesetzt und der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben. Die dagegen eingelegten Einsprüche wurden mit Einspruchsentscheidung vom 2. Februar 2016 als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der hiergegen erhobenen Klage wenden sich die Kläger weiterhin gegen die Bewertung der Anteile. Zu Unrecht habe das Finanzamt entgegen dem Wortlaut des Gesetzes nur das Vermögen berücksichtigt und keinen Abschlag wegen geringer Erträge vorgenommen.
Der Bundesfinanzhof (BFH) habe das Stuttgarter Verfahren als geeignetes Schätzungsverfahren im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG anerkannt, von dem nur in Ausnahmefällen abgewichen werden dürfe. Zur Vermeidung der mehrfachen Berücksichtigung derselben Erträge („Kaskadeneffekt) sei deshalb in R 103 Abs. 1 ErbStR vorgesehen, dass die Ertragsaussichten bei Holdinggesellschaften unberücksichtigt bleiben, da in diesen Fällen der Gesichtspunkt der Effektensubstitution greife, um den Eintritt eines Kaskadeneffekts zu verhindern.
Das Vermögen der Klägerin zu 2 bestehe aus unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen an Kapitalgesellschaften und Kommanditgesellschaften, die jeweils operativ tätig gewesen seien. Unter Einbeziehung der mittelbaren Beteiligungen an Kapitalgesellschaften (Unter GmbH) hätten die Beteiligungen an Kapitalgesellschaften wertmäßig lediglich 32% des Betriebsvermögens der Klägerin zu 2 ausgemacht. Das Betriebsvermögen der Klägerin zu 2 habe somit nicht weit überwiegend, insbesondere nicht zu 75%, sondern gerade einmal zu 32% aus Anteilen an Kapitalgesellschaften bestanden. Die Klägerin zu 2 sei daher keine Holdinggesellschaft im Sinne der R 103 Abs. 1 ErbStR. Der Begriff der Holdinggesellschaft werde im Steuerrecht nicht näher konkretisiert. Der Gesetzgeber habe - soweit ersichtlich - lediglich in § 8a Abs. 4 Körperschaftsteuergesetz (KStG) alter Fassung eine Gesellschaft als Holdinggesellschaft qualifiziert, sofern deren Hauptzweck darin bestand, Beteiligungen an Kapitalgesellschaften zu halten bzw. ihr Vermögen zu mehr als 75% aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften bestand. Auch das zu § 8a KStG erlassene BMF-Schreiben vom 15. 12. 1994 (IV B 7-S 2742a-63/94, BStBl I 1995, 25 Tz. 80) beziehe sich ausschließlich auf Kapitalgesellschaften mit einer Beteiligung an Kapitalgesellschaften, so dass davon auszugehen sei, dass das BMF Kapitalgesellschaften, die zu 80% an Personengesellschaften beteiligt sind, gerade nicht als Holdinggesellschaften angesehen hat. Der Richtliniengeber des R 103 ErbStR habe sich offenbar an dieser gesetzlichen Konkretisierung orientiert, da die Grenze, die nach den Vermögensteuerrichtlinien 1993 noch bei 80% gelegen habe, in Anpassung an die Definition in § 8a Abs. 4 KStG auf 75% gesenkt worden sei. Wenn man diese gesetzgeberische Konkretisierung des Holdingbegriffs im Körperschaftsteuerrecht auf den Holdingbegriff der R 103 Abs. 1 ErbStR übertrage, so liege eine Holdinggesellschaft nur vor, wenn der Hauptzweck der Gesellschaft in dem Halten von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften bestehe oder deren Vermögen zu mehr als 75% aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften bestehe. Es würde dem Sinn und Zweck der R 103 Abs. 1 ErbStR widersprechen, auch Gesellschaften, die überwiegend an Personengesellschaften beteiligt seien, als Holdinggesellschaften im Sinne der R 103 Abs. 1 ErbStR zu qualifizieren.
Auch nach der Rechtsprechung des BFH sei von der Regelung des R 103 Abs. 1 ErbStR nur die „reine Verwaltungs-Holdinggesellschaft“ erfasst (BFH-Urteil vom 3. Dezember 1976 III R 98/74, BStBl II 1977, 235) bzw. solche Gesellschaften, deren Rohbetriebsvermögen zu mehr als 75% aus Anteilen an Kapitalgesellschaften bestünden, da auch insoweit der Grundsatz der „Effektensubstitution“ zum Tragen komme (BFH vom 26. Januar 2000 II R 15/97, BStBl II 2000, 251). Der Umstand, dass es kein BFH-Urteil im Zusammenhang mit dem überwiegenden Halten von Beteiligungen an Personengesellschaften gebe, spreche für sich. Vielmehr habe der BFH in seinem Urteil vom 11. Januar 2006 (II R 76/04, BFH/NV 2006, 1257) in einer vergleichbaren Sachverhaltskonstellation entschieden, dass die Holdingregelung gerade nicht anwendbar sei. Auch in seiner Entscheidung vom 20. September 2000 (II R 61/98, BFH/NV 2001, 747) habe der BFH festgestellt, dass die damalige Regelung für Holdinggesellschaften (Abschnitt 83 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VStR 1986/1989, die R 103 Abs. 4 Nr. 1 ErbStR entspreche) auf Beteiligungen an Personengesellschaften nicht anwendbar sei, weil es bei Beteiligungen an Personengesellschaften nicht zu einer zweimaligen Berücksichtigung der von diesen erwirtschafteten Erträgen komme. Zudem sei es aus der Sicht des BFH wegen der unterschiedlichen Verkehrsfähigkeit der jeweiligen Beteiligungen bzw. Anteile hinzunehmen, dass derjenige, der über eine Kapitalgesellschaft mittelbar an einer (Unter-) Personengesellschaft beteiligt sei, wegen der in § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG vorgeschriebenen Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft bei hohen Erträgen schlechter gestellt sei als jemand, der über eine Personengesellschaft mittelbar an einer (Unter-) Personengesellschaft beteiligt sei. Dieses Ergebnis müsse auch für den umgekehrten Fall gelten. Soweit es aus Sicht des BFH hinzunehmen sei, dass jemand, der über eine Kapitalgesellschaft mittelbar an einer Personengesellschaft beteiligt sei, aufgrund hoher Erträge schlechter gestellt sei, müsse es im umgekehrten Fall, also aufgrund niedriger Erträge, auch hinzunehmen sein, dass jemand besser gestellt sei. Es gebe keine sachliche Rechtfertigung dafür, die Erträge nur dann bei der Wertermittlung zu berücksichtigen, wenn sie zu einer höheren Bewertung und einer damit einhergehenden höheren Steuerlast führen, vielmehr resultierten diese Folgen aus der bis 2008 maßgeblichen gesetzgeberischen Entscheidung, Personengesellschaften nur unter Berücksichtigung ihres Vermögens und Kapitalgesellschaften unter Berücksichtigung sowohl ihres Vermögens als auch ihrer Ertragsaussichten zu bewerten. Sofern die Grenze von 75% nicht erreicht werde, könne ein Abweichen von den gesetzlichen Vorgaben des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG nicht mehr gerechtfertigt werden. Ein Absenken dieser Grenze auf - wie im Streitfall - deutlich unter 50% könne nicht mit den Grundsätzen der Effektensubstitution gerechtfertigt werden.
Die Kläger beantragen,
die Bescheide vom 14. August 2015 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Werts des Anteils an der Klägerin zu 2 auf den 25. November 2008 für Zwecke der Erbschaftsteuer und die Einspruchsentscheidung vom 2. Februar 2016 dahingehend abzuändern, dass ein Wert von … € für 100 € des Nennkapitals der Klägerin zu 2 festgesetzt wird.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ergänzend zur Einspruchsentscheidung trägt es vor, dass es sich bei der Klägerin zu 2 um eine Holdinggesellschaft i.S.d. R 103 Abs. 1 ErbStR 2003 handle, auch wenn ihre Beteiligungen nicht ausschließlich aus Anteilen an anderen Kapitalgesellschaften bestünden. Die Klägerin zu 2 verfüge über keinerlei eigene Erträge, ihr Vermögen bestehe hauptsächlich aus ihrer Beteiligung an der Stiftung & Co. KG. Durch die Zwischenschaltung der Holding komme es zu einem offensichtlich unrichtigen Ergebnis.
Durch die Regelbewertung werde das Ziel einer sachgerechten Bewertung bei Holdinggesellschaften, die überwiegend Anteile an Personengesellschaften hielten, nicht erreicht, da die Regelbewertung dazu führen würde, dass der Vermögenswert bei ertragsschwachen Untergesellschaften um Abschläge bis zu 30% gemindert werde (vgl. R 100 Abs. 3 ErbStR). Da eine Holdinggesellschaft über keine eigenen Erträge verfüge, sei es nur folgerichtig, wenn bei der Bewertung der Anteile von Holdinggesellschaften die Erträge der Untergesellschaften keinen Einfluss auf den gemeinen Wert der Anteile der Holdinggesellschaft hätten. Ob bei der Bewertung der Anteile der Untergesellschaften die Erträge zu berücksichtigen seien, sei jeweils von der Rechtsform der Untergesellschaften abhängig. Durch die Zwischenschaltung einer Holdinggesellschaft würde bei der Durchführung nach der Regelbewertung der Anteilswert immer beeinflusst werden. Dies führe zu nicht tragbaren, offensichtlich unrichtigen Ergebnissen. Im Übrigen handle es sich bei der Stiftung und deren Beteiligungen nicht um ertragsschwache Unternehmen, weil durch die Veräußerung von Grundbesitz erhebliche stille Reserven realisiert worden seien, deren Erträge durch die Bildung von gewinnmindernden steuerlichen Rücklagen nach § 6b Einkommensteuergesetz (EStG) lediglich buchhalterisch gemindert worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
II.
Die Klage ist begründet. Die Bescheide vom 14. August 2015 und die Einspruchsentscheidung vom 2. Februar 2016 sind rechtswidrig, weil das Finanzamt die Anteile an der Klägerin zu 2 zu Unrecht nach der für reine Holdinggesellschaften geltenden Regelung des R 103 Abs. 1 ErbStR bewertet hat.
1. Der gemeine Wert von Anteilen an Kapitalgesellschaften ist, wenn er - wie im Streitfall - nicht aus Verkäufen abgeleitet werden kann, die weniger als ein Jahr zurückliegen, gemäß § 11 Abs. 2 S. 2 des Bewertungsgesetzes in der für das Streitjahr gültigen Fassung (BewG) unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft zu schätzen. Als geeignetes Schätzungsverfahren ist das Stuttgarter Verfahren, das von der Finanzverwaltung zunächst in den Vermögensteuerrichtlinien (VStR) und ab 1999 dann in R 96 ff Erbschaftsteuerrichtlinien vom 21. Dezember 1998 – ErbStR -) geregelt worden ist, vom BFH in ständiger Rechtsprechung anerkannt worden (BFH-Urteil vom 6. März 1991 II R 18/88, BStBl II 1991, 558, m.w.N., BFH-Beschluss vom 26. Februar 2003 II B 191/01, BFH/NV 2003, 888). Nach dem Stuttgarter Verfahren ist zunächst der Vermögenswert zu ermitteln, der sodann aufgrund der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft korrigiert wird (BFH-Urteil vom 20. September 2000 II R 61/98, BFH/NV 2001, 747 mit weiteren Literaturnachweisen, BFH-Urteil vom 20. Oktober 1978 III R 31/76, BFHE 126, 227, BStBl II 1979, 34), sofern diese nach oben oder unten von einer Normalverzinsung des Kapitals, das den Unternehmenswert verkörpert, abweichen.
Mit Rücksicht auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung ist von diesem Verfahren nur abzuweichen, wenn es in Ausnahmefällen aus besonderen Gründen des Einzelfalls zu nicht tragbaren, d.h. offensichtlich unrichtigen Ergebnissen führt (BFH-Urteile vom 17. Mai 1974 III R 156/72, BStBl II 1974, 626, sowie vom 6. Februar 1991 II R 87/88, BStBl II 1991, 459).
Bei der Bewertung der Anteile an einer Gesellschaft, die ihrerseits eine Beteiligung an einer Unter-Kapitalgesellschaft hält, kann durch die mehrfache Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Untergesellschaft ein sogenannter Kaskadeneffekt eintreten: Einerseits geht der für die Untergesellschaft festgestellte gemeine Wert, der auch unter Berücksichtigung von deren Ertragsaussichten geschätzt worden ist, in voller Höhe in den Vermögenswert der Obergesellschaft ein. Zusätzlich erhöhen die von der Untergesellschaft ausgeschütteten Erträge - bzw. bei Bestehen eines Ergebnisabführungsvertrags die gesamten abgeführten Erträge der Organgesellschaft - die Ertragsaussichten der Obergesellschaft. Wirtschaftlich gehen die Ertragsaussichten der Untergesellschaft damit doppelt - bei Beteiligungsketten mitunter sogar mehrfach - in einen nach der Regelbewertung des Stuttgarter Verfahrens ermittelten gemeinen Wert der Obergesellschaft ein (BFH-Urteil vom 12. Juli 2006 II R 75/04, BStBl II 2006, 704).
2. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Anteile an reinen Holding-Gesellschaften, die neben der Verwaltung ihrer Beteiligungen oder der Koordinierung der Beteiligungsgesellschaften keinen selbstständigen operativen Bereich haben, deshalb nur mit ihrem ungekürzten Vermögenswert zu bewerten. Eine Korrektur aufgrund der Ertragsaussichten entfällt, da die Anteile an der Holding-Gesellschaft in wirtschaftlicher Hinsicht identisch mit den von der Holding-Gesellschaft gehaltenen Beteiligungen sind (vgl. BFH-Urteil vom 26. Januar 2000 II R 15/97, BStBl II 2000, 251, 253 zu Abschn. 81 Abs. 1 VStR 1989; R 103 Abs. 1 Satz 1 und 2 ErbStR). Das Zwischenschalten der Holding-Gesellschaft bewirkt lediglich eine Effektensubstitution (BFH-Urteil vom 3. Dezember 1976 III R 98/74, BStBl II 1977, 235). Kosten der Verwaltung der Beteiligungen oder der Koordinierung der Beteiligungsgesellschaften dürfen demnach nicht zu einer Korrektur des Vermögenswertes führen, da es sich bei solchen Aufwendungen um Kosten für die Vermögensverwaltung auf der Ebene des Anteilseigners handelt. Solche Aufwendungen dürfen bei einer am Substanzwert orientierten Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften nicht in die Wertermittlung einfließen (vgl. Christoffel, GmbH-Rundschau 1986, 392, 395).
Zur Vermeidung der als Kaskadeneffekt bezeichneten Kumulierung sehen R 103 Abs. 1 Satz 1 und 2 ErbStR Sonderregelungen für reine Holdinggesellschaften, R 103 Abs. 2 ErbStR für Gesellschaften, deren Aktien und Anteile mehr als 75 v.H. ihres Rohvermögens ausmachen, sowie R 103 Abs. 4 ErbStR für Gesellschaften mit unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungen von mehr als 50 v.H. des jeweiligen Grund- und Stammkapitals der Untergesellschaften vor. Der Sinn und Zweck der Regelung in R 103 Abs. 1 Satz 1 und 2 ErbStR besteht darin, eine doppelte Erfassung der Erträge des Organs zu vermeiden, da sich die Erträge bereits bei der Bewertung der Anteile an der Organgesellschaft ausgewirkt haben (vgl. BFH-Urteil vom 2.Oktober 1985 II R 214/82, BStBl II 1986, 47). Der BFH hat ausgeführt (BFH-Urteil vom 26. Januar 2000 II R 15/97 (BStBl II 2000, 251), dass die in R 103 ErbStR enthaltenen Regelungen zur Vermeidung des Kaskadeneffektes als Ausnahmefälle zu der Regelbewertung nach dem Stuttgarter Verfahren aus besonderen Gründen des Einzelfalls rechtlich geboten seien, dass aber aus § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG keine rechtliche Notwendigkeit folge, den systembedingten Kaskadeneffekt auch noch darüber hinaus zu neutralisieren. Soweit nicht weitere Gesichtspunkte wie der den Regelungen in Abschn. 81 Abs. 1 und 1 a VStR 1986/1989 bzw. R 103 ErbStR zugrundeliegende Gesichtspunkt der Effektensubstitution oder der Gesichtspunkt einer Organschaft mit Ergebnisabführung hinzu kämen, seien bei mehrstufigen Beteiligungsverhältnissen die Anteile an den Kapitalgesellschaften jeder Stufe für sich nach den Regeln des Stuttgarter Verfahrens zu bewerten. Der Kaskadeneffekt sei dann regelmäßig hinzunehmen.
3. Im Streitfall ist keine der genannten Sonderregelungen anwendbar. Insbesondere handelt es sich bei der Klägerin zu 2 nicht um eine Holdinggesellschaft i.S.d. R 103 Abs. 1 ErbStR. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist unter einer Holdinggesellschaft zwar eine Gesellschaft zu verstehen, die - wie die Klägerin zu 2 entsprechend ihres in § 2 Abs. 1 ihrer Satzung niedergelegten Gesellschaftszwecks - nicht selbst produziert, die aber Aktien anderer Gesellschaften besitzt und diese dadurch beeinflusst oder beherrscht (vgl. www.duden.de, Gabler Wirtschaftslexikon, Springer). Allerdings besteht das Betriebsvermögen der Klägerin zu 2 unter Einbeziehung der mittelbar über die Holding gehaltenen Beteiligungen an GmbHs und der eigenen Minderheitsbeteiligungen an GmbHs unstreitig nur ungefähr zu 32 v.H. aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften und zu 68 v.H. aus Personengesellschaften. Anders als das Finanzamt meint, fallen unter den Anwendungsbereich des R 103 Abs. 1 ErbStR - ohne dass es in den Richtlinien entsprechend definiert wird - nur Holdinggesellschaften, die ausschließlich Anteile an Kapitalgesellschaften halten (vgl. auch Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. April 2009 4 K 1274705, EFG 2009, 1272 zur entsprechenden Anwendung des R 103 Abs. 1 ErbStR).
Wie der BFH in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, soll mit den Ausnahmereglungen in R 103 ErbStR zur Bewertung nach dem Stuttgarter Verfahren der so genannte Kaskadeneffekt vermieden werden. Außerdem setzt die Außerachtlassung der Ertragsaussichten der Unter-Gesellschaften voraus, dass der Anteil am Stammkapital der Unter-Gesellschaft mehr als 50 v. H. beträgt (vgl. z.B.: BFH vom 26. Januar 2000 II R 15/97, BStBl II 2000 S. 251; BFH vom 20. September 2000 II R 61/98, BFH/NV 2001 S. 747; BFH vom 18. März 2005 II R 76/04, BFH/NV 2006 S. 1257; zustimmend: Gebel a.a.O., Rz 405 zu § 12 ErbStG; Viskorf in Viskorf/Glier/Hübner/ Knobel/Schuck, Kommentar zum Erbschafteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 2. A. 2004, Rz 91 zu § 11 BewG; Mannek in Gürsching/ Stenger, Kommentar zum Bewertungsrecht, Loseblatt Stand August 2007, 365 zu § 11 BewG). Im Hinblick auf die gesetzlichen Vorgaben des § 11 Abs. 2 S. 2 BewG, demzufolge bei der Schätzung des gemeinen Werts auch die Ertragsaussichten zu berücksichtigen, fehlt es an einer Rechtfertigung für eine weitere Abstufung der Beteiligungsquote (BFH vom 26. Januar 2000 II R 15/97 a.a.O.).
So hat der BFH im Urteil vom 6. März 1991 II R 18/88 (BStBl II 1991, 558) - zu einem Fall, in dem der Organträger Verluste von Organ(Kapital) gesellschaften übernommen hatte, an denen er mit 86,25 v.H. bzw. 100 v.H. beteiligt war - ausgeführt, dass die Richtlinienregelung, die eine Neutralisierung der Verluste bei der Ermittlung der Ertragsaussichten des Organträgers anordne, sachgerecht sei.
Andererseits hat der BFH in BFH/NV 2001, 747 entschieden, dass es bei Beteiligungen an Personengesellschaften - im Streitfall ging es um Beteiligungen von 50 v. H. an Untergesellschaften und die Anwendbarkeit von Abschn. 83 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VStR 1986/1989 (entspricht R 103 Abs. 4 Satz 4 ErbStR) - hinsichtlich derer Erträge zu keinem Kaskadeneffekt kommen könne, weil die in den Einheitswert des Betriebsvermögens der Personengesellschaft eingehenden Teilwerte der einzelnen Wirtschaftsgüter keine Ertragswerte, sondern reine Substanzwerte sind. Bei Beteiligungen an Personengesellschaften komme es nicht zu einer zweimaligen Berücksichtigung der von diesen erwirtschafteten Erträgen, so dass kein Ausnahmefall von der Regelbewertung des Stuttgarter Verfahrens gegeben war.
Ebenso lehnte der BFH die Notwendigkeit einer Neutralisierung des Kaskadeneffekts für Beteiligungen von bis zu 50 v.H. im Urteil in BFHE 191, 393, BStBl II 2000, 251 ab, in dem es um die Bewertung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft ging, die zu 33 v.H. an einer KG beteiligt war, die ihrerseits als Organträgerin für mehrere Organgesellschaften fungierte, an denen sie mit bis zu 100 v.H. beteiligt war. Soweit insoweit der für die Untergesellschaft festgestellte gemeine Wert, der auch unter Berücksichtigung von deren Ertragsaussichten geschätzt worden ist, in voller Höhe in den Vermögenswert der Obergesellschaft eingeht und zusätzlich die von der Untergesellschaft ausgeschütteten Erträge ihre Ertragsaussichten erhöhen, ist der damit verbundene Kaskadeneffekt hinzunehmen. Im Hinblick auf die gesetzlichen Vorgaben des § 11 Abs. 2 S. 2 BewG, demzufolge bei der Schätzung des gemeinen Werts auch die Ertragsaussichten zu berücksichtigen, fehlt es an einer Rechtfertigung für eine weitere Abstufung der Beteiligungsquote (BFH vom 26. Januar 2000 II R 15/97 a.a.O.). Der BFH hat insoweit den Grundsatz aufgestellt, dass bei einer GmbH, die unmittelbar oder mittelbar an anderen Kapitalgesellschaften zu weniger als 50 v.H. beteiligt ist, bei der Schätzung des gemeinen Werts ihrer Anteile nach den Regeln des Stuttgarter Verfahrens die Korrektur des Vermögenswerts ungeachtet des Gewichts des Beteiligungsbesitzes für das gesamte Betriebsvermögen der GmbH auf Grund der Ertragsaussichten unter Einschluss der Beteiligungserträge erfolgen muss. Außerdem sei eine Ausdehnung des in R 103 Abs. 4 Satz 1 ErbStR auf weitere Fallgruppen nicht zulässig.
Aufgrund dieser Rechtsprechung zur Neutralisierung des Kaskadeneffekts ergibt sich nach Ansicht des Senats, dass es sich bei den in R 103 Abs. 1 Satz 1ErbStR genannten Holdinggesellschaften nicht um Gesellschaften handeln kann, die zu mehr als 50 v.H. Anteile an Personengesellschaften halten und verwalten. Soweit der BFH entschieden hat, dass eine weitere Absenkung des Beteiligungsbesitzes von 50 v. H. an Kapitalgesellschaften für die Anwendung der Ausnahmeregelung in R 103 Abs. 4 ErbStR nicht in Betracht kommt, kann daraus nur der Schluss gezogen werden, dass die Regelung des R 103 Abs. 1 Satz 1 ErbStR nicht dahingehend ausgelegt werden kann, dass davon auch Holdinggesellschaften erfasst werden, die wie die Klägerin überwiegend, d.h. zu mehr als 50 v. H. Anteile an Personengesellschaften - im Streitfall rund 68 v.H. - halten und verwalten.
Im Streitfall liegen auch keine besonderen Gründe vor, die ausnahmsweise eine Abweichung von der Regelbewertung des Stuttgarter Verfahrens rechtfertigen (vgl. BFH-Beschluss vom 26. Februar 2003 II B 191/01, BFH/NV 2003, 888 m.w.N.). Es ist dem Finanzamt zwar insoweit zuzustimmen, dass der Anteilswert nach der Regelbewertung durch die Zwischenschaltung von Gesellschaften immer beeinflusst wird. Zu nicht tragbaren und offensichtlich unrichtigen Ergebnissen kommt es dabei jedoch nur, wenn die von der Untergesellschaft ausgeschütteten Erträge die Ertragsaussichten der Obergesellschaft erhöhen. Der Eintritt des Kaskadeneffekts ist jedoch erst ab Beteiligungen von mehr als 50 v. H. an Kapitalgesellschaften nicht hinzunehmen.
Soweit das Finanzamt eingewandt hat, dass es sich bei der Holding und deren Beteiligungen nicht um ertragsschwache Unternehmen handle, ist ihm entgegenzuhalten, dass der Wert der jeweiligen Beteiligungen infolge des Grundsatzes der Effektensubstitution in die Bewertung der Anteile an der Klägerin zu 2 eingeflossen ist.
Die Richtigkeit der (rechnerischen) Bewertung der Anteile nach dem Stuttgarter Verfahren ist zwischen den Parteien nicht streitig, im Übrigen sind insoweit auch keine Fehler ersichtlich.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.