Gericht

Europäischer Gerichtshof

BESCHLUSS DES GERICHTS (Sechste Kammer)

27. Juni 2016 ( *1 )

„Nichtdurchführung eines Urteils des Gerichtshofs, mit dem eine Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats festgestellt wird — Zwangsgeld — Beschluss über die Festsetzung des Zwangsgelds — Aufhebung der mit dem Unionsrecht unvereinbaren nationalen Rechtsvorschrift — Zeitpunkt der Beendigung der Vertragsverletzung — Nichtigerklärung eines früheren Beschlusses über die Festsetzung eines Zwangsgelds zur Durchführung desselben Urteils des Gerichtshofs — Rechtskraft — Klage, der offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt“

In der Rechtssache T‑810/14

Portugiesische Republik, vertreten durch L. Inez Fernandes, J. de Oliveira und S. Nunes de Almeida als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch G. Braga da Cruz und M. Heller als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses MARKT/A2/3523710 der Kommission vom 3. Oktober 2014 über die Festsetzung des von der Portugiesischen Republik gemäß dem Urteil vom 10. Januar 2008, Kommission/Portugal (C‑70/06, EU:C:2008:3), für den Zeitraum vom 10. bis 29. Januar 2008 zu zahlenden Zwangsgelds

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Frimodt Nielsen (Berichterstatter) sowie der Richter F. Dehousse und A. M. Collins,

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

Vorgeschichte des Rechtsstreits

Vertragsverletzungsverfahren gegen die Portugiesische Republik

1

Im Jahr 2003 leitete die Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen die Portugiesische Republik ein Vertragsverletzungsverfahren ein, weil sie namentlich der Ansicht war, dass die nach dem damaligen Recht dieses Mitgliedstaats vorgesehenen Bedingungen für eine Haftung der Vergabebehörden mit der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. 1989, L 395, S. 33) unvereinbar gewesen seien.

2

Im Urteil vom 14. Oktober 2004, Kommission/Portugal (C‑275/03, nicht veröffentlicht, EU:C:2004:632), folgte der Gerichtshof der Argumentation der Kommission und entschied in Nr. 1 des Tenors dieses Urteils: „Die Portugiesische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 89/665 … verstoßen, dass sie das Gesetzesdekret Nr. 48051 vom 21. November 1967 nicht aufgehoben hat, das die Gewährung von Schadensersatz an diejenigen, die durch einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht über öffentliche Aufträge oder die dieses Recht umsetzenden nationalen Bestimmungen geschädigt wurden, davon abhängig macht, dass ein Verschulden oder Arglist nachgewiesen wird …“

3

Da die Kommission jedoch der Ansicht war, dass die Portugiesische Republik die festgestellte Vertragsverletzung nicht beendet habe, leitete sie ein zweites Vertragsverletzungsverfahren ein und beantragte, ein Zwangsgeld zu verhängen. Die mündliche Verhandlung fand vor dem Gerichtshof am 5. Juli 2007 statt.

4

Am 31. Dezember 2007 wurde die Lei no 67/2007 Aprova o Regime da Responsabilidade Civil Extracontratual do Estado a Demais Entitades Públicas (Gesetz Nr. 67/2007 über den Erlass der Regelung der außervertraglichen zivilrechtlichen Haftung des Staates und der anderen öffentlichen Körperschaften) veröffentlicht (Diário da República, 1. Serie, Nr. 251, vom 31. Dezember 2007, im Folgenden: Gesetz Nr. 67/2007). Art. 5 dieses Gesetzes hob insbesondere das im Tenor des Urteils vom 14. Oktober 2004, Kommission/Portugal (C‑275/03, nicht veröffentlicht, EU:C:2004:632), angeführte Gesetzesdekret Nr. 48051 vom 21. November 1967 (im Folgenden: Gesetzesdekret Nr. 48051) auf. Nach seinem Art. 6 sollte das Gesetz Nr. 67/2007 30 Tage nach seiner Veröffentlichung, somit am 30. Januar 2008, in Kraft treten.

5

Im Urteil vom 10. Januar 2008, Kommission/Portugal (C‑70/06, EU:C:2008:3), entschied der Gerichtshof, dass die Portugiesische Republik dadurch, dass sie das Gesetzesdekret Nr. 48051 nicht aufgehoben hatte, die im Urteil vom 14. Oktober 2004, Kommission/Portugal (C‑275/03, nicht veröffentlicht, EU:C:2004:632), festgestellte Vertragsverletzung nicht beendet hatte. Infolgedessen verhängte er ein Zwangsgeld. Die Nrn. 1 und 2 des Tenors des Urteils vom 10. Januar 2008, Kommission/Portugal (C‑70/06, EU:C:2008:3), lauten:

„1.

Die Portugiesische Republik hat dadurch, dass sie das Gesetzesdekret Nr. 48051 … nicht aufgehoben hat, das die Gewährung von Schadensersatz an die Personen, die durch einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht über öffentliche Aufträge oder die dieses Recht umsetzenden nationalen Bestimmungen geschädigt worden sind, davon abhängig macht, dass ein Verschulden oder Arglist nachgewiesen wird, nicht die sich aus dem Urteil vom 14. Oktober 2004, Kommission/Portugal (C‑275/03), ergebenden Maßnahmen ergriffen und damit gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 228 Abs. 1 EG verstoßen.

2.

Die Portugiesische Republik wird verurteilt, der Kommission … auf das Konto ‚Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaft‘ ein Zwangsgeld in Höhe von 19392 Euro für jeden Tag des Verzugs bei der Durchführung der Maßnahmen zu zahlen, die erforderlich sind, um dem Urteil vom 14. Oktober 2004, Kommission/Portugal, nachzukommen, und zwar von der Verkündung des vorliegenden Urteils bis zur Durchführung des Urteils vom 14. Oktober 2004.“

Erster Festsetzungsbeschluss und Verfahren vor dem Gericht und dem Gerichtshof

6

Da die Kommission der Ansicht war, dass das Gesetz Nr. 67/2007, insbesondere Art. 7 der im Anhang dieses Gesetzes enthaltenen Regelung über die außervertragliche zivilrechtliche Haftung des Staates und der anderen öffentlichen Körperschaften, keine ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie 89/665 darstelle, nahm sie mit der Portugiesischen Republik Gespräche auf, die sich über mehrere Sitzungen hinzogen. Die Portugiesische Republik vertrat die Ansicht, sie sei dem Urteil vom 14. Oktober 2004, Kommission/Portugal (C‑275/03, nicht veröffentlicht, EU:C:2004:632), durch die Verabschiedung des Gesetzes Nr. 67/2007 vollständig nachgekommen, da dieses das Gesetzesdekret Nr. 48051 aufgehoben habe.

7

Am 15. Juli 2008 übermittelte der Generaldirektor der Generaldirektion (GD) Binnenmarkt und Dienstleistungen der Kommission der Portugiesischen Republik eine Zahlungsaufforderung für das vom 10. Januar bis 31. Mai 2008 aufgelaufene Zwangsgeld.

8

Die Portugiesische Republik widersprach der Ansicht der Kommission, verabschiedete jedoch, um dieser Meinungsverschiedenheit ein Ende zu bereiten, die Lei Nr. 31/2008 Procede à primeira alteração à Lei no 67/2007, de 31 de Dezembro, que aprova o Regime de Responsabilidade Civil Extracontractual do Estado a Demais Entitades Públicas (Gesetz Nr. 31/2008 zur Änderung des Gesetzes Nr. 67/2007) vom 17. Juli 2008 (Diário da República, 1. Serie, Nr. 137, vom 17. Juli 2008), welche rückwirkend ab dem 30. Januar 2008 Art. 7 der im Anhang des Gesetzes Nr. 67/2007 enthaltenen Regelung über die außervertragliche zivilrechtliche Haftung des Staates und der anderen öffentlichen Körperschaften änderte. Die Kommission stellte daraufhin fest, dass die Portugiesische Republik die im Urteil vom 14. Oktober 2004, Kommission/Portugal (C‑275/03, nicht veröffentlicht, EU:C:2004:632), festgestellte Vertragsverletzung beendet habe.

9

Am 25. November 2008 erließ die Kommission die Entscheidung K(2008) 7419 endg. (im Folgenden: erster Festsetzungsbeschluss), mit der ein Zwangsgeld von insgesamt 3665088 Euro festgesetzt wurde, das von der Portugiesischen Republik gemäß dem Urteil vom 10. Januar 2008, Kommission/Portugal (C‑70/06, EU:C:2008:3), für den Zeitraum vom 10. Januar bis 17. Juli 2008 geschuldet wurde.

10

Die Portugiesische Republik erhob gegen den ersten Festsetzungsbeschluss Nichtigkeitsklage, der das Gericht mit Urteil vom 29. März 2011, Portugal/Kommission (T‑33/09, EU:T:2011:127), stattgab. In diesem Urteil entschied das Gericht, dass die Kommission grundsätzlich dafür zuständig ist, vom Gerichtshof verhängte Zwangsgelder festzusetzen, dass sich diese Zuständigkeit jedoch darauf beschränkt, die strikten Konsequenzen aus den Feststellungen des Gerichtshofs zu ziehen. Da die vom Gerichtshof festgestellte Vertragsverletzung darin bestand, dass das Gesetzesdekret Nr. 48051 nicht aufgehoben worden war, stellte das Gericht fest, dass die Kommission ihre Zuständigkeit überschritten hatte, da sie selbst geprüft hatte, ob die Richtlinie 89/665 durch die neue portugiesische Rechtsvorschrift ordnungsgemäß umgesetzt worden war. Nach Ansicht des Gerichts wäre nur der Gerichtshof für eine solche Prüfung zuständig gewesen.

11

Mit ihrer Klage beantragte die Portugiesische Republik die Nichtigerklärung des ersten Festsetzungsbeschlusses, hilfsweise die teilweise Nichtigerklärung dieses Beschlusses, soweit dessen Wirkungen über den 29. Januar 2008 hinausgingen. Das Gericht erklärte den ersten Festsetzungsbeschluss insgesamt für nichtig. Es nahm zu der von der Portugiesischen Republik hilfsweise vorgetragenen Argumentation nicht Stellung, wonach der Zeitpunkt zu berücksichtigen sei, an dem die festgestellte Vertragsverletzung beendet worden sei, nämlich der 30. Januar 2008, an dem das Gesetz Nr. 67/2007 und die durch das Gesetz Nr. 31/2008 eingeführte rückwirkende Änderung in Kraft getreten seien.

12

Das von der Kommission gegen das Urteil vom 29. März 2011, Portugal/Kommission (T‑33/09, EU:T:2011:127), eingelegte Rechtsmittel wurde zurückgewiesen. Im Urteil vom 15. Januar 2014, Kommission/Portugal (C‑292/11 P, EU:C:2014:3), stellte der Gerichtshof insbesondere Folgendes fest:

„37

Nach Art. 260 Abs. 1 AEUV hat, wenn der Gerichtshof feststellt, dass ein Mitgliedstaat gegen eine Verpflichtung aus den Verträgen verstoßen hat, dieser Staat die Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofs ergeben.

38

Nach Art. 260 Abs. 2 AEUV kann die Kommission, wenn der betreffende Mitgliedstaat die Maßnahmen, die sich aus einem solchen Urteil ergeben, ihrer Auffassung nach nicht getroffen hat, den Gerichtshof anrufen, um die Verurteilung dieses Staates zur Zahlung eines Pauschalbetrags und/oder eines Zwangsgelds zu erwirken.

39

Im Gegensatz zum Verfahren nach Art. 258 AEUV, das darauf abzielt, ein unionsrechtswidriges Verhalten eines Mitgliedstaats feststellen und beenden zu lassen (vgl. Urteile vom 7. Februar 1979, Frankreich/Kommission, 15/76 und 16/76, Slg. 1979, 321, Rn. 27, und vom 6. Dezember 2007, Kommission/Deutschland, C‑456/05, Slg. 2007, I‑10517, Rn. 25), hat das in Art. 260 AEUV vorgesehene Verfahren einen sehr viel begrenzteren Gegenstand, indem es nur bezweckt, einen säumigen Mitgliedstaat zu veranlassen, ein Vertragsverletzungsurteil durchzuführen (Urteile vom 12. Juli 2005, Kommission/Frankreich, C‑304/02, Slg. 2005, I‑6263, Rn. 80, und vom 21. September 2010, Schweden u. a./API und Kommission, C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, Slg. 2010, I‑8533, Rn. 119).

40

Infolgedessen ist das letztgenannte Verfahren als ein besonderes gerichtliches Verfahren der Durchführung von Urteilen des Gerichtshofs, mit anderen Worten als ein Vollstreckungsverfahren anzusehen (Urteil Kommission/Frankreich, Rn. 92). Daher können im Rahmen eines solchen Verfahrens nur Verstöße gegen Verpflichtungen des Mitgliedstaats aus dem AEU-Vertrag behandelt werden, die der Gerichtshof auf der Grundlage von Art. 258 AEUV als begründet angesehen hat (Urteil vom 10. September 2009, Kommission/Portugal, C‑457/07, Slg. 2009, I‑8091, Rn. 47).

41

Erst recht sind, wenn der Gerichtshof den betreffenden Mitgliedstaat zur Zahlung eines Zwangsgelds verurteilt, die Prüfung der Maßnahmen, die dieser Mitgliedstaat zu dem Zweck erlassen hat, einem solchen Urteil nachzukommen, und die Erhebung der in Anwendung der verhängten Sanktionen geschuldeten Beträge durch die Kommission unter Berücksichtigung der Abgrenzung der Vertragsverletzung vorzunehmen, wie sie der Gerichtshof in seinen gemäß den Art. 258 AEUV und 260 AEUV erlassenen Urteilen vorgenommen hat.

42

Im vorliegenden Fall geht sowohl aus dem Tenor des Urteils [vom 14. Oktober 2004, Kommission/Portugal (C‑275/03, nicht veröffentlicht, EU:C:2004:632),] als auch aus demjenigen des Urteils [vom 10. Januar 2008, Kommission/Portugal (C‑70/06, EU:C:2008:3),] hervor, dass sich die vom Gerichtshof festgestellte Vertragsverletzung auf das Unterbleiben der Aufhebung des Gesetzesdekrets Nr. 48051 bezieht, das die Gewährung von Schadensersatz an die Personen, die durch einen Verstoß gegen das Unionsrecht über öffentliche Aufträge geschädigt wurden, davon abhängig machte, dass ein Verschulden oder Arglist nachgewiesen wird.

43

Zur Durchführung des Urteils [vom 14. Oktober 2004, Kommission/Portugal (C‑275/03, nicht veröffentlicht, EU:C:2004:632),] erließ die Portugiesische Republik das Gesetz Nr. 67/2007. Durch dieses Gesetz, das einige Tage nach der Verkündung des Urteils [vom 10. Januar 2008, Kommission/Portugal (C‑70/06, EU:C:2008:3),] in Kraft trat, wurde das Gesetzesdekret Nr. 48051 aufgehoben.

44

Nach Prüfung dieses Gesetzes war die Kommission jedoch der Auffassung, dass es nicht mit dem Unionsrecht vereinbar sei und daher keine angemessene Umsetzung des Urteils [vom 14. Oktober 2004, Kommission/Portugal (C‑275/03, nicht veröffentlicht, EU:C:2004:632),] darstelle.

45

Daraus ergab sich ein Streit zwischen diesem Organ und der Portugiesischen Republik über die rechtliche Tragweite und die Auslegung des Gesetzes Nr. 67/2007, der zum Erlass der angefochtenen Entscheidung führte, in der die Kommission die Höhe des vom Gerichtshof verhängten Zwangsgelds berechnete und sich dafür gerade auf ihre eigene Auslegung der Wirkungen dieses Gesetzes stützte.

46

Dadurch bezog die Kommission Stellung zur Frage der Vereinbarkeit des Gesetzes Nr. 67/2007 mit der Richtlinie 89/665, obwohl, wie das Gericht in den Rn. 83 bis 85 des … Urteils [vom 29. März 2011, Portugal/Kommission (T‑33/09, EU:T:2011:127),] zutreffend festgestellt hat, durch dieses Gesetz ein System der Haftung eingeführt wurde, das sich von dem mit dem Gesetzesdekret Nr. 48051 eingeführten unterschied und das nicht zuvor vom Gerichtshof geprüft worden sein konnte.

47

Zwar trifft es zu, dass, wie das Gericht in Rn. 81 des … Urteils [vom 29. März 2011, Portugal/Kommission (T‑33/09, EU:T:2011:127),] ausgeführt hat, die Kommission im Rahmen der Vollstreckung eines Urteils des Gerichtshofs, mit dem einem Mitgliedstaat ein Zwangsgeld auferlegt wird, die Maßnahmen beurteilen können muss, die der Mitgliedstaat erlassen hat, um dem Urteil, mit dem eine Verurteilung ausgesprochen wird, nachzukommen.

48

Wie jedoch das Gericht in Rn. 82 des … Urteils [vom 29. März 2011, Portugal/Kommission (T‑33/09, EU:T:2011:127),] zutreffend ausgeführt hat, darf die Ausübung dieser Beurteilungsbefugnis die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Entscheidung über die Vereinbarkeit einer nationalen Regelung mit dem Unionsrecht nicht beeinträchtigen.

52

Wenn daher im Rahmen der Prüfung der Durchführung eines Urteils des Gerichtshofs nach Art. 260 AEUV Streit zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat über die Eignung einer nicht zuvor vom Gerichtshof geprüften Praxis oder nationalen Regelung zur Durchführung eines solchen Urteils besteht, darf die Kommission nicht durch den Erlass einer Entscheidung diesen Streit selbst entscheiden und daraus die notwendigen Konsequenzen für die Berechnung des Zwangsgelds ziehen.“

Angefochtener Beschluss

13

Mit dem Beschluss MARKT/A2/3523710 vom 3. Oktober 2014 (im Folgenden: angefochtener Beschluss), der am 6. Oktober 2014 zugestellt wurde, verlangte der Generaldirektor der GD Binnenmarkt und Dienstleistungen von der Portugiesischen Republik die Zahlung des Betrags von 387840 Euro, der dem gemäß dem Urteil vom 10. Januar 2008, Kommission/Portugal (C‑70/06, EU:C:2008:3), für den Zeitraum vom 10. bis 29. Januar 2008 festgesetzten Zwangsgeld entsprach.

14

Der angefochtene Beschluss enthielt folgende Begründung:

„[D]a die Gründe, auf die der Gerichtshof sein Urteil aus dem Jahr 2014 gestützt hat, ausschließlich den Teil der Entscheidung der Kommission betrafen, mit dem diese von Portugal die Zahlung eines Zwangsgelds für den Zeitraum vom 30. Januar bis 17. Juli 2008 verlangt hatte, ist die Portugiesische Republik nach wie vor verpflichtet, das Urteil aus dem Jahr 2008 hinsichtlich des Zeitraums vom 10. Januar 2008 (Datum der Verkündung des Urteils) bis einschließlich 29. Januar 2008 (das Aufhebungsgesetz ist am 30. Januar 2008 in Kraft getreten) durchzuführen.“

Verfahren und Anträge der Parteien

15

Die Portugiesische Republik hat mit Klageschrift, die am 12. Dezember 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

16

Die Portugiesische Republik beantragt im Wesentlichen,

den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

17

Die Kommission beantragt,

die Klage abzuweisen;

der Portugiesischen Republik die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

18

Das Gericht hält es für sachgerecht, im vorliegenden Fall die Vorschriften des Art. 126 seiner Verfahrensordnung anzuwenden, wonach es, wenn es für die Entscheidung über eine Klage offensichtlich unzuständig oder diese offensichtlich unzulässig ist oder ihr offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt, auf Vorschlag des Berichterstatters jederzeit die Entscheidung treffen kann, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden, ohne das Verfahren fortzusetzen.

Zur Zuständigkeit des Gerichts für die Entscheidung über den vorliegenden Rechtsstreit

19

In ihrer Erwiderung macht die Portugiesische Republik geltend, das Gericht sei für die Entscheidung über eine Frage nicht zuständig, die die Durchführung der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus den Verträgen betreffe, da diese Zuständigkeit dem Gerichtshof vorbehalten sei. Da sich der Gerichtshof nicht mit der Frage befasst habe, ob die Portugiesische Regierung die im Urteil vom 14. Oktober 2004, Kommission/Portugal (C‑274/03, nicht veröffentlicht, EU:C:2004:632), festgestellte Vertragsverletzung durch die Veröffentlichung des Gesetzes Nr. 67/2007 beendet habe oder ob nur das Inkrafttreten dieses Gesetzes diese Vertragsverletzung habe beenden können, sei diese Frage dem Gerichtshof und nicht dem Gericht zur Beurteilung vorzulegen.

20

In ihrer Antwort auf eine prozessleitende Maßnahme des Gerichts hat die Portugiesische Republik ihren Standpunkt näher dargelegt und erklärt, sie habe mit diesem Vorbringen nicht beabsichtigt, gegen ihre eigene Klage die Einrede der Unzuständigkeit des Gerichts für die Entscheidung über diese Frage zu erheben, sondern habe geltend gemacht, der angefochtene Beschluss sei wegen Unzuständigkeit seines Urhebers für nichtig zu erklären, da für die streitigen Fragen ausschließlich der Gerichtshof zuständig sei.

21

Diese Klarstellungen der Portugiesischen Republik sind festzuhalten, wobei die Frage, ob die Kommission für den Erlass des angefochtenen Beschlusses zuständig war, bei der Begründetheit der Klage zu prüfen ist.

22

Jedenfalls genügt der Hinweis, dass der Gerichtshof in Rn. 53 des Urteils vom 15. Januar 2014, Kommission/Portugal (C‑292/11 P, EU:C:2014:3), entschieden hat, dass das Gericht mit einer Nichtigkeitsklage gegen Entscheidungen befasst werden kann, in denen die Kommission ein vom Gerichtshof verhängtes Zwangsgeld festgesetzt hat, und dass das Urteil des Gerichts mit einem Rechtsmittel beim Gerichtshof angefochten werden kann.

Zur Begründetheit der Klage

23

Die Argumente der Portugiesischen Republik zur Stützung ihrer Klage können in sechs Klagegründe zusammengefasst werden. Erstens sei die Kommission für den Erlass des angefochtenen Beschlusses unzuständig gewesen, da nur die Gerichte der Union für die Festsetzung von gemäß Art. 260 Abs. 2 AEUV verhängten Zwangsgeldern zuständig seien. Zweitens stelle der angefochtene Beschluss eine nicht ordnungsgemäße Durchführung des Urteils vom 15. Januar 2014, Kommission/Portugal (C‑292/11 P, EU:C:2014:3), dar. Drittens sei gegen die Rechtskraft verstoßen worden, und viertens seien die Grundsätze der Rechtssicherheit, der „Stabilität der Rechtsbeziehungen“ und des Vertrauensschutzes verletzt worden. Fünftens liege ein Verstoß gegen den Grundsatz ne bis in idem vor. Sechstens wird ein Verstoß gegen die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der Union und den Mitgliedstaaten gerügt, da der angefochtene Beschluss die Möglichkeit der Mitgliedstaaten beschneide, das Inkrafttreten der von ihnen erlassenen Rechtsvorschriften aufzuschieben.

24

Zunächst sind die Erwägungen der Kommission zur Begründetheit des im angefochtenen Beschluss festgesetzten Zwangsgelds zu prüfen. Von der Begründetheit dieser Erwägungen, zu denen sich die Portugiesische Republik in der Erwiderung geäußert hat, hängt in hohem Maße die Begründetheit der vorliegenden Klage ab.

Einleitende Erwägungen zur Begründetheit des im angefochtenen Beschluss verhängten Zwangsgelds

25

Nach Ansicht der Kommission ist in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat verurteilt worden sei, weil er eine mit dem Unionsrecht unvereinbare Rechtsvorschrift nicht aufgehoben habe, der Zeitpunkt, zu dem die diesem Mitgliedstaat vorgeworfene Vertragsverletzung als beendet anzusehen sei, der Tag des Inkrafttretens der Rechtsnorm, mit der die unvereinbare Rechtsvorschrift aufgehoben werde, d. h. der Zeitpunkt, zu dem diese Aufhebung wirksam werde, und nicht der Tag der Veröffentlichung dieser Rechtsnorm, wenn der zweite Zeitpunkt vor dem ersten liege. Andernfalls wäre es für einen wegen Vertragsverletzung verurteilten Mitgliedstaat ein Leichtes, die Verpflichtung zur Beendigung der Vertragsverletzung zu umgehen, indem er die von den Urteilen des Gerichtshofs verlangten Rechtsvorschriften veröffentlichte und gleichzeitig deren Inkrafttreten aufschöbe.

26

Sowohl das Verfahren gemäß Art. 260 Abs. 2 AEUV als auch jenes gemäß Art. 258 AEUV sähen vor, dass der Zeitpunkt des Inkrafttretens der nationalen Rechtsvorschrift und nicht der Zeitpunkt ihres Erlasses vom Gerichtshof heranzuziehen sei, um zu beurteilen, ob ein Mitgliedstaat die ihm zur Last gelegte Vertragsverletzung beendet habe.

27

Nach Auffassung der Kommission ergibt sich aus dem Verfahren, das zum Erlass des ersten Festsetzungsbeschlusses geführt habe, und auch aus den Feststellungen in den Urteilen vom 29. März 2011, Portugal/Kommission (T‑33/09, EU:T:2011:127), und vom 15. Februar 2014, Kommission/Portugal (C‑292/11 P, EU:C:2014:3), dass die Portugiesische Republik seinerzeit der Ansicht gewesen sei, dass sie das Urteil vom 14. Oktober 2004, Kommission/Portugal (C‑275/03, nicht veröffentlicht, EU:C:2004:632), mit der Verabschiedung des Gesetzes Nr. 67/2007 in vollem Umfang durchgeführt habe, und dass sie damals geltend gemacht habe, dass der hierbei zu berücksichtigende Zeitpunkt der Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes sei, d. h. der 30. Januar 2008.

28

Die Portugiesische Republik trägt vor, sie habe die im Urteil vom 14. Oktober 2004, Kommission/Portugal (C‑275/03, nicht veröffentlicht, EU:C:2004:632), festgestellte Vertragsverletzung durch die Verabschiedung des Gesetzes Nr. 67/2007 beendet. Nur weil der Gerichtshof vom Erlass dieses Gesetzes erst einige Tage vor der Verkündung des Urteils vom 10. Januar 2008, Kommission/Portugal (C‑70/06, EU:C:2008:3), in Kenntnis gesetzt worden sei, habe er dieses nicht berücksichtigen können und entschieden, ein Zwangsgeld zu verhängen. Da die Portugiesische Republik die im Urteil vom 14. Oktober 2004, Kommission/Portugal (C‑275/03, nicht veröffentlicht, EU:C:2004:632), festgestellte Vertragsverletzung vor der Verkündung des Urteils vom 10. Januar 2008, Kommission/Portugal (C‑70/06, EU:C:2008:3), beendet habe, könne ihr kein Zwangsgeld auferlegt werden. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Beendigung der im Urteil vom 14. Oktober 2004, Kommission/Portugal (C‑275/03, nicht veröffentlicht, EU:C:2004:632), festgestellten Vertragsverletzung sei der Tag der Veröffentlichung des Gesetzes Nr. 67/2007, d. h. der 31. Dezember 2007.

29

Zudem macht die Portugiesische Republik geltend, sie habe stets bestritten, dass gegen sie ein Zwangsgeld verhängt werden könne. Nur hilfsweise habe sie in dem Verfahren, in dem es um die Anfechtung des ersten Festsetzungsbeschlusses gegangen sei, zugestanden, dass für den Fall, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die Beendigung der Vertragsverletzung der Tag des Inkrafttretens des Gesetzes Nr. 67/2007 wäre, ihr zwar ein Zwangsgeld, jedoch nicht über den 29. Januar 2008 hinaus auferlegt werden könne.

30

Vorweg ist festzustellen, dass der angefochtene Beschluss auf der Prämisse beruht, dass in einem Fall, in dem die Beendigung einer einem Mitgliedstaat zur Last gelegten Vertragsverletzung von der Aufhebung einer mit dem Unionsrecht unvereinbaren nationalen Rechtsvorschrift abhängt, für die Beurteilung, zu welchem Zeitpunkt diese Vertragsverletzung beendet wurde, auf den Tag abzustellen ist, an dem die Aufhebung der unvereinbaren Rechtsvorschrift in Kraft getreten ist, wenn, wie im vorliegenden Fall, dieses Inkrafttreten nach der Veröffentlichung des Aufhebungsakts liegt (vgl. oben, Nr. 14). Im vorliegenden Fall besteht zwischen den Parteien Uneinigkeit darüber, ob davon auszugehen ist – wie es die Kommission im angefochtenen Beschluss tut –, dass die im Urteil vom 14. Oktober 2004, Kommission/Portugal (C‑275/03, nicht veröffentlicht, EU:C:2004:632), festgestellte Vertragsverletzung mit Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 67/2007, d. h. am 30. Januar 2008, beendet wurde, oder ob diese Vertragsverletzung, wie die Portugiesische Republik meint, mit der Veröffentlichung des Gesetzes Nr. 67/2007, d. h. am 31. Dezember 2007, beendet wurde. Im zweiten Fall könnte die Portugiesische Republik zu Recht geltend machen, dass gegen sie kein Zwangsgeld verhängt werden könne, weil sie die Vertragsverletzung vor der Verkündung des Urteils vom 10. Januar 2008, Kommission/Portugal (C‑70/06, EU:C:2008:3), beendet habe.

31

Diese Frage kann jedoch anhand der Rechtsprechung gelöst werden. Zunächst hat der Gerichtshof im Rahmen einer Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV entschieden, dass eine mögliche Unvereinbarkeit nationaler Rechtsvorschriften mit dem Recht der Union nicht festgestellt werden kann, wenn die betreffende nationale Rechtsvorschrift zu dem von der Kommission in der mit Gründen versehenen Stellungnahme festgesetzten Zeitpunkt noch nicht in Kraft war (Urteil vom 18. Juli 2013, Kommission/Polen,C‑313/11, EU:C:2013:481, Rn. 43 bis 48). In diesem Urteil hat der Gerichtshof entscheidend auf den Stand des Rechts abgestellt, das zu dem Zeitpunkt in Kraft war, auf den er sich bei der Beurteilung, ob eine Vertragsverletzung eines Staates festzustellen war, beziehen musste.

32

Sodann hat der Gerichtshof im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens entschieden, dass in einem Fall, in dem das Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung einer Richtlinie vom Erlass eines innerstaatlichen Durchführungsakts abhängt, die Unvereinbarkeit der nationalen Rechtsvorschrift mit dem Unionsrecht festgestellt werden kann, wenn bei Ablauf der in der Richtlinie vorgesehenen Umsetzungsfrist der betreffende Umsetzungsakt noch nicht erlassen worden ist. Der Gerichtshof hat somit der Wirksamkeit des Umsetzungsgesetzes, d. h. dessen Inkrafttreten entscheidende Bedeutung beigemessen und dessen bloße Verabschiedung durch die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats angesichts der unmittelbaren Wirkung der Richtlinie als unzureichend angesehen (Urteil vom 18. Dezember 2014, SETAR, C‑551/13, EU:C:2014:2467, Rn. 40).

33

Schließlich hat der Gerichtshof in einem Vertragsverletzungsverfahren, bei dem es um die Verhängung eines Zwangsgelds und eines Pauschalbetrags auf der Grundlage von Art. 260 Abs. 2 AEUV ging, entschieden, dass das Inkrafttreten eines Gesetzes nach dem von der Kommission in einer mit Gründen versehenen Stellungnahme festgesetzten Zeitpunkt, aber vor der Verkündung des Urteils des Gerichtshofs der Verhängung eines Zwangsgelds entgegensteht, weil die betreffende Vertragsverletzung vor Erlass des Urteils des Gerichtshofs beendet war (Urteil vom 9. Dezember 2008, Kommission/Frankreich, C‑121/07, EU:C:2008:695, Rn. 20 und 26). Da der Zeitpunkt des Inkrafttretens des betreffenden Gesetzes zu berücksichtigen war und dieser Zeitpunkt nach dem in der mit Gründen versehenen Stellungnahme festgesetzten Zeitpunkt lag, hat der Gerichtshof den Mitgliedstaat dennoch zur Zahlung eines Pauschalbetrags verurteilt.

34

Hängt die Beendigung einer Vertragsverletzung vom Erlass einer nationalen Maßnahme wie einer Aufhebung ab, ist somit nach der Rechtsprechung auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Maßnahme abzustellen, um den Zeitpunkt der Beendigung der Vertragsverletzung bestimmen. Im vorliegenden Fall wurde die im Urteil vom 14. Oktober 2004, Kommission/Portugal (C‑275/03, nicht veröffentlicht, EU:C:2004:632), festgestellte Vertragsverletzung, nämlich das Vorliegen einer mit dem Unionsrecht unvereinbaren Rechtsvorschrift (dem Gesetzesdekret Nr. 48051), mit dem Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 67/2007, das diese unvereinbare Rechtsvorschrift aufhob, d. h. am 30. Januar 2008, beendet. Die Kommission hat daher im angefochtenen Beschluss zu Recht die Auffassung vertreten, dass aus dem Urteil vom 10. Januar 2008, Kommission/Portugal (C‑70/06, EU:C:2008:3), hervorgeht, dass gegen die Portugiesische Republik ab der Verkündung dieses Urteils am 10. Januar 2008 für den Zeitraum, während dessen das Gesetzesdekret Nr. 48051 in Kraft geblieben ist, d. h. bis einschließlich 29. Januar 2008, ein Zwangsgeld zu verhängen ist.

35

Nunmehr ist zu prüfen, ob die Portugiesische Republik dennoch mit ihrem Vorbringen hat dartun können, dass der angefochtene Beschluss rechtswidrig ist.

Zum ersten Klagegrund der Unzuständigkeit der Kommission für den Erlass des angefochtenen Beschlusses

36

Die Portugiesische Republik trägt vor, die Kommission sei für den Erlass des angefochtenen Beschlusses unzuständig gewesen, da solche Entscheidungen den Gerichten der Union vorbehalten seien. Da der angefochtene Beschluss von einer unzuständigen Behörde erlassen worden sei, verstoße er gegen das in den Verträgen vorgesehene Gleichgewicht der Rechtsbehelfe und gegen die den Mitgliedstaaten im Rahmen der Vertragsverletzungsverfahren zustehenden Verteidigungsrechte, wie der Gerichtshof in Rn. 55 des Urteils vom 15. Januar 2014, Kommission/Portugal (C‑292/11 P, EU:C:2014:3), festgestellt habe.

37

Die Kommission vertritt die Ansicht, sie sei für den Erlass des angefochtenen Beschlusses zuständig gewesen.

38

Das Gericht hat die Frage der Zuständigkeit der Kommission für den Erlass von Beschlüssen über die Festsetzung der vom Gerichtshof verhängten Zwangsgelder im Urteil vom 29. März 2011, Portugal/Kommission (T‑33/09, EU:T:2011:127), ausdrücklich entschieden. In Rn. 41 des Urteils vom 15. Januar 2014, Kommission/Portugal (C‑292/11 P, EU:C:2014:3), hat der Gerichtshof diese Entscheidung bestätigt.

39

Im Urteil vom 29. März 2011, Portugal/Kommission (T‑33/09, EU:T:2011:127), hat sich das Gericht auf folgende Vorbemerkungen gestützt:

„57

Nach Art. 226 EG gibt die Kommission, wenn nach ihrer Auffassung ein Mitgliedstaat gegen eine Verpflichtung aus dem EG‑Vertrag verstoßen hat, eine mit Gründen versehene Stellungnahme hierzu ab; sie hat dem Staat zuvor Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Kommt der Staat dieser Stellungnahme innerhalb der von der Kommission gesetzten Frist nicht nach, kann die Kommission den Gerichtshof anrufen.

58

Nach ständiger Rechtsprechung kann die Kommission nämlich mit den nach Art. 226 EG abgegebenen Stellungnahmen oder mit anderen Äußerungen im Rahmen dieses Verfahrens nicht die Rechte und Verpflichtungen eines Mitgliedstaats abschließend festlegen oder ihm Zusicherungen hinsichtlich der Vereinbarkeit eines bestimmten Verhaltens mit dem Vertrag geben; vielmehr können sich nach den Art. 226 EG bis 228 EG die Bestimmung der Rechte und Pflichten der Mitgliedstaaten und die Beurteilung ihres Verhaltens nur aus einem Urteil des Gerichtshofs ergeben (Urteile des Gerichtshofs vom 27. Mai 1981, Essevi und Salengo, 142/80 und 143/80, Slg. 1981, 1413, Rn. 16, und vom 22. Februar 2001, Gomes Valente, C‑393/98, Slg. 2001, I‑1327, Rn. 18).

59

Gemäß Art. 228 Abs. 2 EG kann der Gerichtshof nach Anrufung durch die Kommission, nachdem diese eine mit Gründen versehene Stellungnahme abgegeben hat, die bei dem betreffenden Mitgliedstaat ohne Wirkung geblieben ist, die Zahlung eines Pauschalbetrags oder Zwangsgelds verhängen, wenn er feststellt, dass der Mitgliedstaat seinem Urteil nicht nachgekommen ist.

60

Das in Art. 228 Abs. 2 EG vorgesehene Verfahren ist als ein besonderes gerichtliches Verfahren der Durchführung von Urteilen, mit anderen Worten als ein Vollstreckungsverfahren, anzusehen (Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juli 2005, Kommission/Frankreich, C‑304/02, Slg. 2005, I‑6263, Rn. 92).

61

Der EG‑Vertrag legt jedoch nicht die Einzelheiten der Vollstreckung des Urteils fest, das der Gerichtshof zum Abschluss dieses neuen Verfahrens erlässt, insbesondere wenn ein Zwangsgeld verhängt wird.

62

Da jedoch ein nach Art. 228 Abs. 2 EG erlassenes Urteil des Gerichtshofs einen Mitgliedstaat dazu verurteilt, an die Kommission auf das Konto ‚Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaft‘ ein Zwangsgeld zu zahlen, und da die Kommission nach Art. 274 EG den Haushalt ausführt, ist es deren Sache, die Beträge, die dem Haushalt der Union in Durchführung des Urteils geschuldet werden, gemäß den Bestimmungen der in Durchführung von Art. 279 EG erlassenen Verordnungen zu erheben.

63

Der EG‑Vertrag enthält jedoch keine besondere Bestimmung in Bezug auf die Behandlung der Rechtsstreitigkeiten, die zwischen einem Mitgliedstaat und der Kommission bei dieser Gelegenheit entstehen können.

64

Daher finden die vom EG‑Vertrag geschaffenen Rechtsbehelfe Anwendung, und der Beschluss, mit dem die Kommission den vom Mitgliedstaat als Zwangsgeld, zu dem er verurteilt worden ist, geschuldeten Betrag festsetzt, kann mit einer Nichtigkeitsklage nach Art. 230 EG angefochten werden.

65

Somit ist das Gericht gemäß Art. 225 Abs. 1 Unterabs. 1 EG für die Entscheidung über eine solche Klage zuständig.

66

In Ausübung dieser Zuständigkeit darf das Gericht jedoch nicht in die ausschließliche Zuständigkeit, die dem Gerichtshof durch die Art. 226 EG und 228 EG vorbehalten worden ist, eingreifen.

67

Das Gericht kann daher im Rahmen einer auf Art. 230 EG gestützten Nichtigkeitsklage, die gegen eine Entscheidung der Kommission in Bezug auf die Durchführung eines Urteils des Gerichtshofs, das nach Art. 228 Abs. 2 EG ergangen ist, gerichtet ist, nicht zu einer Frage nach der Verletzung von Verpflichtungen des Mitgliedstaats aus dem EG‑Vertrag Stellung nehmen, die nicht zuvor vom Gerichtshof entschieden worden ist.“

40

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die Kommission in ihrer Eigenschaft als Anweisungsbefugte und Rechnungsführerin der Union grundsätzlich für die Erhebung der Beträge zuständig ist, die die Mitgliedstaaten schulden, wenn gegen sie vom Gerichtshof auf der Grundlage von Art. 260 Abs. 2 AEUV ein Zwangsgeld verhängt wurde. Aus dieser Zuständigkeit folgt, dass die Kommission prüfen kann, ob die Bedingungen erfüllt sind, die der Gerichtshof in dem Urteil über die Verhängung eines Zwangsgelds aufgestellt hat, damit sie den Zeitpunkt der Beendigung der betreffenden Vertragsverletzung zu bestimmen vermag. Diese Zuständigkeit geht hingegen nicht so weit, dass die Kommission prüfen kann, ob eine Rechtsvorschrift oder ein Verhalten eines Mitgliedstaats, zu denen der Gerichtshof nicht zuvor Stellung genommen hat, mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

41

Im Fall des ersten Festsetzungsbeschlusses konnte die Kommission daher nach Ansicht des Gerichts, die vom Gerichtshof bestätigt wurde, nicht über die Prüfung der tatsächlichen Aufhebung dieser Rechtsvorschrift hinausgehen, da die in den Urteilen vom 14. Oktober 2004, Kommission/Portugal (C‑275/03, nicht veröffentlicht, EU:C:2004:632), und vom 10. Januar 2008, Kommission/Portugal (C‑70/06, EU:C:2008:3), festgestellte Vertragsverletzung darin bestand, dass das Gesetzesdekret Nr. 48051 nicht aufgehoben worden war. Sie konnte also nicht, wie sie es getan hatte, die Aufhebung durch das Gesetz Nr. 67/2007 für unzureichend erklären und feststellen, dass erst eine neue, im Juli 2008 erlassene Rechtsvorschrift die Unvereinbarkeit der portugiesischen Rechtsvorschrift mit der Richtlinie 89/665 beendet habe. Damit hatte die Kommission nämlich ein Urteil darüber getroffen, ob die neue, im Anhang des Gesetzes Nr. 67/2007 enthaltene Haftungsregelung und jene, die durch das Gesetz vom 17. Juli 2008 eingeführt wurde, mit der Richtlinie 89/665 in Einklang standen. Der Gerichtshof hatte aber keine Möglichkeit gehabt, zu dieser Frage Stellung zu nehmen.

42

Im angefochtenen Beschluss hingegen setzte die Kommission das Zwangsgeld fest, ohne eine eigenständige Prüfung der Übereinstimmung der portugiesischen Rechtsvorschrift mit der Richtlinie 89/665 vorzunehmen. Sie beschränkte sich darauf, den Zeitpunkt des Inkrafttretens der nationalen Rechtsvorschrift festzustellen, mit der das Gesetzesdekret Nr. 48051 aufgehoben wurde. Diese Aufhebung war nach der Feststellung des Gerichtshofs ausreichend, um die im Urteil vom 14. Oktober 2004, Kommission/Portugal (C‑275/03, nicht veröffentlicht, EU:C:2004:632), festgestellte Vertragsverletzung zu beenden. Daraus folgt, dass die Kommission innerhalb der Grenzen ihrer grundsätzlichen Zuständigkeit geblieben ist, die sie für die Ausführung des Haushaltsplans der Union besitzt.

43

Daher ist der erste Klagegrund zurückzuweisen, da ihm offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt.

Zum zweiten Klagegrund einer nicht ordnungsgemäßen Durchführung des Urteils vom 15. Januar 2014, Kommission/Portugal (C‑292/11 P, EU:C:2014:3)

44

Die Portugiesische Republik bringt vor, der angefochtene Beschluss beruhe auf einer „künstlichen Aufteilung“ der Wirkungen des Urteils vom 15. Februar 2014, Kommission/Portugal (C‑292/11 P, EU:C:2014:3). Dieses Urteil enthalte nichts, was es der Kommission erlaubte, verschiedene Zeiträume zu unterscheiden. Im Urteil des Gerichts vom 29. März 2011, Portugal/Kommission (T‑33/09, EU:T:2011:127), und im Urteil des Gerichtshofs vom 15. Januar 2014, Kommission/Portugal (C‑292/11 P, EU:C:2014:3), sei jeweils nur ein einziger Rechtswidrigkeitsgrund festgestellt worden. Weder der Tenor noch die Begründung des Urteils vom 15. Januar 2014, Kommission/Portugal (C‑292/11 P, EU:C:2014:3), erlaube eine solche Unterscheidung. Daher könnten die Wirkungen des Urteils zeitlich nicht unterschiedlich zum einen auf den Zeitraum vom 10. bis 29. Januar 2008 und zum anderen auf jenen vom 30. Januar bis 17. Juli 2008 angewandt werden.

45

Im Übrigen sei der erste Festsetzungsbeschluss durch das Urteil vom 29. März 2011, Portugal/Kommission (T‑33/09, EU:T:2011:127), insgesamt für nichtig erklärt worden, und dieses Urteil sei im Rechtsmittelverfahren zur Gänze durch das Urteil vom 15. Januar 2014, Kommission/Portugal (C‑292/11 P, EU:C:2014:3), bestätigt worden. In letzterem Urteil habe der Gerichtshof die Rechte der Parteien endgültig festgelegt. Der angefochtene Beschluss stelle die Rechtssicherheit und die Autorität der gerichtlichen Instanzen der Union in Frage, indem er in zeitlicher Hinsicht künstlich zwischen zwei Zeiträumen unterscheide und versuche, eine verfahrens- und materiell-rechtliche Lage, die durch die beiden oben angeführten Urteile endgültig festgestellt worden sei, zu revidieren.

46

Zudem werde durch die Festsetzung eines Zwangsgelds für den Zeitraum vom 10. bis 29. Januar 2008 das mit Art. 260 Abs. 2 AEUV verfolgte Ziel verkannt, das darin bestehe, die Mitgliedstaaten dazu zu bewegen, die zuvor festgestellten Vertragsverletzungen zu beenden, nicht aber darin, sie zu bestrafen. Im vorliegenden Fall habe die Portugiesische Republik die Vertragsverletzung am 31. Dezember 2007 durch die Veröffentlichung des Gesetzes Nr. 67/2007 beendet, so dass gegen sie kein Zwangsgeld verhängt werden könne.

47

Die Kommission widerspricht diesem Vorbringen.

48

Das Vorbringen der Portugiesischen Republik beruht auf der Annahme, dass das gesamte Zwangsgeld für den Zeitraum vom 10. Januar bis 18. Juli 2008 einer rechtlichen Grundlage entbehre, da der Gerichtshof in seinem Urteil vom 15. Januar 2014, Kommission/Portugal (C‑292/11 P, EU:C:2014:3), in dem er die Nichtigerklärung des ersten Festsetzungsbeschlusses durch das Gericht in dessen Urteil vom 29. März 2011, Portugal/Kommission (T‑33/09, EU:T:2011:127), bestätigt habe, sich auf einen einzigen Grund gestützt habe, dem zufolge die Kommission nicht dafür zuständig gewesen sei, die Beendigung der im Urteil vom 14. Oktober 2004, Kommission/Portugal (C‑275/03, nicht veröffentlicht, EU:C:2004:632), festgestellten Vertragsverletzung auf den 18. Juli 2008 festzusetzen. Daher stelle es einen Missbrauch dar, innerhalb des Zeitraums, für den das Zwangsgeld für nichtig erklärt worden sei, einen Zeitraum – jenen vom 10. bis 29. Januar 2008 – auszunehmen, für den neuerlich ein neues Zwangsgeld verhängt werden könne.

49

Einer solchen Auslegung des Urteils vom 15. Januar 2014, Kommission/Portugal (C‑292/11 P, EU:C:2014:3), könnte nur gefolgt werden, wenn der Gerichtshof in diesem Urteil entschieden hätte, dass gegen die Portugiesische Republik kein Zwangsgeld verhängt werden darf. Dies ist jedoch keineswegs der Fall. Im Urteil vom 15. Januar 2014, Kommission/Portugal (C‑292/11 P, EU:C:2014:3), bestätigte er die Analyse des Gerichts in dessen Urteil vom 29. März 2011, Portugal/Kommission (T‑33/09, EU:T:2011:127), wonach die Kommission ihren Beschluss über die Berechnung des Zwangsgelds nicht auf eine Auslegung der Frage der Vereinbarkeit der portugiesischen Rechtsvorschrift mit der Richtlinie 89/665 stützen konnte, die nicht zuvor dem Gerichtshof im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens vorgelegt worden war. Der Gerichtshof war im Einklang mit der Analyse des Gerichts ebenfalls der Ansicht, dass die im Urteil vom 14. Oktober 2004, Kommission/Portugal (C‑275/03, nicht veröffentlicht, EU:C:2004:632), festgestellte Vertragsverletzung darin bestand, dass das Gesetzesdekret Nr. 48051 nicht aufgehoben worden war. Dagegen hindert weder das Urteil vom 15. Januar 2004, Kommission/Portugal (C‑292/11 P, EU:C:2014:3), noch das Urteil vom 29. März 2011, Portugal/Kommission (T‑33/09, EU:T:2011:127), die Kommission daran, als tatsächlichen Zeitpunkt der Beendigung der im Urteil vom 14. Oktober 2004, Kommission/Portugal (C‑275/03, nicht veröffentlicht, EU:C:2004:632), festgestellten Vertragsverletzung den Tag des Inkrafttretens dieser Aufhebung, d. h. den 30. Januar 2008, anzusehen. Daher berechnete die Kommission aus den oben in den Rn. 30 bis 34 angeführten Gründen das geschuldete Zwangsgeld zu Recht für den Zeitraum vom 10. bis 29. Januar 2008.

50

Damit ließ die Kommission – entgegen der Ansicht, die die Portugiesische Republik im Rahmen des zweiten Klagegrundes zu vertreten scheint – das Zwangsgeld, dem die Urteile vom 29. März 2011, Portugal/Kommission (T‑33/09, EU:T:2011:127), und vom 15. Januar 2014, Kommission/Portugal (C‑292/11 P, EU:C:2014:3), seine rechtliche Grundlage genommen hatten, nicht „wieder aufleben“. Das im angefochtenen Beschluss festgesetzte Zwangsgeld ist auf einen anderen Grund gestützt – die Tatsache, dass das Gesetz Nr. 67/2007 nicht in Kraft getreten war – als den, auf dem das für denselben Zeitraum im ersten Festsetzungsbeschluss verhängte Zwangsgeld beruhte – der Tatsache, dass kein mit der Richtlinie 89/665 vereinbarer Rechtsakt erlassen worden war.

51

Folglich ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen, da ihm offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt.

Zum dritten Klagegrund eines Verstoßes gegen die Rechtskraft

52

Die Portugiesische Republik vertritt die Ansicht, der angefochtene Beschluss verstoße gegen die Rechtskraft. Der Grundsatz der Rechtskraft verbiete, erneut einen Rechtsakt zu erlassen, der den gleichen Inhalt wie ein aufgehobener Rechtsakt habe. Der angefochtene Beschluss habe teilweise den gleichen Inhalt wie der erste Feststellungsbeschluss, wenngleich er einen kürzeren Zeitraum betreffe.

53

Die Portugiesische Republik macht geltend, die Urteile vom 29. März 2011, Portugal/Kommission (T‑33/09, EU:T:2011:127), und vom 15. Januar 2014, Kommission/Portugal (C‑292/11 P, EU:C:2014:3), hätten die Durchführung des Urteils vom 14. Oktober 2004, Kommission/Portugal (C‑275/03, nicht veröffentlicht, EU:C:2004:632), zum Gegenstand gehabt. Daher beträfen das, was in den Urteilen vom 29. März 2011, Portugal/Kommission (T‑33/09, EU:T:2011:127), und vom 15. Januar 2014, Kommission/Portugal (C‑292/11 P, EU:C:2014:3), entschieden worden sei, und die Frage, die im vorliegenden Fall zu entscheiden sei, den gleichen Gegenstand. Gegenstand der Rechtssachen, die zu den Urteilen vom 29. März 2011, Portugal/Kommission (T‑33/09, EU:T:2011:127), und vom 15. Januar 2014, Kommission/Portugal (C‑292/11 P, EU:C:2014:3), geführt hätten, sei die Feststellung, ob die Portugiesische Republik zur Zahlung des mit dem Urteil vom 10. Januar 2008, Kommission/Portugal (C‑70/06, EU:C:2008:3), verhängten Zwangsgelds verpflichtet sei oder nicht.

54

Zudem hätten das Gericht und der Gerichtshof, als sie die Urteile vom 29. März 2011, Portugal/Kommission (T‑33/09, EU:T:2011:127), bzw. vom 15. Januar 2014, Kommission/Portugal (C‑292/11 P, EU:C:2014:3), erlassen hätten, gewusst, dass das Gesetz Nr. 67/2007 am 30. Januar 2008, also nach der Verkündung des Urteils vom 10. Januar 2008, Kommission/Portugal (C‑70/06, EU:C:2008:3), in Kraft getreten sei. Daher hätten sie, wenn die Annahme der Kommission begründet wäre, die Ansicht vertreten müssen, dass der erste Festsetzungsbeschluss teilweise für nichtig zu erklären sei, soweit er den Zeitraum ab 30. Januar 2008 betroffen habe, und den ersten Festsetzungsbeschluss bestätigen müssen, soweit er den Zeitraum vom 10. bis 29. Januar 2008 betroffen habe. Das Gericht habe jedoch in seinem vom Gerichtshof bestätigten Urteil den ersten Festsetzungsbeschluss zur Gänze für nichtig erklärt. Die Urteile vom 29. März 2011, Portugal/Kommission (T‑33/09, EU:T:2011:127), und vom 15. Januar 2014, Kommission/Portugal (C‑292/11 P, EU:C:2014:3), hätten daher zwangsläufig die Begründetheit des Zwangsgelds für den Zeitraum vom 10. bis 29. Januar 2008 zum Gegenstand gehabt, und der angefochtene Beschluss verstoße gegen die Rechtskraft dieser Urteile.

55

Die Kommission widerspricht diesem Vorbringen.

56

Die Prüfung des zweiten Klagegrundes (vgl. oben, Rn. 49 und 50) hat ergeben, dass in den Urteilen vom 29. März 2011, Portugal/Kommission (T‑33/09, EU:T:2011:127), und vom 15. Januar 2014, Kommission/Portugal (C‑292/11 P, EU:C:2014:3), grundsätzlich nicht beanstandet worden ist, dass die Kommission im ersten Feststellungsbeschluss ein Zwangsgeld verhängt hat. Dieser Beschluss wurde nämlich nur deshalb für nichtig erklärt, weil er auf eine fehlerhafte Begründung gestützt war. Dem Erlass einer neuerlichen Entscheidung der Kommission, die auf andere Gründe als die gestützt war, die zur Nichtigerklärung des ersten Festsetzungsbeschlusses geführt hatten, stand daher nichts entgegen. Somit ist festzustellen, dass sich Gegenstand und Grund des vorliegenden Rechtsstreits vom Gegenstand und Grund der mit Urteilen vom 29. März 2011, Portugal/Kommission (T‑33/09, EU:T:2011:127), und vom 15. Januar 2014, Kommission/Portugal (C‑292/11 P, EU:C:2014:3), entschiedenen Rechtsstreitigkeiten unterscheidet.

57

In diesem Zusammenhang ist hinzuzufügen, dass die Portugiesische Republik nicht als Argument anführen kann, dass das Gericht den ersten Festsetzungsbeschluss nicht teilweise aufgehoben habe. Da es einen Grund gab, der geeignet war, die vollständige Nichtigerklärung dieses Beschlusses entsprechend dem in dieser Rechtssache von der Portugiesischen Republik in erster Linie gestellten Antrag herbeizuführen, hatte das Gericht keine Möglichkeit, den ersten Feststellungsbeschluss nur teilweise für nichtig zu erklären, ohne dabei die fehlerhafte Begründung, auf die die Kommission ihren ersten Beschluss gestützt hatte, durch eine richtige Begründung zu ersetzen. Da es keine Rechtsvorschrift gibt, die dies vorsieht, ist das Gericht nicht befugt, Entscheidungen abzuändern, mit denen es aufgrund einer Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 AEUV befasst wird.

58

Folglich ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen, da ihm offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt.

Zum vierten Klagegrund einer Verletzung der Grundsätze der Rechtssicherheit, der „Stabilität der Rechtsbeziehungen“ und des Vertrauensschutzes

59

Die Portugiesische Republik macht geltend, der angefochtene Beschluss verletze die Grundsätze der Rechtssicherheit, der „Stabilität der Rechtsbeziehungen“ und des Vertrauensschutzes. Die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes stünden einer weiteren Verlängerung des Verfahrens durch die Kommission entgegen. Auch wenn es im Unionsrecht diesbezüglich keine Verfahrensvorschrift gebe, sei die Portugiesische Republik im vorliegenden Fall angesichts der langen Zeit, die zwischen den ersten Schritten der Kommission vor Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens und der rechtskräftig gewordenen Nichtigerklärung des ersten Festsetzungsbeschlusses vergangen sei, zu der Annahme berechtigt, dass die Forderung der Kommission ihr gegenüber auf Zahlung eines Zwangsgelds durch das Urteil vom 15. Januar 2014, Kommission/Portugal, (C‑292/11 P, EU:C:2014:3), endgültig erloschen sei. Das Gericht und dann auch der Gerichtshof hätten der Kommission untersagt, ihr ein Zwangsgeld aufzuerlegen.

60

Im Übrigen habe die Kommission durch die vollständige Rückzahlung des der Portugiesischen Republik durch den ersten Festsetzungsbeschluss auferlegten Zwangsgelds, einschließlich Zinsen, das berechtigte Vertrauen bei ihr begründet, dass kein Zwangsgeld für den Zeitraum vom 10. bis 29. Januar 2008 zu zahlen sei. In diesem Zusammenhang weist die Portugiesische Republik darauf hin, dass die Kommission, wenn sie der Ansicht gewesen wäre, dass ein Zwangsgeld für diesen Zeitraum zu zahlen gewesen wäre, diese Forderung mit der im Anschluss an die Nichtigerklärung des ersten Festsetzungsbeschlusses erfolgten Rückzahlung hätte aufrechnen müssen, anstatt den gesamten Betrag zu erstatten. Die Portugiesische Republik trägt auch vor, die Kommission habe durch die Rückzahlung des gesamten Zwangsgelds rechtmäßig und im Einklang mit den Urteilen vom 29. März 2011, Portugal/Kommission (T‑33/09, EU:T:2011:127), und vom 15. Januar 2014, Kommission/Portugal (C‑292/11 P, EU:C:2014:3), gehandelt. Das Gericht hätte nämlich, wenn die Annahme, auf die sich die Kommission im angefochtenen Beschluss stütze, richtig wäre, den ersten Festsetzungsbeschluss nur teilweise aufheben dürfen, soweit dieser den Zeitraum nach dem 29. Januar 2008 betroffen habe.

61

Die Kommission widerspricht diesem Vorbringen.

62

Erstens ist darauf hinzuweisen, dass sich nach ständiger Rechtsprechung auch bei Fehlen einer Rechtsvorschrift jedermann, bei dem ein Gemeinschaftsorgan durch bestimmte Zusicherungen begründete Erwartungen geweckt hat, auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen kann (vgl. Urteile vom 11. März 1987, Van den Bergh en Jurgens und Van Dijk Food Products [Lopik]/EWG, 265/85, EU:C:1987:121, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 30. November 2009, Frankreich und France Télécom/Kommission, T‑427/04 und T‑17/05, EU:T:2009:474, Rn. 259 und die dort angeführte Rechtsprechung).

63

Präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Auskünfte von zuständiger und zuverlässiger Seite stellen unabhängig von der Form ihrer Mitteilung solche Zusicherungen dar. Dagegen kann niemand eine Verletzung dieses Grundsatzes geltend machen, dem die Verwaltung keine bestimmten Zusicherungen gegeben hat (vgl. Urteil vom 14. Februar 2006, TEA-CEGOS u. a./Kommission,T‑376/05 und T‑383/05, EU:T:2006:47, Rn. 88 und die dort angeführte Rechtsprechung, und Urteil vom 30. November 2009, Frankreich und France Télécom/Kommission, T‑427/04 und T‑17/05, EU:T:2009:474, Rn. 260).

64

Die Portugiesische Republik behauptet nicht, präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte Auskünfte von der Kommission erhalten zu haben, denen zufolge ihr in Durchführung des Urteils vom 10. Januar 2008, Kommission/Portugal (C‑70/06, EU:C:2008:3), kein Zwangsgeld auferlegt werden könne. Zudem wären solche Zusicherungen, selbst wenn sie gegeben worden wären, was jedenfalls aus den dem Gericht vorgelegten Akten nicht hervorgeht, offensichtlich rechtswidrig gewesen, da die Kommission bei der Festsetzung eines vom Gerichtshof verhängten Zwangsgelds keinerlei Ermessensspielraum besitzt. Wenn nämlich der Gerichtshof einen Mitgliedstaat zur Zahlung eines Zwangsgelds verurteilt, muss die Kommission prüfen, ob der verurteilte Mitgliedstaat die Bedingungen erfüllt, die der Gerichtshof im Urteil festgelegt hat, und das Zwangsgeld für den Zeitraum festsetzen, während dessen der Mitgliedstaat diese Bedingungen nicht in vollem Umfang erfüllt hat.

65

Zweitens verlangt der Grundsatz der Rechtssicherheit, dass eine Handlung der Verwaltung, die Rechtswirkungen entfaltet, klar und bestimmt ist, damit der Betroffene seine Rechte und Pflichten unzweideutig erkennen und infolgedessen seine Vorkehrungen treffen kann (Urteile vom 1. Oktober 1998, Langnese-Iglo/Kommission, C‑279/95 P, EU:C:1998:447, Rn. 78, und vom 30. November 2009, Frankreich und France Télécom/Kommission, T‑427/04 und T‑17/05, EU:T:2009:474, Rn. 300).

66

Es ist festzustellen, dass die Portugiesische Republik zwar einen Verstoß gegen diesen Grundsatz rügt, aber keinerlei Angaben dazu macht, worin der Verstoß im vorliegenden Fall bestanden haben soll, da in der Klage die Klarheit der Tragweite des angefochtenen Beschlusses nicht in Frage gestellt wird. Selbst angenommen, dass die Portugiesische Republik mit der Berufung auf diesen Grundsatz in Wirklichkeit nur geltend zu machen versucht, dass sie nach der Nichtigerklärung des ersten Festsetzungsbeschlusses und der Rückzahlung des Zwangsgelds durch die Kommission ein Recht auf Unantastbarkeit ihrer rechtlichen Lage habe, begründet jedenfalls weder der Grundsatz der Rechtssicherheit noch irgendein anderer allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ein solches Recht.

67

Folglich ist der vierte Klagegrund zurückzuweisen, da ihm offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt.

Zum fünften Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz ne bis in idem

68

Die Portugiesische Republik macht geltend, die Kommission habe versucht, durch den Erlass eines neuen individuellen Rechtsakts zu erhalten, was sie aufgrund der Nichtigerklärung des ersten Festsetzungsbeschlusses durch den Unionsrichter nicht habe erhalten können. Daher verstoße der Erlass des angefochtenen Beschlusses nicht nur gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, sondern auch gegen den Grundsatz ne bis in idem. Da der angefochtene Beschluss ein Zwangsgeld verhänge, obwohl das Gesetz Nr. 67/2007 vor der Verkündung des Urteils vom 10. Januar 2008, Kommission/Portugal (C‑70/06, EU:C:2008:3), verabschiedet worden sei, habe er Strafcharakter, was die Tragweite von Art. 260 Abs. 2 AEUV verzerre.

69

Die Kommission widerspricht diesem Vorbringen.

70

Nach ständiger Rechtsprechung stellt der Grundsatz ne bis in idem, der auch in Art. 4 des Protokolls Nr. 7 zu der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten verankert ist, einen fundamentalen Grundsatz des Unionsrechts dar, den der Unionsrichter zu beachten hat (vgl. Urteil vom 29. Juni 2006, Showa Denko/Kommission, C‑289/04 P, EU:C:2006:431, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zudem darf nach Art. 50 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niemand wegen einer Straftat, derentwegen er bereits in der Union nach dem Gesetz rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren erneut verfolgt oder bestraft werden.

71

Die Portugiesische Republik macht im Rahmen des fünften Klagegrundes geltend, der Erlass des angefochtenen Beschlusses nach der Nichtigerklärung des ersten Festsetzungsbeschlusses stelle eine Verletzung des Grundsatzes ne bis in idem dar.

72

Dazu ist festzustellen, dass es zum Wesen des Mechanismus von Art. 260 Abs. 2 AEUV gehört, dass die von der Kommission durchgeführte Festsetzung bloß einen Akt der Vollstreckung der gegen den betreffenden Mitgliedstaat verhängten Sanktion der Zahlung eines Zwangsgelds darstellt, das sich aus dem Urteil des Gerichtshofs ergibt. Daher gibt es im vorliegenden Fall nur eine einzige Sanktion, nämlich das Zwangsgeld, das durch das Urteil vom 10. Januar 2008, Kommission/Portugal (C‑70/06, EU:C:2008:3), verhängt wurde. Der erste Festsetzungsbeschluss und der angefochtene Beschluss sind höchstens zwei Arten des Urteilsvollzugs. Hat die Kommission das Zwangsgeld ein erstes Mal in einem Beschluss festgesetzt, der vom Unionsrichter für rechtswidrig erklärt worden ist, ist sie daher berechtigt und sogar verpflichtet (vgl. oben, Rn. 64), eine neuerliche Festsetzung im Wege eines neuen Beschlusses vorzunehmen, ohne dass sie dadurch gegen den Grundsatz ne bis in idem verstößt.

73

Daher ist der fünfte Klagegrund zurückzuweisen, da ihm offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt.

Zum sechsten Klagegrund eines Verstoßes gegen die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der Union und den Mitgliedstaaten

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Die Portugiesische Republik vertritt die Ansicht, der angefochtene Beschluss beschneide die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, Perioden einer vacatio legis vorzusehen. Die Kommission habe somit gegen die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der Union und den Mitgliedstaaten verstoßen.

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Die Portugiesische Republik macht geltend, eine vacatio legis von 30 Tagen sei im vorliegenden Fall nötig gewesen – und stehe folglich im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit –, damit sich die Bürger und die Behörden auf den Wegfall der seit 40 Jahren geltenden Regelung über die Haftung der Verwaltung und auf deren Ersetzung durch die neue mit Gesetz Nr. 67/2007 eingeführte Haftungsregelung hätten vorbereiten können. Die Bestimmung des geeigneten Zeitpunkts für das Inkrafttreten eines neuen Gesetzes liege im Ermessen der Mitgliedstaaten. Umgekehrt zeuge der angefochtene Beschluss vom Willen der Kommission, die Befugnisse der Mitgliedstaaten einzuschränken, wodurch sie gegen die Vorschriften verstoße, in denen die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der Union und den Mitgliedstaaten geregelt sei.

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Die Kommission widerspricht diesem Vorbringen.

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Entgegen ihrem Vorbringen ist es der Portugiesischen Republik im vorliegenden Fall offensichtlich unbenommen gewesen, das Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 67/2007 um eine Zeitspanne hinauszuschieben, deren Dauer sie selbst festgelegt hat. So verabschiedete sie dieses Gesetz, das nötig war, um die vom Gerichtshof festgestellte Vertragsverletzung zu beenden, zu einem Zeitpunkt, der beinhaltete, dass das Gesetz unter Berücksichtigung der Dauer der von ihr frei gewählten Zeitspanne nach der Verkündung des Urteils vom 10. Januar 2008, Kommission/Portugal (C‑70/06, EU:C:2008:3), in Kraft treten würde. Daher hat die Kommission, wie aus der vorstehenden Rn. 34 hervorgeht, zu Recht die Ansicht vertreten, dass die Portugiesische Republik das im angefochtenen Beschluss festgesetzte Zwangsgeld schuldete.

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Der sechste Klagegrund ist daher ebenfalls zurückzuweisen, da ihm offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt. Nach alledem ist die Klage abzuweisen, da ihr offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt.

Kosten

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Gemäß Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Portugiesische Republik unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

beschlossen:

 

1.

Die Klage wird abgewiesen, da ihr offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt.

 

2.

Die Portugiesische Republik trägt die Kosten.

 

Luxemburg, den 27. Juni 2016

 

Der Kanzler

E. Coulon

Der Präsident

S. Frimodt Nielsen


( *1 ) Verfahrenssprache: Portugiesisch.

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EUGH T-810/14 zitiert 1 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG