EUGH T-567/14

ECLI:ECLI:EU:T:2016:371
bei uns veröffentlicht am29.06.2016

Gericht

Europäischer Gerichtshof

URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)

29. Juni 2016 ( *1 )

„Unionsmarke — Widerspruchsverfahren — Anmeldung der Unionsbildmarke GROUP Company TOURISM & TRAVEL — Nicht eingetragene ältere nationale Bildmarken GROUP Company TOURISM & TRAVEL — Relatives Eintragungshindernis — Anwendung des nationalen Rechts — Art. 8 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 — Nachweise für den Inhalt des nationalen Rechts — Regel 19 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 — Nichtberücksichtigung von Beweismitteln, die der Beschwerdekammer vorgelegt wurden — Ermessen der Beschwerdekammer — Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑567/14

Group OOD mit Sitz in Sofia (Bulgarien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte D. Dragiev und A. Andreev,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch: A. Folliard-Monguiral, P. Ivanov und D. Botis als Bevollmächtigte,

Beklagter,

anderer Beteiligter im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelfer vor dem Gericht:

Kosta Iliev, wohnhaft in Sofia, Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin S. Ganeva,

wegen einer Klage auf Aufhebung der Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des EUIPO vom 2. Juni 2014 (Sache R 1587/2013‑4) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen Group und Herrn Iliev

erlässt

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Prek sowie der Richterin I. Labucka (Berichterstatterin) und des Richters V. Kreuschitz,

Kanzler: M. Marescaux, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 1. August 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 11. November 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des EUIPO,

aufgrund der am 7. November 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des Streithelfers,

aufgrund der am 25. Februar 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Erwiderung,

auf die mündliche Verhandlung vom 15. Januar 2016

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1

Am 13. Februar 2012 reichte der Streithelfer, Herr Kosta Iliev, gemäß der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) die Anmeldung einer Unionsmarke beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) ein.

2

Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das folgende Bildzeichen:

Image

3

Die Marke wurde für Dienstleistungen der Klassen 35, 39 und 43 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet.

4

Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 72/2012 vom 16. April 2012 veröffentlicht.

5

Am 11. Juli 2012 erhob die Klägerin, die Group OOD, gemäß Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009 gegen die Eintragung einer Unionsmarke insgesamt Widerspruch.

6

Zur Begründung ihres Widerspruchs beruft sich die Klägerin auf eine nicht eingetragene Bildmarke, die in Bulgarien, der Tschechischen Republik, Ungarn, Polen und der Slowakei für Dienstleistungen der Klasse 39 wie im Folgenden wiedergegeben benutzt wird:

Image

7

In der Widerspruchsschrift gab die Klägerin an, sie habe die nicht eingetragene Marke seit 2003 für Transportdienstleistungen per Autobus in Bulgarien, der Tschechischen Republik, Ungarn und der Slowakei verwendet. Sie führte an, mit Genehmigung der Regierung eine regelmäßige Buslinie zwischen Sofia (Bulgarien) und Prag (Tschechische Republik) betrieben zu haben, und legte zahlreiche Dokumente zur Begründung ihres Widerspruchs vor.

8

Mit Entscheidung vom 14. Juni 2013 wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch der Klägerin zurück und erlegte ihr die Kosten auf. Sie stellte insbesondere fest, die Klägerin habe keine näheren Angaben oder Nachweise zur Anwendbarkeit des nationalen Rechts erbracht, auf das sie sich berufe und auf dessen Grundlage die Benutzung der angemeldeten Marke in den betreffenden Mitgliedstaaten hätte untersagt werden können.

9

Am 16. August 2013 legte die Klägerin gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 beim EUIPO Beschwerde ein.

10

Mit Entscheidung vom 2. Juni 2014 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Vierte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück. Sie vertrat im Wesentlichen die Auffassung, die Klägerin habe im Laufe des Widerspruchsverfahrens keine Nachweise zur Bestimmung des anwendbaren nationalen Rechts erbracht. Sie wies darauf hin, dass die Klägerin verpflichtet sei, darzulegen und nachzuweisen, dass in den in ihrer Widerspruchsschrift angeführten Mitgliedstaaten ein Schutz für nicht eingetragene Marken und ein auf diese gestütztes Recht zur Aufhebung einer jüngeren Marke oder zum Verbot ihrer Verwendung existiere. Die Klägerin sei außerdem verpflichtet, dem EUIPO die maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen mitzuteilen, damit es die besonderen Voraussetzungen jeder dieser Bestimmungen prüfen könne.

11

Insbesondere hinsichtlich der angeführten nicht eingetragenen bulgarischen Marke vertrat die Beschwerdekammer die Ansicht, dass die in Regel 19 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1995, L 303, S. 1) vorgesehenen Voraussetzungen nicht erfüllt seien, da die von der Klägerin im Laufe des Widerspruchsverfahrens vorgelegten Dokumente keine Bezugnahme auf das nationale bulgarische Recht enthielten. Hinsichtlich der Bezugnahmen auf drei Rechtsvorschriften in der Begründung der Beschwerde vertrat die Beschwerdekammer die Auffassung, sie seien verspätet, denn der erforderliche Hinweis auf die rechtlichen Grundlagen sei innerhalb der im Laufe des Widerspruchsverfahrens gesetzten Fristen zu erbringen. Die Bestimmung der Begründung der Rügen könne nicht bis zum Beschwerdeverfahren aufgeschoben werden.

12

Insbesondere hinsichtlich des Art. 12 Abs. 6 des bulgarischen Gesetzes Zakon za markite i gueografskite oznachenija (Gesetz über Marken und geografische Angaben), auf das sich die Klägerin in der Begründung ihrer Beschwerde vom 16. August 2013 bezog, stellte die Beschwerdekammer fest, dass die Klägerin nur den Wortlaut von Art. 12 Abs. 1 dieses Gesetzes zitiert habe, ohne die bulgarische Originalversion vorzulegen oder zu beweisen, dass dieser Text aus einer offiziellen und zuverlässigen Quelle stamme. Außerdem wies sie darauf hin, dass aus der den Richtlinien für Verfahren vor dem EUIPO beigefügten Tabelle „Nationale Rechte, die ‚ältere Rechte‘ im Sinne von Artikel 8 Absatz 4 [der Verordnung Nr. 207/2009] darstellen“ hervorgehe, dass nicht eingetragene Marken in Bulgarien nur dann geschützt seien, wenn sie notorisch bekannt seien, und dass die Klägerin sich im vorliegenden Fall nie auf die Notorietät der älteren Marke berufen habe.

13

Die Beschwerdekammer hielt jedenfalls Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 im vorliegenden Fall für nicht maßgeblich, da das bloße Zitieren einiger nationaler Bestimmungen ohne genaue Angabe ihrer Quelle und ohne Vorlage des offiziellen Textes dieser Bestimmungen keine Tatsachen und Beweismittel im Sinne dieses Artikels darstellen könne.

Anträge der Beteiligten

14

Die Klägerin beantragt,

die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

dem EUIPO und dem Streithelfer die Kosten aufzuerlegen.

15

Das EUIPO und der Streithelfer beantragen,

die Klage abzuweisen;

der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

Zur Zulässigkeit der erstmals vor Gericht vorgebrachten Beweismittel

16

In Rn. 29 der Klageschrift beantragt die Klägerin, dass das Gericht die von ihr vorgelegten Beweismittel einschließlich der der Klageschrift beigefügten „ergänzenden“ Beweismittel von Amts wegen prüft.

17

Das EUIPO ist der Ansicht, die Beweismittel bezüglich des bulgarischen, des tschechischen, des ungarischen und des slowakischen Rechts (Anlage A 12 zur Klageschrift) seien neue Elemente, die keine Verbindung zu den bereits vorgelegten Beweismitteln aufwiesen und vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürften.

18

Bezüglich des Urteils Nr. 3170 des Administrativen sad Sofia-grad (Verwaltungsgericht Sofia, Bulgarien) vom 12. Mai 2014 (Anlage A 13 zur Klageschrift) führt das EUIPO aus, dass dieses Urteil, weil es nach Verkündung der angefochtenen Entscheidung eingeführt worden sei, nicht in Verbindung mit dem vorliegenden Fall stehe und daher irrelevant sei.

19

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Klage beim Gericht auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der von den Beschwerdekammern des EUIPO erlassenen Entscheidungen im Sinne von Art. 65 der Verordnung Nr. 207/2009 gerichtet ist. Daher ist es nicht Aufgabe des Gerichts, die tatsächlichen Umstände im Licht erstmals vor ihm vorgelegter Beweismittel zu überprüfen (Urteile vom 19. November 2008, Rautaruukki/HABM [RAUTARUUKKI], T‑269/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2008:512, Rn. 20, und vom 25. Juni 2010, MIP Metro/HABM – CBT Comunicación Multimedia [Metromeet], T‑407/08, EU:T:2010:256, Rn. 16).

20

Nach der Rechtsprechung sind zwar weder die Parteien noch das Gericht selbst daran gehindert, in ihre Auslegung des nationalen Rechts, auf das das Unionsrecht, wie im vorliegenden Fall, verweist (siehe unten, Rn. 26), Elemente einzubeziehen, die sich aus der nationalen Gesetzgebung, Rechtsprechung oder Literatur ergeben, da es nicht darum geht, der Beschwerdekammer vorzuwerfen, sie habe in einem bestimmten nationalen Urteil genannte Tatsachen außer Betracht gelassen, sondern darum, Rechtsprechung oder Literatur zur Untermauerung der Rüge, dass sie eine Vorschrift des nationalen Rechts fehlerhaft angewandt habe, heranzuziehen (Urteil vom 28. Oktober 2015, Rot Front/HABM – Rakhat [Маска], T‑96/13, EU:T:2015:813, Rn. 15 und die dort angeführte Rechtsprechung). Gleichwohl sind die die nationalen gesetzlichen Bestimmungen enthaltenden Dokumente in der Anlage A 12 zur Klageschrift keine Bestandteile der nationalen Rechtsvorschriften, die das Gericht im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung bei der Auslegung des nationalen Rechts leiten können, sondern Beweismittel, mit denen der Inhalt des im Sinne der Regel 19 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 2868/95 anwendbaren nationalen Rechts bewiesen werden soll (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Dezember 2014, CEDC International/HABM – Underberg [Form eines Grashalms in einer Flasche], T‑235/12, EU:T:2014:1058, Rn. 24).

21

Demgemäß sind die oben in Rn. 17 angeführten, als Anlage A 12 zur Klageschrift eingereichten Dokumente, die von der Klägerin nicht im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vorgelegt wurden, für unzulässig zu erklären. Daher ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtmäßigkeitsprüfung allein anhand der Angaben erfolgt, die im Verwaltungsverfahren vorgelegt wurden und die sich in der Akte des EUIPO befinden (Urteil vom 15. Juli 2014, Łaszkiewicz/HABM – Capital Safety Group EMEA [PROTEKT], T‑576/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:667, Rn. 25).

22

Aus demselben Grund kann das Gericht die in der Erwiderung enthaltenen Informationen bezüglich der Anwendungsvoraussetzungen des bulgarischen Rechts nicht berücksichtigen. Die Erwiderung enthält nämlich Informationen zum anwendbaren bulgarischen Recht, die im Laufe des Verwaltungsverfahrens vor dem EUIPO nicht vorgebracht wurden.

23

Anlage A 13 zur Klageschrift, die das Urteil Nr. 3170 des Administrativen sad Sofia-grad (Verwaltungsgericht Sofia) vom 12. Mai 2014 enthält, ist für zulässig zu erklären. Dieses Urteil erging nämlich vor Erlass der angefochtenen Entscheidung, jedoch nachdem die Klägerin ihren letzten Schriftsatz bei der Beschwerdekammer eingereicht hatte, und unter Berücksichtigung der kurzen Zeitspanne zwischen der Verkündung dieses Urteils und dem Erlass der angefochtenen Entscheidung ist nicht auszuschließen, dass die Klägerin vor Erlass der angefochtenen Entscheidung keine Kenntnis von diesem Urteil hatte.

Zur Begründetheit

24

Die Klägerin stützt ihre Klage auf drei Gründe, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009, zweitens einen Verstoß gegen Art. 76 Abs. 2 dieser Verordnung und drittens einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 4 der Verordnung geltend macht.

25

Da sich die von der Klägerin im Rahmen dieser Klagegründe geltend gemachten Argumente überschneiden, erscheint es dem Gericht angebracht, sie gemeinsam zu prüfen.

26

Gemäß Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 kann der Inhaber eines Zeichens, das keine eingetragene Marke ist, der Eintragung einer Unionsmarke widersprechen, wenn dieses kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt: Das Zeichen muss im geschäftlichen Verkehr benutzt werden, es muss von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung sein, das Recht an dem Zeichen muss entsprechend dem Recht der Union oder des Mitgliedstaats erworben worden sein, in dem das Zeichen vor dem Tag der Einreichung der Anmeldung einer Unionsmarke benutzt wurde, und schließlich muss dieses Zeichen seinem Inhaber die Möglichkeit verleihen, die Benutzung einer jüngeren Marke zu untersagen (Urteil vom 21. Januar 2016, BR IP Holder/HABM – Greyleg Investments [HOKEY POKEY], T‑62/14, EU:T:2016:23, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Erfüllt ein Zeichen eine dieser Voraussetzungen nicht, bleibt einem Widerspruch, der auf eine ältere nicht eingetragene Marke oder andere im geschäftlichen Verkehr benutzte Kennzeichnungsrechte im Sinne von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 gestützt wird, somit der Erfolg versagt (Urteil vom 30. Juni 2009, Danjaq/HABM – Mission Productions [Dr. No], T‑435/05, EU:T:2009:226, Rn. 35).

27

Die ersten beiden Voraussetzungen, d. h. diejenigen der Benutzung und der nicht lediglich örtlichen Bedeutung des geltend gemachten Zeichens, ergeben sich bereits aus dem Wortlaut von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 und sind daher im Licht des Unionsrechts auszulegen. So stellt die Verordnung Nr. 207/2009 einheitliche Maßstäbe für die Benutzung der Zeichen und ihre Bedeutung auf, die mit den Grundsätzen in Einklang stehen, die dem durch diese Verordnung aufgestellten System zugrunde liegen (Urteil vom 24. März 2009, Moreira da Fonseca/HABM – General Óptica [GENERAL OPTICA], T‑318/06 bis T‑321/06, EU:T:2009:77, Rn. 33).

28

Demgegenüber ergibt sich aus der Wendung „wenn und soweit nach dem für den Schutz des Kennzeichens maßgeblichen Recht … des Mitgliedstaats“, dass die beiden weiteren, in Art. 8 Abs. 4 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 207/2009 genannten Voraussetzungen im Unterschied zu den vorangehenden gemäß dieser Verordnung nach Kriterien zu beurteilen sind, die das Recht festlegt, dem das geltend gemachte Zeichen unterliegt. Dieser Verweis auf das Recht, dem das geltend gemachte Kennzeichen unterliegt, ist deshalb völlig gerechtfertigt, weil die Verordnung Nr. 207/2009 für außerhalb des Systems der Unionsmarke stehende Zeichen die Möglichkeit einräumt, sie gegen eine Unionsmarke anzuführen. Somit lässt sich nur anhand des Rechts, dem das geltend gemachte Zeichen unterliegt, feststellen, ob dieses älter als die Unionsmarke ist und ob es ein Verbot der Benutzung einer jüngeren Marke rechtfertigen kann (Urteil vom 24. März 2009, GENERAL OPTICA, T‑318/06 bis T‑321/06, EU:T:2009:77, Rn. 34). Gemäß Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 liegt die Beweislast dafür, dass diese Voraussetzung erfüllt ist, beim Widersprechenden vor dem EUIPO (Urteil vom 29. März 2011, Anheuser-Busch/Budějovický Budvar, C‑96/09 P, EU:C:2011:189, Rn. 189).

29

Bei der Anwendung von Art. 8 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 sind insbesondere die geltend gemachte innerstaatliche Regelung und die in dem betreffenden Mitgliedstaat ergangenen Gerichtsentscheidungen zu berücksichtigen. Auf dieser Grundlage muss der Widersprechende dartun, dass das in Rede stehende Kennzeichen in den Anwendungsbereich des geltend gemachten Rechts des Mitgliedstaats fällt und es erlauben würde, die Benutzung einer jüngeren Marke zu untersagen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. März 2011, Anheuser-Busch/Budějovický Budvar, C‑96/09 P, EU:C:2011:189, Rn. 190).

Verpflichtung zum Nachweis des maßgeblichen nationalen Rechts

30

Die Klägerin trägt vor, die Beschwerdekammer hätte über Art. 12 Abs. 6 des Gesetzes über Marken und geografische Angaben hinaus die maßgeblichen nationalen Bestimmungen feststellen müssen.

31

Das EUIPO ist der Ansicht, die Beschwerdekammer habe zu Recht den Verstoß gegen die in Regel 19 der Verordnung Nr. 2868/95 vorgesehene Verpflichtung hervorgehoben, nach der im Fall eines mit einem älteren Recht im Sinne von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 begründeten Widerspruchs der Widersprechende den Nachweis des Erwerbs dieses Rechts, seines Fortbestands und des Schutzumfangs dieses Rechts erbringen müsse. Der Verstoß gegen diese Verpflichtung führe gemäß Regel 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 zur Abweisung des Widerspruchs als unbegründet.

32

Regel 19 der Verordnung Nr. 2868/95 bestimmt:

„(1)

Das [EUIPO] gibt dem Widersprechenden Gelegenheit, die Tatsachen, Beweismittel und Bemerkungen zur Stützung seines Widerspruchs vorzubringen oder Tatsachen, Beweismittel und Bemerkungen zu ergänzen, die bereits nach Regel 15 Absatz 3 vorgelegt wurden; dazu setzt [es] eine Frist von mindestens zwei Monaten ab dem Tag der Eröffnung des Widerspruchsverfahrens …

(2)

Innerhalb der in Absatz 1 genannten Frist muss der Widersprechende außerdem einen Nachweis über die Existenz, die Gültigkeit und den Schutzumfang seiner älteren Marke oder seines älteren Rechts einreichen … Im Besonderen muss der Widersprechende folgende Beweismittel vorlegen:

d)

wird der Widerspruch auf ein älteres Recht im Sinne des Artikels 8 Absatz 4 der Verordnung [Nr. 207/2009] gestützt, ist der Erwerb, der Fortbestand und der Schutzumfang dieses Rechts nachzuweisen;

(3)

Die Auskünfte und Nachweise nach Absatz 1 und 2 müssen in der Verfahrenssprache verfasst sein, andernfalls muss ihnen eine Übersetzung beiliegen. Die Übersetzung ist innerhalb der Frist für die Einreichung der Originalunterlagen vorzulegen.

(4)

Das [EUIPO] lässt schriftliche Vorlagen oder Unterlagen oder Teile davon unberücksichtigt, die nicht innerhalb der vom [EUIPO] gesetzten Frist vorgelegt oder in die Verfahrenssprache übersetzt wurden.“

33

Somit erlegt Regel 19 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 2868/95 dem Widersprechenden nicht nur auf, vor dem EUIPO die Angaben vorzubringen, die beweisen, dass er die nach den nationalen Rechtsvorschriften, deren Anwendung er begehrt, erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, um der Eintragung einer Unionsmarke aufgrund eines älteren Rechts widersprechen zu können, sondern auch, die Angaben vorzubringen, aus denen sich der Inhalt dieser Rechtsvorschriften ergibt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Oktober 2015, Маска, T‑96/13, EU:T:2015:813, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34

Daraus folgt, dass es gerade der Klägerin in ihrer Eigenschaft als Widersprechende oblag, vor dem EUIPO die Angaben vorzubringen, aus denen sich der Inhalt des nationalen Rechts ergibt. Daher ist das EUIPO mangels solchen Vortrags oder solcher Nachweise durch die Beteiligten entgegen den Ausführungen der Klägerin nicht verpflichtet, von Amts wegen das maßgebliche nationale Recht zu ermitteln.

35

Zur Begründung ihres Widerspruchs führte die Klägerin ein Bildzeichen an, das in Bulgarien, der Tschechischen Republik, in Ungarn, Polen und in der Slowakei als nicht eingetragene Marke benutzt wird, und legte, wie aus Rn. 7 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, zahlreiche Beweise der Benutzung der nicht eingetragenen Marke vor. Sie erbrachte jedoch keinen Nachweis des maßgeblichen nationalen Rechts.

36

Aus diesem Grund wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch zurück und verwies auf die Verpflichtung des Widersprechenden, vor dem EUIPO die Angaben vorzubringen, aus denen sich der Inhalt des nationalen Rechts ergibt, aufgrund dessen er der Eintragung einer Unionsmarke widersprechen kann.

37

Hinsichtlich der älteren Rechte im Sinne von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 aufgrund nicht eingetragener tschechischer, ungarischer, polnischer und slowakischer Marken ist festzustellen, dass die Klägerin im Laufe des Verwaltungsverfahrens keine Bestimmung des nationalen Rechts dieser Mitgliedstaaten anführte. Die Beschwerdekammer vertrat somit in den Rn. 28 bis 32 der angefochtenen Entscheidung zu Recht die Auffassung, im Wesentlichen habe die Klägerin den Inhalt des Rechts dieser Staaten nicht nachgewiesen, und wies daher zu Recht den mit diesen Rechten begründeten Widerspruch zurück.

38

Hinsichtlich des früheren Rechts im Sinne von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 aufgrund einer nicht eingetragenen bulgarischen Marke ist jedoch festzustellen, dass sich die Klägerin in der Begründung ihrer Beschwerde vom 16. August 2013 vor der Beschwerdekammer auf drei Bestimmungen des bulgarischen Rechts bezog, darunter Art. 12 Abs. 6 des Gesetzes über Marken und geografische Angaben in der geänderten Fassung, nach dem ein Widerspruch mit einer nicht eingetragenen Marke, die in Bulgarien im geschäftlichen Verkehr benutzt wird, begründet werden kann.

39

Bevor geprüft wird, ob die Klägerin ihrer Verpflichtung aus Regel 19 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 2868/95 hinsichtlich des Nachweises des Inhalts des bulgarischen Rechts nachgekommen ist, ist zu prüfen, ob die Beschwerdekammer diese erstmals vor ihr vorgebrachten Angaben berücksichtigen durfte.

Zur Möglichkeit der Beschwerdekammer, Beweismittel zum nationalen Recht zu berücksichtigen, die erstmals vor ihr vorgelegt werden

40

Wie oben in Rn. 38 festgestellt, bezog sich die Klägerin erstmals in der Begründung der Beschwerde auf drei Bestimmungen des bulgarischen Rechts, darunter Art. 12 Abs. 6 des Gesetzes über Marken und geografische Angaben.

41

Im Rahmen ihres zweiten Klagegrundes führt die Klägerin aus, es sei der Beschwerdekammer keinesfalls untersagt, den vor ihr angeführten Art. 12 Abs. 6 des Gesetzes über Marken und geografische Angaben zu berücksichtigen. Sie stützt sich hierfür auf die Möglichkeit für die Beschwerdekammer, verspätet vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen.

42

Das EUIPO führt aus, die Beschwerdekammer könne verspätet vorgelegte Beweise nur dann zulassen, wenn die „Begleitumstände“ die Verspätung der Klägerin bei der Vorlage dieser Beweismittel rechtfertigen könnten. Im vorliegenden Fall jedoch lägen keine Umstände vor, die die Klägerin daran hätten hindern können, Beweise zum maßgeblichen nationalen Recht vorzulegen. Ebenso stelle sich die Rechtsfrage für das EUIPO, ob die nicht fristgemäß vorgelegten Beweismittel zu berücksichtigen seien, nur bei zusätzlichen Beweismitteln, die lediglich zur Bekräftigung oder Erläuterung von fristgerecht vorgebrachten Beweismitteln dienten.

43

Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 sieht vor, dass das EUIPO Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten verspätet vorgebracht werden, nicht zu berücksichtigen braucht.

44

Nach ständiger Rechtsprechung folgt insoweit aus dem Wortlaut von Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009, dass die Beteiligten als allgemeine Regel und vorbehaltlich einer gegenteiligen Vorschrift Tatsachen und Beweismittel auch dann noch vorbringen können, wenn die dafür nach den Bestimmungen der Verordnung Nr. 207/2009 geltenden Fristen abgelaufen sind, und dass es dem EUIPO keineswegs untersagt ist, Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen, die solchermaßen verspätet vorgebracht worden sind, nämlich nach Ablauf der von der Widerspruchsabteilung gesetzten Frist und gegebenenfalls erstmals vor der Beschwerdekammer (Urteil vom 18. Juli 2013, New Yorker SHK Jeans/HABM, C‑621/11 P, EU:C:2013:484, Rn. 30; vgl. ferner Urteil vom 11. Dezember 2014, Form eines Grashalms in einer Flasche, T‑235/12, EU:T:2014:1058, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

45

Mit der Klarstellung, dass das EUIPO in solchen Fällen verspätet vorgelegte Beweismittel nicht zu berücksichtigen „braucht“, räumt diese Bestimmung ihm ein weites Ermessen ein, um unter entsprechender Begründung seiner Entscheidung darüber zu befinden, ob diese zu berücksichtigen sind oder nicht (Urteile vom 13. März 2007, HABM/Kaul, C‑29/05 P, EU:C:2007:162, Rn. 43, und vom 18. Juli 2013, New Yorker SHK Jeans/HABM, C‑621/11 P, EU:C:2013:484, Rn. 23).

46

Zwar bestimmt Regel 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95, dass wenn „der Widersprechende nicht innerhalb der in Regel 19 Absatz 1 genannten Frist die Existenz, die Gültigkeit und den Schutzumfang seiner älteren Marke oder seines älteren Rechts sowie seine Befugnis zur Einlegung des Widerspruchs [belegt], … der Widerspruch als unbegründet abgewiesen [wird]“.

47

Jedoch beschränkt nach Regel 50 Abs. 1 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 die Beschwerdekammer, wenn sich die Beschwerde gegen die Entscheidung einer Widerspruchsabteilung richtet, die Prüfung der Beschwerde auf die Sachverhalte und Beweismittel, die innerhalb der von der Widerspruchsabteilung festgesetzten Frist vorgelegt wurden, sofern die Beschwerdekammer nicht der Meinung ist, dass zusätzliche oder ergänzende Sachverhalte und Beweismittel gemäß Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 berücksichtigt werden sollten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Oktober 2013, Rintisch/HABM, C‑120/12 P, EU:C:2013:638, Rn. 31).

48

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof insbesondere entschieden hat, dass die Berücksichtigung verspätet vorgebrachter Tatsachen und Beweismittel durch das EUIPO, wenn es im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens zu entscheiden hat, insbesondere dann gerechtfertigt sein kann, wenn es zu der Auffassung gelangt, dass zum einen die verspätet vorgebrachten Gesichtspunkte auf den ersten Blick von wirklicher Relevanz für das Ergebnis des bei ihm eingelegten Widerspruchs sein können und dass zum anderen das Verfahrensstadium, in dem das verspätete Vorbringen erfolgt, und die Umstände, die es begleiten, einer solchen Berücksichtigung nicht entgegenstehen (vgl. Urteil vom 3. Oktober 2013, Rintisch/HABM, C‑120/12 P, EU:C:2013:638, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49

Im vorliegenden Fall vertrat die Beschwerdekammer in Rn. 22 der angefochtenen Entscheidung die Auffassung, dass die Bezugnahmen auf drei bulgarische Rechtsvorschriften in der Begründung der Beschwerde verspätet erfolgt seien, denn der erforderliche Hinweis auf die rechtlichen Grundlagen sei innerhalb der im Laufe des Widerspruchsverfahrens gesetzten Fristen zu erbringen. Die Bestimmung der Begründung der Rügen könne nicht bis zum Beschwerdeverfahren vor ihr aufgeschoben werden.

50

Die in Regel 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 genannte Frist für die Einreichung der gemäß Regel 19 Abs. 2 Buchst. d dieser Verordnung erforderlichen Informationen lief jedoch am 13. Dezember 2012 ab.

51

Zu Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 vertrat die Beschwerdekammer in Rn. 25 der angefochtenen Entscheidung die Auffassung, er sei jedenfalls unanwendbar, da keine „Tatsachen und Beweismittel“ im Sinne dieser Bestimmung vorlägen.

52

Insoweit ist zunächst zum Argument des EUIPO, die Beschwerdekammer könne verspätet vorgebrachte Nachweise über die Existenz und den Schutzumfang des älteren Rechts nur dann zulassen, wenn die „Begleitumstände“ die Verspätung rechtfertigen könnten, festzustellen, dass der Gerichtshof in seinem Urteil vom 3. Oktober 2013, Rintisch/HABM (C‑120/12 P, EU:C:2013:638, Rn. 39), tatsächlich ausgeführt hat, dass im vorliegenden Fall die Beschwerdekammer ihr Ermessen restriktiv ausüben musste und die verspätete Vorlage von Nachweisen nur dann zulassen konnte, wenn die Umstände, die sie begleiteten, die Verspätung des Antragstellers bei der ihm obliegenden Beweisführung rechtfertigen konnten. Der Gerichtshof stellte als Kriterium einer restriktiven Ausübung des Ermessens durch die Beschwerdekammer auf den Umstand ab, dass dem Kläger bekannt sein musste, welche Dokumente genau er zur Stützung seines Widerspruchs vorzulegen hatte, da diese exakt und abschließend in Regel 19 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Verordnung Nr. 2868/95 aufgezählt sind.

53

Im vorliegenden Fall jedoch zählt, anders als Regel 19 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Verordnung Nr. 2868/95, deren Regel 19 Abs. 2 Buchst. d die Dokumente, die zur Stützung des mit Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 begründeten Widerspruchs vorzulegen sind, nicht genau und abschließend auf. Diese Bestimmung erwähnt nämlich lediglich ohne nähere Angaben die Verpflichtung zum Nachweis des Erwerbs, des Fortbestands und des Schutzumfangs des früheren Rechts im Sinne von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009.

54

Wie zudem aus der Akte hervorgeht, beschränkte sich die Anlage zum Schreiben des EUIPO vom 1. August 2012, in dem u. a. mitgeteilt wurde, dass die Frist zum Nachweis der Existenz älterer Rechte am 13. Dezember 2012 ablaufe, auf die Angabe, dass im Fall eines mit Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 begründeten Widerspruchs u. a. der Inhalt des nationalen Rechts nachzuweisen sei.

55

Im Unterschied zu den im Urteil vom 3. Oktober 2013, Rintisch/HABM (C‑120/12 P, EU:C:2013:638, Rn. 39), angeführten Umständen musste somit die Klägerin im vorliegenden Fall nicht genau wissen, welche Dokumente sie zur Stützung ihres Widerspruchs vorzulegen hatte.

56

Daher ist festzustellen, dass die im Urteil vom 3. Oktober 2013, Rintisch/HABM (C‑120/12 P, EU:C:2013:638), herausgearbeiteten Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht anwendbar sind und dass die Beschwerdekammer ihr Ermessen hinsichtlich der möglichen Berücksichtigung verspätet vorgebrachter Tatsachen und Beweismittel gemäß Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 nicht restriktiv ausüben musste.

57

Zu dem Argument des EUIPO, dass sich die Frage der Berücksichtigung verspätet vorgebrachter Beweismittel nur dann stelle, wenn zusätzliche Beweismittel zur Bekräftigung oder Erläuterung fristgerecht vorgebrachter Beweismittel dienten, ist festzustellen, dass jedenfalls die Bezugnahmen der Klägerin auf drei Bestimmungen des bulgarischen Rechts in der Begründung ihrer Beschwerde vor der Beschwerdekammer keine völlig neuen Beweismittel sind und als Teil der Beweise anzusehen sind, die den Erwerb, den Fortbestand und den Schutzumfang der nicht eingetragenen bulgarischen Marke beweisen sollen. Wie oben in Rn. 35 festgestellt, wurden bestimmte Beweismittel zum Nachweis der Existenz, der Gültigkeit und des Schutzumfangs der nicht eingetragenen älteren Marke im Laufe des Verfahrens vor der Widerspruchsabteilung vorgelegt (vgl. Rn. 7 der angefochtenen Entscheidung).

58

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Regel 19 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 2868/95 nicht genau und abschließend die Beweismittel zum Nachweis der Existenz, Gültigkeit und des Schutzumfangs eines früheren Rechts im Sinne von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 aufzählt, die ein Widersprechender, der sich auf ein solches Recht beruft, dem EUIPO vorlegen muss. Daher kann das einschlägige nationale Recht als eines der Elemente zum Nachweis des Erwerbs, des Fortbestands und des Schutzes eines älteren Rechts im Sinne von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 angesehen werden.

59

Wie aus der angefochtenen Entscheidung schließlich hervorgeht, hat die Beschwerdekammer jedenfalls ihr Ermessen nicht ausgeübt, und zwar auch nicht restriktiv. Sie beschränkte sich auf die Feststellung, dass die Bezugnahmen auf nationale bulgarische Bestimmungen verspätet seien und die Bestimmung der Begründung der Rügen nicht bis zum Beschwerdeverfahren aufgeschoben werden könne.

60

Zu der in Rn. 25 der angefochtenen Entscheidung dargelegten und vom EUIPO vor dem Gericht unterstützten Ansicht der Beschwerdekammer, der zufolge das Zitieren von Bestimmungen des bulgarischen Rechts durch die Klägerin ohne genaue Angabe ihrer Quelle, ohne Zitieren des offiziellen Textes und ohne Vorlage von Beweisen zur Existenz dieser Normen nicht als eine Tatsache oder ein Beweismittel im Sinne von Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 angesehen werden könne, ist festzustellen, dass diese, im Übrigen nicht substantiierte, Ansicht offensichtlich fehlerhaft ist. Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 sieht nämlich vor, dass das EUIPO Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten verspätet vorgebracht werden, nicht zu berücksichtigen braucht. Die Bezugnahme auf Bestimmungen des bulgarischen Rechts ist unbestreitbar von dieser Bestimmung, auf die sich die Klägerin vor der Beschwerdekammer beruft, umfasst. Selbst wenn diese Bezugnahme zur Erfüllung der Verpflichtungen der Klägerin zum Nachweis des nationalen Rechts nicht genügen sollte, hätte die Beschwerdekammer zumindest ihr Ermessen ausüben müssen.

61

Nach alledem konnte die Beschwerdekammer im vorliegenden Fall in Rn. 22 der angefochtenen Entscheidung ohne Ausübung ihres Ermessens nicht ohne Rechtsverstoß zu dem Ergebnis gelangen, dass die Bezugnahmen auf drei Bestimmungen des nationalen Rechts verspätet seien. Zu Unrecht übte die Beschwerdekammer somit das ihr eingeräumte Ermessen nicht aus und weigerte sich, die ihr vorgelegten Bezugnahmen auf das bulgarische Recht zu berücksichtigen. Damit verstieß die Beschwerdekammer gegen Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 sowie gegen Regel 50 Abs. 1 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95.

Zur Frage, ob die Klägerin der Verpflichtung zur Vorlage von Angaben zum nationalen Recht gemäß Regel 19 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 2868/95 nachgekommen ist

62

Die Klägerin führt aus, dass in der angefochtenen Entscheidung eine Begründung dafür fehle, weshalb Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 nicht gegenüber der beantragten Marke angewendet werden könne, obwohl sie Beweismittel für die Benutzung eines identischen Zeichens vorgelegt und sich auf Art. 12 Abs. 6 des Gesetzes über Marken und geografische Angaben berufen habe.

63

Die Beschwerdekammer habe zu Unrecht festgestellt, dass die von ihr angeführte nationale Bestimmung, nämlich Art. 12 Abs. 6 des Gesetzes über Marken und geografische Angaben, auf notorisch bekannte Marken Anwendung finde und mit Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 im Zusammenhang stehe.

64

Bei der Prüfung des nationalen Rechts von Amts wegen habe die Beschwerdekammer fehlerhafte Feststellungen zum Inhalt dieses Rechts getroffen und so die in Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 und in der Rechtsprechung des Gerichtshofs verankerte Verpflichtung zur Feststellung von Amts wegen und zur genauen Anwendung des nationalen Rechts der Mitgliedstaaten verletzt.

65

Das EUIPO ist der Auffassung, die Beschwerdekammer habe den Schwerpunkt zu Recht auf den Verstoß gegen die Verpflichtung gemäß Regel 19 der Verordnung Nr. 2868/95 gelegt, nach der im Fall eines Widerspruchs, der auf die Existenz eines früheren Rechts im Sinne von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 gestützt werde, der Widersprechende den Beweis des Erwerbs dieses Rechts, seines Fortbestands und des Schutzumfangs dieses Rechts erbringen müsse. Der Verstoß gegen diese Verpflichtung habe zur Folge, dass der Widerspruch gemäß Regel 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 als unbegründet abgewiesen werde.

66

Der Beschwerdekammer folgend wirft das EUIPO der Klägerin vor, Rechtsvorschriften angeführt zu haben, ohne deren genaue Quelle anzugeben und ohne den offiziellen Text in bulgarischer Sprache zu zitieren, und keinen Auszug aus dem Darzhaven vestnik (bulgarisches Amtsblatt) und keine amtlichen Gesetzessammlungen, Kommentare oder nationale Rechtsprechung vorgelegt zu haben.

67

Wie bereits oben in Rn. 38 festgestellt, zitierte die Klägerin in der Begründung ihrer Beschwerde vor der Beschwerdekammer u. a. Art. 12 Abs. 6 des Gesetzes über Marken und geografische Angaben in der geänderten Fassung. Dieses Zitat enthält auch die Angabe zur Veröffentlichung im Darzhaven vestnik sowie das Datum des Inkrafttretens dieser Bestimmung, nämlich den 3. Oktober 2011. Aus dieser Bestimmung geht hervor, dass bei einem Widerspruch durch den Inhaber einer nicht eingetragenen Marke, die im Gebiet der Republik Bulgarien im geschäftlichen Verkehr benutzt wird, eine Marke, deren Anmeldedatum nach der Benutzung der nicht eingetragenen Marke im geschäftlichen Verkehr liegt, nicht eingetragen werden kann.

68

Hinsichtlich der vorstehend in Rn. 67 angeführten Angabe ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer die Ansicht vertrat, die Klägerin habe nur den Wortlaut von Art. 12 Abs. 1 des Gesetzes über Marken und geografische Angaben zitiert, ohne die bulgarische Originalversion vorzulegen oder zu beweisen, dass dieser Text aus einer offiziellen und zuverlässigen Quelle stamme und dass diese Bestimmung kürzlich in Kraft getreten sei. Unter Bezugnahme auf die den Richtlinien des EUIPO beigefügte Tabelle (siehe oben, Rn. 12) stellte die Beschwerdekammer fest, dass nicht eingetragene Marken in Bulgarien nur dann geschützt seien, wenn sie notorisch bekannt seien, und dass die Klägerin sich im vorliegenden Fall nie auf die Notorietät der älteren Marke berufen habe.

69

Es ist erstens festzustellen, dass weder die Verordnungen Nr. 207/2009 und Nr. 2868/95 noch die Rechtsprechung festlegen, auf welche Weise der Inhalt des nationalen Rechts nachzuweisen ist. Daher kann die Beschwerdekammer von der Klägerin nicht die Vorlage eines Auszugs aus dem Darzhaven vestnik oder des offiziellen bulgarischen Textes verlangen, zumal wenn die Verfahrenssprache vor dem EUIPO Englisch ist.

70

Insoweit ist festzustellen, dass es die von der Klägerin verlangten Angaben zum nationalen Recht dem EUIPO ermöglichen müssen, das maßgebliche Recht korrekt und eindeutig zu bestimmen. Diese Informationen zu den maßgeblichen Rechtsvorschriften müssen es dem EUIPO ermöglichen, den Inhalt dieser Rechtsvorschriften, die Voraussetzungen für das Erlangen des Schutzes und den Schutzumfang zu verstehen und anzuwenden, und sie müssen dem Antragsteller die Ausübung seiner Verteidigungsrechte ermöglichen. Zur Erreichung dieser Ziele ist es nicht unerlässlich, dass der Text der Rechtsvorschriften aus einer offiziellen Quelle stammt.

71

Zweitens ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer in Rn. 6 der angefochtenen Entscheidung die von der Klägerin angeführte Bestimmung zu Unrecht als Art. 12 Abs. 1 des Gesetzes über Marken und geografische Angaben identifizierte. Wie aus der Begründung der Beschwerde vor der Beschwerdekammer hervorgeht, hatte die Klägerin Art. 12 Abs. 6 dieses Gesetzes zitiert und darauf hingewiesen, dass es sich um eine „andere“ Möglichkeit als die in Art. 12 Abs. 1 dieses Gesetzes vorgesehene handele, dem Antrag auf Eintragung einer Marke zu widersprechen.

72

Drittens vertrat die Beschwerdekammer ebenfalls zu Unrecht in Rn. 8 der angefochtenen Entscheidung die Auffassung, dass sich die Klägerin auf Art. 12 Abs. 6 des Gesetzes über Marken und geografische Angaben zum ersten Mal in einer zusätzlichen Mitteilung vom 25. März 2014 gestützt habe.

73

Wie bereits oben in Rn. 38 festgestellt, hatte sich die Klägerin in der Begründung ihrer Beschwerde vor der Beschwerdekammer vom 16. August 2013 auf die oben genannte Bestimmung berufen.

74

Wie außerdem aus der Akte und insbesondere aus Rn. 24 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, datiert die zusätzliche Mitteilung vom 16. April und nicht vom 25. März 2014.

75

Viertens ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer in Rn. 23 der angefochtenen Entscheidung angesichts der ihr von der Klägerin vorgelegten Angaben nicht unter bloßer Berufung auf die den Richtlinien des EUIPO beigefügten Tabelle der nationalen Rechte im Anhang der Richtlinien des EUIPO zu dem Ergebnis gelangen konnte, dass nicht eingetragene Marken in Bulgarien nur unter der Voraussetzung geschützt seien, dass sie notorisch bekannt seien. Der Text des von der Klägerin vorgelegten Art. 12 Abs. 6 des Gesetzes über Marken und geografische Angaben führt nämlich die Notorietät einer nicht eingetragenen Marke nicht als Voraussetzung dafür an, dass der Inhaber einer solchen Marke der Eintragung einer neuen Marke widersprechen kann. Diese letzte Frage wurde im Übrigen von der Beschwerdekammer nicht geprüft.

76

Obwohl das EUIPO in seinen Schriftsätzen darlegt, dass die seinen Richtlinien beigefügte Tabelle keine „Rechtsquelle“ und nicht unbedingt aktuell sei, bezog sich die Beschwerdekammer bei der Feststellung, dass nicht eingetragene Marken in Bulgarien nur unter der Voraussetzung ihrer notorischen Bekanntheit geschützt seien, auf diese Tabelle. Sie stellte dies ungeachtet der Tatsache fest, dass, wie sie selbst in Rn. 23 der angefochtenen Entscheidung ausführt, die von der Klägerin angeführte Bestimmung erst kürzlich in Kraft getreten war.

77

Insoweit hat der Gerichtshof hinsichtlich der zuständigen Stellen des EUIPO festgestellt, dass es ihre Sache ist, die Aussagekraft und die Tragweite der vom Widersprechenden vorgebrachten Angaben zu beurteilen, mit denen der Inhalt der von ihm angeführten nationalen Rechtsvorschrift dargetan werden soll (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. März 2014, HABM/National Lottery Commission, C‑530/12 P, EU:C:2014:186, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

78

Da die Anwendung des nationalen Rechts dazu führen kann, dass das Vorliegen eines Eintragungshindernisses für die Unionsmarke bejaht wird, erscheint es notwendig, dass das EUIPO, bevor es dem Widerspruch gegen die Eintragung einer solchen Marke stattgibt, die Erheblichkeit der Belege überprüfen darf, die der Widersprechende beibringt, um den ihm obliegenden Beweis für den Inhalt dieses nationalen Rechts zu führen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. März 2014, HABM/National Lottery Commission, C‑530/12 P, EU:C:2014:186, Rn. 41).

79

Somit muss sich das EUIPO, wenn es veranlasst sein kann, insbesondere das nationale Recht des Mitgliedstaats zu berücksichtigen, in dem ein älteres Recht geschützt ist, auf das der Widerspruch gestützt wird, von Amts wegen mit den ihm hierzu zweckdienlich erscheinenden Mitteln über das nationale Recht des betreffenden Mitgliedstaats informieren, soweit entsprechende Kenntnisse für die Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen des relativen Eintragungshindernisses und vor allem für die Würdigung der vorgetragenen Tatsachen oder der Beweiskraft der vorgelegten Unterlagen erforderlich sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. März 2014, HABM/National Lottery Commission, C‑530/12 P, EU:C:2014:186, Rn. 45). Diese Verpflichtung, sich von Amts wegen über das nationale Recht zu informieren, obliegt dem EUIPO gegebenenfalls dann, wenn es bereits über Angaben zum nationalen Recht verfügt, sei es in Form eines Vorbringens zu dessen Inhalt oder in Form von Unterlagen, die in die Erörterung eingebracht worden sind und deren Beweiskraft geltend gemacht wurde (Urteil vom 20. März 2013, El Corte Inglés/HABM – Chez Gerard [CLUB GOURMET], T‑571/11, EU:T:2013:145, Rn. 41).

80

Im vorliegenden Fall unterließ die Beschwerdekammer jedoch nicht nur die Überprüfung der Erheblichkeit der von der Klägerin beigebrachten Belege zum nationalen Recht, sondern wies diese auch unter Bezugnahme auf eine Informationsquelle zurück, die sich im vorliegenden Fall als unrichtig erwiesen hat.

81

Wenn die Beschwerdekammer Zweifel an der genauen Wiedergabe, der Anwendbarkeit oder der Auslegung des von der Klägerin angeführten Art. 12 Abs. 6 des Gesetzes über Marken und geografische Angaben hatte, war sie gehalten, ihre Prüfungsbefugnis auszuüben.

82

Unter diesen Umständen hätte das EUIPO angesichts der oben in Rn. 79 angeführten Rechtsprechung alle ihm im Rahmen seiner Prüfungsbefugnis zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen müssen, um sich im Licht der von der Klägerin vorgetragenen Argumente über das anzuwendende nationale Recht zu informieren und gründlichere Nachforschungen zu Inhalt und Tragweite der geltend gemachten nationalen Rechtsvorschriften anzustellen, sei es von Amts wegen oder durch eine Aufforderung an die Klägerin, die ihm vorgelegten Informationen zum nationalen bulgarischen Recht zu untermauern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Oktober 2015, Маска, T‑96/13, EU:T:2015:813, Rn. 35).

83

Nach alledem ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer die Bezugnahme der Klägerin in der Begründung ihrer Beschwerde auf Art. 12 Abs. 6 des Gesetzes über Marken und geografische Angaben nicht aus den in Rn. 23 der angefochtenen Entscheidung angeführten Gründen und ohne Ausübung ihrer Prüfungsbefugnis zurückweisen durfte.

84

Der vorliegenden Klage ist daher stattzugeben, und die angefochtene Entscheidung ist aufzuheben, ohne dass es der Prüfung der übrigen von der Klägerin vorgetragenen Rügen bedarf.

Kosten

85

Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

86

Da im vorliegenden Fall das EUIPO und der Streithelfer unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Klägerin neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Klägerin aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 2. Juni 2014 (Sache R 1587/2013‑4) wird aufgehoben.

 

2.

Das EUIPO und Herr Kosta Iliev tragen neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Group OOD.

 

Prek

Labucka

Kreuschitz

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 29. Juni 2016.

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Bulgarisch.

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