EUGH C-240/15

ECLI:ECLI:EU:C:2016:608
bei uns veröffentlicht am28.07.2016

Gericht

Europäischer Gerichtshof

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

28. Juli 2016 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste — Richtlinie 2002/21/EG — Art. 3 — Unparteilichkeit und Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden — Richtlinie 2002/20/EG — Art. 12 — Verwaltungsabgaben — Anwendung von Bestimmungen über das öffentliche Finanzwesen und Bestimmungen zur Begrenzung und Rationalisierung der Ausgaben der öffentlichen Verwaltungen auf eine nationale Regulierungsbehörde“

In der Rechtssache C‑240/15

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) mit Entscheidung vom 15. Mai 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Mai 2015, in dem Verfahren

Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni

gegen

Istituto Nazionale di Statistica – ISTAT,

Presidenza del Consiglio dei Ministri,

Ministero dell’Economia e delle Finanze

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richterin C. Toader, des Richters A. Rosas, der Richterin A. Prechal und des Richters E. Jarašiūnas (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni, vertreten durch M. Clarich, avvocato,

der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,

der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und M. de Ree als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch V. Di Bucci, G. Braun und L. Nicolae als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 28. April 2016

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (Rahmenrichtlinie) (ABl. 2002, L 108, S. 33, im Folgenden: Rahmenrichtlinie in ihrer ursprünglichen Fassung) in der durch die Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 (ABl. 2009, L 337, S. 37, Berichtigung ABl. 2013, L 241, S. 8) geänderten Fassung (im Folgenden: Rahmenrichtlinie) und von Art. 12 der Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste (Genehmigungsrichtlinie) (ABl. 2002, L 108, S. 21).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni (Aufsichts‑ und Regulierungsbehörde für das Kommunikationswesen, Italien, im Folgenden: AGCOM) einerseits und dem Istituto Nazionale di Statistica – ISTAT (Nationales Institut für Statistik, Italien, im Folgenden: ISTAT), der Presidenza del Consiglio dei Ministri (Präsidium des Ministerrats, Italien) und dem Ministero dell’Economia e delle Finanze (Ministerium für Wirtschaft und Finanzen, Italien) andererseits über die Aufnahme der AGCOM in die Liste der von der konsolidierten Gewinn- und Verlustrechnung erfassten öffentlichen Verwaltungen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rahmenrichtlinie

3

Der elfte Erwägungsgrund der Rahmenrichtlinie lautet:

„Nach dem Grundsatz der Trennung hoheitlicher und betrieblicher Funktionen sollten die Mitgliedstaaten die Unabhängigkeit ihrer Regulierungsbehörde(n) garantieren, um die Unparteilichkeit ihrer Beschlüsse sicherzustellen. Die Anforderung der Unabhängigkeit berührt weder die institutionelle Autonomie und die verfassungsmäßigen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten noch den Grundsatz der Neutralität im Hinblick auf die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten nach Artikel [345 AEUV]. Die nationalen Regulierungsbehörden sollten in Bezug auf Personal, Fachwissen und finanzielle Ausstattung über die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben notwendigen Mittel verfügen.“

4

Art. 2 Buchst. g der Rahmenrichtlinie definiert „nationale Regulierungsbehörde“ (im Folgenden: NRB) als „eine oder mehrere Stellen, die von einem Mitgliedstaat mit einer der in dieser Richtlinie und den Einzelrichtlinien festgelegten Regulierungsaufgaben beauftragt werden“. Nach Art. 2 Buchst. l dieser Richtlinie zählt die Genehmigungsrichtlinie zu den Einzelrichtlinien.

5

Durch die Richtlinie 2009/140 wurden in Art. 3 der Rahmenrichtlinie in ihrer ursprünglichen Fassung neue Abs. 3 bis 3c eingefügt, die die Unabhängigkeit der NRB betreffen. Im 13. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/140 heißt es hierzu:

„Die Unabhängigkeit der [NRB] sollte gestärkt werden, um eine wirksamere Anwendung des Rechtsrahmens zu gewährleisten und sowohl ihre Amtsgewalt zu stärken als auch ihre Entscheidungen vorhersehbarer zu machen. Hierfür sollten ausdrückliche Bestimmungen des nationalen Rechts gewährleisten, dass die für die Vorabregulierung des Markts oder für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Unternehmen zuständigen [NRB] bei der Durchführung ihrer Aufgaben vor äußerer Einflussnahme und politischem Druck geschützt werden, die sie an der unabhängigen Beurteilung der von ihnen bearbeiteten Angelegenheiten hindern könnten. Wegen einer derartigen äußeren Einflussnahme eignen sich nationale rechtssetzende Organe nicht dazu, als [NRB] nach dem Rechtsrahmen zu fungieren. … Wichtig ist, dass die für die Vorabregulierung des Markts zuständigen [NRB] über einen eigenen Haushaltsplan verfügen, der es ihnen insbesondere gestattet, qualifiziertes Personal in ausreichender Zahl einzustellen. Dieser Haushaltsplan sollte jährlich veröffentlicht werden, um Transparenz zu gewährleisten.“

6

Art. 3 („[NRB]“) der Rahmenrichtlinie bestimmt:

„(1)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass alle den [NRB] mit dieser Richtlinie und den Einzelrichtlinien übertragenen Aufgaben von einer zuständigen Stelle wahrgenommen werden.

(2)   Die Mitgliedstaaten gewährleisten die Unabhängigkeit der [NRB], indem sie dafür sorgen, dass sie rechtlich und funktional von allen Unternehmen unabhängig sind, die elektronische Kommunikationsnetze, ‑geräte oder ‑dienste anbieten. Wenn Mitgliedstaaten weiterhin an Unternehmen beteiligt sind, die elektronische Kommunikationsnetze und/oder ‑dienste bereitstellen, oder diese kontrollieren, müssen sie eine wirksame strukturelle Trennung der hoheitlichen Funktion von Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Eigentum oder der Kontrolle sicherstellen.

(3)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die [NRB] ihre Befugnisse unparteiisch, transparent und innerhalb eines angemessenen Zeitraums ausüben. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass den [NRB] angemessene finanzielle und personelle Ressourcen zur Verfügung stehen, damit sie die ihnen übertragenen Aufgaben erfüllen können.

(3a)   Unbeschadet der Absätze 4 und 5 handeln die für die Vorabregulierung des Markts oder für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Unternehmen … zuständigen [NRB] unabhängig und holen im Zusammenhang mit der laufenden Erfüllung der ihnen nach den nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung des Gemeinschaftsrechts übertragenen Aufgaben weder Weisungen einer anderen Stelle ein noch nehmen sie solche entgegen. Dies steht einer Aufsicht im Einklang mit dem nationalen Verfassungsrecht nicht entgegen. …

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die [NRB] nach Unterabsatz 1 über einen eigenen jährlichen Haushaltsplan verfügen. Die Haushaltspläne werden veröffentlicht. Ferner stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die [NRB] über ausreichende finanzielle und personelle Ressourcen verfügen, so dass sie in der Lage sind, sich aktiv am Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) [geschaffen durch die Verordnung (EG) Nr. 1211/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 zur Einrichtung des Gremiums Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) und des Büros (ABl. 2009, L 337, S. 1)] zu beteiligen und einen Beitrag dazu zu leisten.

…“

Genehmigungsrichtlinie

7

Im 30. Erwägungsgrund der Genehmigungsrichtlinie heißt es:

„Von Anbietern elektronischer Kommunikationsdienste können Verwaltungsabgaben erhoben werden, um die Arbeit der [NRB] bei der Abwicklung des Genehmigungsverfahrens und der Einräumung von Nutzungsrechten zu finanzieren. Diese Abgaben sollten sich auf das beschränken, was zur Deckung der tatsächlichen Verwaltungskosten für diese Arbeit notwendig ist. Zu diesem Zweck sollte bei den Einnahmen und Ausgaben der [NRB] dadurch für Transparenz gesorgt werden, dass die insgesamt eingenommenen Abgaben und die angefallenen Verwaltungskosten jährlich offengelegt werden. So können die Unternehmen prüfen, ob die Abgaben den Verwaltungskosten entsprechen.“

8

Art. 12 („Verwaltungsabgaben“) der Genehmigungsrichtlinie sieht vor:

„(1)   Verwaltungsabgaben, die von Unternehmen verlangt werden, die aufgrund einer Allgemeingenehmigung einen Dienst oder ein Netz bereitstellen oder denen ein Nutzungsrecht gewährt wurde,

a)

dienen insgesamt lediglich zur Deckung der administrativen Kosten für die Verwaltung, Kontrolle und Durchsetzung von Allgemeingenehmigungen und Nutzungsrechten sowie der … besonderen Verpflichtungen, die die Kosten für internationale Zusammenarbeit, Harmonisierung und Normung, Marktanalyse, Überwachung der Einhaltung und andere Marktkontrollmechanismen sowie für Regulierungstätigkeiten zur Ausarbeitung und Durchsetzung des abgeleiteten Rechts und von Verwaltungsbeschlüssen, beispielsweise von Beschlüssen über den Zugang und die Zusammenschaltung, einschließen können, und

b)

werden den einzelnen Unternehmen in einer objektiven, verhältnismäßigen und transparenten Weise auferlegt, bei der die zusätzlichen Verwaltungskosten und zugehörigen Aufwendungen auf ein Mindestmaß reduziert werden.

(2)   Erheben die [NRB] Verwaltungsabgaben, so veröffentlichen sie einen jährlichen Überblick über ihre Verwaltungskosten und die insgesamt eingenommenen Abgaben. Entsprechend der Differenz der Gesamtsumme der Abgaben und der Verwaltungskosten werden entsprechende Berichtigungen vorgenommen.“

Italienisches Recht

9

Die AGCOM wurde durch die Legge n. 249 – Istituzione dell’Autorità per le garanzie nelle comunicazioni e norme sui sistemi delle telecomunicazioni e radiotelevisivo (Gesetz Nr. 249 über die Errichtung der Aufsichts‑ und Regulierungsbehörde für das Kommunikationswesen mit Vorschriften über die Telekommunikations- sowie Rundfunk- und Fernsehsysteme) vom 31. Juli 1997 (GURI Nr. 177 vom 31. Juli 1997, Supplemento ordinario) geschaffen. Art. 1 Abs. 9 dieses Gesetzes bestimmt, dass die AGCOM „eine Regelung über die Organisation und die Arbeitsweise, die Haushaltspläne, die Finanzberichte und die Ausgabenverwaltung – auch in Abweichung von den Bestimmungen über die allgemeine Rechnungslegung des Staates – sowie die rechtliche und wirtschaftliche Behandlung ihres Personals [erlässt]“.

10

Art. 7 Abs. 2 des Decreto legislativo n. 259 – Codice delle comunicazioni elettroniche (gesetzesvertretendes Dekret Nr. 259 betreffend das Gesetzbuch über die elektronische Kommunikation) vom 1. August 2003 (GURI Nr. 214 vom 15. September 2003, Supplemento ordinario) überträgt der AGCOM die Aufgaben der NRB nach Art. 3 der Rahmenrichtlinie.

11

Die Legge n. 311 – Disposizioni per la formazzione del bilancio annuale e pluriennale dello Stato (legge finanziaria 2005) (Gesetz Nr. 311 mit Bestimmungen über die Aufstellung des Jahres- und Mehrjahreshaushalts des Staates [Haushaltsgesetz 2005]) vom 30. Dezember 2004 (GURI Nr. 306 vom 31. Dezember 2004, Supplemento ordinario, im Folgenden: Gesetz Nr. 311) legt eine Obergrenze für die Erhöhung der Ausgaben der öffentlichen Verwaltungen fest. Art. 1 Abs. 5 dieses Gesetzes sieht vor:

„Um sicherzustellen, dass die von der Europäischen Union … für den Dreijahreszeitraum 2005 bis 2007 gesetzten Ziele für das öffentliche Finanzwesen erreicht werden, dürfen die Gesamtausgaben der von der konsolidierten Gewinn- und Verlustrechnung erfassten öffentlichen Verwaltungen, die für das Jahr 2005 in der diesem Gesetz als Anhang beigefügten Liste 1 aufgeführt sind und für die Folgejahre vom [ISTAT] mit eigener, spätestens am 31. Juli eines jeden Jahres [in der GURI] veröffentlichter Verordnung bestimmt werden, höchstens 2 % über den entsprechenden aktualisierten Schätzungen des Vorjahrs – wie sie sich aus dem Prognose- und Programmbericht ergeben – liegen.“

12

Die Legge n. 266 – Disposizioni per la formazzione del bilancio annuale e pluriennale dello Stato (legge finanziaria 2006) (Gesetz Nr. 266 mit Bestimmungen über die Aufstellung des Jahres- und Mehrjahreshaushalts des Staates [Haushaltsgesetz 2006]) vom 23. Dezember 2005 (GURI Nr. 302 vom 29. Dezember 2005, Supplemento ordinario) gewährt einigen unabhängigen Verwaltungsbehörden, darunter die AGCOM, eine erhebliche Finanzautonomie. Insbesondere bestimmt Art. 1 Abs. 65 dieses Gesetzes:

„Ab dem Jahr 2007 werden die Betriebskosten der [AGCOM], soweit sie nicht aus Mitteln des Staatshaushalts gedeckt sind, von den ihrer Zuständigkeit unterliegenden Marktteilnehmern nach den in den geltenden Vorschriften vorgesehenen Modalitäten finanziert, wobei die Höhe des unmittelbar an die Behörden entrichteten Beitrags durch Beschluss der jeweiligen Behörde unter Berücksichtigung der gesetzlich vorgesehenen Höchstgrenzen festgelegt wird …“

13

Das Decreto-legge n. 223 – Disposizioni urgenti per il rilancio economico e sociale, per il contenimento e la razionalizzazione della spesa pubblica, nonché interventi in materia di entrate e di contrasto all’evasione fiscale (Gesetzesdekret Nr. 223 mit Dringlichkeitsbestimmungen für den wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufschwung, für die Begrenzung und Rationalisierung der öffentlichen Ausgaben sowie Maßnahmen im Bereich der Steuereinnahmen und zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung) vom 4. Juli 2006 (GURI Nr. 153 vom 4. Juli 2006, S. 4), nach Änderung umgewandelt in ein Gesetz durch das Gesetz Nr. 248 vom 4. August 2006 (GURI Nr. 186 vom 11. August 2006, Supplemento ordinario) (im Folgenden: Gesetzesdekret Nr. 223), enthält Bestimmungen zur Senkung der Betriebskosten der nicht territorialen öffentlichen Stellen und Einrichtungen. Art. 22 Abs. 1 dieses Gesetzesdekrets sieht vor:

„Die Haushaltsmittel für das Jahr 2006 für Vorleistungen aus dem Haushalt von gemäß Art. 1 Abs. 5 und 6 des [Gesetzes Nr. 311] … bestimmten nicht territorialen öffentlichen Stellen und Einrichtungen … [mit einigen Ausnahmen] werden um 10 % reduziert …“

14

Die Legge n. 196 – Legge di contabilità e finanza pubblica (Gesetz Nr. 196 über das öffentliche Rechnungs‑ und Finanzwesen) vom 31. Dezember 2009 (GURI Nr. 303 vom 31. Dezember 2009, Supplemento ordinario) in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetz Nr. 196) enthält die neue nationale allgemeine Regelung des öffentlichen Rechnungs‑ und Finanzwesens. Art. 1 Abs. 2 dieses Gesetzes bestimmt:

„Für die Zwecke der Anwendung der Bestimmungen über das öffentliche Finanzwesen gelten als öffentliche Verwaltungen für das Jahr 2011 die Stellen und Rechtssubjekte, die für statistische Zwecke in der Liste in der Mitteilung des [ISTAT] vom 24. Juli 2010 aufgeführt sind, die am selben Tag in der [GURI] Nr. 171 veröffentlicht wurde, sowie ab dem Jahr 2012 die Stellen und Rechtssubjekte, die vom ISTAT für statistische Zwecke in der Liste in seiner Mitteilung vom 30. September 2011 aufgeführt werden, die am selben Tag in der [GURI] Nr. 228 veröffentlicht wurde – einschließlich der nachfolgenden Aktualisierungen dieser Liste nach Abs. 3 des vorliegenden Artikels, die auf der Grundlage der Definitionen in den besonderen Verordnungen der Europäischen Union vorgenommen werden –, die unabhängigen Behörden sowie die Verwaltungen nach Art. 1 Abs. 2 des gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 165 vom 30. März 2001 mit nachfolgenden Änderungen.“

15

Am 28. September 2012 veröffentlichte das ISTAT in der GURI den Elenco delle amministrazioni pubbliche inserite nel conto economico consolidato individuate ai sensi dell’articolo 1, comma 3, della legge 31 dicembre 2009, n. 196 (Liste der öffentlichen Verwaltungen, die von der konsolidierten Gewinn- und Verlustrechnung erfasst werden, im Sinne von Art. 1 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 196 vom 31. Dezember 2009) (GURI Nr. 227 vom 28. September 2012, S. 92, im Folgenden: Liste des ISTAT). In dieser Liste ist die AGCOM aufgeführt.

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

16

Die AGCOM, die in ihrer Eigenschaft als NRB im Sinne der Rahmenrichtlinie Tätigkeiten der Vorabregulierung des Markts und der Beilegung von Streitigkeiten zwischen Unternehmen ausübt, erhob beim Tribunale amministrativo regionale del Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium, Italien) Klage und beanstandete u. a. die Entscheidung des italienischen Gesetzgebers, die Bestimmungen über das öffentliche Finanzwesen auf unabhängige Behörden anzuwenden, und insbesondere, dass gewisse Bestimmungen zur Begrenzung und Rationalisierung der öffentlichen Ausgaben auf sie angewandt wurden.

17

Mit Urteil vom 12. Juni 2013 wies das Tribunale amministrativo regionale del Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium) diese Klage ab.

18

Die AGCOM legte gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel beim Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) ein. Sie machte vor diesem Gericht geltend, dass ihr dadurch, dass gemäß Art. 1 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 196 die nationalen Bestimmungen über das öffentliche Finanzwesen bedingungslos auf sie angewandt würden und gemäß Art. 1 Abs. 5 des Gesetzes Nr. 311 und Art. 22 Abs. 1 des Gesetzesdekrets Nr. 223 die besonderen Bestimmungen zur Begrenzung und Rationalisierung der Ausgaben und Betriebskosten der öffentlichen Verwaltungen auf sie angewandt würden, organisatorische und finanzielle Beschränkungen auferlegt würden, die die Wirksamkeit ihrer Regulierungstätigkeit im Telekommunikationssektor verringern könnten. Der italienische Gesetzgeber hätte zu ihren Gunsten vorteilhaftere Bestimmungen, ähnlich den für die Banca d’Italia (italienische Zentralbank) geltenden, erlassen oder zumindest die auferlegten Ausgabensenkungen auf den Teil ihres Haushalts beschränken müssen, der vom Staat finanziert werde.

19

Das ISTAT, das Präsidium des Ministerrats und das Ministerium für Wirtschaft und Finanzen beantragen, das Rechtsmittel der AGCOM zurückzuweisen.

20

Das vorlegende Gericht weist zunächst darauf hin, dass Art. 1 Abs. 5 des Gesetzes Nr. 311 u. a. besondere Ziele der Begrenzung der auf den „erweiterten öffentlichen Sektor“ entfallenden Ausgaben verfolge und die in der Liste des ISTAT aufgeführten Verwaltungen zu diesem Zweck verpflichte, gewisse Bestimmungen zur Senkung der öffentlichen Ausgaben einzuhalten.

21

Um den bei ihm anhängigen Rechtsstreit zu entscheiden, müsse das vorlegende Gericht feststellen, ob die fragliche nationale Regelung gegen die Grundsätze der Unparteilichkeit und der Unabhängigkeit, die die Mitgliedstaaten den NRB auch auf finanzieller und organisatorischer Ebene garantieren müssten, sowie gegen den Grundsatz, dass die NRB die Tätigkeiten der Verwaltung, Kontrolle und Durchsetzung von Allgemeingenehmigungen im Sinne von Art. 12 der Genehmigungsrichtlinie zum großen Teil selbst finanzierten, verstoße. Der Standpunkt der AGCOM erscheint dem vorlegenden Gericht zwar nicht offensichtlich jeder Grundlage zu entbehren, es neigt jedoch eher der Auffassung zu, dass das Unionsrecht der fraglichen nationalen Regelung nicht entgegenstehe.

22

Erstens genössen die NRB zwar besondere Vorrechte in Bezug auf Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, ihre Stellung unterscheide sich aber nicht so weit von der aller anderen öffentlichen Verwaltungen, dass es automatisch rechtswidrig wäre, für alle öffentlichen Verwaltungen geltende Bestimmungen über das öffentliche Finanzwesen sowie zur Begrenzung und Rationalisierung der öffentlichen Ausgaben auf sie anzuwenden. Ein Verstoß gegen das Unionsrecht würde nach Ansicht des vorlegenden Gerichts nur vorliegen, wenn nachgewiesen würde, dass die vorgeschriebene Beschränkung durch ihre Höhe oder ihre Art tatsächlich und konkret verhindert, dass die NRB in Bezug auf Personal, Fachwissen und finanzielle Ausstattung über die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben notwendigen Mittel verfügt. Das Bestehen eines solchen Hindernisses könne jedoch nicht vermutet werden, und die AGCOM habe hierfür keine Nachweise vorgelegt.

23

Zweitens könne der AGCOM nicht darin gefolgt werden, dass ihr nur zweckgerichtete Ziele und Verpflichtungen aufzuerlegen seien, wie es für die italienische Zentralbank vorgesehen sei, insbesondere weil sie nicht dargetan habe, dass sie in Bezug auf den fraglichen Punkt mit der italienischen Zentralbank gleichzustellen sei. Die beiden von ihr angeführten punktuellen Bestimmungen zur Begrenzung und Rationalisierung der Ausgaben ließen ihr zudem beträchtliche Handlungsspielräume.

24

Drittens könne aus den Bestimmungen der Genehmigungsrichtlinie nicht gefolgert werden, dass der nationale Gesetzgeber einer NRB für den Teil ihrer Ausgaben, den sie selbst finanziere, was bei über 90 % der Ausgaben der AGCOM der Fall sei, keine Maßnahmen zur Begrenzung und Rationalisierung der Ausgaben auferlegen könne, insbesondere weil die von der AGCOM erhobenen Verwaltungsabgaben nach der italienischen Rechtsprechung als Steuern einzustufen seien und somit der allgemeinen Steuerhoheit des Staates unterlägen.

25

Unter diesen Umständen hat der Consiglio di Stato (Staatsrat) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Stehen die Grundsätze der den NRB im Sinne von Art. 3 der Rahmenrichtlinie zuzuerkennenden Unparteilichkeit und Unabhängigkeit auch in finanzieller und organisatorischer Hinsicht sowie der Grundsatz der wesentlichen Selbstfinanzierung im Sinne von Art. 12 der Genehmigungsrichtlinie einer nationalen Regelung (wie jener des vorliegenden Verfahrens) entgegen, die auch solche Behörden allgemein den Bestimmungen über das öffentliche Finanzwesen und insbesondere spezifischen Bestimmungen zur Begrenzung und Rationalisierung der Ausgaben der öffentlichen Verwaltungen unterwirft?

Zur Vorlagefrage

26

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 der Rahmenrichtlinie und Art. 12 der Genehmigungsrichtlinie dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die eine NRB im Sinne der Rahmenrichtlinie nationalen Bestimmungen über das öffentliche Finanzwesen und insbesondere Bestimmungen zur Begrenzung und Rationalisierung der Ausgaben der öffentlichen Verwaltungen wie den im Ausgangsverfahren fraglichen unterwirft.

27

Nach der Vorlageentscheidung handelt es sich bei den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Bestimmungen im Wesentlichen um erstens Art. 1 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 196, wonach die vom ISTAT aufgelisteten öffentlichen Verwaltungen der allgemeinen italienischen Regelung über das öffentliche Rechnungs‑ und Finanzwesen unterliegen, zweitens Art. 1 Abs. 5 des Gesetzes Nr. 311, wonach für die Jahre 2005 bis 2007 die Gesamtausgaben der von der konsolidierten Gewinn- und Verlustrechnung erfassten öffentlichen Verwaltungen, die vom ISTAT aufgelistet werden, höchstens 2 % über den entsprechenden aktualisierten Schätzungen des Vorjahrs liegen dürfen, und drittens Art. 22 Abs. 1 des Gesetzesdekrets Nr. 223, wonach die Haushaltsmittel für das Jahr 2006 für Vorleistungen aus dem Haushalt von u. a. gemäß Art. 1 Abs. 5 des Gesetzes Nr. 311 bestimmten nicht territorialen öffentlichen Stellen und Einrichtungen um 10 % reduziert werden.

28

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass sich aus dem Wortlaut der beiden letztgenannten Bestimmungen, wie er im Vorabentscheidungsersuchen wiedergegeben ist, nicht klar ergibt, inwiefern diese auf die AGCOM anwendbar sind. Die AGCOM wendet sich nämlich vor dem vorlegenden Gericht gegen ihre Aufnahme in die am 28. September 2012 veröffentlichte Liste des ISTAT, während diese Bestimmungen nur für die Jahre 2005 bis 2007 bzw. für das Jahr 2006 zu gelten scheinen.

29

Im Übrigen hat die AGCOM in den schriftlichen Erklärungen, die sie beim Gerichtshof eingereicht hat, über die vom vorlegenden Gericht angeführten Bestimmungen hinaus weitere besondere Bestimmungen über das öffentliche Finanzwesen angeführt, die auf sie anwendbar seien und ihre Unabhängigkeit noch weiter einschränkten, als es bereits nach den vom vorlegenden Gericht speziell genannten Bestimmungen der Fall sei.

30

Im Rahmen des Verfahrens nach Art. 267 AEUV ist es jedoch nicht Sache des Gerichtshofs, über die Anwendbarkeit nationaler Vorschriften zu befinden oder den Sachverhalt festzustellen, der für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits erheblich ist. Vielmehr hat der Gerichtshof in Bezug auf den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in den sich die Vorabentscheidungsfrage einfügt, von den Feststellungen des vorlegenden Gerichts auszugehen (vgl. u. a. in diesem Sinne Urteile vom 13. November 2003, Neri, C‑153/02, EU:C:2003:614, Rn. 34 und 35, und vom 30. Juni 2005, Tod’s und Tod’s France, C‑28/04, EU:C:2005:418, Rn. 14).

31

Der Gerichtshof darf daher seine Beurteilung der Frage, ob die beiden letztgenannten Bestimmungen noch auf die AGCOM Anwendung fanden, als der Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens beim vorlegenden Gericht anhängig wurde, nicht an die Stelle der Beurteilung des vorlegenden Gerichts setzen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. September 1999, Gruber, C‑249/97, EU:C:1999:405, Rn. 19) und hat davon auszugehen, dass dies der Fall ist. Außerdem hat der Gerichtshof die Vorlagefrage ausschließlich anhand der vom vorlegenden Gericht dargelegten Bestimmungen zu beantworten.

32

Was erstens Art. 3 der Rahmenrichtlinie betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung in ihrer ursprünglichen Fassung gemäß dem elften Erwägungsgrund dieser Richtlinie im Wesentlichen darauf abzielte, durch die Sicherstellung der Trennung hoheitlicher und betrieblicher Funktionen die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der NRB zu garantieren (Urteil vom 6. März 2008, Comisión del Mercado de las Telecomunicaciones, C‑82/07, EU:C:2008:143, Rn. 13).

33

Allerdings wurde im elften Erwägungsgrund der Rahmenrichtlinie in ihrer ursprünglichen Fassung bereits präzisiert, dass „[d]ie [NRB] … in Bezug auf Personal, Fachwissen und finanzielle Ausstattung über die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben notwendigen Mittel verfügen [sollten]“. Dieses Ziel fand jedoch in den Vorschriften dieser Richtlinie, abgesehen von ihrem Art. 3 Abs. 1, wonach die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass alle den NRB mit dieser Richtlinie und den Einzelrichtlinien übertragenen Aufgaben von einer zuständigen Stelle wahrgenommen werden, und Abs. 3 dieses Artikels, wonach die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass die NRB ihre Befugnisse unparteiisch und transparent ausüben, keinen ausdrücklichen Niederschlag.

34

Wie sich aus dem 13. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/140 ergibt, beabsichtigte der Unionsgesetzgeber mit dieser Richtlinie, die Unabhängigkeit der NRB zu stärken, um eine wirksamere Anwendung des Rechtsrahmens zu gewährleisten und sowohl ihre Amtsgewalt zu stärken als auch ihre Entscheidungen vorhersehbarer zu machen. Daher sieht Art. 3 Abs. 3 der Rahmenrichtlinie nunmehr ausdrücklich vor, dass die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass die NRB ihre Befugnisse unparteiisch, transparent und innerhalb eines angemessenen Zeitraums ausüben und dass ihnen angemessene finanzielle und personelle Ressourcen zur Verfügung stehen, damit sie die ihnen übertragenen Aufgaben erfüllen können.

35

Art. 3 Abs. 3a Unterabs. 1 der Rahmenrichtlinie bestimmt zudem, dass die für die Vorabregulierung des Markts oder für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Unternehmen zuständigen NRB unabhängig handeln und im Zusammenhang mit der laufenden Erfüllung der ihnen nach den nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung des Unionsrechts übertragenen Aufgaben Weisungen einer anderen Stelle weder einholen noch entgegennehmen, wobei präzisiert wird, dass „[d]ies … einer Aufsicht im Einklang mit dem nationalen Verfassungsrecht nicht entgegen[steht]“. Unterabs. 3 dieser Vorschrift sieht vor, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die NRB nach Unterabs. 1 über eigene jährliche Haushaltspläne verfügen, die veröffentlicht werden, sowie über ausreichende finanzielle und personelle Ressourcen, so dass sie in der Lage sind, sich aktiv am GEREK zu beteiligen und einen Beitrag dazu zu leisten.

36

Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass die Rahmenrichtlinie nunmehr verlangt, dass die Mitgliedstaaten, um die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der NRB zu gewährleisten, im Wesentlichen dafür sorgen, dass sämtliche NRB über die finanziellen und personellen Ressourcen verfügen, die für die Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben erforderlich sind, und dass die für die Vorabregulierung des Markts oder für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Unternehmen zuständigen NRB unabhängig handeln. Doch deutet nichts in diesen Bestimmungen darauf hin, dass die Einhaltung dieser Anforderungen grundsätzlich ausschließt, dass auf eine NRB nationale Bestimmungen über das öffentliche Finanzwesen und insbesondere Bestimmungen zur Begrenzung und Rationalisierung der Ausgaben öffentlicher Verwaltungen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden angewandt werden.

37

Hierzu ist hervorzuheben, dass Art. 3 Abs. 3a Unterabs. 1 Satz 2 der Rahmenrichtlinie ausdrücklich vorsieht, dass die für die Vorabregulierung des Markts oder für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Unternehmen zuständigen NRB zwar unabhängig handeln und im Zusammenhang mit der laufenden Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben Weisungen einer anderen Stelle weder einholen noch entgegennehmen, dass aber „[d]ies … einer Aufsicht im Einklang mit dem nationalen Verfassungsrecht nicht entgegen[steht]“.

38

Wie der Generalanwalt in den Nrn. 43 und 44 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, impliziert diese Bestimmung, dass die NRB nach Art. 3 der Rahmenrichtlinie durch das nationale Parlament bestimmten Regelungen der Haushaltskontrolle unterworfen werden dürfen, was auch einschließt, dass ex ante Maßnahmen zur Begrenzung der öffentlichen Ausgaben angewandt werden.

39

Solche Begrenzungsmaßnahmen können somit nur dann als Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der NRB, wie sie durch die Rahmenrichtlinie garantiert werden, und damit als mit Art. 3 dieser Richtlinie unvereinbar angesehen werden, wenn sich feststellen lässt, dass sie die betreffenden NRB daran hindern können, die Aufgaben, die ihnen durch die Rahmenrichtlinie und die Einzelrichtlinien übertragen wurden, zufriedenstellend auszuüben, oder dass sie den Bedingungen zuwiderlaufen, die die Mitgliedstaaten nach der Rahmenrichtlinie erfüllen müssen, damit der von dieser Richtlinie verlangte Grad an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der NRB erreicht wird.

40

Es ist jedoch Aufgabe des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Bestimmungen ein Hindernis dafür sein können, dass die AGCOM über die erforderlichen finanziellen und personellen Ressourcen verfügt, um die ihr übertragenen Aufgaben zufriedenstellend zu erfüllen und insbesondere in ihrer Eigenschaft als für die Vorabregulierung des Markts und die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Unternehmen zuständige NRB in der Lage zu sein, sich aktiv am GEREK zu beteiligen und einen Beitrag dazu zu leisten. Hierzu hat das vorlegende Gericht darauf hingewiesen, dass die AGCOM nichts Entsprechendes vorgetragen habe und lediglich allgemein behauptet habe, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Bestimmungen ihre finanzielle Autonomie und damit ihre Unabhängigkeit beeinträchtigten.

41

Wie sich zudem aus der Vorlageentscheidung und aus Rn. 27 des vorliegenden Urteils ergibt, beschränken sich die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden besonderen Bestimmungen zur Begrenzung und Rationalisierung der Ausgaben der öffentlichen Verwaltungen darauf, was die erste angeht, die Ausgabenerhöhung, die von der AGCOM beschlossen werden kann, nach oben zu begrenzen, und, was die zweite angeht, die Reduzierung lediglich der „Vorleistungen“ vorzuschreiben. Wie das vorlegende Gericht festgestellt hat, gewähren diese beiden Bestimmungen der AGCOM durch ihren allgemeinen Charakter außerdem einen beträchtlichen Handlungsspielraum bei ihrer Umsetzung. Zudem handelt es sich um Bestimmungen, die auf eine Vielzahl öffentlicher Stellen und Einrichtungen anwendbar sind.

42

Überdies ist im Ausgangsverfahren unstreitig, dass die AGCOM weiterhin – wie in Art. 3 Abs. 3a Unterabs. 3 der Rahmenrichtlinie vorgesehen – über einen eigenen jährlichen Haushaltsplan verfügt, der veröffentlicht wird.

43

Im Übrigen kann die AGCOM, wie auch der Generalanwalt in den Nrn. 48 bis 50 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, in Anbetracht ihrer grundlegend unterschiedlichen Aufgaben nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Rahmenrichtlinie den Mitgliedstaaten vorschreibe, den NRB die gleiche Unabhängigkeit zu garantieren, wie sie das Unionsrecht für die Zentralbanken vorsehe.

44

Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass – vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht – Art. 3 der Rahmenrichtlinie es nicht verbietet, nationale Bestimmungen über das öffentliche Finanzwesen und insbesondere Bestimmungen zur Begrenzung und Rationalisierung der Ausgaben der öffentlichen Verwaltungen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden auf NRB im Sinne dieser Richtlinie anzuwenden.

45

Was zweitens Art. 12 der Genehmigungsrichtlinie betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die Verwaltungsabgaben, die die Mitgliedstaaten gemäß dieser Vorschrift von Unternehmen, die aufgrund einer Allgemeingenehmigung einen Dienst oder ein Netz bereitstellen oder denen ein Nutzungsrecht gewährt wurde, erheben können, um die Tätigkeiten der NRB zu finanzieren, insgesamt lediglich der Deckung der administrativen Kosten für die in Art. 12 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie genannten Tätigkeiten dienen dürfen. Sie können somit nicht der Deckung der Ausgaben im Zusammenhang mit anderen Aufgaben als den in dieser Bestimmung aufgeführten dienen, insbesondere nicht der Deckung aller Arten von Verwaltungskosten der NRB (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2013, Vodafone Omnitel u. a., C‑228/12 bis C‑232/12 und C‑254/12 bis C‑258/12, EU:C:2013:495, Rn. 38 bis 40 und 42).

46

Außerdem ergibt sich aus Art. 12 Abs. 2 in Verbindung mit dem 30. Erwägungsgrund der Rahmenrichtlinie, dass diese Abgaben die tatsächlichen Verwaltungskosten für die in Art. 12 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie aufgeführten Tätigkeiten decken sollen und diesen Kosten entsprechen sollen. Daher darf die Gesamtheit der Einnahmen, die mit der fraglichen Abgabe erzielt werden, nicht die Gesamtheit der Kosten übersteigen, die für diese Tätigkeiten anfallen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2013, Vodafone Omnitel u. a., C‑228/12 bis C‑232/12 und C‑254/12 bis C‑258/12, EU:C:2013:495, Rn. 41 und 42).

47

Auch wenn Art. 12 der Genehmigungsrichtlinie den NRB somit erlaubt, einen Teil ihrer Tätigkeiten durch die Erhebung von Verwaltungsabgaben zu finanzieren, kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Bestimmung der AGCOM ein uneingeschränktes Recht verleiht, die Höhe dieser Abgaben ungeachtet der nationalen Bestimmungen über das öffentliche Finanzwesen und zur Beschränkung und Begrenzung der öffentlichen Ausgaben festzulegen. Diese Abgaben sind nämlich, wie sich aus der Vorlageentscheidung ergibt, als Steuern einzustufen und unterliegen somit der allgemeinen Steuerhoheit des italienischen Staates. Die Festlegung ihrer Höhe durch die AGCOM kann daher der Anwendung dieser Bestimmungen nicht entzogen sein, da diese Bestimmungen im Übrigen, wie in Rn. 39 des vorliegenden Urteils ausgeführt, nicht gegen Art. 3 der Rahmenrichtlinie verstoßen.

48

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 3 der Rahmenrichtlinie und Art. 12 der Genehmigungsrichtlinie dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die eine NRB im Sinne der Rahmenrichtlinie nationalen Bestimmungen über das öffentliche Finanzwesen und insbesondere Bestimmungen zur Begrenzung und Rationalisierung der Ausgaben der öffentlichen Verwaltungen wie den im Ausgangsverfahren fraglichen unterwirft.

Kosten

49

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 3 der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (Rahmenrichtlinie) in der durch die Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 geänderten Fassung und Art. 12 der Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste (Genehmigungsrichtlinie) sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die eine nationale Regulierungsbehörde im Sinne der Richtlinie 2002/21 in der durch die Richtlinie 2009/140 geänderten Fassung nationalen Bestimmungen über das öffentliche Finanzwesen und insbesondere Bestimmungen zur Begrenzung und Rationalisierung der Ausgaben der öffentlichen Verwaltungen wie den im Ausgangsverfahren fraglichen unterwirft.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Italienisch.

ra.de-Urteilsbesprechung zu EUGH C-240/15

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