Gericht

Europäischer Gerichtshof

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

25. Juli 2018 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – Richtlinie 92/43/EG – Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen – Art. 6 Abs. 3 und 4 – Prüfung der Verträglichkeit eines Plans oder Projekts mit einem geschützten Gebiet – Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind – Windparkprojekt – Richtlinie 2009/147/EG – Erhaltung der wildlebenden Vogelarten – Art. 4 – Besonderes Schutzgebiet (BSG) – Anhang I – Kornweihe (Circus cyaneus) – Geeigneter Lebensraum, der sich im Lauf der Zeit verändert – Vorübergehender oder dauerhafter Rückgang der notwendigen Flächen – In ein Projekt integrierte Maßnahmen, mit denen für die Dauer des Projekts sichergestellt werden soll, dass die für den natürlichen Lebensraum der Art tatsächlich geeignete Fläche nicht verkleinert wird, sondern sogar vergrößert werden kann“

In der Rechtssache C‑164/17

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supreme Court (Oberster Gerichtshof, Irland) mit Entscheidung vom 20. März 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 3. April 2017, in dem Verfahren

Edel Grace,

Peter Sweetman

gegen

An Bord Pleanála,

Beteiligte:

ESB Wind Developments Ltd,

Coillte,

The Department of Arts Heritage and the Gaeltacht,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, des Richters A. Rosas, der Richterinnen C. Toader (Berichterstatterin) und A. Prechal sowie des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. Februar 2018,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

von Frau Grace und von Herrn Sweetman, vertreten durch O. Collins, Barrister, und J. Devlin, SC, beauftragt von O. Clarke und A. O’Connell, Solicitors,

des An Bord Pleanála, vertreten durch F. Valentine, Barrister, und N. Butler, SC, beauftragt von A. Doyle und B. Slattery, Solicitors,

der ESB Wind Developments Ltd und Coillte, vertreten durch R. Mulcahy und D. McDonald, SC, sowie durch A. Carroll, BL, beauftragt von D. Spence, Solicitor,

der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und C. S. Schillemans als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Manhaeve und C. Hermes als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 19. April 2018

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. 1992, L 206, S. 7, im Folgenden: Habitatrichtlinie).

2

Das Ersuchen ergeht in einem Rechtsstreit zwischen Frau Edel Grace und Herrn Peter Sweetman einerseits und An Bord Pleanála (nationaler Rechtsbehelfsausschuss in Raumplanungsangelegenheiten, Irland, im Folgenden: An Bord) andererseits wegen der Entscheidung von An Bord, der ESB Wind Developments Ltd und Coillte eine Genehmigung für ein Windparkprojekt in einem besonderen Schutzgebiet zu erteilen, das als solches ausgewiesen ist, weil es den natürlichen Lebensraum einer geschützten Art einschließt.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Vogelschutzrichtlinie

3

Nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. 2010, L 20, S. 7, im Folgenden: Vogelschutzrichtlinie) betrifft diese Richtlinie die Erhaltung sämtlicher wildlebenden Vogelarten, die im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten, auf welches der AEU-Vertrag Anwendung findet, heimisch sind. Sie hat den Schutz, die Bewirtschaftung und die Regulierung dieser Arten zum Ziel und regelt die Nutzung dieser Arten.

4

Art. 4 dieser Richtlinie bestimmt:

„(1)   Auf die in Anhang I aufgeführten Arten sind besondere Schutzmaßnahmen hinsichtlich ihrer Lebensräume anzuwenden, um ihr Überleben und ihre Vermehrung in ihrem Verbreitungsgebiet sicherzustellen.

In diesem Zusammenhang sind zu berücksichtigen:

a)

vom Aussterben bedrohte Arten;

b)

gegen bestimmte Veränderungen ihrer Lebensräume empfindliche Arten;

c)

Arten, die wegen ihres geringen Bestands oder ihrer beschränkten örtlichen Verbreitung als selten gelten;

d)

andere Arten, die aufgrund des spezifischen Charakters ihres Lebensraums einer besonderen Aufmerksamkeit bedürfen.

Bei den Bewertungen werden Tendenzen und Schwankungen der Bestände der Vogelarten berücksichtigt.

Die Mitgliedstaaten erklären insbesondere die für die Erhaltung dieser Arten zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete zu Schutzgebieten, wobei die Erfordernisse des Schutzes dieser Arten in dem geografischen Meeres- und Landgebiet, in dem diese Richtlinie Anwendung findet, zu berücksichtigen sind.

(4)   Die Mitgliedstaaten treffen geeignete Maßnahmen, um die Verschmutzung oder Beeinträchtigung der Lebensräume sowie die Belästigung der Vögel, sofern sich diese auf die Zielsetzungen dieses Artikels erheblich auswirken, in den Absätzen 1 und 2 genannten Schutzgebieten zu vermeiden. Die Mitgliedstaaten bemühen sich ferner, auch außerhalb dieser Schutzgebiete die Verschmutzung oder Beeinträchtigung der Lebensräume zu vermeiden.“

5

Zu den in Anhang I dieser Richtlinie aufgeführten Arten zählt die Kornweihe (Circus cyaneus).

Habitatrichtlinie

6

Der zehnte Erwägungsgrund der Habitatrichtlinie lautet:

„Pläne und Projekte, die sich auf die mit der Ausweisung eines Gebiets verfolgten Erhaltungsziele wesentlich auswirken könnten, sind einer angemessenen Prüfung zu unterziehen.“

7

Art. 2 dieser Richtlinie bestimmt:

„(1)   Diese Richtlinie hat zum Ziel, zur Sicherung der Artenvielfalt durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten, für das der [AEU‑]Vertrag Geltung hat, beizutragen.

(2)   Die aufgrund dieser Richtlinie getroffenen Maßnahmen zielen darauf ab, einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume und wildlebenden Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse zu bewahren oder wiederherzustellen.

(3)   Die aufgrund dieser Richtlinie getroffenen Maßnahmen tragen den Anforderungen von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur sowie den regionalen und örtlichen Besonderheiten Rechnung.“

8

Art. 6 der Richtlinie bestimmt:

„(1)   Für die besonderen Schutzgebiete legen die Mitgliedstaaten die nötigen Erhaltungsmaßnahmen fest, die gegebenenfalls geeignete, eigens für die Gebiete aufgestellte oder in andere Entwicklungspläne integrierte Bewirtschaftungspläne und geeignete Maßnahmen rechtlicher, administrativer oder vertraglicher Art umfassen, die den ökologischen Erfordernissen der natürlichen Lebensraumtypen nach Anhang I und der Arten nach Anhang II entsprechen, die in diesen Gebieten vorkommen.

(2)   Die Mitgliedstaaten treffen die geeigneten Maßnahmen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten.

(3)   Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, erfordern eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung und vorbehaltlich des Absatzes 4 stimmen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden dem Plan bzw. Projekt nur zu, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird, und nachdem sie gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört haben.

(4)   Ist trotz negativer Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art ein Plan oder Projekt durchzuführen und ist eine Alternativlösung nicht vorhanden, so ergreift der Mitgliedstaat alle notwendigen Ausgleichsmaßnahmen, um sicherzustellen, dass die globale Kohärenz von Natura 2000 geschützt ist. Der Mitgliedstaat unterrichtet die Kommission über die von ihm ergriffenen Ausgleichsmaßnahmen.

Ist das betreffende Gebiet ein Gebiet, das einen prioritären natürlichen Lebensraumtyp und/oder eine prioritäre Art einschließt, so können nur Erwägungen im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen und der öffentlichen Sicherheit oder im Zusammenhang mit maßgeblichen günstigen Auswirkungen für die Umwelt oder, nach Stellungnahme der Kommission, andere zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses geltend gemacht werden.“

9

Nach Art. 7 der Habitatrichtlinie gelten die Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 2 bis 4 dieser Richtlinie für besondere Schutzgebiete (im Folgenden: BSG) im Sinne der Vogelschutzrichtlinie.

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

10

Der Ausgangsrechtsstreit betrifft ein Windparkprojekt, das von Coillte, einem staatlichen Forstunternehmen, und ESB Wind Developments gemeinsam entwickelt und betrieben werden soll und das sich im BSG Slieve Felim to Silvermines Mountains (in den Counties Limerick bzw. Tipperary, Irland) befindet (im Folgenden: in Rede stehendes Projekt).

11

Dieses Gebiet wurde als BSG im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 4 der Vogelschutzrichtlinie eingestuft, weil es den natürlichen Lebensraum einer in Anhang I dieser Richtlinie aufgeführten Vogelart, nämlich der Kornweihe, einschließt. Dieses Gebiet, das sich über 20935 ha erstreckt, umfasst insbesondere offene, nicht bepflanzte Moor- und Heidegebiete und 12078 ha bewaldete Flächen. Die gesamte Fläche kann aufgrund ihrer Eigenschaften potenziell als Lebensraum für diese Art dienen.

12

Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts soll das in Rede stehende Projekt eine Fläche von 832 ha des BSG einnehmen, die im Wesentlichen aus Nadelbaumanpflanzungen in erster und zweiter Rotation sowie nicht bepflanzten Mooren und Heiden bestehe. Der Bau von 16 Windkraftanlagen und Begleitanlagen erfordere, dass die Bäume an ihrem jeweiligen Standort gefällt würden. Einer Schätzung zufolge seien 41,7 ha der Fläche von der Rodung betroffen. Das Projekt führe zur dauerhaften Zerstörung von 9 ha Lebensraum, die den Flächen entsprächen, auf denen die Bauten errichtet würden, sowie zur vorübergehenden Zerstörung einer Fläche von 1,7 ha Lebensraum, die für den Bau von temporären Absetzteichen verwendet werde. Angenommen, die nahrungssuchenden Vögel hielten einen Abstand von mindestens 250 m zu einer Turbine, könnte der Gesamtverlust von Lebensraum zur Nahrungssuche aufgrund dieser Tatsache außerdem 162,7 ha betragen.

13

Das in Rede stehende Projekt wird von einem Bewirtschaftungsplan für Arten und Lebensräume (im Folgenden: Bewirtschaftungsplan) begleitet. Dieser Plan, der innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren umzusetzen ist, enthält Maßnahmen, um mögliche Auswirkungen des Windparks auf den Lebensraum zur Nahrungssuche der Kornweihe zu beseitigen. Erstens sollen nach dem Bewirtschaftungsplan drei derzeit bepflanzte Gebiete, die insgesamt 41,2 ha umfassen, vor der Errichtung des Windparks zu Flächenmoor renaturiert werden; davon werden 14,2 ha im Umkreis von 250 m um eine Windkraftanlage liegen. Zweitens soll nach dem Plan über die Entwicklungsphase des in Rede stehenden Projekts 137,3 ha Wald in zweiter Rotation einer „behutsamen“ Bewirtschaftung unterzogen werden, die das Roden und Ersetzen des Waldes mit derzeit geschlossenem Kronendach vorsehe, so dass 137,3 ha Wald mit offenem Kronendach als für die Kornweihe geeigneter Lebensraum zur Nahrungssuche sichergestellt und ein ökologischer Korridor zwischen zwei offenen Moorbereichen geschaffen wird. Dies soll in Phasen geschehen, beginnend ein Jahr vor den Bauarbeiten. Drittens werden die Bauarbeiten generell auf Zeiten außerhalb der Hauptbrutzeit der Kornweihe beschränkt sein.

14

Mit Entscheidung vom 22. Juli 2014 genehmigte der An Bord das in Rede stehende Projekt, da dieses nicht das BSG als solches beeinträchtige.

15

Frau Grace und Herr Sweetman reichten beim High Court (Hoher Gerichtshof, Irland) Klage ein, mit der sie die Entscheidung des An Bord anfochten. Mit Entscheidungen vom 1. Oktober und vom 4. Dezember 2015 wies dieses Gericht ihre Klage ab und bestätigte die Entscheidung des An Bord.

16

Mit Entscheidung vom 26. Februar 2016 wurde das Rechtsmittel von Frau Grace und Herrn Sweetman gegen diese Entscheidung beim vorlegenden Gericht, dem Supreme Court (Oberster Gerichtshof, Irland) zugelassen. Mit Urteil vom 24. Februar 2017 entschied dieses Gericht endgültig über zwei der drei Rechtsmittelgründe. Die abschließende Entscheidung über das Rechtsmittel hänge jedoch von der Auslegung von Art. 6 Abs. 3 und 4 der Habitatrichtlinie ab.

17

Nach Auffassung von Frau Grace und Herrn Sweetman hätte An Bord zu der Feststellung gelangen müssen, dass das in Rede stehende Projekt und der dieses begleitende Bewirtschaftungsplan Ausgleichsmaßnahmen beinhalteten, so dass die Prüfung unter Berücksichtigung der in Art. 6 Abs. 4 dieser Richtlinie vorgesehenen Kriterien hätte vorgenommen werden müssen.

18

An Bord und die Streithelfer des Ausgangsverfahrens machen geltend, dass zur Beurteilung der Frage, ob das Projekt das BSG im Sinne von Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie als solches beeinträchtigen könne, berücksichtigt werden müsse, dass sich kein Teil des bewaldeten Sektors des Gebiets je dauerhaft in einem Zustand befinden werde, der einen geeigneten Lebensraum biete.

19

Insoweit weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass Kornweihen in erster Linie Vögel der offenen Landschaft seien, die zur Nahrungssuche weite Flächen geeigneten Landes brauchten. Das Nisten sei davon hingegen weniger abhängig, da dies auf einem beschränkteren geografischen Raum und in verschiedenen Lebensraumtypen erfolgen könne. Im Übrigen ergebe sich der Rückgang der Population der geschützten Art eher aus der etwaigen Verschlechterung des Nahrungs- als ihres Nistlebensraums. Auch wenn nicht bepflanzte Moore und Heiden traditionell als Hauptlebensraum der Kornweihen gälten, sei mit der Verbreitung des kommerziellen Forstwesens beobachtet worden, dass junge Nadelholzforste auf Mooren den Kornweihen die Möglichkeit böten, dort Nahrung zu suchen. Aus diesen Erwägungen ergebe sich hingegen, dass ein nicht durchgeforsteter oder beernteter, also naturbelassener Wald, der ein geschlossenes Kronendach ausgebildet habe, kein geeignetes Gebiet zur Nahrungssuche sei.

20

Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt sich, dass der zwei Rotationsphasen umfassende durchschnittliche Produktionszyklus in der kommerziellen Forstwirtschaft 40 Jahre beträgt. Die Teile des Gebiets, in dem die Forste nach Abschluss der ersten Phase ausgewachsen sind, und die daher ein geschlossenes Kronendach bilden, werden gerodet. Anschließend findet eine Neupflanzungsphase statt, in der wiederum in einem Teil des Gebiets Flächen mit offenem Kronendach geschaffen werden, was für die Nahrungssuche der Kornweihe günstig ist. Daraus folgt, dass sich der Lebensraum für die Nahrungssuche dieser Art im BSG ständig verändert und von diesen mit der Forstbewirtschaftung verbundenen Phasen abhängt. Würden die Forste nicht aktiv bewirtschaftet, würde dies daher aufgrund des schrittweisen Verlusts von Teilen der Flächen mit offenem Kronendach zum Verlust des Lebensraums für die Nahrungssuche der Kornweihe führen. Nach den verfügbaren Studien variiert die Population der geschützten Art nämlich entsprechend der Verfügbarkeit von Forsten mit offenem Kronendach nach oben oder nach unten. Im vorliegenden Fall sinkt der Anteil von Forsten mit offenem Kronendach allmählich von 14 % der gesamten Waldfläche in den Jahren 2014 bis 2018 auf ein Minimum von 8 % in den Jahren 2024 bis 2028.

21

Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass es zu prüfen habe, ob An Bord zu Unrecht angenommen habe, dass das in Rede stehende Projekt und der Bewirtschaftungsplan Regelungen zur Schadensbegrenzung enthielten, so dass An Bord seine Verträglichkeitsprüfung einzig nach Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie durchzuführen brauchte.

22

Insoweit möchte das vorlegende Gericht wissen, ob diese Bestimmung dahin auszulegen ist, dass die Maßnahmen, die im Rahmen des Bewirtschaftungsplans vorgeschlagen werden, der das in Rede stehende Projekt begleitet und sicherstellen soll, dass die Gesamtfläche, die einen geeigneten Lebensraum bietet, nicht verringert wird und sogar vergrößert werden kann, im vorliegenden Fall als schadensbegrenzende Maßnahmen qualifiziert werden können oder ob sie als Ausgleichsmaßnahmen im Sinne von Art. 6 Abs. 4 der Habitatrichtlinie anzusehen sind.

23

Vor diesem Hintergrund hat der Supreme Court (Oberster Gerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Können für den Fall, dass

a)

der wesentliche Zweck eines Schutzgebiets darin liegt, einer bestimmten Art Lebensraum zu bieten,

b)

die Natur des für diese Art günstigen Lebensraums bedeutet, dass sich der günstige Teil des Gebiets zwangsläufig mit der Zeit verändert, und

c)

als Teil eines beantragten Projekts ein Bewirtschaftungsplan für das Gebiet als Ganzes (einschließlich Änderungen bei der Bewirtschaftung von Teilen des Gebiets, die nicht unmittelbar von dem Projekt selbst betroffen sind) zu erstellen ist, der darauf ausgelegt ist, sicherzustellen, dass die Größe des als Lebensraum geeigneten Gebiets zu keinem Zeitpunkt verkleinert wird, sondern sogar vergrößert werden kann, aber

d)

bei einem Teil des Gebiets für die Dauer des Projekts ausgeschlossen ist, dass er einen geeigneten Lebensraum bieten kann,

Maßnahmen wie die in Buchst. c genannten richtigerweise als schadensbegrenzend angesehen werden?

Zur Vorlagefrage

24

Zunächst ist klarzustellen, dass die Frage des vorlegenden Gerichts, die im Licht der in der Vorlageentscheidung enthaltenen Angaben zu sehen ist, die Auslegung von Art. 6 Abs. 3 und 4 der Habitatrichtlinie betrifft, obwohl sie keinen Verweis auf unionsrechtliche Bestimmungen enthält.

25

Sodann ist im Hinblick auf den Wortlaut der vorgelegten Frage hinzuzufügen, dass in Art. 6 dieser Richtlinie nicht von einer „Maßnahme zur Schadensbegrenzung“ die Rede ist (Urteile vom 21. Juli 2016, Orleans u. a., C‑387/15 und C‑388/15, EU:C:2016:583, Rn. 57, sowie vom 12. April 2018, People Over Wind und Sweetman, C‑323/17, EU:C:2018:244, Rn. 25).

26

Der Gerichtshof hat bereits festgestellt, dass die praktische Wirksamkeit der in Art. 6 der Habitatrichtlinie vorgesehenen Schutzmaßnahmen verhindern soll, dass die zuständige nationale Behörde durch sogenannte „abmildernde“ Maßnahmen, die in Wirklichkeit Ausgleichsmaßnahmen entsprechen, die in dieser Vorschrift festgelegten spezifischen Verfahren umgeht, indem sie nach Art. 6 Abs. 3 Projekte genehmigt, die das betreffende Gebiet als solches beeinträchtigen (Urteil vom 21. Juli 2016, Orleans u. a., C‑387/15 und C‑388/15, EU:C:2016:583, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27

Schließlich treten bei nach der Anwendung der Habitatrichtlinie zu BSG erklärten Gebieten die Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie nach deren Art. 7 ab dem Datum, zu dem das betreffende Gebiet zum besonderen Schutzgebiet erklärt wird, an die Stelle der Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der Vogelschutzrichtlinie (Urteil vom 17. April 2018, Kommission/Polen [Wald von Białowieża], C‑441/17, EU:C:2018:255, Rn. 109 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28

Folglich ist die Vorlagefrage so zu verstehen, dass das vorlegende Gericht wissen möchte, ob Art. 6 der Habitatrichtlinie dahin auszulegen ist, dass, wenn ein Projekt in einem Gebiet verwirklicht werden soll, das zum Schutz und zur Erhaltung einer Art ausgewiesen ist und dessen Fläche, die geeignet ist, den Bedürfnissen einer geschützten Art gerecht zu werden, sich im Lauf der Zeit verändert, und dieses Projekt zur Folge hat, dass bestimmte Teile dieses Gebiets vorübergehend oder dauerhaft keinen geeigneten Lebensraum für die betreffende Art mehr bieten können, der Umstand, dass dieses Projekt Maßnahmen umfasst, die nach Durchführung einer angemessenen Prüfung der Verträglichkeit dieses Projekts und für die Dauer dieses Projekts sicherstellen, dass der Teil dieses Gebiets, der konkret einen geeigneten Lebensraum bieten kann, nicht verkleinert wird, sondern sogar vergrößert werden kann, bei der nach Art. 6 Abs. 3 durchzuführenden Prüfung, mit der sichergestellt werden soll, dass das in Rede stehende Projekt das betreffende Gebiet als solches nicht beeinträchtigt, berücksichtigt werden kann oder ob ein solcher Umstand gegebenenfalls unter Abs. 4 dieses Artikels fällt.

29

Art. 6 der Habitatrichtlinie sieht eine ganze Reihe besonderer Verpflichtungen und Verfahren vor, die, wie sich aus ihrem Art. 2 Abs. 2 ergibt, darauf abzielen, einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume und der wildlebenden Tier- und Pflanzenarten von Interesse für die Union zu bewahren oder gegebenenfalls wiederherzustellen, um das allgemeinere Ziel der Richtlinie, ein hohes Niveau des Umweltschutzes für die gemäß der Richtlinie geschützten Gebiete zu gewährleisten, zu verwirklichen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. November 2016, Lesoochranárske zoskupenie VLK, C‑243/15, EU:C:2016:838, Rn. 43, und vom 17. April 2018, Kommission/Polen [Wald von Białowieża], C‑441/17, EU:C:2018:255, Rn. 106).

30

Insoweit sind die Bestimmungen von Art. 6 der Habitatrichtlinie am Maßstab der mit der Richtlinie verfolgten Erhaltungsziele ein zusammenhängender Normenkomplex. Die Abs. 2 und 3 dieses Artikels sollen nämlich das gleiche Schutzniveau für natürliche Lebensräume und Habitate von Arten gewährleisten, während Abs. 4 dieses Artikels nur eine Ausnahme von Abs. 3 Satz 2 darstellt (Urteil vom 12. April 2018, People Over Wind und Sweetman, C‑323/17, EU:C:2018:244, Rn. 24 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

31

Nach dem zehnten Erwägungsgrund der Habitatrichtlinie sind Pläne und Projekte, die sich auf die mit der Ausweisung eines Gebiets verfolgten Erhaltungsziele wesentlich auswirken könnten, einer angemessenen Prüfung zu unterziehen. Dieser Erwägungsgrund findet seine Ausprägung in Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie, wonach u. a. Pläne oder Projekte, die das betreffende Gebiet erheblich beeinträchtigen könnten, nur dann genehmigt werden können, wenn ihre Verträglichkeit mit diesem Gebiet vorher geprüft worden ist (Urteil vom 12. April 2018, People Over Wind und Sweetman, C‑323/17, EU:C:2018:244, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32

Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie sieht zwei Phasen vor. Die erste, in Satz 1 dieser Bestimmung umschriebene Phase verlangt von den Mitgliedstaaten eine angemessene Prüfung der Verträglichkeit von Plänen oder Projekten mit einem geschützten Gebiet, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese Pläne oder Projekte dieses Gebiet erheblich beeinträchtigen. In der in Satz 2 dieser Bestimmung umschriebenen zweiten Phase, die sich an die genannte Verträglichkeitsprüfung anschließt, wird die Zustimmung zu einem solchen Plan oder Projekt vorbehaltlich der Bestimmungen des Art. 6 Abs. 4 der Habitatrichtlinie nur erteilt, wenn das betreffende Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird (Urteil vom 12. April 2018, People Over Wind und Sweetman, C‑323/17, EU:C:2018:244, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33

Die vorgelegte Frage ist im Licht der vorstehenden Erwägungen zu beantworten.

34

Erstens muss ein Gebiet, damit es nicht im Sinne von Art. 6 Abs. 3 Satz 2 der Habitatrichtlinie als solches beeinträchtigt wird, in einem günstigen Erhaltungszustand verbleiben, was voraussetzt, dass seine grundlegenden Eigenschaften, die mit dem Vorkommen eines natürlichen Lebensraumtyps zusammenhängen, zu dessen Erhaltung das Gebiet in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung im Sinne dieser Richtlinie aufgenommen wurde, dauerhaft erhalten werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. Juli 2016, Orleans u. a., C‑387/15 und C‑388/15, EU:C:2016:583, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 17. April 2018, Kommission/Polen [Wald von Białowieża], C‑441/17, EU:C:2018:255, Rn. 116).

35

Nach Art. 4 Abs. 1 der Vogelschutzrichtlinie setzt die Ausweisung eines Gebiets als BSG zur Erhaltung einer Art voraus, dass die grundlegenden Eigenschaften des Lebensraums dieses Gebiets dauerhaft erhalten bleiben, dessen Ziel, das die Ausweisung des Gebiets als Schutzgebiet rechtfertigt, das Überleben der betreffenden Art und ihre Vermehrung ist.

36

Im Ausgangsverfahren ist, wie das vorlegende Gericht angibt und auch der Generalanwalt in den Nrn. 13 und 74 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, unstreitig, dass das Erhaltungsziel des BSG darin besteht, den günstigen Erhaltungszustand der Kornweihe zu erhalten oder wiederherzustellen. Das BSG ermöglicht die Verwirklichung dieses Ziels insbesondere dadurch, dass es der geschützten Art einen Lebensraum mit einem Gebiet zur Nahrungssuche bietet.

37

Was zweitens die Auswirkungen des in Rede stehenden Projekts auf das BSG angeht, weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass der Bewirtschaftungsplan gewährleisten soll, dass die Fläche des Gebiets, die der Kornweihe als Lebensraum zur Nahrungssuche dient, zu keinem Zeitpunkt verkleinert wird, sondern sogar vergrößert werden kann, obwohl bei einem Teil des Gebiets für die Dauer der Entwicklung des in Rede stehenden Projekts ausgeschlossen ist, dass er einen geeigneten Lebensraum bieten kann.

38

Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie sieht ein Prüfverfahren vor, das durch eine vorherige Prüfung gewährleisten soll, dass Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des betreffenden Gebiets in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, dieses jedoch erheblich beeinträchtigen könnten, nur genehmigt werden, soweit sie das Gebiet als solches nicht beeinträchtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. April 2018, Kommission/Polen [Wald von Białowieża], C‑441/17, EU:C:2018:255, Rn. 108 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39

Die Prüfung nach dieser Bestimmung darf nicht lückenhaft sein und muss vollständige, präzise und endgültige Feststellungen enthalten, die geeignet sind, jeden vernünftigen wissenschaftlichen Zweifel hinsichtlich der Auswirkungen der in dem betreffenden Schutzgebiet geplanten Arbeiten auszuräumen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. April 2018, People Over Wind und Sweetman, C‑323/17, EU:C:2018:244, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40

Bei der nach dieser Bestimmung durchzuführenden Prüfung eines Plans oder Projekts auf Verträglichkeit mit dem betreffenden Gebiet sind unter Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse sämtliche Gesichtspunkte des Plans oder Projekts zu ermitteln, die für sich oder in Verbindung mit anderen Plänen oder Projekten die für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungsziele beeinträchtigen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. April 2018, Kommission/Polen [Wald von Białowieża], C‑441/17, EU:C:2018:255, Rn. 113 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41

Zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung, mit der das Projekt genehmigt wird, darf aus wissenschaftlicher Sicht kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass es sich nicht nachteilig auf das betreffende Gebiet als solches auswirkt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. April 2018, Kommission/Polen [Wald von Białowieża], C‑441/17, EU:C:2018:255, Rn. 120 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42

Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung erstens hervor, dass das vorlegende Gericht den dauerhaften und direkten Verlust an Fläche, die einen für die Kornweihe geeigneten Lebensraum einschließt, auf 9 ha bemisst. Zweitens entspreche die zur Errichtung von Windkraftanlagen und deren Infrastruktur zu rodende bewaldete Fläche einem Wegfall von 41,7 ha dieses Lebensraums. Drittens könne der während des Projekts nicht als Lebensraum zur Verfügung stehende Teil des Gebiets 162,7 ha erreichen. Viertens sei auch zu berücksichtigen, dass während der Entwicklungsphase des in Rede stehenden Projekts die Waldfläche mit offenem Kronendach, die eine der grundlegenden Eigenschaften des Lebensraums für die Nahrungssuche der geschützten Art darstellt, ständig abnehme.

43

Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung eines Gebiets in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, dieses Gebiet erheblich beeinträchtigen könnten, wenn sie die dafür festgelegten Erhaltungsziele zu gefährden drohen. Die Beurteilung einer solchen Gefahr ist namentlich im Licht der besonderen Merkmale und Umweltbedingungen des von diesen Plänen oder Projekten betroffenen Gebiets vorzunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. Mai 2014, Briels u. a., C‑521/12, EU:C:2014:330, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 21. Juli 2016, Orleans u. a., C‑387/15 und C‑388/15, EU:C:2016:583, Rn. 45).

44

Drittens und letztens bestehen die Maßnahmen, die nach dem Bewirtschaftungsplan in das in Rede stehende Projekt aufgenommen werden, um dessen Auswirkungen zu beseitigen, zum einen darin, die Flächenmoor- und Feuchtgebiete auf einer Fläche von 41,2 ha (davon liegen 14,2 ha im Umkreis von 250 m um eine Windkraftanlage) wiederherzustellen und zum anderen darin, für die Kornweihe und andere Tiere während der Laufzeit des Projekts optimalen Lebensraum in dem Gebiet zu schaffen, insbesondere indem auf einer Fläche von 137,3 ha Wald mit derzeit geschlossenem Kronendach gerodet und ersetzt wird und dadurch auf längere Sicht ein Gebiet mit offenem Kronendach sichergestellt wird.

45

Das vorlegende Gericht weist auf einen Umstand hin, der seiner Ansicht nach für die Beantwortung seiner Frage insofern entscheidend sein kann, als er den Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache von dem der Rechtssachen unterscheidet, in denen die Urteile vom 15. Mai 2014, Briels u. a. (C‑521/12, EU:C:2014:330), und vom 21. Juli 2016, Orleans u. a. (C‑387/15 und C‑388/15, EU:C:2016:583), ergangen sind.

46

Die Bewirtschaftung des BSG zur Erhaltung des natürlichen Lebensraums der Kornweihe erfolge „dynamisch“, also in dem Sinn, dass die für einen Lebensraum geeigneten Flächen entsprechend der Bewirtschaftung geografisch und im Lauf der Zeit variierten.

47

Hierzu ergibt sich, wie der Generalanwalt in Nr. 58 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, aus Art. 6 Abs. 3 und 4 der Habitatrichtlinie sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass zwischen in das Projekt aufgenommenen Schutzmaßnahmen, mit denen die etwaigen durch dieses Projekt unmittelbar verursachten schädlichen Auswirkungen verhindert oder verringert werden sollen, um dafür zu sorgen, dass das Projekt das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt, die unter Abs. 3 dieses Artikels fallen, und Maßnahmen im Sinne von Abs. 4 dieses Artikels, mit denen die schädlichen Auswirkungen auf ein geschütztes Gebiet ausgeglichen werden sollen, die im Rahmen der Prüfung der Verträglichkeit dieses Projekts nicht berücksichtigt werden dürfen, zu unterscheiden ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. Mai 2014, Briels u. a., C‑521/12, EU:C:2014:330, Rn. 28 und 29, vom 21. Juli 2016, Orleans u. a., C‑387/15 und C‑388/15, EU:C:2016:583, Rn. 48, und vom 26. April 2017, Kommission/Deutschland, C‑142/16, EU:C:2017:301, Rn. 34 und 71).

48

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Feststellungen des vorlegenden Gerichts, dass bestimmte Teile des BSG keinen geeigneten Lebensraum mehr bieten könnten, wenn das in Rede stehende Projekt abgeschlossen wird, dass ein Bewirtschaftungsplan aber sicherstellen soll, dass der Teil des BSG, der einen geeigneten Lebensraum bieten kann, nicht verkleinert wird, sondern sogar vergrößert werden kann.

49

Unter diesen Umständen ähneln sich, wie der Generalanwalt in den Nrn. 71 ff. seiner Schlussanträge ausgeführt hat, der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und derjenige, der den Urteilen vom 15. Mai 2014, Briels u. a. (C‑521/12, EU:C:2014:330), und vom 21. Juli 2016, Orleans u. a. (C‑387/15 und C‑388/15, EU:C:2016:583), zugrunde lag, trotz ihrer Unterschiede darin, dass zum Zeitpunkt der Prüfung der Verträglichkeit des Plans oder Projekts mit dem betreffenden Gebiet von der gleichen Annahme ausgegangen wird, dass die künftigen Vorteile die Auswirkungen des Windparks auf dieses Gebiet beseitigen werden, obwohl diese Vorteile ungewiss sind. Die Erkenntnisse, die sich aus diesen Urteilen ergeben, sind daher auf einen Sachverhalt wie den des Ausgangsverfahrens übertragbar.

50

In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass in einem Projekt vorgesehene Maßnahmen, mit denen dessen schädliche Auswirkungen ausgeglichen werden sollen, im Rahmen der Prüfung der Verträglichkeit des Projekts nach Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie nicht berücksichtigt werden dürfen (Urteile vom 15. Mai 2014, Briels u. a., C‑521/12, EU:C:2014:330, Rn. 29, und vom 21. Juli 2016, Orleans u. a., C‑387/15 und C‑388/15, EU:C:2016:583, Rn. 48).

51

Nur wenn ausreichende Gewissheit besteht, dass eine Maßnahme wirksam dazu beitragen wird, eine Beeinträchtigung zu vermeiden, und gewährleistet, dass kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass das Gebiet als solches durch das Projekt nicht beeinträchtigt wird, kann eine solche Maßnahme bei der Verträglichkeitsprüfung berücksichtigt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. April 2017, Kommission/Deutschland, C‑142/16, EU:C:2017:301, Rn. 38).

52

Die etwaigen positiven Auswirkungen der künftigen Schaffung eines neuen Lebensraums, der den Verlust an Fläche und Qualität desselben Lebensraumtyps in einem Schutzgebiet ausgleichen soll, lassen sich indessen im Allgemeinen nur schwer vorhersehen oder werden erst später erkennbar sein (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Juli 2016, Orleans u. a., C‑387/15 und C‑388/15, EU:C:2016:583, Rn. 52 und 56 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

53

Nicht der Umstand, dass sich der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Lebensraum ständig verändert und dieses Gebiet eine „dynamische“ Bewirtschaftung erfordert, ist die Quelle der Ungewissheit. Diese ergibt sich vielmehr aus der Feststellung gewisser oder möglicher Beeinträchtigungen des betreffenden Gebiets als solches als Lebensraum und zur Nahrungsbeschaffung und daher einer der grundlegenden Eigenschaften dieses Gebiets sowie aus der Einbeziehung künftiger, sich aus dem Erlass von Maßnahmen ergebender Vorteile, in die Verträglichkeitsprüfung, deren Eintritt zum Zeitpunkt dieser Prüfung lediglich möglich erscheint, da die Umsetzung dieser Maßnahmen noch nicht abgeschlossen ist. Vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfung konnten diese Vorteile daher zu dem Zeitpunkt, zu dem die Behörden das in Rede stehende Projekt genehmigt haben, nicht mit der erforderlichen Sicherheit vorhergesehen werden.

54

Diese Erwägungen werden durch den Umstand bestätigt, dass Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie den Vorsorgegrundsatz einschließt und es erlaubt, durch Pläne oder Projekte entstehende Beeinträchtigungen der Schutzgebiete als solche wirksam zu verhüten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. Mai 2014, Briels u. a., C‑521/12, EU:C:2014:330, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

55

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 6 Abs. 4 der Habitatrichtlinie für den Fall, dass ein Plan oder Projekt trotz negativer Ergebnisse der nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 dieser Richtlinie durchgeführten Verträglichkeitsprüfung aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art durchzuführen ist und eine Alternativlösung nicht vorhanden ist, der betreffende Mitgliedstaat alle notwendigen Ausgleichsmaßnahmen ergreift, um sicherzustellen, dass „die globale Kohärenz von Natura 2000“ geschützt ist.

56

Daher können die zuständigen nationalen Behörden in diesem Kontext nach Art. 6 Abs. 4 der Habitatrichtlinie eine Genehmigung nur erteilen, wenn die dort festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind (Urteil vom 21. Juli 2016, Orleans u. a., C‑387/15 und C‑388/15, EU:C:2016:583, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

57

Daher ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 6 der Habitatrichtlinie dahin auszulegen ist, dass, wenn ein Projekt in einem Gebiet verwirklicht werden soll, das zum Schutz und zur Erhaltung einer Art ausgewiesen ist, und dessen Fläche, die geeignet ist, den Bedürfnissen einer geschützten Art gerecht zu werden, sich im Lauf der Zeit verändert, und dieses Projekt zur Folge hat, dass bestimmte Teile dieses Gebiets vorübergehend oder dauerhaft keinen geeigneten Lebensraum für die betreffende Art mehr bieten können, der Umstand, dass dieses Projekt Maßnahmen umfasst, die nach Durchführung einer angemessenen Prüfung der Verträglichkeit dieses Projekts und für die Dauer dieses Projekts sicherstellen, dass der Teil dieses Gebiets, der konkret einen geeigneten Lebensraum bieten kann, nicht verkleinert wird, sondern sogar vergrößert werden kann, bei der nach Art. 6 Abs. 3 durchzuführenden Prüfung, mit der sichergestellt werden soll, dass das in Rede stehende Projekt das betreffende Gebiet als solches nicht beeinträchtigt, nicht berücksichtigt werden kann, sondern gegebenenfalls unter Abs. 4 dieses Artikels fällt.

Kosten

58

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 6 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen ist dahin auszulegen, dass, wenn ein Projekt in einem Gebiet verwirklicht werden soll, das zum Schutz und zur Erhaltung einer Art ausgewiesen ist, und dessen Fläche, die geeignet ist, den Bedürfnissen einer geschützten Art gerecht zu werden, sich im Lauf der Zeit verändert, und dieses Projekt zur Folge hat, dass bestimmte Teile dieses Gebiets vorübergehend oder dauerhaft keinen geeigneten Lebensraum für die betreffende Art mehr bieten können, der Umstand, dass dieses Projekt Maßnahmen umfasst, die nach Durchführung einer angemessenen Prüfung der Verträglichkeit dieses Projekts und für die Dauer dieses Projekts sicherstellen, dass der Teil dieses Gebiets, der konkret einen geeigneten Lebensraum bieten kann, nicht verkleinert wird, sondern sogar vergrößert werden kann, bei der nach Art. 6 Abs. 3 durchzuführenden Prüfung, mit der sichergestellt werden soll, dass das in Rede stehende Projekt das betreffende Gebiet als solches nicht beeinträchtigt, nicht berücksichtigt werden kann, sondern gegebenenfalls unter Abs. 4 dieses Artikels fällt.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

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EUGH C-164/17 zitiert 1 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG