EUGH C-123/16

ECLI:ECLI:EU:C:2018:590
bei uns veröffentlicht am25.07.2018

Gericht

Europäischer Gerichtshof

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

25. Juli 2018 ( *1 )

„Rechtsmittel – Wettbewerb – Art. 102 AEUV – Missbrauch einer beherrschenden Stellung – Polnische Vorleistungsmärkte für den Breitband‑Internetzugang über das Festnetz – Weigerung, Zugang zum Netz zu gewähren und Produkte auf Vorleistungsebene bereitzustellen – Verordnung (EG) Nr. 1/2003 – Art. 7 Abs. 1 – Art. 23 Abs. 2 Buchst. a – Berechtigtes Interesse an der Feststellung einer abgestellten Zuwiderhandlung – Berechnung der Geldbuße – Leitlinien von 2006 für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Art. 23 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1/2003 – Schwere – Mildernde Umstände – Investitionen des zuwiderhandelnden Unternehmens – Rechtmäßigkeitskontrolle – Unbeschränkte Nachprüfung – Auswechslung der Begründung“

In der Rechtssache C‑123/16 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 27. Februar 2016,

Orange Polska SA mit Sitz in Warschau (Polen), Prozessbevollmächtigte: S. Hautbourg, avocat, P. Paśnik und M. Modzelewska de Raad, adwokaci, A. Howard, Barrister, und D. Beard, QC,

Klägerin,

andere Parteien des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch J. Szczodrowski, L. Malferrari und É. Gippini Fournier als Bevollmächtigte,

Beklagte im ersten Rechtszug,

Polska Izba Informatyki i Telekomunikacji mit Sitz in Warschau, Prozessbevollmächtigter: P. Litwiński, adwokat,

European Competitive Telecommunications Association AISBL (ECTA), vormals European Competitive Telecommunications Association, mit Sitz in Brüssel (Belgien), Prozessbevollmächtigte: G. I. Moir und J. MacKenzie, Solicitors,

Streithelferinnen im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, des Richters A. Rosas, der Richterinnen C. Toader und A. Prechal sowie des Richters E. Jarašiūnas (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2017,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 21. Februar 2018

folgendes

Urteil

1

Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Orange Polska SA (im Folgenden: Orange), das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 17. Dezember 2015, Orange Polska/Kommission (T‑486/11, EU:T:2015:1002) (im Folgenden: angefochtenes Urteil), aufzuheben, mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses K(2011) 4378 endg. der Kommission vom 22. Juni 2011 in einem Verfahren nach Art. 102 AEUV (Sache COMP/39.525 – Telekomunikacja Polska) (im Folgenden: streitiger Beschluss) abgewiesen hat, und, hilfsweise, diesen Beschluss für nichtig zu erklären.

Rechtlicher Rahmen

Verordnung (EG) Nr. 1/2003

2

Im elften Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101 und 102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) heißt es:

„Zur Erfüllung ihrer Aufgabe, für die Anwendung des Vertrags Sorge zu tragen, sollte die [Europäische] Kommission an Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen Entscheidungen mit dem Ziel richten können, Zuwiderhandlungen gegen die Artikel [101 und 102 AEUV] abzustellen. Sie sollte, sofern ein berechtigtes Interesse besteht, auch dann Entscheidungen zur Feststellung einer Zuwiderhandlung erlassen können, wenn die Zuwiderhandlung beendet ist, selbst wenn sie keine Geldbuße auferlegt. …“

3

Art. 4 in Kapitel II („Zuständigkeit“) dieser Verordnung sieht vor, dass die Kommission „[z]ur Anwendung der Artikel [101 und 102 AEUV] … über die in dieser Verordnung vorgesehenen Befugnisse [verfügt]“.

4

Art. 7 („Feststellung und Abstellung von Zuwiderhandlungen“) in Kapitel III („Entscheidungen der Kommission“) der Verordnung bestimmt in Abs. 1:

„Stellt die Kommission auf eine Beschwerde hin oder von Amts wegen eine Zuwiderhandlung gegen Artikel [101 oder 102 AEUV] fest, so kann sie die beteiligten Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung verpflichten, die festgestellte Zuwiderhandlung abzustellen. Sie kann ihnen hierzu alle erforderlichen Abhilfemaßnahmen verhaltensorientierter oder struktureller Art vorschreiben … Soweit die Kommission ein berechtigtes Interesse hat, kann sie auch eine Zuwiderhandlung feststellen, nachdem diese beendet ist.“

5

Art. 16 in Kapitel IV („Zusammenarbeit“) der Verordnung sieht in Abs. 1 u. a. vor, dass, „[w]enn Gerichte der Mitgliedstaaten nach Artikel [101 oder 102 AEUV] über … Verhaltensweisen zu befinden haben, die bereits Gegenstand einer Entscheidung der Kommission sind, dürfen sie keine Entscheidungen erlassen, die der Entscheidung der Kommission zuwiderlaufen“.

6

Kapitel VI der Verordnung Nr. 1/2003 regelt die Sanktionen. In diesem Kapitel sieht Art. 23 („Geldbußen“) vor:

„…

(2)   Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen verhängen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig

a)

gegen Artikel [101 oder 102 AEUV] verstoßen …

…“

7

Art. 25 („Verfolgungsverjährung“) in Kapitel VII („Verjährung“) dieser Verordnung sieht in den Abs. 1 und 2 vor:

„(1)   Die Befugnis der Kommission nach den Artikeln 23 und 24 verjährt

a)

in drei Jahren bei Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften über die Einholung von Auskünften oder die Vornahme von Nachprüfungen,

b)

in fünf Jahren bei den übrigen Zuwiderhandlungen.

(2)   Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Tag, an dem die Zuwiderhandlung begangen worden ist. Bei dauernden oder fortgesetzten Zuwiderhandlungen beginnt die Verjährung jedoch erst mit dem Tag, an dem die Zuwiderhandlung beendet ist.“

8

Art. 31 gehört zu den allgemeinen Bestimmungen der Verordnung Nr. 1/2003 und lautet:

„Bei Klagen gegen Entscheidungen, mit denen die Kommission eine Geldbuße oder ein Zwangsgeld festgesetzt hat, hat der Gerichtshof die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Entscheidung. Er kann die festgesetzte Geldbuße oder das festgesetzte Zwangsgeld aufheben, herabsetzen oder erhöhen.“

Richtlinie 2014/104/EU

9

Die Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union (ABl. 2014, L 349, S. 1) sieht in Art. 10 vor:

„(1)   Die Mitgliedstaaten legen die Vorschriften über die Verjährungsfristen für die Erhebung von Schadensersatzklagen im Einklang mit diesem Artikel fest. …

(4)   Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass eine Verjährungsfrist gehemmt oder – je nach nationalem Recht – unterbrochen wird, wenn eine Wettbewerbsbehörde Maßnahmen im Hinblick auf eine Untersuchung oder ihr Verfahren wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht trifft, auf die sich die Schadensersatzklage bezieht. Die Hemmung endet frühestens ein Jahr, nachdem die Zuwiderhandlungsentscheidung bestandskräftig geworden oder das Verfahren auf andere Weise beendet worden ist.“

10

Art. 18 Abs. 3 dieser Richtlinie bestimmt:

„Eine Wettbewerbsbehörde kann eine Schadensersatzzahlung, die infolge eines Vergleichs geleistet wird, bevor die Wettbewerbsbehörde die Verhängung einer Geldbuße beschließt, als mildernden Umstand berücksichtigen.“

Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen

11

In den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Art. 23 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2, im Folgenden: Leitlinien von 2006) heißt es in dem Teil, in dem es um die Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße geht:

„19.   Zur Bestimmung des Grundbetrags wird ein bestimmter Anteil am Umsatz, der sich nach der Schwere des Verstoßes richtet, mit der Anzahl der Jahre der Zuwiderhandlung multipliziert.

20.   Die Schwere der Zuwiderhandlung wird in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände beurteilt.

21.   Grundsätzlich kann ein Betrag von bis zu 30 % des Umsatzes festgesetzt werden.

22.   Bei der Bestimmung der genauen Höhe innerhalb dieser Bandbreite berücksichtigt die Kommission mehrere Umstände, u. a. die Art der Zuwiderhandlung, den kumulierten Marktanteil sämtlicher beteiligten Unternehmen, den Umfang des von der Zuwiderhandlung betroffenen räumlichen Marktes und die etwaige Umsetzung der Zuwiderhandlung in der Praxis.

…“

12

Nr. 29 dieser Leitlinien, in der es um die mildernden Umstände geht, sieht vor, dass „[d]er Grundbetrag der Geldbuße … verringert werden [kann], wenn die Kommission mildernde Umstände … feststellt …“, und führt exemplarisch einige mildernde Umstände auf.

Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitiger Beschluss

13

Der dem Rechtsstreit und dem streitigen Beschluss zugrunde liegende, in den Rn. 1 bis 34 des angefochtenen Urteils dargestellte Sachverhalt kann wie folgt zusammengefasst werden.

14

Orange ist Rechtsnachfolgerin der Telekomunikacja Polska SA (im Folgenden ebenfalls: Orange), eines Telekommunikationsunternehmens, das 1991 in Polen im Anschluss an die Privatisierung eines ehemaligen Staatsmonopols gegründet wurde.

15

Im Anschluss an Nachprüfungen, die vom 23. bis zum 26. September 2008 stattfanden, verfasste die Kommission am 26. Februar 2010 eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, auf die Orange am 2. Juni 2010 antwortete.

16

Im streitigen Beschluss grenzte die Kommission drei sachlich relevante Produktmärkte ab: den Vorleistungsmarkt für den Breitbandzugang, der auch „Vorleistungsmarkt für den BSA-Zugang (bit-stream access [Breitbandzugang])“ genannt wird, den Vorleistungsmarkt für den physischen Zugang zu Netzinfrastrukturen an festen Standorten, der auch „Vorleistungsmarkt für LLU (local-loop unbundling [Entbündelung des Teilnehmeranschlusses])“ genannt wird, und den Endkundenmarkt, der der nachgelagerte Markt für Standard-Breitbandprodukte ist, die Telekommunikationsbetreiber ihren eigenen Endnutzern an einem festen Standort anbieten. Als räumlich relevanter Markt wurde das gesamte Hoheitsgebiet Polens angesehen.

17

Die Kommission führte zum einen weiter aus, dass zur Zeit der maßgeblichen Vorgänge das von der nationalen Regulierungsbehörde (NRB) als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht im Bereich der Bereitstellung öffentlicher Telefonfestnetze ermittelte Unternehmen – im vorliegenden Fall Orange – verpflichtet gewesen sei, den neu hinzugekommenen sogenannten „alternativen Betreibern“ den entbündelten Zugang zu seinen Teilnehmeranschlüssen und den zugehörigen Einrichtungen zu transparenten, fairen und nicht diskriminierenden Bedingungen zu gewähren, die mindestens ebenso günstig hätten sein müssen wie diejenigen eines Referenzangebots, das von diesem Betreiber angeboten und im Anschluss an ein Verfahren vor der NRB von dieser genehmigt worden sei. Ab 2005 sei die polnische NRB mehrmals tätig geworden, um Verstöße von Orange gegen ihre Verpflichtungen aus den Regulierungsbestimmungen abzustellen, und habe auch Geldbußen gegen sie verhängt.

18

Die Kommission führte zum anderen aus, dass Orange am 22. Oktober 2009 eine Vereinbarung mit dem Präsidenten des Urząd Komunikacji Elektronicznej (UKE) (Amt für elektronische Kommunikation), der damaligen polnischen NRB, unterzeichnet habe, in der sie sich freiwillig verpflichtet habe, insbesondere ihren Verpflichtungen aus den Regulierungsbestimmungen nachzukommen, mit den alternativen Betreibern Zugangsvereinbarungen zu Bedingungen zu schließen, die im Einklang mit den geltenden Referenzangeboten stünden, und in die Modernisierung ihres Breitbandnetzes zu investieren (im Folgenden: Vereinbarung mit dem UKE).

19

Zur fraglichen Zuwiderhandlung stellte die Kommission fest, dass Orange eine beherrschende Stellung auf den in Rn. 16 des vorliegenden Urteils angeführten Produktmärkten gehabt habe.

20

Orange habe ihre beherrschende Stellung auf den beiden Vorleistungsmärkten missbraucht, um ihre Stellung auf dem Endkundenmarkt zu schützen, indem sie eine Strategie mit dem Ziel entwickelt habe, den Wettbewerb auf allen Stufen des Verfahrens für den Zugang zu ihrem Netz zu beschränken. Die Strategie habe darin bestanden, den alternativen Betreibern unangemessene Bedingungen in den Vereinbarungen zum Breitbandzugang und zum entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss vorzuschlagen, den Verhandlungsprozess über diese Vereinbarungen zu verzögern, den Zugang zu ihrem Netz und zu Teilnehmeranschlüssen zu beschränken und sich zu weigern, die Informationen bereitzustellen, die die alternativen Betreiber für ihre Entscheidungen über den Zugang benötigten.

21

In Art. 1 des streitigen Beschlusses stellte die Kommission fest, dass Orange durch ihre Weigerung, den alternativen Betreibern auf Vorleistungsebene Zugang zu ihren Breitbandprodukten zu gewähren, eine einzige und andauernde Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV begangen habe, die am 3. August 2005, dem Tag des Beginns der ersten Verhandlungen zwischen Orange und einem alternativen Betreiber über den Zugang zum Netz von Orange auf der Grundlage des Referenzangebots für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss, begonnen und mindestens bis zum 22. Oktober 2009, dem Tag der Unterzeichnung der Vereinbarung mit dem UKE, angedauert habe.

22

Die Kommission ahndete die Zuwiderhandlung, indem sie Orange in Art. 2 des streitigen Beschlusses eine in Anwendung der Leitlinien von 2006 berechnete Geldbuße von 127554194 Euro auferlegte. Bei dieser Berechnung setzte sie den Grundbetrag der Geldbuße auf der Basis eines Anteils von 10 % des von Orange auf den relevanten Märkten erzielten durchschnittlichen Umsatzes fest und multiplizierte ihn mit einem der Dauer der Zuwiderhandlung entsprechenden Faktor von 4,16. Sie beschloss zwar, diesen Betrag nicht wegen erschwerender oder mildernder Umstände anzupassen, doch brachte sie die Geldbußen in Abzug, die das UKE gegen Orange wegen der Verletzung ihrer Verpflichtungen aus den Regulierungsbestimmungen verhängt hatte.

Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

23

Mit Klageschrift, die am 2. September 2011 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob Orange eine Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses, hilfsweise auf Aufhebung oder Herabsetzung der ihr mit diesem Beschluss auferlegten Geldbuße.

24

Mit Beschluss vom 7. November 2012 gab der Präsident der Ersten Kammer des Gerichts dem Antrag der Polska Izba Informatyki i Telekomunikacji (PIIT) (Polnische Kammer für Informations- und Telekommunikationstechnologien) statt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge von Orange zugelassen zu werden.

25

Mit Beschluss vom 3. September 2013 gab der Präsident der Ersten Kammer des Gerichts dem Antrag der European Competitive Telecommunications Association (ECTA), die mittlerweile eine internationale Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht ist, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden, statt.

26

Orange trug für ihre Klage fünf Gründe vor. Der erste Klagegrund diente zur Stützung ihres Klageantrags auf vollständige Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses insgesamt, der zweite und der dritte Klagegrund stützten ihren Klageantrag auf Nichtigerklärung von Art. 2 des streitigen Beschlusses, und der vierte und der fünfte Klagegrund stützten ihren Klageantrag auf Abänderung der in diesem Art. 2 verhängten Geldbuße. Das Gericht war der Auffassung, dass mit den beiden letztgenannten Klagegründen ein Rechtsfehler gerügt werde und sie, sollte ihre Stichhaltigkeit festgestellt werden, zur teilweisen Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses führen könnten. Es hat sie daher dahin umgedeutet, dass sie unter die Rechtmäßigkeitskontrolle durch den Unionsrichter fielen und nicht unter seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung. Da das Gericht im Rahmen seiner Kontrolle der Rechtmäßigkeit des streitigen Beschlusses alle fünf Klagegründe als unbegründet zurückgewiesen und befunden hat, dass nichts die Abänderung des Betrags der Geldbuße rechtfertige, hat es die Klage insgesamt abgewiesen.

Anträge der Parteien und Verfahren vor dem Gerichtshof

27

Orange beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben;

den streitigen Beschluss insgesamt für nichtig zu erklären oder,

hilfsweise, Art. 2 des streitigen Beschlusses insgesamt für nichtig zu erklären, oder,

weiter hilfsweise, die mit dem streitigen Beschluss verhängte Geldbuße herabzusetzen, soweit der Gerichtshof dies für angemessen erachtet, oder,

äußerst hilfsweise, die Entscheidung über die Geldbuße an die Kommission zurückzuverweisen und

die Kosten der Kommission aufzuerlegen.

28

Die Kommission beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und Orange die Kosten aufzuerlegen.

29

Die PIIT beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben;

Art. 2 des streitigen Beschlusses für nichtig zu erklären oder,

hilfsweise, die mit dem streitigen Beschluss verhängte Geldbuße herabzusetzen, soweit der Gerichtshof dies für angemessen erachtet, oder,

weiter hilfsweise, die Entscheidung über die Geldbuße an die Kommission zurückzuverweisen und

der Kommission die Kosten einschließlich der Kosten der PIIT aufzuerlegen.

30

Die ECTA beantragt im Wesentlichen, das Rechtsmittel zurückzuweisen und Orange die Kosten der Kommission und der ECTA aufzuerlegen.

31

Mit Entscheidung vom 2. März 2017 hat der Präsident des Gerichtshofs das Verfahren in der vorliegenden Rechtssache nach Art. 55 Abs. 1 Buchst. b der Verfahrensordnung des Gerichtshofs bis zur Verkündung des Urteils vom 6. September 2017, Intel/Kommission (C‑413/14 P, EU:C:2017:632), ausgesetzt.

Rechtsmittel

32

Zur Stützung ihres Rechtsmittels macht Orange drei Gründe geltend.

Zum ersten Rechtsmittelgrund: Rechtsfehler in Bezug auf die Verpflichtung der Kommission, ein berechtigtes Interesse am Erlass eines Beschlusses nachzuweisen, mit dem eine Zuwiderhandlung festgestellt wird, nachdem diese beendet ist

Vorbringen der Parteien

33

Orange trägt vor, die fragliche Zuwiderhandlung sei mehr als sechs Monate vor der Zustellung der Mitteilung der Beschwerdepunkte und 18 Monate vor Erlass des streitigen Beschlusses beendet worden. Es handele sich somit um eine in der Vergangenheit begangene Zuwiderhandlung, und die Kommission sei daher nach Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 verpflichtet gewesen, ein berechtigtes Interesse an ihrer Feststellung nachzuweisen, was sie aber nicht getan habe.

34

Das Gericht habe hierzu in Rn. 76 des angefochtenen Urteils die Auffassung vertreten, dass die Kommission ein berechtigtes Interesse am Erlass eines Beschlusses, mit dem eine Zuwiderhandlung festgestellt werde, dartun müsse, wenn diese Zuwiderhandlung beendet sei und die Kommission keine Geldbuße verhänge. In Rn. 77 dieses Urteils habe das Gericht diese Verpflichtung auf den Fall beschränkt, dass die Befugnis der Kommission zur Verhängung von Geldbußen verjährt sei. Damit habe es die Vorschrift rechtsfehlerhaft ausgelegt und angewandt.

35

Erstens könne diese Auslegung dem eindeutigen Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 nicht entnommen werden. Sowohl der elfte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1/2003 als auch die Vorarbeiten zu dieser Verordnung sowie die Verwaltungspraxis der Kommission bestätigten, dass deren Verpflichtung, ein berechtigtes Interesse an der Feststellung einer in der Vergangenheit begangenen Zuwiderhandlung nachzuweisen, unabhängig von der Verhängung einer Geldbuße bestehe. Außerdem verleihe allein Art. 7 Abs. 1 dieser Verordnung der Kommission die Befugnis, eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 oder 102 AEUV festzustellen.

36

Zweitens sei es durch nichts gerechtfertigt, Art. 7 der Verordnung Nr. 1/2003 von der Befugnis der Kommission zur Verhängung von Geldbußen abhängig zu machen. Art. 23 Abs. 2 dieser Verordnung verweise notwendigerweise auf bereits festgestellte Zuwiderhandlungen und habe keinen Einfluss auf die Umstände, unter denen eine Zuwiderhandlung nach Art. 7 festgestellt werde. Diese Auslegung werde dadurch bestätigt, dass die Befugnis der Kommission zur Feststellung einer Zuwiderhandlung keiner Verjährungsfrist unterliege und ihr in einem anderen Teil der Verordnung Nr. 1/2003 als demjenigen verliehen werde, in dem ihr die Befugnis zur Verhängung von Geldbußen verliehen werde. Auch aus der Rechtsprechung ergebe sich nicht, dass die Unmöglichkeit der Verhängung einer Geldbuße eine Vorbedingung für die Verpflichtung zum Nachweis eines berechtigten Interesses sei.

37

Drittens werde zum einen gemäß Art. 16 der Verordnung Nr. 1/2003 durch die Feststellung einer in der Vergangenheit begangenen Zuwiderhandlung durch die Kommission die Haftung des betreffenden Unternehmens im Rahmen von Schadensersatzklagen begründet. Zum anderen könne eine solche Feststellung diesem Unternehmen selbst dann, wenn keine Geldbuße verhängt werde, schaden, weil sie nach Art. 10 Abs. 4 der Richtlinie 2014/104 die Verjährungsfristen für Schadensersatzklagen hemme. Dies rechtfertige, dass die Kommission in allen Beschlüssen, mit denen eine Zuwiderhandlung festgestellt werde, die in der Vergangenheit begangen worden sei und die ein Unternehmen freiwillig beendet habe, die Gründe darzulegen habe, auf denen ihr berechtigtes Interesse beruhe, eine solche Zuwiderhandlung zu verfolgen.

38

Ferner gehe der erste Rechtsmittelgrund, da er tatsächlich auf die Rn. 74 bis 80 und nicht nur auf Rn. 77 des angefochtenen Urteils Bezug nehme, nicht ins Leere, wie die Kommission zu Unrecht vortrage.

39

Die Kommission hält diesen Rechtsmittelgrund für unbegründet. Jedenfalls gehe er ins Leere, da er nur auf Rn. 77 des angefochtenen Urteils Bezug nehme, obwohl die Begründung in Rn. 76 die Schlussfolgerungen in den Rn. 78 und 79 des Urteils hinreichend stütze. Das Vorbringen von Orange in ihrer Erwiderung, der erste Rechtsmittelgrund nehme in Wirklichkeit auf die Rn. 74 bis 80 oder zumindest auf die Rn. 74 bis 76 und 80 des angefochtenen Urteils Bezug, sei gemäß Art. 169 Abs. 2 der Verfahrensordnung unzulässig, da diese Randnummern in der Rechtsmittelschrift nicht angegeben worden seien.

40

Nach Ansicht der ECTA ist dieser Rechtsmittelgrund unbegründet, da sich die Befugnis der Kommission zur Verhängung von Geldbußen unabhängig davon, ob die Zuwiderhandlung beendet worden sei, aus Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 ergebe. Abgesehen von der Verpflichtung, Vorsatz oder Fahrlässigkeit zu beweisen, werde die Befugnis in dieser Bestimmung keiner Bedingung unterstellt. Orange habe somit zu Unrecht Art. 7 Abs. 1 dieser Verordnung angeführt.

Würdigung durch den Gerichtshof

41

Soweit die Kommission einwendet, der erste Rechtsmittelgrund gehe ins Leere, weil er nur gegen Rn. 77 des angefochtenen Urteils gerichtet sei, ist zunächst festzustellen, dass in der Rechtsmittelschrift nur die Rn. 76 und 77 des angefochtenen Urteils ausdrücklich genannt sind und nur Rn. 77 ausdrücklich beanstandet zu werden scheint.

42

Es ergibt sich jedoch klar aus dem Vorbringen von Orange in der Rechtsmittelschrift, dass sie sich gegen die Auslegung von Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 durch das Gericht wendet, wonach diese Vorschrift die Kommission auch dann nicht verpflichte, im streitigen Beschluss darzutun, dass ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der fraglichen Zuwiderhandlung bestehe, wenn die Zuwiderhandlung zum Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses bereits beendet gewesen sei, sofern die Befugnis der Kommission zur Verhängung einer Geldbuße nicht verjährt gewesen sei. Es ist offensichtlich, dass sich diese Auslegung nur aus einer Zusammenschau der Rn. 76 und 77 des angefochtenen Urteils ergibt, so dass sich die Rechtsmittelschrift klar auf diese beiden Randnummern bezieht.

43

Außerdem enthalten die beiden Randnummern die tragenden Gründe für die Schlussfolgerungen des Gerichts in den Rn. 78 bis 80 des angefochtenen Urteils, da sich die Rn. 74 und 75 des Urteils – die einzigen anderen Randnummern, in denen die Argumentation des Gerichts zum ersten ihm vorgetragenen Klagegrund enthalten ist – darauf beschränken, den Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 und einen Auszug aus der Begründung des Vorschlags des Rates für eine Verordnung zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 1017/68, (EWG) Nr. 2988/74, (EWG) Nr. 4056/86 und (EWG) Nr. 3975/87 (KOM[2000] 582 endgültig) („Durchführungsverordnung zu den Artikeln 81 und 82 [EG]“) (ABl. 2000, C 365 E, S. 284, im Folgenden: der Verordnung Nr. 1/2003 zugrunde liegender Vorschlag) wiederzugeben. Es war daher für die Zwecke des ersten Rechtsmittelgrundes nicht notwendig, die Rn. 74 und 75 ausdrücklich zu erwähnen, da die Richtigkeit der darin enthaltenen Zitate nicht beanstandet wird.

44

Somit erfasst die Beanstandung der Rn. 76 und 77 des angefochtenen Urteils zwangsläufig die Schlussfolgerungen in den Rn. 78 bis 80 des Urteils. Der erste Rechtsmittelgrund kann folglich nicht von vornherein mit der Begründung als ins Leere gehend zurückgewiesen werden, dass er nur auf Rn. 77 des Urteils Bezug nehme.

45

Soweit die Kommission ferner vorträgt, das Vorbringen von Orange in ihrer Erwiderung sei unzulässig, weil sie verspätet vortrage, dass der erste Rechtsmittelgrund die gesamte Argumentation des Gerichts betreffe, die der Zurückweisung des ihm vorgetragenen ersten Klagegrundes zugrunde liege, ist darauf hinzuweisen, dass, wie in den Rn. 42 bis 44 des vorliegenden Urteils festgestellt, die Punkte der Begründung des angefochtenen Urteils, die im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes beanstandet werden, in der Rechtsmittelschrift mit der gebotenen Genauigkeit benannt werden. Die Einrede der Unzulässigkeit ist somit in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend und daher zurückzuweisen.

46

Zur Begründetheit ist festzustellen, dass die Kommission nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1/2003, wenn sie auf eine Beschwerde hin oder von Amts wegen eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 oder 102 AEUV feststellt, die beteiligten Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung verpflichten kann, die festgestellte Zuwiderhandlung abzustellen. Art. 7 Abs. 1 Satz 5 dieser Verordnung sieht außerdem vor, dass die Kommission, soweit sie ein berechtigtes Interesse hat, auch eine Zuwiderhandlung feststellen kann, nachdem diese beendet ist.

47

Wie sich aus der Begründung des der Verordnung Nr. 1/2003 zugrunde liegenden Vorschlags ergibt, deren einschlägige Passage das Gericht in Rn. 75 des angefochtenen Urteils angeführt hat, finden sich in Art. 7 Abs. 1 Satz 5 der Verordnung, der dem entsprechenden Satz im Vorschlag entspricht, die Erkenntnisse aus dem Urteil vom 2. März 1983, GVL/Kommission (7/82, EU:C:1983:52), wieder.

48

In diesem Urteil hatte sich der Gerichtshof zur Reichweite der Bestimmungen der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962: Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 und 82 EG] (ABl. 1962, 13, S. 204) geäußert, insbesondere zu Art. 3, der in seinem Abs. 1 – dessen Wortlaut im Wesentlichen in Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1/2003 übernommen wurde – nur vorsah, dass die Kommission, wenn sie „auf Antrag oder von Amts wegen eine Zuwiderhandlung gegen Artikel [81 oder 82 EG feststellt], … die beteiligten Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung verpflichten [kann], die festgestellte Zuwiderhandlung abzustellen“. Wie Rn. 18 dieses Urteils zu entnehmen ist, hatte die Klägerin in der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist und in der die Kommission keine Geldbuße verhängt hatte, u. a. vorgetragen, dass Art. 3 der Verordnung Nr. 17 der Kommission nicht die Befugnis verleihe, eine Entscheidung zu erlassen, die allein auf die Feststellung einer in der Vergangenheit liegenden Zuwiderhandlung gerichtet sei.

49

Hierzu hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die Vorschriften der Verordnung Nr. 17 im Zusammenhang mit den Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrags ausgelegt werden müssen und dass diese Verordnung die Beachtung der Wettbewerbsregeln durch die Unternehmen gewährleisten und zu diesem Zweck die Kommission ermächtigen soll, die Unternehmen zur Beendigung der festgestellten Zuwiderhandlung zu zwingen sowie im Fall einer Zuwiderhandlung Geldbußen und Zwangsgelder zu verhängen. Er hat entschieden, dass die Befugnis zum Erlass der darauf gerichteten Entscheidungen notwendigerweise die Befugnis zur Feststellung der jeweils in Rede stehenden Zuwiderhandlung umfasst (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. März 1983, GVL/Kommission, 7/82, EU:C:1983:52, Rn. 18, 22 und 23).

50

Der Gerichtshof ist daher davon ausgegangen, dass das Problem, das in der Rechtssache, mit der er befasst war, aufgeworfen war, in Wahrheit nicht die Frage betraf, ob die Kommission die Zuständigkeit besitzt, einen Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln durch Entscheidung festzustellen; es ging vielmehr darum, ob die Kommission in jener Rechtssache, obwohl keine Geldbuße verhängt worden war, ein berechtigtes Interesse daran hatte, eine Entscheidung zu erlassen, mit der sie eine Zuwiderhandlung feststellte, die von dem betroffenen Unternehmen bereits beendet worden war (Urteil vom 2. März 1983, GVL/Kommission, 7/82, EU:C:1983:52, Rn. 24). Er hat festgestellt, dass die Kommission in jener Rechtssache ein solches Interesse in der in Rede stehenden Entscheidung hinreichend dargetan hatte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. März 1983, GVL/Kommission, 7/82, EU:C:1983:52, Rn. 25 bis 28).

51

Demnach konnte das Gericht in Rn. 76 des angefochtenen Urteils aus dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 sowie aus dem Auszug aus der Begründung des der Verordnung Nr. 1/2003 zugrunde liegenden Vorschlags rechtsfehlerfrei ableiten, dass „die Kommission ein berechtigtes Interesse an der Feststellung einer Zuwiderhandlung darzutun [hat], wenn diese Zuwiderhandlung beendet ist und die Kommission keine Geldbuße verhängt“.

52

Im Anschluss hat das Gericht in Rn. 77 des angefochtenen Urteils entschieden, dass das Ergebnis, das es in Rn. 76 dargestellt hat, „im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichts [steht], …, die im Kern von einem Zusammenhang zwischen der Verpflichtung der Kommission, ein berechtigtes Interesse an der Feststellung einer Zuwiderhandlung darzutun, und der Verjährung ihrer Befugnis zur Verhängung von Geldbußen ausgeht“. Es weist insoweit unter Verweis auf zwei seiner früheren Urteile darauf hin, dass es „entschieden hat, [dass] die Verjährung der Befugnis der Kommission zur Verhängung von Geldbußen nicht ihre implizite Befugnis zur Feststellung der Zuwiderhandlung berühren [kann]“, dass aber „[d]ie Ausübung dieser impliziten Befugnis, nach Ablauf der Verjährungsfrist eine Entscheidung zu erlassen, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird, … von der Voraussetzung abhängig [ist], dass die Kommission ein berechtigtes Interesse an einer solchen Feststellung nachweist“.

53

Das Gericht hat daraus in Rn. 78 des angefochtenen Urteils zum einen geschlossen, dass „die von [Orange] vertretene Auslegung von Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003, wonach die Kommission ein berechtigtes Interesse an der Feststellung einer in der Vergangenheit begangenen Zuwiderhandlung unabhängig davon darzutun habe, ob sie dafür eine Sanktion verhängt, irrig“ sei, und hat folglich das erste ihm vorgetragene Argument, die Kommission habe die ihr obliegende Begründungspflicht in Bezug auf ein solches berechtigtes Interesse verletzt, zurückgewiesen.

54

Es hat daraus zum anderen in Rn. 79 des angefochtenen Urteils geschlossen, dass, „[d]a im vorliegenden Fall feststeht, dass die Befugnis der Kommission zur Verhängung [von] Geldbußen nicht verjährt war und da die Kommission beschlossen hatte, gegen [Orange] eine Geldbuße zu verhängen, wirft [Orange] ihr zu Unrecht vor, einen Rechtsfehler begangen zu haben, indem sie im [streitigen] Beschluss ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der in der Vergangenheit begangenen Zuwiderhandlung nicht dargetan habe“. Es hat daher auch das zweite ihm im Rahmen des ersten Klagegrundes vorgetragene Argument zurückgewiesen sowie in Rn. 80 des angefochtenen Urteils den ersten Klagegrund insgesamt und die Anträge von Orange auf vollständige Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses.

55

Mit dem ersten Rechtsmittelgrund macht Orange im Wesentlichen geltend, das Gericht habe in Rn. 77 des angefochtenen Urteils die Feststellung in Rn. 76 dieses Urteils – fehlerhaft – dahin eingeschränkt, dass sich aus Rn. 77 ergebe, dass die Kommission nur dann verpflichtet sei, ein berechtigtes Interesse an der Feststellung einer Zuwiderhandlung nachzuweisen, wenn die beiden in Rn. 76 genannten Voraussetzungen kumulativ erfüllt seien. Eine solche Auslegung sei aber dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 nicht zu entnehmen. Außerdem reichten die Erwägungen des Gerichts in Rn. 77 des angefochtenen Urteils nicht aus, um die Zurückweisung des Klagegrundes zu stützen, mit dem die Rechtsmittelführerin geltend gemacht habe, aus Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 gehe hervor, dass die Kommission, wenn sie einen Beschluss erlasse, mit dem sie eine in der Vergangenheit begangene Zuwiderhandlung feststelle, unabhängig von der Frage, ob sie mit ihrem Beschluss eine Geldbuße verhänge, ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung dartun müsse.

56

Diese Kritik am angefochtenen Urteil ist zurückzuweisen. Mit den Erwägungen in Rn. 77 des angefochtenen Urteils hat das Gericht nämlich die Tragweite des Ergebnisses, zu dem es in Rn. 76 gekommen ist, nicht eingeschränkt, da bereits aus Rn. 76 allein klar hervorgeht, dass die Anwendbarkeit von Art. 7 Abs. 1 Satz 5 der Verordnung Nr. 1/2003 die Erfüllung der beiden in Rn. 76 genannten kumulativen Voraussetzungen voraussetzt. Es hat in Rn. 77 vielmehr nur erläutert und geklärt, dass dieses Ergebnis auch im Einklang mit seiner eigenen Rechtsprechung zur Verpflichtung der Kommission stehe, ein berechtigtes Interesse an der Feststellung einer Zuwiderhandlung darzutun, wenn die Frist für die Verhängung einer Geldbuße abgelaufen sei.

57

Diese Erwägungen haben auch für die Zurückweisung des vor dem Gericht vorgetragenen Klagegrundes ausgereicht, da sie sich im Wesentlichen auf die implizite Befugnis der Kommission zur Feststellung der Zuwiderhandlung beziehen, die aus ihrer expliziten Befugnis zur Verhängung von Geldbußen folgt. Nach Art. 23 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1/2003 kann die Kommission nämlich gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen festsetzen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig gegen Art. 101 oder 102 AEUV verstoßen. Wie in Rn. 49 des vorliegenden Urteils ausgeführt, hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Befugnis der Kommission, im Fall einer Zuwiderhandlung Geldbußen zu verhängen und darauf gerichtete Entscheidungen zu erlassen, notwendigerweise die Befugnis zur Feststellung der jeweils in Rede stehenden Zuwiderhandlung umfasst (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. März 1983, GVL/Kommission, 7/82, EU:C:1983:52, Rn. 23). Er hat außerdem bereits entschieden, dass die Befugnis der Kommission zur Verhängung von Sanktionen aus Art. 15 der Verordnung Nr. 17, dem Art. 23 der Verordnung Nr. 1/2003 im Wesentlichen entspricht, keineswegs dadurch berührt wird, dass das die Zuwiderhandlung begründende Verhalten nicht mehr besteht (Urteil vom 15. Juli 1970, ACF Chemiefarma/Kommission, 41/69, EU:C:1970:71, Rn. 175).

58

Aus dem Vorstehenden folgt, dass der Kommission die Wahrnehmung ihrer Befugnis zur Verhängung einer Geldbuße eine implizite Befugnis zur Feststellung der Zuwiderhandlung verleiht, ohne dass sie ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung nachweisen müsste, und zwar auch dann nicht, wenn es sich um eine in der Vergangenheit begangene Zuwiderhandlung handelt.

59

Es ist außerdem darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1/2003, wenn sie eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 oder 102 AEUV feststellt, die beteiligten Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung verpflichten kann, die festgestellte Zuwiderhandlung abzustellen. Der Umstand, dass die Kommission ihre Befugnis ausgeübt hat, die Abstellung der Zuwiderhandlung gemäß dieser Vorschrift anzuordnen, eine Befugnis, die die Kommission im Übrigen in Art. 3 des streitigen Beschlusses wahrgenommen hat, soweit die Zuwiderhandlung nicht bereits beendet war, die Orange nicht bestreitet, umfasst somit notwendigerweise die Befugnis zur Feststellung dieser Zuwiderhandlung und verpflichtet die Kommission daher auch nicht dazu, ein berechtigtes Interesse an diesem Vorgehen darzutun (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. März 1983, GVL/Kommission, 7/82, EU:C:1983:52, Rn. 22 bis 24).

60

Da die Kommission im vorliegenden Fall gegen Orange eine Geldbuße wegen einer Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV verhängt hat, diese Befugnis unstreitig nicht verjährt war und die Kommission in Art. 3 des streitigen Beschlusses die Beendigung der Zuwiderhandlung angeordnet hat, sofern diese noch nicht beendet war, durfte die Kommission, wie das Gericht in den Rn. 79 und 80 des angefochtenen Urteils im Wesentlichen entschieden hat, sowohl in Anwendung von Art. 7 Abs. 1 als auch in Anwendung von Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003, die beide im streitigen Beschluss angeführt sind, die fragliche Zuwiderhandlung feststellen, ohne im streitigen Beschluss ein berechtigtes Interesse an der Feststellung dieser Zuwiderhandlung speziell nachweisen zu müssen.

61

Das in den Rn. 34 bis 36 des vorliegenden Urteils angeführte Vorbringen von Orange kann somit keinen Erfolg haben.

62

Soweit Orange schließlich mit ihrem in Rn. 37 des vorliegenden Urteils angeführten Vorbringen geltend macht, in Anbetracht der Folgen eines Beschlusses der Kommission, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 oder 102 AEUV festgestellt werde, müsse die Kommission unter allen Umständen verpflichtet werden, in einem solchen Beschluss ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung darzutun, ist festzustellen, dass ein solch allgemeiner Vortrag nicht ausreichen kann, um die Fehlerhaftigkeit der Erwägungen des Gerichts in den Rn. 76 bis 80 des angefochtenen Urteils nachzuweisen.

63

Nach alledem ist der erste Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund: Rechts- und Beurteilungsfehler bei der von der Kommission vorgenommenen Bewertung der Auswirkungen der Zuwiderhandlung zum Zweck der Berechnung der Geldbuße

Vorbringen der Parteien

64

Orange trägt vor, das Gericht habe den streitigen Beschluss verfälscht, indem es angenommen habe, dass die Kommission bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung für die Zwecke der Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße weder die tatsächlichen noch die wahrscheinlichen Auswirkungen der Zuwiderhandlung berücksichtigt habe, und indem es sich folglich geweigert habe, ihr Vorbringen zu prüfen, die Kommission habe keine konkreten, glaubhaften und hinreichenden Indizien für die tatsächlichen und/oder wahrscheinlichen Auswirkungen beigebracht.

65

Der erste Fehler des Gerichts bestehe also in dieser Verfälschung. Zum einen gehe aus dem letzten Satz des 902. Erwägungsgrundes des streitigen Beschlusses in der Tat hervor, dass sich die Kommission für die Berechnung der Geldbuße auf die tatsächlichen Auswirkungen gestützt habe, was sie vor dem Gericht selbst bestätigt habe, indem sie eingeräumt habe, dass die Formulierung dieses Erwägungsgrundes, soweit er die tatsächlichen Auswirkungen der Zuwiderhandlung betreffe, ein „Versehen“ darstelle. In Rn. 169 des angefochtenen Urteils habe das Gericht jedoch ausgeführt, dieser Erwägungsgrund lasse sich nur dahin auslegen, dass er sich allgemein und abstrakt auf die Art der Zuwiderhandlung beziehe. Es habe damit die klare Bedeutung der in diesem Erwägungsgrund verwendeten Wörter außer Acht gelassen, der speziell die Auswirkungen auf den Wettbewerb, die Folge des konkreten Marktverhaltens von Orange gewesen seien, betreffe. Dies werde durch die Verwendung eines Verbs in der Vergangenheitsform bestätigt. In Rn. 182 des angefochtenen Urteils habe sich das Gericht im Übrigen auf Ereignisse bezogen, die tatsächlich stattgefunden hätten, indem es u. a. auf den 902. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses verwiesen habe.

66

Zum anderen habe das Gericht den streitigen Beschluss jedenfalls durch die Annahme verfälscht, die Kommission habe die wahrscheinlichen Auswirkungen der Zuwiderhandlung nicht berücksichtigt. Die Kommission habe diese nämlich im 902. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses zumindest bei der Berechnung der Geldbuße berücksichtigt, worauf sie im Übrigen in ihren Schriftsätzen vor dem Gericht auch hingewiesen habe. Das Gericht sei jedoch irrig davon ausgegangen, dass die Berücksichtigung der Art der Zuwiderhandlung nicht darauf hinauslaufe, deren wahrscheinliche Auswirkungen einzubeziehen. Die wahrscheinlichen Auswirkungen des Verhaltens seien – ebenso wie die tatsächlichen Auswirkungen – wesentliche Indikatoren für die Art der Zuwiderhandlung und folglich ihrer Schwere, die sich nicht abstrakt beurteilen lasse. Daher hätte das Gericht prüfen müssen, ob die Feststellung der wahrscheinlichen Auswirkungen gerechtfertigt gewesen sei.

67

Da das Gericht den streitigen Beschluss nicht ordnungsgemäß geprüft habe, sei seine Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Geldbuße verfälscht. Eine Geldbuße könne nämlich nicht als verhältnismäßig angesehen werden, wenn die im streitigen Beschluss beschriebenen ihre Höhe bestimmenden Faktoren nicht ordnungsgemäß geprüft würden.

68

Der zweite Fehler des Gerichts bestehe in einem Rechtsfehler und in einem Verstoß gegen den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes, weil es nicht beurteilt habe, ob die Kommission die Auswirkungen der Zuwiderhandlung, die zum Zweck der Berechnung der Geldbuße berücksichtigt worden seien, zutreffend festgestellt habe. Da die Kommission entgegen dem, was das Gericht – unter Verfälschung des streitigen Beschlusses – angenommen habe, zum Zweck der Berechnung der Geldbuße auf die tatsächlichen Auswirkungen der Zuwiderhandlung abgestellt habe, hätte das Gericht prüfen müssen, ob der streitige Beschluss konkrete, glaubhafte und hinreichende Indizien für solche Auswirkungen enthalten habe, anstatt in den Rn. 171 bis 173 des angefochtenen Urteils das darauf bezogene Vorbringen von Orange als im Wesentlichen ins Leere gehend zurückzuweisen.

69

Zum anderen habe das Gericht es jedenfalls zu Unrecht unterlassen, die ihm obliegende gerichtliche Kontrolle in Bezug auf den Beweis der für die Berechnung der Geldbuße berücksichtigten wahrscheinlichen Auswirkungen der Zuwiderhandlung auszuüben. Orange habe dem Gericht insoweit Belege dafür vorgelegt, dass der Ansatz der Kommission hinsichtlich des Kausalzusammenhangs zwischen dem Verhalten von Orange und den behaupteten wahrscheinlichen Marktauswirkungen falsch gewesen sei. Diese Belege, die sich auf die Breitband-Durchdringung in Polen, auf den Rückgriff der Kommission auf falsche Annahmen und Methoden, auf die Auswirkungen von Mobiltelefonen auf die Breitband-Durchdringung in Polen, auf die verspätete Abgabe eines Referenzangebots durch die polnische NRB und auf die Wachstumsraten bei Breitbanddiensten bezogen hätten, seien vom Gericht nicht berücksichtigt worden.

70

Ferner ergebe sich aus dem Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission (C‑413/14 P, EU:C:2017:632), dass das Gericht, wenn die Kommission in einem Beschluss, mit dem der Missbrauch einer beherrschenden Stellung festgestellt werde, eine Analyse der Eignung des fraglichen Verhaltens zur Verdrängung oder zur Schädigung des Wettbewerbs und der Verbraucher vornehme, verpflichtet sei, alle Argumente und Beweise der klagenden Partei zu prüfen, mit denen die Richtigkeit dieser Analyse in Frage gestellt werden solle. Diese Erkenntnis hinsichtlich der Beurteilung der Eignung eines bestimmten Verhaltens zur Beschränkung des Wettbewerbs müsse entsprechend auf die Beurteilung der Art und Schwere einer Zuwiderhandlung zum Zweck der Berechnung der Geldbuße angewandt werden, da die Art und Schwere einer Zuwiderhandlung weitgehend von der Verdrängungseignung des betrachteten Verhaltens abhänge.

71

Nach Auffassung der Kommission ist der zweite Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen. Er sei unzulässig, soweit Orange vom Gerichtshof eine erneute Würdigung der Tatsachen verlange. Er entspreche auch nicht den Kriterien der Rechtsprechung für eine Verfälschung, sei jedenfalls unbegründet und gehe zudem ins Leere. Das Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission (C‑413/14 P, EU:C:2017:632), sei für die vorliegende Rechtssache unerheblich.

72

Die PIIT macht wie Orange geltend, aus dem streitigen Beschluss gehe hervor, dass sich die Kommission auf die tatsächlichen Auswirkungen des Verhaltens von Orange gestützt habe und zumindest dessen wahrscheinliche Auswirkungen tatsächlich geprüft habe. Außerdem seien die Erwägungen zu den im streitigen Beschluss beschriebenen Auswirkungen, insbesondere zum Vorliegen beträchtlicher Abschottungseffekte und eines erheblichen Schadens für die polnischen Verbraucher von Breitbanddiensten, zum Wettbewerbsdruck bei den Anbietern von Breitbanddiensten und zur Analyse des polnischen Breitbandmarkts falsch oder widersprächen sich, wie die Beweisstücke zeigten, die dem Gericht vorgelegt worden seien. Diese Fehler hätten die von der Kommission vorgenommene Prüfung der Schwere der Zuwiderhandlung verfälscht.

73

Die ECTA trägt wie die Kommission vor, das Gericht habe den streitigen Beschluss nicht verfälscht, als es zu dem Ergebnis gekommen sei, dass für die Festsetzung des Grundbetrags der gegen Orange verhängten Geldbuße keine tatsächlichen oder wahrscheinlichen Auswirkungen der Zuwiderhandlung berücksichtigt worden seien. Daher erübrige es sich, zu klären, ob das Gericht zu Unrecht nicht geprüft habe, ob der streitige Beschluss konkrete, glaubhafte und hinreichende Indizien für das Vorliegen solcher Auswirkungen enthalten habe. Das Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission (C‑413/14 P, EU:C:2017:632), enthalte keine für die Prüfung des zweiten Rechtsmittelgrundes relevanten Gesichtspunkte.

Würdigung durch den Gerichtshof

74

Mit dem ersten Teil dieses zweiten Rechtsmittelgrundes zielt Orange darauf ab, die Prämisse aufzustellen, auf die sich der zweite Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes stützt und wonach das Gericht nur auf der Grundlage einer in Rn. 169 des angefochtenen Urteils vorgenommenen Verfälschung des letzten Satzes des 902. Erwägungsgrundes des streitigen Beschlusses annehmen konnte, dass die Kommission bei der Beurteilung der Schwere der fraglichen Zuwiderhandlung zum Zweck der Berechnung der Geldbuße weder die tatsächlichen noch die wahrscheinlichen Auswirkungen der Zuwiderhandlung berücksichtigt habe.

75

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs muss sich eine Verfälschung in offensichtlicher Weise aus den Akten ergeben, ohne dass es einer neuen Tatsachen- und Beweiswürdigung bedarf (Urteile vom 6. April 2006, General Motors/Kommission, C‑551/03 P, EU:C:2006:229, Rn. 54, und vom 19. April 2012, Tomra Systems u. a./Kommission, C‑549/10 P, EU:C:2012:221, Rn. 27).

76

Im vorliegenden Fall hat das Gericht in Rn. 169 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass „[d]ie Begründung der Kommission in den Erwägungsgründen 899 bis 906 des [streitigen] Beschlusses … keinen Raum für Zweifel in Bezug auf die Umstände lässt, auf welche sie sich bei ihrer Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung gestützt hat. Es sind dies die Art der Zuwiderhandlung, ihr räumlicher Umfang, die betroffenen Marktanteile [von Orange] und die Umsetzung der Zuwiderhandlung durch diese. Entgegen dem Vorbringen [von Orange] und der PIIT hat die Kommission im 902. Erwägungsgrund des [streitigen] Beschlusses nicht erklärt – und dies lässt sich aus diesem Erwägungsgrund im Licht der gesamten Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung auch nicht ableiten –, dass sie die tatsächlichen Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt und auf die Verbraucher berücksichtigt habe, als sie den Anteil am Umsatz, der für die Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße zugrunde zu legen sei, entsprechend der Schwere des Verstoßes bestimmt habe. Insbesondere lässt sich der von [Orange] angeführte Satz nicht dahin auslegen, dass er sich allgemein und abstrakt auf die Art der Zuwiderhandlung und auf die Tatsache bezog, dass die Zuwiderhandlung geeignet war, sich für den Wettbewerb und die Verbraucher nachteilig auszuwirken, da sie vorsätzlich begangen und mit ihr bezweckt wurde, den Wettbewerb auf dem Endkundenmarkt zu beseitigen oder die Entwicklung dieses Marktes zu verzögern.“

77

Das Gericht hat hierzu in Rn. 170 des angefochtenen Urteils außerdem ausgeführt, dass entgegen den Feststellungen im ersten und im zweiten Satz des 902. Erwägungsgrundes der letzte Satz „keinen Hinweis auf [den Abschnitt] des [streitigen] Beschlusses enthält, in dem die Kommission zu den wahrscheinlichen Auswirkungen der Zuwiderhandlung Stellung genommen hatte“. Es hat daraus in Rn. 171 des angefochtenen Urteils gefolgert, dass „die Kommission bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung weder die tatsächlichen Auswirkungen der von [Orange] begangenen Zuwiderhandlung auf die relevanten Märkte noch deren wahrscheinliche Auswirkungen berücksichtigt [hat]“.

78

Das Gericht hat dieses Verständnis des streitigen Beschlusses auf seine Feststellungen in den Rn. 166 bis 168 des angefochtenen Urteils zum Inhalt weiterer einschlägiger Erwägungsgründe des Beschlusses gestützt. So hat das Gericht in Rn. 166 des angefochtenen Urteils zunächst ausgeführt, dass „sich die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung durch die Kommission in den Erwägungsgründen 899 bis 908 des [streitigen] Beschlusses in vier Teile gliedert, von denen die ersten drei die Art der Zuwiderhandlung, die Marktanteile und den räumlichen Umfang der Zuwiderhandlung betreffen und der vierte eine Zusammenfassung ist“ und dass die Kommission in dieser Zusammenfassung im 906. Erwägungsgrund „[ausführte], dass sie bei der Bestimmung des Anteils am Umsatz, der für die Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße zugrunde zu legen sei, insbesondere die Art der Zuwiderhandlung, ihren räumlichen Umfang, die Marktanteile und den Umstand berücksichtigt habe, dass diese Zuwiderhandlung umgesetzt worden sei“.

79

In Rn. 167 des angefochtenen Urteils hat das Gericht sodann festgestellt, dass „[d]ie von [Orange] beanstandete Passage … sich im 902. Erwägungsgrund des [streitigen] Beschlusses [findet], der zu dem Teil gehört, welcher die Beurteilung der Art der Zuwiderhandlung betrifft“, dass die Kommission in diesem Teil „[ausführte], dass ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung in Form der Verweigerung einer Dienstleistung, wie sie [Orange] zur Last gelegt werde, mehrfach sowohl von ihr selbst als auch von den Unionsgerichten verurteilt worden sei“ (unter Verweis auf den 899. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses), dass die Kommission darauf hinwies, dass „[d]ie in Rede stehenden Produktmärkte … von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung seien und … eine herausragende Rolle bei der Errichtung der Informationsgesellschaft [spielten], da von den Breitbandanschlüssen die Erbringung verschiedener digitaler Dienstleistungen für die Endkunden abhänge“ (unter Verweis auf den 900. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses), und dass „[d]ie Kommission … auch den Umstand [berücksichtigte], dass [Orange] der einzige Eigentümer des nationalen Telekommunikationsnetzes war und daher die [alternativen Betreiber], die Dienstleistungen auf der Grundlage der DSL-Technologie erbringen wollten, völlig von ihr abhängig waren“ (unter Verweis auf den 901. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses).

80

In Rn. 168 des angefochtenen Urteils hat das Gericht schließlich ausgeführt, dass die Kommission „[i]m 902. Erwägungsgrund [des streitigen Beschlusses] … schließlich [feststellte]: ‚Ebenso zählt, wie in [Abschnitt] VIII.1 beschrieben ist, das Verhalten [von Orange] zu den missbräuchlichen Verhaltensweisen, deren Zweck es ist, den Wettbewerb auf dem Endkundenmarkt zu beseitigen oder zumindest den Eintritt neuer Unternehmen oder die Entwicklung dieses Marktes zu verzögern. Zudem war [Orange], wie i[m 892.] Erwägungsgrund … ausgeführt worden ist, bewusst, dass ihr Verhalten rechtswidrig war. Dies hat einen nachteiligen Einfluss auf den Wettbewerb und die Verbraucher, die sich einer Erhöhung der Preise und einer Beschränkung der Auswahl und der Zahl der Neuerungen unter den Produkten gegenübersehen.‘“

81

Das Gericht hat somit in Rn. 169 des angefochtenen Urteils seine Erwägung – die von Orange im Rahmen des ersten Teils des zweiten Rechtsmittelgrundes beanstandet wird, weil sie den streitigen Beschluss denaturiere –, dass sich der letzte Satz des 902. Erwägungsgrundes des streitigen Beschlusses „nicht dahin auslegen [lässt], dass er sich allgemein und abstrakt auf die Art der Zuwiderhandlung und auf die Tatsache bezog, dass die Zuwiderhandlung geeignet war, sich für den Wettbewerb und die Verbraucher nachteilig auszuwirken, da sie vorsätzlich begangen und mit ihr bezweckt wurde, den Wettbewerb auf dem Endkundenmarkt zu beseitigen oder die Entwicklung dieses Marktes zu verzögern“, und anschließend seine Schlussfolgerung in Rn. 171 dieses Urteils, es handele sich weder um einen Verweis auf die tatsächlichen Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf die relevanten Märkte noch um einen Verweis auf deren wahrscheinliche Auswirkungen, auf eine Gesamtbetrachtung der auf die Art der Zuwiderhandlung bezogenen Erwägungsgründe des streitigen Beschlusses gestützt.

82

Es ist erstens anzumerken, dass das Zitat des 902. Erwägungsgrundes des streitigen Beschlusses in Rn. 168 des angefochtenen Urteils richtig ist. Zweitens behauptet Orange nicht, das Gericht habe die Erwägungsgründe 899 bis 901 oder den 906. Erwägungsgrund des Beschlusses verfälscht. Drittens konnten die in diesen Erwägungsgründen angeführten Gesichtspunkte die Auslegung des genannten letzten Satzes in Rn. 169 des angefochtenen Urteils unzweifelhaft stützen. Das gilt umso mehr, als, wie sich insbesondere aus den Rn. 124 bis 136 und 146 des angefochtenen Urteils ergibt, unstreitig war, dass Orange die fragliche Zuwiderhandlung umgesetzt hatte, dass gemäß Nr. 22 der Leitlinien von 2006 die Umsetzung dieser Zuwiderhandlung in der Praxis wie auch die Art der Zuwiderhandlung, der Marktanteil der betroffenen Parteien und der Umfang des von der Zuwiderhandlung betroffenen räumlichen Marktes für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung erhebliche Umstände waren und dass die Kommission, wie das Gericht in Rn. 166 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, im 906. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses klar darauf hingewiesen hat, dass sie im vorliegenden Fall bei der Bestimmung der Schwere der Zuwiderhandlung den Umstand berücksichtigt habe, dass die Zuwiderhandlung umgesetzt worden sei, was Orange im Übrigen nicht bestreitet.

83

Daher konnte das Gericht, ohne den streitigen Beschluss zu verfälschen, nach einer Gesamtbetrachtung der einschlägigen Erwägungsgründe des Beschlusses in Rn. 169 des angefochtenen Urteils im Kern davon ausgehen, dass der letzte Satz des 902. Erwägungsgrundes des Beschlusses nur ein allgemeiner Verweis auf die Art der im vorliegenden Fall von Orange begangenen Zuwiderhandlung war, bei der es sich um ein Verhalten handelte, dessen missbräuchlicher Charakter bereits eindeutig feststand, und die von Orange vorsätzlich in voller Kenntnis ihrer Rechtswidrigkeit begangen worden war.

84

Insoweit kann Orange nichts daraus herleiten, dass der zweite Teil dieses Satzes in der Vergangenheitsform formuliert sei, was belege, dass die Kommission sich auf tatsächlich entstandene Auswirkungen bezogen habe. Hierzu genügt der Hinweis, dass nur die polnische Fassung des streitigen Beschlusses verbindlich ist und diese im Präsens formuliert ist.

85

Auch dem Umstand, dass die Kommission in ihren vor dem Gerichtshof eingereichten Schriftsätzen ausgeführt habe, dass sich dieser Satz auf die tatsächlichen oder wahrscheinlichen Auswirkungen der Zuwiderhandlung beziehe, es sich aber dabei um ein Redaktionsversehen handele, kann kein sachdienliches Argument entnommen werden. Selbst wenn diese Schriftsätze den Aussagegehalt hätten, den Orange ihnen beimisst, genügt zum einen der Hinweis, dass sich schon aus dem Wortlaut von Art. 263 AEUV ergibt, dass die in dieser Vorschrift vorgesehene Rechtmäßigkeitskontrolle sich nicht auf den Inhalt der Schriftsätze erstrecken kann, die von der beklagten Partei beim mit der Durchführung der Kontrolle betrauten Gericht der Union eingereicht wurden, und dass zum anderen ein Rechtsmittel nur das angefochtene Urteil betrifft (Urteil vom 2. Oktober 2003, Ensidesa/Kommission, C‑198/99 P, EU:C:2003:530, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

86

Auch Rn. 182 des angefochtenen Urteils kann nicht zugunsten des von Orange vertretenen Standpunkts angeführt werden. In dieser Randnummer hat das Gericht nämlich ausgeführt, dass „[a]us den Erwägungsgründen 899 bis 902, 904 und 905 des [streitigen] Beschlusses [hervorgeht], dass die Kommission diese Umstände bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigt hat“, wobei diese „Umstände“ in den Rn. 178 bis 181 des angefochtenen Urteils genannt werden. Es handelt sich dabei um die Tatsache, dass „[Orange] sowohl auf dem Vorleistungsmarkt für LLU- und BSA-Breitbandanschlüsse, auf dem sie der einzige Lieferant war, als auch auf dem Endkundenmarkt eine aus einem ehemaligen gesetzlichen Monopol erwachsene beherrschende Stellung innehatte“, die Tatsache, dass „die von [Orange] begangene Zuwiderhandlung, die als solche nicht bestritten wird, aus zahlreichen offenkundigen, andauernden und vorsätzlichen Verstößen gegen die Regulierungsbestimmungen [bestand]“, die Tatsache, dass „[Orange] die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens bewusst war, und zwar sowohl im Hinblick auf die Regulierungsbestimmungen … als auch im Hinblick auf die wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen, da ihre Praktiken dazu dienten, den Eintritt neuer Unternehmen in die Märkte der betreffenden Produkte zu verhindern oder zu verzögern“, und um die Tatsache, dass „die von den missbräuchlichen Praktiken [von Orange] betroffenen Produktmärkte, die … das gesamte Gebiet eines der größten Mitgliedstaaten der Union umfassen, sowohl unter wirtschaftlichen als auch unter sozialen Gesichtspunkten Märkte von großer Bedeutung sind, da der Zugang zum Breitbandinternet ein Schlüsselelement für die Entwicklung der Informationsgesellschaft ist“.

87

In dieser Randnummer hat das Gericht außerdem den Inhalt der Erwägungsgründe 899 bis 902 des streitigen Beschlusses, wie er schon in den Rn. 167 und 168 dieses Urteils angeführt worden war, nahezu wortgleich wie in diesen Randnummern wiedergegeben sowie den Inhalt der Erwägungsgründe 904 und 905 des streitigen Beschlusses zur beherrschenden Stellung von Orange und zum Umfang des relevanten räumlichen Marktes referiert. Die beiden letztgenannten Feststellungen werden von Orange im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels nicht gerügt.

88

Entgegen dem, was Orange auf der Grundlage eines irrigen Verständnisses der Rn. 182 des angefochtenen Urteils vorträgt, ist dieser Randnummer nicht zu entnehmen, dass das Gericht darin dem letzten Satz des 902. Erwägungsgrundes des streitigen Beschlusses eine andere Bedeutung gegeben hätte als in Rn. 169 des Urteils.

89

Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass das Gericht den streitigen Beschluss nicht verfälscht hat, als es in Rn. 171 des angefochtenen Urteils angenommen hat, dass die Kommission bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung zum Zweck der Berechnung der Geldbuße keine tatsächlichen oder wahrscheinlichen Marktauswirkungen der von Orange begangenen Zuwiderhandlung berücksichtigt habe. Folglich hat das Gericht in dieser Randnummer zu Recht entschieden, dass die Kommission die tatsächlichen Auswirkungen der Zuwiderhandlung nicht habe nachweisen müssen, da sie diese bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung nicht berücksichtigt habe, und anschließend in Rn. 172 das Vorbringen von Orange, mit dem ein Begründungsmangel in Bezug auf den Nachweis der tatsächlichen Auswirkungen der Zuwiderhandlung gerügt wurde, zu Recht als unbegründet zurückgewiesen. Ebenfalls zu Recht hat das Gericht in den Rn. 173 und 174 des angefochtenen Urteils das Vorbringen von Orange und der PIIT als ins Leere gehend zurückgewiesen, mit dem die Fehler der Kommission bei der Beurteilung der wahrscheinlichen Auswirkungen der Zuwiderhandlung nachgewiesen werden sollten, da die Kommission auch die wahrscheinlichen Auswirkungen der Zuwiderhandlung bei der Bewertung der Schwere der Zuwiderhandlung nicht berücksichtigt habe.

90

Der erste Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes, mit dem dargetan werden soll, dass das Gericht den letzten Satz des 902. Erwägungsgrundes des streitigen Beschlusses verfälscht hat, ist daher insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

91

Zum zweiten Teil dieses Rechtsmittelgrundes ist festzustellen, dass er vollständig auf der Prämisse beruht, dass die im Rahmen des ersten Teils des Rechtsmittelgrundes behauptete Verfälschung dargetan ist. Wie aber in den Rn. 76 bis 90 des vorliegenden Urteils festgestellt, ist das nicht der Fall. Dieser auf einer falschen Prämisse beruhende zweite Teil ist daher ebenfalls insgesamt als unbegründet zurückzuweisen. Dies gilt auch für das in Rn. 72 des vorliegenden Urteils angeführte Vorbringen von PIIT, seine Zulässigkeit unterstellt.

92

Nach alledem ist der zweite Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen.

Zum dritten Rechtsmittelgrund: Rechts- und Beurteilungsfehler wegen Nichtberücksichtigung der von Orange getätigten Investitionen als mildernden Umstand

Vorbringen der Parteien

93

Orange macht geltend, mit der Zurückweisung ihres Vorbringens, dass die Kommission ihre Investitionen, die sie im Anschluss an den Abschluss der Vereinbarung mit dem UKE zur Verbesserung des leitungsgebundenen Breitbandnetzes in Polen getätigt habe (im Folgenden: Investitionen), als mildernden Umstand hätten einstufen müssen, habe das Gericht Beweise verfälscht und mehrere Rechtsfehler und/oder offensichtliche Beurteilungsfehler begangen, von denen jeder einzelne zu einer Herabsetzung der Geldbuße hätte führen müssen.

94

Erstens habe das Gericht in Rn. 195 des angefochtenen Urteils anerkannt, dass Umstände, die für die Art der Zuwiderhandlung unbeachtlich seien, als mildernde Umstände angesehen werden könnten, und in Rn. 208 dieses Urteils, dass es für die Feststellung, ob bestimmte Umstände als mildernd im Sinne von Nr. 29 der Leitlinien von 2006 einzustufen seien, gleichgültig sei, ob diese die Art der Zuwiderhandlung geändert hätten. Es habe damit die Begründung der Kommission im 915. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses zurückgewiesen. In den Rn. 192 bis 209 des angefochtenen Urteils sei das Gericht aber von der im streitigen Beschluss gegebenen Begründung dafür, dass diese Investitionen nicht als mildernder Umstand einzustufen seien, abgewichen und habe sie durch seine eigene Argumentation ersetzt, obwohl es darauf hingewiesen habe, dass es sich auf eine Kontrolle der Rechtmäßigkeit des streitigen Beschlusses beschränken werde und von seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung keinen Gebrauch machen wolle. Damit habe es gegen die Regel verstoßen, nach der das Gericht im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle gemäß Art. 263 AEUV die vom Urheber der angefochtenen Handlung gegebene Begründung nicht durch seine eigene ersetzen könne.

95

Zweitens habe das Gericht einen Rechtsfehler und/oder einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, indem es entschieden habe, dass die Investitionen nicht als Abhilfemaßnahme angesehen werden könnten. Zum einen könne, anders als in den Rn. 199 bis 201 des angefochtenen Urteils entschieden worden sei, aus dem Urteil vom 30. April 2009, Nintendo und Nintendo of Europe/Kommission (T‑13/03, EU:T:2009:131), sowie aus den Entscheidungen der nationalen Wettbewerbsbehörden abgeleitet werden, dass der Begriff der Abhilfe positive Auswirkungen eher sachlicher als finanzieller Art umfassen könne, auch wenn sie nur mittelbar seien. Art. 18 Abs. 3 der Richtlinie 2014/104 bestätige das und ermuntere sogar dazu, solche Maßnahmen bei der Berechnung der Geldbußen zu berücksichtigen. Zum anderen sei es im vorliegenden Fall nicht möglich gewesen, die unmittelbar abhelfenden Maßnahmen präzise und effektiv zu quantifizieren und zuzuordnen. Zwar habe Orange die Investitionen, deren Umfang und positive Auswirkungen vom UKE und von den alternativen Betreibern anerkannt worden seien, nicht einseitig getätigt, doch hätten nur wenige Personen Schadensersatz erhalten. Insoweit habe das Gericht in den Rn. 204 bis 206 des angefochtenen Urteils zu Unrecht entschieden, dass die darin genannten positiven Auswirkungen der Vereinbarung mit dem UKE und nicht den Investitionen zuzuschreiben seien.

96

Drittens habe das Gericht einen Rechtsfehler begangen und den Akteninhalt verfälscht, indem es in Rn. 202 des angefochtenen Urteils davon ausgegangen sei, dass Beweggrund für die Investitionen der Wunsch von Orange gewesen sei, die vom UKE ins Auge gefasste funktionale Trennung zu verhindern. In den Schriftsätzen oder im streitigen Beschluss sei keines der Argumente erwähnt, die sich auf die Beweggründe von Orange für den Abschluss der Vereinbarung mit dem UKE bezögen, und abgesehen davon, dass das Gericht eine unzulässige Auswechslung der Begründung vorgenommen, gegen die Billigkeit verstoßen und die Verteidigungsrechte verletzt habe, sei es auch im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle des streitigen Beschlusses nicht befugt gewesen, die Argumentation der Kommission durch seine eigene zu ersetzen. Außerdem seien diese Investitionen sehr wohl freiwillig gewesen, wie die Kommission im 140. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses selbst anerkannt habe und wie aus den dem Gericht vorgelegten Schriftstücken hervorgehe.

97

Viertens sei das Gericht in Rn. 203 des angefochtenen Urteils zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Investitionen „zum normalen Geschäftsleben“ gehörten. Diese Aussage stehe im Widerspruch zu der Feststellung in Rn. 202 dieses Urteils, da dieselben Investitionen nicht gleichzeitig Resultat eines drohenden Eingriffs der Regulierungsbehörde und Bestandteil des normalen Geschäftslebens sein könnten. In Rn. 204 dieses Urteils würden auch die Beweise verfälscht, denn indem der Akzent auf Ereignisse gelegt werde, die im Zuwiderhandlungszeitraum stattgefunden hätten, werde der Eindruck vermittelt, dass die Regulierungsmaßnahmen nicht den gewünschten Erfolg gebracht hätten und mithin die späteren Investitionen keine positive Auswirkung gehabt hätten. Jedenfalls seien die Investitionen nicht unter Renditegesichtspunkten getätigt worden, da einige von ihnen wirtschaftlich nicht rentabel gewesen seien, sondern um den Schaden der Opfer des rechtswidrigen Verhaltens wiedergutzumachen.

98

Im Übrigen stellten die mildernden Umstände keine geschlossene Kategorie dar. Auch sei das Fehlen eines Präzedenzfalls in der Rechtsprechung kein Hinderungsgrund für die Anerkennung eines mildernden Umstands. Im vorliegenden Fall sei es durch außergewöhnliche Umstände gerechtfertigt, dass die Investitionen als mildernder Umstand anerkannt würden, insbesondere wegen des Zeitpunkts, zu dem sie getätigt worden seien, und ihrer Bandbreite.

99

Der dritte Rechtsmittelgrund sei kein Antrag auf nochmalige Prüfung des im ersten Rechtszug vorgebrachten Klagegrundes, sondern wende sich gegen die Prüfung durch das Gericht, die der Weigerung der Kommission nachträglich eine Grundlage gegeben hätte, indem die Begründung des streitigen Beschlusses durch eine neue Begründung ersetzt worden sei, die in diesem Beschluss nicht erwähnt und außerdem falsch sei.

100

Nach Ansicht der Kommission geht dieser Rechtsmittelgrund ins Leere, da die beanstandete Argumentation des Gerichts im angefochtenen Urteil im Rahmen nicht tragender Urteilsgründe als Antwort auf Parteivortrag erfolgt sei. Alle vom Gericht geprüften Gesichtspunkte sowie alle angeführten Gründe dafür, die Investitionen nicht als mildernden Umstand einzustufen, hätten sich aus den bei ihm eingereichten Stellungnahmen und aus dem streitigen Beschluss ergeben. Zudem habe das Gericht, indem es entschieden habe, die Geldbuße nicht zu ändern, seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ausgeübt, wie Orange dies beantragt habe.

101

Jedenfalls sei dieser Rechtsmittelgrund unzulässig, da Orange den Gerichtshof um eine erneute Prüfung der Tatsachen ersuche, oder unbegründet, da Orange nicht nachgewiesen habe, dass das Gericht nach dem geltenden rechtlichen Rahmen verpflichtet gewesen sei, die Investitionen als Abhilfemaßnahme anzusehen.

102

Die PIIT macht wie Orange geltend, dass die Investitionen naturgemäß Abhilfe schüfen, wie sich dies aus den Tatsachen ergebe, die sie in ihrer beim Gericht eingereichten Stellungnahme dargelegt habe. Folglich habe das Gericht einen Rechtsfehler begangen, indem es die Investitionen nicht als mildernden Umstand berücksichtigt habe. Außerdem habe es die von der PIIT vorgelegten Beweise fehlerhaft gewürdigt und ihren Inhalt verfälscht, insbesondere durch seine Ausführungen in Rn. 204 des angefochtenen Urteils, denen zufolge die von der PIIT in ihrem Streithilfeschriftsatz vorgetragenen Ansichten durch die diesem Schriftsatz beigefügten Anlagen widerlegt würden. Auch habe es in Rn. 206 des angefochtenen Urteils zu Unrecht festgestellt, dass die positiven Auswirkungen für die alternativen Betreiber und die Endkunden ausschließlich der Vereinbarung mit dem UKE und nicht den Investitionen zuzuschreiben seien.

103

Die ECTA trägt wie die Kommission vor, dass der dritte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen sei. Das Gericht habe keine Auswechslung der Begründung vorgenommen.

Würdigung durch den Gerichtshof

104

Erstens ist, soweit Orange mit diesem dritten Rechtsmittelgrund geltend macht, das Gericht habe unter Verstoß gegen die seiner Rechtmäßigkeitskontrolle gesetzten Grenzen seine eigene Begründung an die Stelle der Begründung der Kommission im streitigen Beschluss gesetzt, um die Einstufung der Investitionen als mildernden Umstand im Sinne von Nr. 29 der Leitlinien von 2006 zu verwerfen, darauf hinzuweisen, dass das System der gerichtlichen Kontrolle von Beschlüssen der Kommission in Verfahren nach den Art. 101 und 102 AEUV in einer Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Organe auf der Grundlage von Art. 263 AEUV besteht, die gemäß Art. 261 AEUV und auf Antrag der klagenden Partei um die Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung durch das Gericht hinsichtlich der in diesem Bereich von der Kommission verhängten Zwangsmaßnahmen ergänzt werden kann (Urteil vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung).

105

Die in Art. 263 AEUV vorgesehene Rechtmäßigkeitskontrolle erstreckt sich auf sämtliche Bestandteile der Beschlüsse der Kommission in Verfahren nach den Art. 101 und 102 AEUV, deren eingehende rechtliche und tatsächliche Kontrolle das Gericht sicherstellt, und zwar auf der Grundlage der von der klagenden Partei geltend gemachten Klagegründe und unter Berücksichtigung aller von ihr vorgebrachten Umstände. Die Gerichte der Union dürfen allerdings im Rahmen dieser Kontrolle die vom Urheber der in Rede stehenden Handlung gegebene Begründung keinesfalls durch ihre eigene ersetzen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. April 2014, Areva u. a./Kommission, C‑247/11 P und C‑253/11 P, EU:C:2014:257, Rn. 56, und vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 72 und 73 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

106

Der Unionsrichter ist hingegen, wenn er seine in Art. 261 AEUV und Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehene Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ausübt, über die reine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Zwangsmaßnahme hinaus befugt, die Beurteilung der Kommission, der Urheberin des Rechtsakts, in dem der Betrag der Zwangsmaßnahme ursprünglich festgelegt wurde, im Hinblick auf die Festsetzung dieses Betrags durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen. Der Unionsrichter kann daher den angefochtenen Rechtsakt, auch ohne ihn für nichtig zu erklären, unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände abändern und so die verhängte Geldbuße aufheben, herabsetzen oder erhöhen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, EU:C:2002:582, Rn. 692, vom 8. Februar 2007, Groupe Danone/Kommission, C‑3/06 P, EU:C:2007:88, Rn. 61, sowie vom 3. September 2009, Prym und Prym Consumer/Kommission, C‑534/07 P, EU:C:2009:505, Rn. 86).

107

Im vorliegenden Fall ist zunächst jedes Argument zurückzuweisen, das Orange aus Rn. 195 des angefochtenen Urteils abzuleiten sucht, da in dieser Randnummer, wie schon aus ihrem Wortlaut hervorgeht, nur das Vorbringen von Orange vor dem Gericht dargestellt wird, wonach die Kommission einen Rechtsfehler begangen habe, weil sie diese Investitionen mit der Begründung, dass sie die Art der Zuwiderhandlung nicht änderten, nicht als mildernden Umstand anerkannt habe.

108

Es ist jedoch festzustellen, dass zwar das Gericht in Rn. 208 des angefochtenen Urteils, wie Orange vorträgt, ausgeführt hat, es sei gleichgültig, ob als mildernde Umstände nur solche Umstände qualifiziert werden könnten, die die Art der Zuwiderhandlung änderten, oder auch Umstände, die dies nicht täten, doch nicht ohne in dieser Rn. 208 sowie in Rn. 209 des Urteils darauf hinzuweisen, dass die Weigerung, Orange mildernde Umstände wegen der Investitionen zuzubilligen, die sie aufgrund der Vereinbarung mit dem UKE getätigt habe, nicht als Verstoß gegen Nr. 29 der Leitlinien von 2006 oder gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angesehen werden könne. Dabei hat es sich auf seine Erwägungen in den Rn. 196 bis 207 des Urteils gestützt.

109

In diesen Randnummern hat das Gericht einige Passagen der Vereinbarung mit dem UKE zitiert und daraus abgeleitet, dass die von Orange getätigten Investitionen nicht als Abhilfemaßnahmen betrachtet werden könnten, die mit jenen vergleichbar seien, welche die Kommission in der Rechtssache, in der das Urteil vom 30. April 2009, Nintendo und Nintendo of Europe/Kommission (T‑13/03, EU:T:2009:131), ergangen sei, anerkannt habe, und auch nicht mit anderen Maßnahmen, die von der Wettbewerbsbehörde des Vereinigten Königreichs positiv beurteilt worden seien. Die in der Vereinbarung mit dem UKE festgelegten Verpflichtungen hätten in dem Wunsch von Orange begründet gelegen, eine funktionale Trennung zu verhindern, und die Investitionen gehörten zum normalen Geschäftsleben, da ihr Nutznießer in erster Linie Orange selbst gewesen sei. Das Gericht hat ferner das Vorbringen der PIIT zurückgewiesen und festgestellt, dass die Unterlagen, die ihm diese vorgelegt habe, zeigten, dass die positiven Auswirkungen für die alternativen Betreiber und die Endverbraucher, die sich aus der Vereinbarung mit dem UKE und den darin vorgesehenen Investitionen ergäben, dieser Vereinbarung als solcher und nicht den Investitionen im Besonderen zuzuschreiben seien. Die Verbesserung der Lage auf dem relevanten Markt aufgrund der Änderung des Verhaltens von Orange nach der Unterzeichnung dieser Vereinbarung sei von der Kommission durchaus berücksichtigt worden, da sie den Zeitpunkt der Unterzeichnung als Zeitpunkt des Endes der Zuwiderhandlung angesehen habe.

110

Es ist jedoch festzustellen, dass die von Orange vor dem Gericht vorgetragenen Rügen, die in den Rn. 192 bis 194 des angefochtenen Urteils dargestellt worden sind und die das Gericht in den Rn. 196 bis 207 des Urteils zurückgewiesen hat, sich nicht auf die Ausführungen im streitigen Beschluss zur Weigerung der Kommission, mildernde Umstände zu berücksichtigen, bezogen. Sie zielten, wie sich ausdrücklich aus den Rn. 63 und 64 des angefochtenen Urteils und der Klageschrift im ersten Rechtszug ergibt, vielmehr darauf ab, dass das Gericht in Übereinstimmung mit der in Rn. 106 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ausüben und die von der Kommission verhängte Geldbuße herabsetzen möge, damit die Abhilfemaßnahme in Form der Investitionen berücksichtigt würde.

111

Somit ist das Gericht, obwohl es, wie im Wesentlichen den Rn. 63 bis 68 und dem Aufbau des angefochtenen Urteils zu entnehmen ist, seine Wertungen zu Unrecht im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle des streitigen Beschlusses vorgenommen hat, mit seinen Ausführungen in den Rn. 196 bis 207 des angefochtenen Urteils tatsächlich auf das in den Rn. 192 bis 194 des angefochtenen Urteils zusammengefasste Vorbringen eingegangen, mit dem Orange eine Abänderung der in Art. 2 des streitigen Beschlusses verhängten Geldbuße erreichen wollte.

112

Da Orange mit diesem Vorbringen ausdrücklich auf eine solche Abänderung abgezielt hat und sich die betreffenden Erwägungen entsprechend den Grenzen, die dem Gericht bei der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung gesetzt sind (vgl. insoweit Urteil vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 76 und 77), in der Tat in der Beurteilung der von der Kommission verhängten Geldbuße erschöpften, durfte das Gericht im vorliegenden Fall die Begründung in den Rn. 196 bis 207 des angefochtenen Urteils auf der Grundlage seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung entwickeln.

113

Folglich war das Gericht im Einklang mit der in Rn. 106 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung insoweit befugt, die Begründung der Kommission durch seine eigene Begründung zu ersetzen.

114

Der dritte Rechtsmittelgrund ist daher, soweit Orange dem Gericht damit vorwirft, die Grenzen der Rechtmäßigkeitskontrolle überschritten zu haben, zurückzuweisen, da der in Rn. 111 des vorliegenden Urteils festgestellte Fehler nicht die Aufhebung des angefochtenen Urteils nach sich ziehen kann (vgl. entsprechend Urteil vom 12. November 1996, Ojha/Kommission, C‑294/95 P, EU:C:1996:434, Rn. 52).

115

Zweitens ist, soweit Orange und die PIIT mit dem in den Rn. 95 bis 98 und 102 des vorliegenden Urteils angeführten Vorbringen die Stichhaltigkeit der Erwägungen des Gerichts in den Rn. 196 bis 207 des angefochtenen Urteils anzweifeln, darauf hinzuweisen, dass es nicht Sache des Gerichtshofs ist, bei der Entscheidung über Rechtsfragen im Rahmen eines Rechtsmittels die Würdigung des Gerichts, das in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung über den Betrag der gegen Unternehmen wegen eines Verstoßes gegen das Unionsrecht festgesetzten Geldbußen entscheidet, aus Gründen der Billigkeit durch seine eigene Würdigung zu ersetzen, und nur wenn der Gerichtshof der Ansicht wäre, dass die Höhe der Sanktion nicht nur unangemessen, sondern auch dermaßen überhöht ist, dass sie unverhältnismäßig wird, wäre ein Rechtsfehler des Gerichts wegen der unangemessenen Höhe einer Geldbuße festzustellen (Urteile vom 22. November 2012, E.ON Energie/Kommission, C‑89/11 P, EU:C:2012:738, Rn. 125 und 126 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 27. April 2017, FSL u. a./Kommission, C‑469/15 P, EU:C:2017:308, Rn. 77 und 78 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall ist das jedoch nicht der Fall. Dieses Vorbringen ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

116

Aus dem Vorstehenden folgt, dass der dritte Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen ist.

117

Soweit Orange und die PIIT mit ihren Anträgen hilfsweise beantragen, die mit dem streitigen Beschluss verhängte Geldbuße herabzusetzen, soweit der Gerichtshof dies für angemessen erachtet, genügt der Hinweis, dass sich diese Anträge zwangsläufig auf die gleichen Gründe stützen wie ihre jeweiligen Hauptanträge und sie daher aus den im vorliegenden Urteil dargelegten Gründen ebenfalls zurückzuweisen sind (vgl. entsprechend Urteil vom 1. Juni 1978, Mulcahy/Kommission, 110/77, EU:C:1978:118, Rn. 30).

118

Soweit Orange und die PIIT mit ihren äußerst hilfsweise gestellten Anträgen den Gerichtshof schließlich ersuchen, die Entscheidung über die Geldbuße an die Kommission zurückzuverweisen, und damit erreichen wollen, dass der Gerichtshof die Kommission verpflichtet, erneut über die Geldbuße zu entscheiden, genügt der Hinweis, dass der Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens nicht befugt ist, Anordnungen zu erlassen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. Juli 1999, DSM/Kommission, C‑5/93 P, EU:C:1999:364, Rn. 34 bis 37, und vom 22. Januar 2004, Mattila/Rat und Kommission, C‑353/01 P, EU:C:2004:42, Rn. 15 und 16), so dass diese Anträge als unzulässig zurückzuweisen sind.

119

Nach alledem ist das Rechtsmittel insgesamt als teils unzulässig, teils ins Leere gehend und teils unbegründet zurückzuweisen.

Kosten

120

Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist oder wenn das Rechtsmittel begründet ist und er den Rechtsstreit selbst endgültig entscheidet.

121

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

122

Da Orange mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Kommission aufzuerlegen.

123

Nach Art. 184 Abs. 4 der Verfahrensordnung können einer erstinstanzlichen Streithilfepartei, wenn sie das Rechtsmittel nicht selbst eingelegt hat, im Rechtsmittelverfahren nur dann Kosten auferlegt werden, wenn sie am schriftlichen oder mündlichen Verfahren vor dem Gerichtshof teilgenommen hat. Nimmt eine solche Partei am Verfahren teil, so kann der Gerichtshof ihr ihre eigenen Kosten auferlegen.

124

Da die PIIT am schriftlichen Verfahren und die ECTA am schriftlichen und am mündlichen Verfahren vor dem Gerichtshof teilgenommen haben, ist unter den Umständen des vorliegenden Falles zu entscheiden, dass diese beiden erstinstanzlichen Streithelferinnen ihre eigenen Kosten tragen.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

 

2.

Die Orange Polska SA trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Europäischen Kommission.

 

3.

Die Polska Izba Informatyki i Telekomunikacji und die European Competitive Telecommunications Association AISBL (ECTA) tragen ihre eigenen Kosten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

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