Bundesgerichtshof Urteil, 18. Okt. 2005 - X ZR 35/01

bei uns veröffentlicht am18.10.2005
vorgehend
Bundespatentgericht, 1 Ni 4/99, 26.09.2000

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 35/01 Verkündet am:
18. Oktober 2005
Groß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Oktober 2005 durch die Richter Scharen, Keukenschrijver, die
Richterin Mühlens und die Richter Asendorf und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 26. September 2000 verkündete Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 9. Januar 1990 angemeldeten , mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 389 008 (Streitpatent). Das Streitpatent betrifft eine transportable Belustigungsvorrichtung für Jahrmärkte, insbesondere Riesenrad, und umfasst 18 Patentansprüche, die die Klägerin sämtlich mit der Nichtigkeitsklage angegriffen hat. Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Englisch: "A fair ground attraction transportable in parts on separate carriages , comprising carrier portions in two or more parts, each carrier portion being transportable in folded condition on one of said carriages , characterized in that the carriages are containers comprising on the upper side of opposed side walls hinges for pivotally connecting the parts of said carrier portions."
2
In der in der Streitpatentschrift gegebenen deutschen Übersetzung hat Patentanspruch 1 folgenden Wortlaut: "Belustigungsvorrichtung für Jahrmärkte, die in Teilen auf einzelnen Wagen transportfähig ist, versehen mit Trägern in zwei oder mehreren Teilen, wobei jeder Träger im zusammengefalteten Zustand auf einem der genannten Wagen transportfähig ist, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die Wagen Behälter sind, die an der Oberseite der entgegengesetzten Seitenwände Gelenke zum drehbaren Verbinden der Teile der genannten Träger aufweisen."
3
Wegen der unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 18 wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.
4
Die Klägerin hat geltend gemacht, Patentanspruch 1 des Streitpatents sei gegenüber der ursprünglich angemeldeten Fassung unzulässig erweitert sowie wegen Vorbenutzung und jedenfalls mangelnder erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig. Sie hat beantragt, das Streitpatent für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im vollen Umfang für nichtig zu erklären.

5
Die Beklagte hat Patentanspruch 1 mit folgendem Wortlaut verteidigt: "Belustigungsvorrichtung für Jahrmärkte, insbesondere Riesenrad , die in Teilen auf einzelnen Wagen transportfähig ist, versehen mit Seitenteilen mit Trägern in zwei oder mehreren Teilen, wobei jeder Träger im zusammengefalteten Zustand auf einem der genannten Wagen transportfähig ist, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass jedes Seitenteil zwei Träger aufweist, die heruntergelassen werden können, dass die Wagen Behälter sind, die an der Oberseite der entgegengesetzten Seitenwände Gelenke zum drehbaren Verbinden der Teile der genannten Träger mit den Behältern besitzen, derart, dass einer der Träger drehbar mit dem Wagen verbunden ist und bleibt, der andere Träger lösbar mit dem Wagen verbunden ist und weiter die freien Enden der zwei Träger drehbar miteinander verbunden werden können und durch eine Hauptachse gekuppelt sind, auf der die Speichen des Riesenrades drehbar montiert sind und dass die Wagen Mittel zum seitlichen Verschieben aufweisen." Im übrigen ist die Beklagte der Klage entgegengetreten.
6
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent wegen unzulässiger Erweiterung für nichtig erklärt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie das Streitpatent wie vor dem Bundespatentgericht verteidigt; für die Patentansprüche 2 bis 13 wird insoweit auf Anl. 1 zum Sitzungsprotokoll des Bundespatentgerichts vom 26. September 2000 (GA 140 a, 140 b) verwiesen.

7
Hilfsweise verteidigt die Beklagte das Streitpatent mit geänderten Fassungen des Patentanspruchs 1 gemäß den folgenden Hilfsanträgen 1 und 2.
8
Hilfsantrag 1:
9
Anspruch 1: "Belustigungsvorrichtung für Jahrmärkte, insbesondere Riesenrad , die in Teilen auf einzelnen Wagen transportfähig ist, versehen mit Seitenteilen mit Trägern in zwei oder mehreren Teilen, wobei jeder Träger im zusammengefalteten Zustand auf einem der genannten Wagen transportfähig ist, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass jedes Seitenteil zwei Träger aufweist, die heruntergelassen werden können, dass die Wagen Behälter sind, die an der Oberseite der entgegengesetzten Seitenwände Gelenke zum drehbaren Verbinden der Teile der genannten Träger mit den Behältern besitzen, derart, dass einer der Träger drehbar mit dem Wagen verbunden ist und bleibt, der andere Träger lösbar mit dem Wagen verbunden ist und weiter die freien Enden der zwei Träger drehbar miteinander verbunden werden können und durch eine Hauptachse gekuppelt sind, auf der die Speichen des Riesenrades drehbar montiert sind, und dass die Wagen Mittel zum seitlichen Verschieben und zum Längsverschieben aufweisen, wobei die Mittel zum seitlichen Verschieben der Wagen Hubzylinder und mindestens eine mit einem Zylinder versehene Zug- oder Schubstange aufweisen."
10
Hieran schließen sich die Ansprüche 4 bis 13 nach dem Hauptantrag der Beklagten in Rückbeziehung auf Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 als Ansprüche 2 bis 11 an.
11
Hilfsantrag 2:
12
Anspruch 1: "Belustigungsvorrichtung für Jahrmärkte, insbesondere Riesenrad , die in Teilen auf einzelnen Wagen transportfähig ist, versehen mit Seitenteilen mit Trägern in zwei oder mehreren Teilen, wobei jeder Träger im zusammengefalteten Zustand auf einem der genannten Wagen transportfähig ist, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass jedes Seitenteil zwei Träger aufweist, die heruntergelassen werden können, dass die Wagen Behälter sind, die an der Oberseite der entgegengesetzten Seitenwände Gelenke zum drehbaren Verbinden der Teile der genannten Träger mit den Behältern besitzen, derart, dass einer der Träger drehbar mit dem Wagen verbunden ist und bleibt, der andere Träger lösbar mit dem Wagen verbunden ist und weiter die freien Enden der zwei Träger drehbar miteinander verbunden werden können und durch eine Hauptachse gekuppelt sind, auf der die Speichen des Riesenrades drehbar montiert sind, und dass die Wagen Mittel zum seitlichen Verschieben und zum Längsverschieben aufweisen, wobei die Mittel zum seitlichen Verschieben der Wagen Hubzylinder und mindestens eine mit einem Zylinder versehene Zug- oder Schubstange aufweisen, und dass die Hubzylinder mit ihren oberen Enden drehbar am Wagenrahmen verbunden und mit ihren unteren Enden auf dem Boden abgestützt sind, während die in einem Winkel zu den Hubzylindern angeordnete, mit dem Zylinder versehene Zug- oder Schubstange einerseits drehbar mit dem zu verschiebenden Wagen verbunden und andererseits auf dem Boden abgestützt ist."
13
Hieran schließen sich die Patentansprüche 5 bis 13 nach dem Hauptantrag der Beklagten in Rückbeziehung auf Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 als Ansprüche 2 bis 10 an.
14
Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
15
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr.-Ing. Harald M. ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


16
Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.
17
I. Das Streitpatent betrifft eine Belustigungsvorrichtung für Jahrmärkte, insbesondere Riesenrad, die in Teilen auf einzelnen Wagen transportiert werden kann und Träger für Seitenteile aufweist, die zum Transport auf einem der genannten Wagen zusammengefaltet werden können. Die Streitpatentschrift gibt an, eine derartige Vorrichtung sei aus der britischen Patentschrift 1 212 779 bekannt, und beschreibt es als Aufgabe der Erfindung, die Vorrichtung höher auszuführen, um die Benutzung für das Publikum aufregender zu machen, aber ohne größere Abmessungen, welche die Kosten erhöhen würden. Außerdem soll eine genaue Positionierung der Wagen zueinander erreicht werden.
18
Die dazu vorgeschlagene Lösung lässt sich in der verteidigten Fassung des Patentanspruchs 1 wie folgt gliedern:
a) Die Belustigungsvorrichtung (insbesondere Riesenrad) ist in Teilen auf einzelnen Wagen transportfähig,
b) die Belustigungsvorrichtung ist mit Seitenteilen versehen,
c) die Seitenteile weisen Träger in zwei oder mehreren Teilen auf,
d) jeder Träger ist in zusammengefaltetem Zustand auf einem der genannten Wagen transportfähig,
e) jedes Seitenteil weist zwei Träger auf, die heruntergelassen werden können,
f) die Wagen sind Behälter,
g) die Behälter besitzen an der Oberseite der entgegengesetzten Seitenwände Gelenke,
h) die Gelenke dienen zum drehbaren Verbinden der Teile der genannten Träger mit den Behältern,
i) derart, dass i1) einer der Träger drehbar mit dem Wagen verbunden ist und bleibt, i2) der andere Träger lösbar mit dem Wagen verbunden ist und i3) die freien Enden der zwei Träger drehbar miteinander verbunden werden können,
j) die freien Enden der Träger sind durch eine Hauptachse gekuppelt ,
k) auf der Hauptachse sind die Speichen des Riesenrades drehbar montiert und
l) die Wagen weisen Mittel zum seitlichen Verschieben auf.
19
Die Fig. 1 bis 8 der Streitpatentschrift zeigen ein Ausführungsbeispiel. In ihm bilden drei nebeneinander stehende Wagen die Basis des Riesenrades. Die beiden äußeren Wagen tragen die Seitenteile des Riesenrades. Sie bestehen aus je zwei an ihrer Spitze durch die Hauptachse 2 des Riesenrades miteinander verbundenen und so ein dreieckiges Traggerüst bildenden Trägern 5.

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Die Träger sind mit Gelenken an der Oberseite entgegengesetzter Seitenwände der Wagen befestigt. Dabei ist einer der Träger mit dem Wagen am Gelenk 13 drehbar, aber dauerhaft, der andere dagegen an der entgegengesetzten Seite lösbar verbunden. Beide Träger sind an ihren freien Enden, d.h. der Spitze des Dreiecks, über ein Gelenk 15 drehbar miteinander verbunden.


21
Wird die lösbare Verbindung des einen Trägers am Wagen gelöst, können beide Träger mittels der Gelenke 13 und 15 (in Fig. 4 b unzutreffend mit 14 bezeichnet) zusammengefaltet, heruntergelassen und in zusammengefaltetem Zustand flach auf dem Wagen liegend transportiert werden.
22
Zum Aufbauen des Traggerüsts wird der mit dem Behälter über das Gelenk 13 fest verbundene Träger mit dem Hubzylinder 21 angehoben. Damit wird gleichzeitig auch der mit dem ersten Träger über das Gelenk 15 gekoppelte zweite Träger aufgerichtet. Dann wird das untere Ende des zweiten Trägers zur gegenüberliegenden Seite gebracht und dort an der Oberseite der Seitenwand lösbar befestigt.
23
Die Wagen weisen außerdem Mittel zum seitlichen Verschieben auf, um sie auf engem Raum genau zueinander positionieren zu können. Im Ausführungsbeispiel (Fig. 5 a bis 5 c) sind diese Mittel zwei am Chassis des Wagens schwenkbar angeordnete Hubzylinder und dazu im Winkel angeordnete, mit einem Zylinder 20 versehene Zug- oder Schubstangen, die mit einem Ende am Wagen verbunden und mit dem anderen Ende auf dem Boden abgestützt sind. Die beiden Hubzylinder sind über einen waagerechten Balken auf dem Boden abgestützt. Die Hubzylinder können den Wagen anheben, bis er vom Boden freikommt. Dann kann der Wagen mit den Zylindern 20 seitlich bewegt und in die gewünschte Position gebracht werden, wo er durch Absenken der Hubzylinder abgesetzt wird. Gegebenenfalls kann der Vorgang wiederholt werden, bis die gewünschte Position erreicht ist.
24
II. Das Streitpatent hat auch mit den verteidigten Ansprüchen keinen Bestand. Sein Gegenstand ist zwar neu, beruht jedoch nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
25
1. Der Gegenstand des Streitpatents wird in keiner der nachfolgend näher abgehandelten Entgegenhaltungen vollständig vorweggenommen.
26
a) Die britische Patentschrift 1 212 779 beschreibt ein Riesenrad, das in Teilen auf einzelnen Wagen transportfähig ist (Merkmal a)). Zwei Wagen bilden die Seitenteile des Riesenrades, aus denen zwei Träger mit teleskopartig ausfahrbaren Verlängerungen hydraulisch ausgeklappt werden können. Da jeder Träger infolge der Verlängerungen aus mindestens zwei Teilen besteht, sind damit die Merkmale b) bis e) erfüllt. Die Hauptachse des Riesenrades verkuppelt ferner die freien Enden der Träger auf einer Seite der sich gegenüberstehenden Wagen, die die Seitenteile des Riesenrades bilden (Merkmal j) des Streitpatents). Es fehlt aber der Gedanke, einen der Träger lösbar an dem Wagen zu befestigen (Merkmal i2)), so dass die freien Enden der zwei Träger dergestalt miteinander verbunden werden können, dass bei hydraulischem Ausfahren lediglich eines der Träger der zweite automatisch ausgeklappt wird. Nach der britischen Patentschrift werden beide Träger separat an an den Wagen angebrachten Gelenken dauerhaft befestigt und einzeln über separate Hubzylinder hoch geschwenkt. Sodann werden die freien Enden der Träger miteinander verbunden (Merkmale i1), i3); vgl. Fig. 1, 3 u. 4 der britischen Patentschrift). Die Transportwagen für die Seitenteile sind ferner nicht gemäß Merkmal f) als Behälter , sondern als Flachbett- oder Tiefladerkonstruktionen ausgeführt (vgl. S. 1 Z. 34-37 u. S. 3 Z. 11-15 m. Fig. 2, 3 u. 7 der britischen Patentschrift). Die seitlichen Transportwagen der britischen Patentschrift weisen somit zwar an ihrer Oberseite Gelenke auf, die zur Befestigung der seitlichen Träger dienen. Insoweit sind die Merkmale g) und h) erfüllt. Da die Wagen aber nicht als Behälter ausgeführt sind, sind die Gelenke auch nicht im Sinne dieser Merkmale an Behältern angebracht. Keine Aussage enthält die britische Patentschrift darüber, wie die Speichen des Riesenrades montiert sind (Merkmal k), vgl. S. 4 Z. 24-27 der britischen Patentschrift; S. 9 Z. 14-15 deutsche Übersetzung). Schließlich fehlen bei dem britischen Patent Mittel zum seitlichen Verschieben der Wagen (Merkmal l)).
27
b) Die US-Patentschrift 2 847 216 lehrt eine Konstruktion, die als Basis lediglich ein Tiefladergestell verwendet und deshalb auch keine Mittel zum seitlichen Verschieben der Transportwagen aufweist (Merkmale a) und l) nicht erfüllt ). Der einzige Wagen ist auch nicht als Behälter (Merkmal f)) ausgestaltet.

28
c) Riesenrad des Herstellers C.
29
Als Anl. KNi 8 wurde in das Verfahren ein Prospekt des Herstellers C. eingeführt, der - wie von keiner Partei bezweifelt - 1988 publiziert wurde und deshalb als Vorveröffentlichung zu berücksichtigen ist. Er zeigt ein Riesenrad , das auf- und abgebaut und in zerlegtem Zustand auf Wagen transportiert werden kann. Auch werden beim Aufbau drei Transportfahrzeuge als gemeinsame Basis für das Riesenrad nebeneinander gestellt. Hierbei fehlt jedoch jedenfalls die Merkmalsgruppe i). Die seitlichen Träger können erst in aufgerichtetem Zustand miteinander verbunden werden. Nicht vorhanden ist auch Merkmal l). Das Riesenrad des Herstellers C. weist zwar hydraulische Stempel zur waagrechten Ausrichtung der nebeneinander gestellten Transportwagen auf, jedoch keine Einrichtung zum seitlichen Verschieben.
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2. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Gegenstand nach Patentanspruch 1 des Streitpatents in der verteidigten Fassung durch offenkundige Vorbenutzung auf dem Betriebsgelände der Beklagten im Stand der Technik vorweggenommen war. Jedenfalls beruht er nicht auf erfinderischer Tätigkeit (Art. 56 EPÜ). Denn er war dem Fachmann durch den Stand der Technik nahe gelegt.
31
a) Wie auch der Sachverständige schriftlich und in seinen mündlichen Darlegungen vor dem Senat ausgeführt hat, ist hier maßgeblicher Fachmann ein Fachhochschul- oder Diplomingenieur des Maschinenbaus mit mehrjähriger Berufserfahrung in Konstruktion und Entwicklung von Fahrgeschäften für Jahrmärkte oder Volksfeste. Setzte sich ein solcher Fachmann zum Ziel, ein möglichst hohes Riesenrad zu konstruieren, das zerlegt transportiert und an den jeweiligen Einsatzorten besonders schnell und einfach auf- und abgebaut werden kann, konnte er bei seinen Überlegungen von der britischen Patentschrift 1 212 779 (Anl. KNi 3) ausgehen. Denn bei dieser Konstruktion werden wie im Streitpatent drei Transportwagen als Basis des Riesenrades genutzt, wobei an den beiden seitlichen Transportwagen ausklappbare Träger für die Seitenteile des Riesenrades befestigt sind, die einen mehrteiligen Aufbau aufweisen (Fig. 8).
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Wie der Sachverständige bestätigt hat, konnte der Fachmann als Nachteil dieser Konstruktion erkennen, dass die Verbindung der gegenüberliegenden Träger eines Seitenteils eine Montage in großer Höhe erforderte, nachdem die Träger jeweils einzeln angehoben wurden. Angesichts der Qualifikation des maßgeblichen Fachmanns spricht bereits einiges dafür, dass es zu seinem handwerklichen Können gehörte, zur Beseitigung dieses Nachteils eine ein- und ausklappbare, dreieckige Trägerstruktur so zu gestalten, dass die Verbindung der im ausgeklappten Zustand schwer zugänglichen oberen Enden der Träger mittels eines Drehgelenks bereits vor dem Ausklappen erfolgt und infolgedessen die Schwerkraft zum Ausklappen eines der Träger genutzt werden kann, so dass lediglich der andere einen Antrieb für den Klappmechanismus benötigt. Jedenfalls konnte der Fachmann diesen Gedanken konkret für Riesenräder der US-Patentschrift 2 847 216 (KNi 7) entnehmen. Zum Aufrichten der Träger für die Seitenteile des Riesenrades wird dort nur ein Hydraulikzylinder verwendet, der einen schwenkbar an der Basis befestigten Träger hoch drückt, an dessen Ende schwenkbar der im aufgebauten Zustand gegenüberliegende Träger des Seitenteils angebracht ist. Dieser Träger klappt beim hydraulischen Hochfahren aus und wird sodann fest, aber lösbar mit der Basis verbunden (Sp. 4 Z. 20-31, Sp. 6 Z. 33-38 KNi 7).
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Für den Fachmann war offensichtlich, dass dieser Klappmechanismus universal bei transportablen Riesenrädern Verwendung finden konnte und nicht auf der speziellen Konstruktion des Riesenrades der US-Patentschrift beruhte, etwa auf der Verwendung lediglich eines Transportwagens für die gesamte Konstruktion. Ihm war auch klar, dass die Funktionsfähigkeit dieses Klappmechanismus nicht von der Größe eines Riesenrades abhängt und sich mit ihm wegen des Wegfalls eines der beiden Hydraulikzylinder durchaus erhebliche Kosteneinsparungen erzielen ließen. Der Sachverständige hat darauf hingewiesen , dass Hydraulikzylinder kostspielige Bauteile sind. Damit war die Kombination der Konstruktionen nach der britischen Patentschrift mit dem Klappmechanismus der US-Patentschrift für den Fachmann als bloße Aggregation naheliegend. Die Aufnahme des Merkmals i2) des Streitpatents vermag deshalb keine erfinderische Tätigkeit zu begründen.
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b) Ebenfalls nicht erfinderisch ist der Vorschlag, die Seitenteile in Behältern unterzubringen. Sollen die Seitenteile des Riesenrades einerseits auf Wagen transportfähig bleiben und andererseits problemlos aufgeklappt werden können, so ist die Länge der Träger der Seitenteile grundsätzlich begrenzt durch die Länge des Transportwagens. Soll dennoch ein Riesenrad größerer Höhe konstruiert werden, liegt es auf der Hand, das Gelenk 13, an dem die Träger der Seitenteile dauerhaft fest mit dem Wagen verbunden sind, auf dem Chassis des Wagens erhöht zu befestigen. Eine solche Erhöhung war bereits aus der US-Patentschrift 2 847 216 bekannt. Dort wird sie durch gegenüberliegende , hoch stehende Stege 49 realisiert (vgl. dort Fig. 1). Im Hinblick auf das auf ihnen lastende, hohe Gewicht des Riesenrades müssen diese Stege um so mehr abgestützt werden, je höher sie ausgeführt werden. Zur Stabilisierung können stützende Streben eingesetzt werden (vgl. etwa Bezugszeichen 51 in Fig. 1 der US-Patentschrift). Dem Fachmann war aber vertraut, dass er zur Sta- Stabilisierung anstelle von Stützen oder Streben, die den unteren Gelenkpunkt der Träger mit der Oberseite der Wagen verbinden, entweder eine Portalkonstruktion verwenden kann, bei der die an der Seitenwand gegenüberliegenden, unteren Befestigungspunkte der Träger durch hinreichend starke Querstreben entlang der Längsseite des Wagens verbunden werden, oder eine geschlossene Seitenwand. Wird eine Ausführung mit geschlossenen Seitenwänden erwogen , erkennt der Fachmann, dass durch Verschließen auch der Stirnwände offensichtlich zusätzliche Stabilität der Konstruktion gewonnen wird. Dann ergibt sich ein Behälter. Der Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt, dass diese verschiedenen Methoden, eine Konstruktion zu stabilisieren, gleichwertig und dem Fachmann geläufig waren. Um entsprechend dem Bedürfnis der Branche und des Publikums höhere Riesenräder zu bauen, war es deshalb naheliegend, die Befestigungspunkte der seitlichen Träger an den oberen Ecken als Behälter ausgebildeter Wagen anzubringen.
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c) Nach Merkmal j) des Streitpatents sind die freien Enden der Träger durch eine Hauptachse gekuppelt. Die Beklagte hat hierzu in der mündlichen Verhandlung auf die Beschreibung des Streitpatents verwiesen, wonach die Hauptachse bereits in liegender Position der Träger montiert und dann in ihre Arbeitsposition automatisch angehoben werde, wenn die hydraulisch angetriebenen Träger der einen Seite des Riesenrades aufgerichtet würden (Sp. 4 Z. 3-6 Streitpatent; S. 6 Z. 9-13 deutsche Übersetzung). Auch diese Montageerleichterung , die im Wortlaut der Patentansprüche keinen Niederschlag gefunden hat, könnte keine erfinderische Leistung begründen. Es entsprach dem Stand der Technik, die Hauptachse des Riesenrades gemeinsam mit einem hydraulisch angetriebenen seitlichen Träger hochzufahren (vgl. etwa Fig. 3, 4 der britischen Patentschrift oder Fig. 1, 4 m. Sp. 4 Z. 62-66 der USPatentschrift ). Zwar wird das Lager der Hauptachse in der britischen Patent- schrift nicht zugleich zur Verbindung der freien oberen Enden der seitlichen Träger genutzt. Dazu dient vielmehr ein flanschartiger Verbindungssteg 15. Werden jedoch die freien oberen Enden der Träger mit einem Gelenk verbunden , um das automatische Ausklappen des zweiten Trägers beim hydraulischen Hochfahren des ersten Trägers zu ermöglichen, muss der flanschartige Verbindungssteg zwangsläufig wegfallen. Es liegt dann für den Fachmann nahe, das Gelenk zur oberen Verbindung der Träger zugleich als Lager für die Aufnahme der Hauptachse zu nutzen. Dagegen spricht nicht, dass diese Lösung in der US-Patentschrift nicht gewählt wurde. Dort sind das Gelenk zur oberen Verbindung der Träger und die Hauptachse getrennt (vgl. Fig. 1, Nr. 56 u. 67 der USPatentschrift ). Diese Anordnung ergab sich dort aber zwangsläufig aus der Notwendigkeit, das gesamte Fahrgeschäft auf einem einzigen Transportwagen zu verstauen. Dies ist nur möglich, wenn sich die Hauptachse auf dem seitlichen Träger 52 beim Auf- und Abbau verschieben lässt (vgl. Fig. 1 u. 4 der USPatentschrift ). Um den Vorteil der einfachen Montage der Seitenteile zu erhalten , muss jedoch die gelenkige Verbindung der freien Enden der Träger dauerhaft erfolgen. Die Position dieses Gelenks liegt deshalb dauerhaft fest. Die Anforderung einer verschiebbaren Hauptachse ließ sich daher bei der Lösung der US-Patentschrift nicht mit der gelenkigen Verbindung der oberen Enden der oberen Enden der Träger vereinbaren. Deshalb musste das Lager der Hauptachse von dem Gelenk getrennt werden, das die Träger verbindet. Bei der Verwendung von drei Wagen wie in der britischen Patentschrift stellte sich das Problem der beweglichen Hauptachse jedoch nicht, so dass der Nutzung des Lagers der Hauptachse für das Verbindungsgelenk der seitlichen Träger nichts im Wege stand.
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d) Mit Merkmal k) des Streitpatents, wonach die Speichen des Riesenrades auf der Hauptachse drehbar montiert sind, kann die Montage des Riesen- rades erleichtert werden. Die Beklagte hat dazu in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf Fig. 3 des Streitpatents verwiesen, die das Ausklappen der drehbar an der Hauptachse montierten Speichen zeige. Anspruch, Zeichnungen und Beschreibung des Streitpatents sind in dieser Beziehung undeutlich. Selbst wenn man aber diesen Vorteil bei der Montage als Element der patentgemäßen Lösung betrachtet, ergibt sich daraus kein erfinderischer Gehalt. Die Speichen des Riesenrades müssen an der Achse befestigt werden. Hierfür bietet sich eine drehbare Befestigung der Speichen an der Achse an. An der Hauptachse drehbar befestigte Speichen waren auch schon aus der US-Patentschrift bekannt (vgl. Fig. 4 m. Sp. 6 Z. 19-32 der Beschreibung); ebenso gab es sie bereits bei der Lösung gemäß dem Prospekt des Herstellers C. (Rückseite des Prospekts, kleine Bilder unten rechts, KNi 8).
37
e) Für ein Riesenrad soweit ersichtlich erstmals lehrt das Streitpatent Mittel zum seitlichen Verschieben der Transportwagen (Merkmal l)). Dem Prospekt des Herstellers C. sind nur hydraulische Stempel zur Nivellierung der Basis des Riesenrades zu entnehmen (kleines Foto auf der Rückseite des Prospekts, KNi 8, links unten). Die vom Streitpatent vorgeschlagene Lösung ist allerdings, wie der Sachverständige überzeugend dargelegt hat (GutA 21 f.), mit derjenigen der deutschen Offenlegungsschrift 30 10 483 identisch. Diese Offenlegungsschrift zeigt ein auf Stellzylindern basierendes System, mit dem es möglich ist, ein Transportfahrzeug im Pilgerschrittverfahren um seine Vertikalachse zu schwenken. Der dort beschriebene Stellmechanismus unterscheidet sich von demjenigen des Ausführungsbeispiels des Streitpatents lediglich dadurch, dass der Stellzylinder für die seitliche Verschiebebewegung in der Offenlegungsschrift horizontal, im Streitpatent dagegen schräg angeordnet ist. Wie der Sachverständige überzeugend erläutert hat, begründet auch dies jedoch keine relevanten Unterschiede der beiden Lösungen. Die Offenlegungsschrift bezieht sich auf das Gebiet des Spezialfahrzeugbaus, insbesondere der Garagentransportfahrzeuge. Es kann dahingestellt bleiben, wie hoch spezialisiert die auf dem Gebiet des Spezialfahrzeugbaus tätigen Fachleute arbeiten. Für den Konstrukteur eines Riesenrades, der sich mit der Problematik von dessen genauer seitlicher Positionierung befasst, ist zu erwarten, sich in benachbarten Gebieten des Spezialfahrzeugbaus umzusehen und sich mit dort tätigen Fachleuten auszutauschen. Dem Fachmann für Fahrgeschäfte erschloss sich jedenfalls auf diesem Weg die Lösung der deutschen Offenlegungsschrift zum platzsparenden, seitlichen Verschieben eines Transportfahrzeugs. Es war für ihn daher naheliegend , diese Lösung auch bei Transportfahrzeugen für Riesenräder einzusetzen, dies um so mehr, als aus dem Prospekt des Herstellers C. bereits die Verwendung von Hydraulikzylindern zur Nivellierung der Aufstellfläche bekannt war und es sich deshalb anbot, derartige Zylinder auch zum seitlichen Verschieben einzusetzen. Angesichts der Qualifikation des Fachmanns gehörte zur fachmännischen Erkenntnis darüber hinaus, dass man über eine Vervielfachung der von der deutschen Offenlegungsschrift vorgeschlagenen Einrichtung jede gewünschte Verschiebbarkeit des Riesenrades erreichen konnte.
38
f) Im Ergebnis fügt Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung damit der bekannten Konstruktion der britischen Patentschrift den Klappmechanismus der US-Patentschrift und die Einrichtung zum seitlichen Verschieben aus der deutschen Offenlegungsschrift hinzu. Auch in der Zusammenschau begründen diese Unterschiede zu der britischen Patentschrift jedoch keine erfinderische Tätigkeit. Denn diese Verbesserungen lagen auf der Hand. Die Lösung des Streitpatents ergab sich aus der fachmännischen Addition der Wirkung bekannter Elemente, wobei jedes Element nur ein isoliertes Einzelergebnis beiträgt, ohne dass ein zusätzlicher technischer Gesamterfolg erzielt wird. Eine erfinderische Tätigkeit kann damit nicht begründet werden.
39
III. Auch in der Fassung der Hilfsanträge hat Patentanspruch 1 keinen Bestand.
40
a) Hilfsantrag 1 fügt Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung die kennzeichnenden Merkmale der verteidigten Unteransprüche 2 und 3 hinzu. Die Transportwagen der Seitenteile sollen danach nicht nur mit Mitteln zum seitlichen Verschieben, sondern auch zum Längsverschieben ausgestattet sein, wobei die Mittel zum seitlichen Verschieben der Wagen Hubzylinder und mindestens eine mit einem Zylinder versehene Zug- oder Schubstange aufweisen. Die Verwendung der dort als Abstützzylinder bezeichneten Hubzylinder sowie eines mit einer Schubstange ausgestatteten Stellzylinders als Mittel zum seitlichen Verschieben eines Transportfahrzeugs waren aus der deutschen Offenlegungsschrift 30 10 483 (KNi 21) bekannt. Mittel zum Längsverschieben sind den Transportwagen immanent, weil Wagen im Allgemeinen mit Rädern versehen sind, die ein Vor- und Zurücksetzen auf der Längsachse ermöglichen. Die Montage eines Riesenrades auf Transportwagen war etwa aus der britischen Patentschrift sowie dem Prospekt des Herstellers C. bekannt.
41
b) Hilfsantrag 2 nimmt in Hilfsantrag 1 zusätzlich die kennzeichnenden Merkmale des verteidigten Unteranspruchs 4 auf. Diese Merkmale beschreiben die zum seitlichen Verschieben bestimmten Hubzylinder näher. Diese Beschreibung geht aber nicht über das hinaus, was dem Fachmann aus der deutschen Offenlegungsschrift 30 10 483 (KNi 21) ersichtlich ist oder von ihm auf der Grundlage handwerklichen Könnens in Umsetzung der schon in Hilfsantrag 1 enthaltenen Lehre über Mittel zum seitlichen und längsseitigen Verschieben zu erwarten ist. Wie bereits ausgeführt, vermag auch die von Hilfsantrag 2 gelehrte Anordnung der Zug- oder Schubstange in einem Winkel zu den Hubzylindern, also ihre schräge Anordnung, eine erfinderische Tätigkeit nicht zu begründen (vgl. oben II. 2. e)).
42
IV. Mit Patentanspruch 1 sind auch die auf ihn rückbezogenen abhängigen Unteransprüche 2 bis 13, die lediglich die weiteren sinnvollen Ausgestaltungen der patentgemäßen Vorrichtung betreffen und keinen eigenen erfinderischen Gehalt haben, für nichtig zu erklären.
43
Das Streitpatent ist ferner in dem Umfang für nichtig zu erklären, in dem die Beklagte es nicht mehr verteidigt hat (vgl. Sen.Urt. v. 04.06.1996 - X ZR 49/94, GRUR 1996, 857, 858 - Rauchgasklappe), nachdem gegen die Zulässigkeit der beschränkten Verteidigung keine Bedenken bestehen (vgl. Sen.Urt. v. 12.10.2004 - X ZR 190/00, GRUR 2005, 233 - Paneelelemente).
44
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 91 ZPO.
Scharen Keukenschrijver Mühlens
Asendorf Kirchhoff
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 26.09.2000 - 1 Ni 4/99 (EU) -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

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bei uns veröffentlicht am 12.10.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 190/00 Verkündet am: 12. Oktober 2004 Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein .

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IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 190/00 Verkündet am:
12. Oktober 2004
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Paneelelemente
Es spricht für erfinderische Tätigkeit, wenn der Fachmann die Funktionen bekannter
Bauteile eines Erzeugnisses ändern muß, um eine vereinfachte Konstruktion
und damit eine Kostenersparnis zu erzielen, und der Stand der Technik
zu einem solchen veränderten Konzept keine Anregung liefert.
BGH, Urt. v. 12. Oktober 2004 - X ZR 190/00 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Oktober 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die
Richter Scharen, Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und den Richter
Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 15. Juni 2000 abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt: Das deutsche Patent 43 37 743 wird unter Abweisung der weitergehenden Klage dadurch teilweise für nichtig erklärt, daß seine Patentansprüche folgende Fassung erhalten: 1. Wand- oder Deckenverkleidung mit Paneelelementen (1) mit jeweils einer Vorder- und einer Rückseite, sowie mit zwei gegenüberliegenden Kanten (3, 5), von denen die eine Kante (3) eine Nut (4) und die andere Kante (5) eine Feder (6) zum Zusammenwirken mit der Nut (4) eines gleichartigen Paneelelements dergestalt, daß die Feder auch bei unterschiedlich bestimmter Fugenbreite in der Nut eingesteckt bleibt, aufweist, wobei die Feder (6) gegenüber der Vorderseite (2) nach hinten versetzt angeordnet ist, und mit einer zusätzlichen Nut (9) in der die Feder (6) aufweisenden Kante (5), die parallel zur Feder zwischen der Feder und der Rückseite des Paneelelements verläuft, und mit Befestigungsklammern (10) mit jeweils zwei entgegengesetzten Flügeln (12), deren einer sich in die zusätzliche Nut (9) erstreckt, wobei der Abstand zwischen den beiden Flügeln (12) die herzustellende Breite der sichtbaren Fuge zwischen zwei benachbarten Paneelelementen bestimmt.
2. Wand- oder Deckenverkleidung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Tiefe der Nut (4) mindestens der Tiefe der Feder (6) entspricht.
3. Wand- oder Deckenverkleidung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß an wenigstens einer der beiden Kanten (3, 5) der zwischen der Nut (4) oder der zusätzlichen Nut (9) und der Rückseite verlaufende Kantenabschnitt (8) dem Nutgrund näher benachbart ist als der zwischen der Nut (4) oder der zusätzlichen Nut (9) und der Vorderseite (2) verlaufende Kantenabschnitt (7).
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin ¾ und die Beklagte ¼.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des am 5. November 1993 angemeldeten deutschen Patents 43 37 743 (Streitpatents). Wegen des Wortlauts der drei Patentansprüche, mit denen das Streitpatent erteilt worden ist, wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.
Mit der Klage hat die Klägerin geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht neu und beruhe jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Das Bundespatentgericht hat unter Klageabweisung im übrigen das Streitpatent, das die Beklagte nicht in weitergehendem Umfang verteidigt hat, dadurch teilweise für nichtig erklärt, daß Patentanspruch 1 folgende Fassung erhält:
"Wand- oder Deckenverkleidung mit Paneelelementen (1) mit jeweils einer Vorder- und einer Rückseite, sowie mit zwei gegenüberliegenden Kanten (3, 5), von denen die eine Kante (3) eine Nut (4) und die andere Kante (5) eine Feder (6) zum Zusammenwirken mit der Nut (4) eines gleichartigen Paneelelements aufweist, wobei die Feder (6) gegenüber der Vorderseite (2) nach hinten versetzt angeordnet ist, und mit einer zusätzlichen Nut (9) in der die Feder (6) aufweisenden Kante (5), die parallel zur Feder zwischen der Feder und der Rückseite des Paneelelements verläuft,
und mit Befestigungsklammern (10) mit jeweils zwei entgegengesetzten Flügeln (12), deren einer sich in die zusätzliche Nut (9) erstreckt, wobei der Abstand zwischen den beiden Flügeln (12) die Breite der sichtbaren Fuge zwischen zwei benachbarten Paneelelementen bestimmt."
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin den Antrag weiter, das Streitpatent insgesamt für nichtig zu erklären.
Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen, wobei sie das Streitpatent nur noch mit folgendem Anspruch 1 verteidigt, auf den sich die Ansprüche 2 und 3 rückbeziehen sollen:
"Wand- oder Deckenverkleidung mit Paneelelementen (1) mit jeweils einer Vorder- und einer Rückseite, sowie mit zwei gegenüberliegenden Kanten (3, 5), von denen die eine Kante (3) eine Nut (4) und die andere Kante (5) eine Feder (6) zum Zusammenwirken mit der Nut (4) eines gleichartigen Paneelelements dergestalt, daß die Feder auch bei unterschiedlich bestimmter Fugenbreite in der Nut eingesteckt bleibt, aufweist, wobei die Feder (6) gegenüber der Vorderseite (2) nach hinten versetzt angeordnet ist, und mit einer zusätzlichen Nut (9) in der die Feder (6) aufweisenden Kante (5), die parallel zur Feder zwischen der Feder und der Rückseite des Paneelelements verläuft, und mit Befestigungsklammern (10)
mit jeweils zwei entgegengesetzten Flügeln (12), deren einer sich in die zusätzliche Nut (9) erstreckt, wobei der Abstand zwischen den beiden Flügeln (12) die herzustellende Breite der sichtbaren Fuge zwischen zwei benachbarten Paneelelementen bestimmt."
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Dipl.-Holzwirt Prof. Dr. P. G. , R. , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung hat nur Erfolg, soweit die Beklagte das Streitpatent zulässigerweise nicht mehr verteidigt, was insoweit ohne weitere Sachprüfung zur Nichtigerklärung führt (vgl. Sen.Urt. v. 4.6.1996 - X ZR 49/94, GRUR 1996, 857, 858 - Rauchgasklappe [insoweit nicht in BGHZ 133, 57]). Nach dem gesamten Inhalt der Verhandlung und Beweisaufnahme hat der Senat hingegen nicht die Überzeugung gewonnen, daß der von der Beklagten verteidigte Gegenstand des Streitpatents nicht patentfähig ist (§ 22 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG).
I. Das Streitpatent betrifft in der zulässigerweise verteidigten Fassung eine Wand- oder Deckenverkleidung mit Paneelelementen und diese verbindenden Befestigungsklammern.
Die Beschreibung erläutert unter Bezugnahme auf das 1976 erschienene Buch "Reparieren leicht gemacht" (D 1), daß Paneelelemente als Nut- und Feder -Bretter, -Leisten oder -Riemen bekannt seien, bei denen die Breite der Federn größer sein könne als die Tiefe der Nut, so daß zwischen zwei gleichartigen Paneelelementen eine sichtbare Fuge erzielt werde. Der gerichtliche Sachverständige hat dem zutreffend entnommen, daß das Streitpatent unter Paneelen anders als die DIN 68 740 nicht nur oberflächenveredelte, z.B. furnierte Holzwerkstoffe versteht, sondern gleichermaßen Profilbretter aus Vollholz.
Das Streitpatent befaßt sich mit dem Problem, wie bei derartigen Paneelelementen in möglichst einfacher und kostengünstiger Weise unterschiedlich breite sichtbare Fugen erzielt werden können.
Im Stand der Technik seien, so heißt es in der Streitpatentschrift weiter, hierzu zum einen je nach gewünschter Fugenbreite unterschiedlich gestaltete Nut- und Federleisten verwendet worden. Zum anderen zeige die D 1 gleichartige Leisten mit beidseitiger Nut mit eingesetzter (Fremd-) Feder (auch Nut-NutVerbindungen genannt), bei denen die Breite der sichtbaren Nut durch die Federbreite und durch zusätzlich verwendete Metallklammern vorgegeben werde, die mittels zweier entgegengesetzter Flügel eine gleichmäßig breite Nut zwischen zwei benachbarten Leisten und damit deren parallele Ausrichtung sicherstellten. Diese Paneelart ermögliche zwar die Ausbildung verschieden breiter Fugen unter Verwendung der gleichen Leisten, erfordere dazu jedoch unterschiedlich breite Federn sowie entsprechende Befestigungsklammern, was - ähnlich wie bei unterschiedlich gestalteten Leisten - entsprechenden Platzbedarf für Lagerhaltung und Produktpräsentation bedinge.
Zur Vermeidung dieser Nachteile lehrt das Streitpatent folgende Merkmalskombination :
1. Die Wand- oder Deckenverkleidung besteht aus
a) Paneelelementen mit Vorder- und Rückseite sowie zwei gegenüberliegenden Kanten und
b) Befestigungsklammern.
2. Von den gegenüberliegenden Kanten weist
a) die eine Kante eine Nut und
b) die andere Kante eine Feder sowie eine zusätzliche Nut auf.
3. Die Feder
a) ist gegenüber der Vorderseite des Paneelelements nach hinten versetzt angeordnet und
b) zum Zusammenwirken mit der Nut eines gleichartigen Paneelelements dergestalt, daß die Feder auch bei unterschiedlich bestimmter Fugenbreite in der Nut eingesteckt bleibt, ausgebildet.
4. Die zusätzliche Nut verläuft
a) zwischen der Feder und der Rückseite des Paneelelements und
b) parallel zur Feder(ebene).
5. Die Befestigungsklammern weisen zwei entgegengesetzte Flügel auf,

a) von denen einer sich in die zusätzliche Nut erstreckt und
b) deren Abstand voneinander die herzustellende Breite der sichtbaren Fuge zwischen zwei benachbarten Paneelelementen bestimmt.
Wie der Sachverständige anschaulich in der nebenstehend wiedergegebenen Anlage 13 seines Gutachtens (Bilder 16a - 16e) dargestellt hat und Merkmal 3 b zum Ausdruck bringt, können erfindungsgemäß zwei benachbarte Paneelelemente in unterschiedlichen Abständen voneinander so angeordnet werden, daß die Feder des einen nicht bis (annähernd) zum Grund in die Nut des anderen eingreift, die Feder jedoch gleichwohl in der Nut eingesteckt bleibt. Infolgedessen wird der Abstand zwischen den benachbarten Elementen und damit die Breite der sichtbaren Fuge durch die Befestigungsklammer festgelegt, da der Abstand zwischen den Flügeln dieser Klammer die Breite der Fuge vorgibt. Damit ermöglicht es die erfindungsgemäße Ausbildung, für Wandverkleidungen mit unterschiedlich breiter Fuge gleichartige Paneelele-
mente zu verwenden und allein die Befestigungsklammern entsprechend der gewünschten Fugenbreite zu variieren.
II. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das Bundespatentgericht eine Wandverkleidung mit den Merkmalen 1 bis 5 zu Recht für neu erachtet.
1. Die in D 1 gezeigten Wandverkleidungen sind zuvor bereits in den Unterlagen des Gebrauchsmusters 1 954 172 (D 5) beschrieben. Dabei zeigt nur das Ausführungsbeispiel nach Figur 2a und der nachfolgend wiedergegebenen Figur 2b eine Nut-Feder-Verbindung, bei der die "andere" Kante des Paneelelements eine Feder aufweist. Jedoch fehlt es bereits an einer zusätzlichen Nut in der "anderen" Kante im Sinne der Merkmale 2 b und 4. Die übrigen Ausführungsbeispiele haben entweder überhaupt keine Nut-Feder-Verbindung oder eine solche in Form einer Nut-Nut-Verbindung (Figur 6), wobei auch hier wiederum keine zusätzliche Nut vorhanden ist, da die Befestigungsklammer auf beiden Seiten in dieselbe Nut eingreift, die auch zur Herstellung der Nut-FederVerbindung dient.

2. Die deutsche Offenlegungsschrift 30 12 041 (D 2) betrifft ein Paneel für eine Innenwandbekleidung mit einer sichtseitigen Randfeder, das an
dem einen Längsrand einteilig mit dem Paneel ausgebildet ist und mit einer in dem gegenüberliegenden Längsrand ausgebildeten Nut, wobei die Längsränder in einem stumpfen Winkel gegenüber der Sichtfläche nach innen zeigen, wie die nachfolgend abgebildeten Figuren 1 und 2 veranschaulichen. Die Randfeder ist durch eine Hinterschneidung des einen Längsrandes, die Nut durch eine Ausnehmung des anderen Längsrandes gebildet, wobei in die Hinterschneidung und die Nut ein sich zur Längsrichtung und parallel zur Querrichtung der Paneele erstreckender Schlitz eingearbeitet ist, der zur Aufnahme einer Befestigungsklammer mit zwei entgegengesetzten Flügeln dient. Die Feder ist jedoch nicht zum Zusammenwirken mit der Nut eines gleichartigen Paneelelements dergestalt ausgebildet, daß die Feder auch bei unterschiedlich bestimmter Fugenbreite in der Nut eingesteckt bleibt (Merkmal 3 b). Eine derartige Ausbildung kommt bei dem vorbekannten Paneelelement nicht in Betracht, da bei einer Vergrößerung der Fugenbreite Nut und Feder nicht mehr ineinandergriffen und zudem das durch mit der besonderen Ausgestaltung der Fuge angestrebte "balkenartige Erscheinungsbild" zerstört würde.

3. Von den in dem 1983 erschienenen Werk von Pracht, Möbel und Innenausbau - Handbuch der Holzkonstruktion (D 9), gezeigten Wandbekleidungen weisen nur die nachfolgend gezeigten Beispiele eine Verbindung benachbarter Paneele durch eine in eine Nut in der gegenüberliegenden Kante eingreifende Feder an der anderen Kante und eine Befestigungsklammer auf. Die Klammern haben jedoch keine zwei voneinander beabstandeten, entgegengesetzten Flügel, sondern sind, wie die Erörterung mit dem Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, nach dem Verständnis der Fachmanns einflüglig. Zudem ist auch keine zusätzliche Nut im Sinne der Merkmale 2 b und 4 erkennbar. Vielmehr sind die im oberen Beispiel gezeigten Zacken an dem von der Nut wegweisenden Teil der Klammer ersichtlich und wie auch der Sachverständige hervorgehoben hat, dazu bestimmt, zur Verbindung zwischen Paneel und Klammer in das Holz eingepreßt zu werden. Beim
unteren Beispiel fehlt es überhaupt an einem Eingriff der Klammer in die mit der Feder versehene Paneelkante.

4. Die nach der Behauptung der Klägerin vorveröffentlichte "STABA Sonderkrallenliste" (D 10) zeigt tabellarisch verschiedene als Fugenkrallen bezeichnete Befestigungsklammern im Sinne des Streitpatents. Soweit in der ersten Zeile ("INFO") deren Einsatz zur Verbindung von Paneelelementen dargestellt ist, sind nur Nut-Nut-Verbindungen erkennbar.
5. Der übrige Stand der Technik liegt vom Gegenstand des Streitpatents noch weiter ab und bedarf daher keiner Erörterung.
III. Wie das Bundespatentgericht ist auch der Senat nicht überzeugt, daß der Stand der Technik dem Fachmann den im Berufungsverfahren noch verteidigten Gegenstand des Streitpatents nahegelegt hat, so daß es zu seiner Bereitstellung keiner erfinderischen Tätigkeit bedurft hätte.
1. Als zuständigen Fachmann hat das Bundespatentgericht einen an einer Fachschule ausgebildeten Holztechniker angesehen. Der Gebrauchsmustersenat des Bundespatentgerichts hat auf einen Schreinermeister mit ent-
sprechender Ausbildung und Erfahrung auch auf dem Gebiet des Verlegens von Paneelelementen abgestellt (Beschl. v. 13.1.1999 - 5 W (pat) 417/98). Demgegenüber hat der gerichtliche Sachverständige zwar erläutert, daß in größeren Innenausbaubetrieben für Planungs- und Entwicklungsaufgaben zum Anmeldezeitpunkt auch Diplom-Ingenieure (FH) der Holztechnik eingesetzt worden seien. Die Erörterung in der mündlichen Verhandlung hat jedoch ergeben , daß es sich bei den in Betracht kommenden Betrieben mehrheitlich um mittlere und kleine Betriebe gehandelt hat, in denen die Fortentwicklung bekannter Techniken vornehmlich nicht an einer Hochschule ausgebildeten Praktikern - einem Meister oder Techniker, gegebenenfalls auch einem erfahrenen Gesellen - oblegen hat. Von dem Wissensstand und den Tätigkeiten dieses Personenkreises ist daher für die weitere Beurteilung auszugehen.
2. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zu II ergibt, wird bei den im Stand der Technik bekannten Nut-Feder-Verbindungen im Sinne des Streitpatents (d.h. solchen, die nicht Nut-Nut-Verbindungen mit eingesetzter Feder sind) die Breite der sichtbaren Fuge durchweg durch die Tiefe der Nut und die korrespondierende Breite der bis (annähernd) in den Nutgrund eingreifenden Feder bestimmt. Demzufolge hat der Fachmann, wenn er unterschiedlich breite sichtbare Fugen mit solchen Verbindungen realisieren wollte, die NutFeder -Verbindung entsprechend angepaßt. Weder das Vorbringen der Parteien noch die eingehende Erörterung mit dem gerichtlichen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung hat hervorgebracht, was den Fachmann hätte veranlassen sollen, hiervon abzugehen.
Insbesondere vermittelten hierzu diejenigen bekannten Lösungen keine Anregung, bei denen die Paneelelemente - sei es zusätzlich zu einer NutFeder -Verbindung im Sinne des Streitpatents, sei es in Kombination mit einer
Nut-Nut-Verbindung - mit einer Befestigungsklammer versehen worden sind. Denn die Befestigungsklammer erscheint immer - wie ihr Name auch sagt - als Befestigungselement, das der Befestigung der Paneelelemente an der Unterkonstruktion dient, und nicht als "Abstandshalter", d.h. als ein Element, das der Fachmann verwendet hätte, um allein damit die Breite der sichtbaren Fuge zwischen zwei benachbarten Paneelelementen festzulegen. Vielmehr entsprach es, wie der gerichtliche Sachverständige zur Überzeugung des Senats erläutert hat, der Praxis, bei Nut-Nut-Verbindungen unterschiedlich breiten Sichtfugen auch dann durch entsprechend unterschiedlich breite Einsatzfedern Rechnung zu tragen, wenn theoretisch der Abstand allein durch - in unterschiedlichen Breiten bekannte - Befestigungsklammern hätte bestimmt werden können, obwohl auf der Hand lag, daß dies den notwendigen Umfang und damit auch die Kosten der Lagerhaltung erhöhte. Schon wegen dieser Wahl der Federbreite nach der gewünschten Fugenbreite kann entgegen der in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin vertretenen Auffassung auch nicht angenommen werden, daß es für den Fachmann nahegelegen hätte, bei einer solchen NutNut -Verbindung die Fremdfeder durch die Ausbildung einer Feder an einem der beiden Paneelelemente zu ersetzen, da dies bedeutet hätte, anstelle der unterschiedlich breiten Fremdfedern - mit entsprechend größerem Aufwand - unterschiedliche Paneelelemente herstellen und vorhalten zu müssen.
Um zu der erfindungsgemäßen Lösung zu gelangen, mußte der Fachmann daher die Funktion der Nut-Feder-Verbindung einerseits und der Befestigungsklammer andererseits neu konzipieren. Insbesondere die Nut-FederVerbindung verliert ihre herkömmliche Bedeutung, da die Feder nicht mehr, wie es bis dahin geschehen ist, in den Nutgrund eingeführt wird (wenn auch im Hinblick auf die zu berücksichtigende Quellung des Holzes nur annähernd). Ohne einen konkreten Anstoß hierzu läßt sich nicht feststellen, daß ein solches ver-
ändertes Konzept für den Fachmann nahegelegen hätte. Vielmehr spricht es für erfinderische Tätigkeit, wenn der Fachmann die Funktionen bekannter Bauteile eines Erzeugnisses ändern muß, um eine vereinfachte Konstruktion und damit eine Kostenersparnis zu erzielen, und der Stand der Technik zu einem solchen veränderten Konzept keine Anregung liefert (vgl. Sen.Urt. v. 23.1.1990 - X ZR 75/87 - Feuerschutzabschluß, zu III 3 der Entscheidungsgründe, bei juris nachgewiesen , insoweit in GRUR 1991, 522 nicht abgedruckt; Sen.Urt. v. 14.3.1978 - X ZR 18/73; Liedl 1978/80, 19, 48 ff.; auszugsweise auch in Mitt. 1978, 136, 137 - Erdölröhre).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß in der Entgegenhaltung D 5 in Figur 4 eine Deckenverkleidung gezeigt ist, deren Elemente nicht durch Federn, sondern nur durch Klammern verbunden sind, die nach der Beschreibung (S. 11 f.) insbesondere für offene Fugen gedacht sind und als "Abstandskrallen" bezeichnet werden, die bei Entlüftungs- und Akustikdecken verwendet werden sollen. Wie das Bundespatentgericht und der gerichtliche Sachverständige sieht auch der Senat keinen Anhalt dafür, daß der Fachmann dieser im übrigen dem Gegenstand des Streitpatents fernstehenden Deckenverkleidung Anregungen für die Ausgestaltung von Paneelelementen mit NutFeder -Verbindung entnommen hätte.
Schließlich beruft sich die Klägerin ohne Erfolg auf die Löschung des Gebrauchsmusters 93 16 939 durch den Beschluß des Bundespatentgerichts vom 13. Januar 1999, dem sie entnehmen möchte, daß das Streitpatent erst recht nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen könne. Aus der Löschung des Gebrauchsmusters läßt sich schon deshalb nichts zugunsten der Klägerin herleiten , weil weder der der Eintragung zugrundegelegte noch der im Löschungsverfahren verteidigte Schutzanspruch die Merkmale 3 b und 5 b enthalten hat.

IV. Mit Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung haben auch die Patentansprüche 2 und 3 Bestand, die die Beklagte mit der Maßgabe verteidigt, daß sie sich ihrerseits nicht auf ein Paneelelement nach dem erteilten, sondern auf eine Wand- oder Deckenverkleidung nach dem zuletzt noch verteidigten Patentanspruch 1 rückbeziehen sollen.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 97 ZPO.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Mühlens Meier-Beck

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.