Bundesgerichtshof Urteil, 17. Nov. 2000 - V ZR 294/99
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Oberlandesgerichts Magdeburg vom 1. Oktober 1998 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagten zur Zustimmung der Grundbuchberichtigung und Bewilligung der Eintragung der Klägerin als Eigentümerin des im Grundbuch von G. Blatt 1256 eingetragenen Flurstücks 4/7 der Flur 12, B. , in das Grundbuch verurteilt werden.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren tragen die Beklagten.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Mit notariellem Vertrag vom 11. November 1991 erwarben die Beklagten von der Klägerin die Flurstücke 4/1, 4/2 und 4/3 der Flur 12 in der Gemarkung G. "mit ehemaligem Gutshaus und Nebengebäuden, sonstigen wesentlichen Bestandteilen und Zubehör". Zugleich erklärten die Parteien die
Auflassung hinsichtlich der "eingangs des Vertrags näher bezeichneten Grundstücke". In Abschnitt V Abs. 2 des Vertrags heißt es:
"Es bestehen weder Miet-, noch Nutzungs- noch Pachtverhältnisse." Die Eigentumsumschreibung im Grundbuch erfolgte am 3. Juni 1992.
Auf den Grundstücken befand sich früher das Rittergut G. . Das Hauptgebäude nebst Kohleschuppen und Lagerraum wurde vor der Wende als Lehrlingswohnheim genutzt. Auf dem Flurstück 4/3 befanden sich Teile der ehemaligen Toranlage des Ritterguts. Davon war noch das Wachgebäude erhalten , in dem seit den siebziger Jahren die Familie S. aufgrund eines mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin abgeschlossenen Mietvertrags wohnt.
Ende 1990 bekundeten die Beklagten gegenüber der Klägerin ihr Interesse an dem Erwerb des "ehemaligen Lehrlingswohnheims (Rittergut)". In einem Schreiben vom 26. April 1991 an die Klägerin erklärten sie, das Gelände zur Eröffnung eines Altenpflegeheims "im Gebäude des ehemaligen Lehrlingswohnheimes" erwerben zu wollen.
Am 22. April 1991 beschloß die Gemeindevertretung der Klägerin den "Verkauf des Lehrlingswohnheims" an die Beklagten. Weiter wurde in der Sitzung erörtert, was mit dem "Haus S. " geschehen solle.
Später wurde das Flurstück 4/3 in die Flurstücke 4/7 und 4/8 aufgeteilt. Auf dem 178 qm großen Flurstück 4/7 steht das von der Familie S. genutzte Gebäude.
Am 19. Oktober 1992 beschloß die Gemeindevertretung der Klägerin, "daß das Haus in der B. straße (S. ) für 70.600 DM an die Familie S. verkauft werden kann".
Die Klägerin hat behauptet, weder ihrer damaligen Bürgermeisterin noch den Mitgliedern der Gemeindevertretung sei bekannt gewesen, daß sich das von der Familie S. genutzte Wohnhaus auf dem Flurstück 4/3 befunden habe, vielmehr habe man gemeint, es stehe auf einem gesonderten Flurstück; die Beklagten hätten von Anfang an nur das Lehrlingswohnheim mit Nebengebäuden ohne das WohnhausS. erwerben wollen. Nur in diesem Umfang hätten sich die Parteien über den Verkauf und Eigentumsübergang der Grundstücke geeinigt. Das Landgericht hat der Klage auf Auflassung des Flurstücks 4/7 und Bewilligung der Eintragung in das Grundbuch, hilfsweise Zahlung von 70.600 DM nebst 4 % Zinsen, stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie nach Beweisaufnahme abgewiesen. Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat die Klägerin eine Willensübereinstimmung der Parteien, wonach das Flurstück 4/3 abweichend von der in dem Vertrag verwendeten Bezeichnung ohne die auf das Wohnhaus S. entfallende Fläche übertragen werden sollte, nicht bewiesen. Ein An-spruch auf Auflassung des Flurstücks 4/7 lasse sich auch nicht aus etwaigen mündlichen Zusagen der Beklagten herleiten, denn diese seien formnichtig. Die Anfechtung des Kaufvertrags durch die Klägerin sei nicht fristgerecht erfolgt , so daß der Vertrag nicht nichtig sei. Der Hilfsantrag sei nach alledem und auch unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung ebenfalls nicht begründet.
II.
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Mit Erfolg rügt die Revision die Tatsachen- und Beweiswürdigung als fehlerhaft, weil sie den Streitstoff nicht vollständig einbezieht. Das Berufungsgericht berücksichtigt insbesondere nicht die Erklärungen der Beklagten in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht sowie deren Schreiben vom 5. Dezember 1990 und vom 26. April 1991. Aus letzteren ergibt sich, daß die Beklagten zur Eröffnung eines privaten Altenpflegeheims im Gebäude des ehemaligen Lehrlingwohnheims eben genau dieses kaufen wollten. Nach ihrer Erklärung vor dem Landgericht haben sie die ehemalige Bürgermeisterin und Vertreterin der Klägerin bei der Beurkundung ausdrücklich darauf hingewiesen, daß mit dem Vertrag auch das Wohngrundstück S. v erkauft werde. Die Vertreterin habe daraufhin gesagt: "Nein, das ist rausgemessen." Auf den Hinweis der Beklagten, daß dies nicht der Fall sei, und den Vorschlag der Notarin, die Beurkundung zu verschieben, um Mißverständnisse zu vermeiden, habe sie dennoch auf einer Beurkundung bestanden. Daraus ergibt sich, daß die Klägerin das Wohngrundstück S. nicht mit verkaufen wollte, die Be-
klagten dies erkannt und in Kenntnis dieses Willens den Vertrag abgeschlossen haben. Dies reicht für die Annahme eines entsprechenden übereinstimmenden Willens aus (BGH, Urt. v. 26. Oktober 1983, IVa ZR 80/82, NJW 1984, 721; Urt. v. 13. Februar 1989, II ZR 179/88, WM 1989, 719, 721), denn aus dem Hinweis der Beklagten ergibt sich nicht etwa, daß sie das Wohnhaus S. ebenfalls kaufen wollten. Einer Beweisaufnahme zu dem übereinstimmenden Willen bedurfte es deswegen nicht. Dieser Wille hat in der Bestimmung des Vertrages, wonach an dem Kaufobjekt keine Nutzungsverhältnisse bestünden, zudem deutlichen Ausdruck gefunden. Daß das Wohngrundstück S. als Teilfläche aus dem Flurstück 4/3 bei Vertragsabschluß noch nicht vermessen oder sonst bestimmt bezeichnet war, ändert nichts daran, daß die Parteien auch bei der Auflassung mit dem Flurstück 4/3 das Grundstück ohne die Wohnfläche S. bezeichnet haben (falsa demonstratio).
2. Danach kommt es auf die gegen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts gerichteten Angriffe der Revision nicht an.
3. Da das Grundstück, auf dem das Haus S. s teht, nunmehr v ermessen ist und das Meßergebnis als solches nicht bestritten wird, kann die Klägerin hinsichtlich dieses Grundstücks (Flurstück Nr. 4/7) Berichtigung des Grundbuchs verlangen (§ 894 BGB). Ob dieser Anspruch mit der Klage auf Auflassung durchgesetzt werden kann (so RGZ 139, 353, 355; RG, WarnRspr. 1929 Nr. 44), bedarf hier keiner Entscheidung. Denn bei verständiger Auslegung des Klageantrags erfaßt die begehrte Verurteilung zur Bewilligung der Grundbucheintragung auch die zur Zustimmung zu der Grundbuchberichtigung.
Da die Sache nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat unter Aufhebung des Berufungsurteils die Berufung der Beklagten mit einer klarstellenden Maßgabe zurückweisen (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Tropf Krüger Lemke Gaier
Annotations
Steht der Inhalt des Grundbuchs in Ansehung eines Rechts an dem Grundstück, eines Rechts an einem solchen Recht oder einer Verfügungsbeschränkung der in § 892 Abs. 1 bezeichneten Art mit der wirklichen Rechtslage nicht im Einklang, so kann derjenige, dessen Recht nicht oder nicht richtig eingetragen oder durch die Eintragung einer nicht bestehenden Belastung oder Beschränkung beeinträchtigt ist, die Zustimmung zu der Berichtigung des Grundbuchs von demjenigen verlangen, dessen Recht durch die Berichtigung betroffen wird.
Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile, über die Verzichtsleistung auf das Rechtsmittel und seine Zurücknahme, über die Rügen der Unzulässigkeit der Klage und über die Einforderung, Übersendung und Zurücksendung der Prozessakten sind auf die Revision entsprechend anzuwenden. Die Revision kann ohne Einwilligung des Revisionsbeklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Revisionsbeklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.