Bundesgerichtshof Urteil, 23. Feb. 2001 - V ZR 16/00

bei uns veröffentlicht am23.02.2001

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 16/00 Verkündet am:
23. Februar 2001
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. Februar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die
Richter Tropf, Schneider, Dr. Klein und Dr. Lemke

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 1. Dezember 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger ist Eigentümer landwirtschaftlich genutzter Grundstücksflächen. Mit Vertrag vom 24. Januar 1994 gestattete er dem beklagten Energieversorgungsunternehmen , darauf innerhalb eines 8 m breiten Schutzstreifens eine 803 m lange Erdgasleitung einschließlich eines Steuerkabels und aller erforderlichen Nebenanlagen zu verlegen und in Betrieb zu halten. Dieses Recht wurde gegen Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 8.993,60 DM durch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit dinglich gesichert. Am 22. Oktober 1997 schlossen die Parteien einen weiteren Nutzungsvertrag, nach dem es der Beklagten gestattet war, innerhalb des Schutzstreifens in 1,5
m Tiefe ein Kunststoffrohr mit einem Durchmesser von 50 mm zu verlegen und durch dieses Rohr als Telekommunikationsleitung ein LichtwellenleiterAußenkabel zu führen, das an entsprechende Anbieter von Telekommunikationsleistungen für die Öffentlichkeit verpachtet werden sollte. Als Ausgleich wurde ein einmaliges Nutzungsentgelt in Höhe von 3 DM/m vorgesehen. Da dieser Betrag nach Ansicht des Klägers zu niedrig war, verpflichtete sich die Beklagte, den Unterschiedsbetrag nachzuzahlen, falls ein rechtskräftiges Urteil einen höheren "Ausgleich gemäß § 57 des Telekommunikationsgesetzes als angemessen festsetzen" sollte.
Das Landgericht hat die entsprechende Zahlungsklage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Satz 1 TKG und einen Ausgleichsanspruch nach § 57 Abs. 2 Satz 2 TKG verneint, da eine "erweiterte Nutzung" nicht vorliege. Die Verlegung und Unterhaltung einer Telekommunikationsleitung aufgrund des Vertrages von 1997 ermögliche nicht eine "völlig neue Nutzung", weil bereits das als Nebenanlage zur Gasleitung im Jahr 1994 verlegte Steuerkabel für innerbetriebliche Telekommunikationsaufgaben im Sinne des TKG habe genutzt werden können. Für eine einschränkende Auslegung dieses Begriffes bestehe kein Anlaß. Auch
die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie zwinge zu keinem anderen Ergebnis. Für eine Entschädigung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage verbleibe neben der gesetzlichen Regelung kein Raum.
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II.


1. Die Revision nimmt die Ablehnung eines Ausgleichsanspruchs nach § 57 Abs. 2 Satz 1 TKG hin. Sie meint jedoch, das Berufungsgericht habe zu Unrecht die Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 57 Abs. 2 Satz 2 TKG verneint. Insoweit kann offen bleiben, ob das Berufungsgericht verfahrensfehlerfrei von der Verlegung eines Steuerkabels gemäß dem Vertrag von 1994 ausgehen durfte. Auch wenn dies der Fall war, kann der Kläger einen einmaligen Ausgleich in Geld verlangen. Denn nach der zeitlich nach dem Berufungsurteil ergangenen Entscheidung des Senats vom 7. Juli 2000 (V ZR 435/98, NJW 2000, 3206, 3209 ff - zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt) hat ein Grundstückseigentümer nach § 57 Abs. 2 Satz 2 TKG einen Anspruch auf einmaligen Ausgleich in Geld selbst dann, wenn eine bislang nur der innerbetrieblichen Überwachung dienende und entsprechend dinglich abgesicherte Telekommunikationsleitung zu Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit genutzt wird. Hieran hält der Senat fest. Wurde die vorhandene betriebsinterne Leitung um eine entsprechende Anlage erweitert, gilt nichts anderes. Ist die Telekommunikationsleitung dagegen erst aufgrund des Vertrages
von 1997 verlegt worden, folgt der Anspruch erst recht aus § 57 Abs. 2 Satz 2 TKG. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben.
2. Die Sache ist hinsichtlich der Festlegung der Anspruchshöhe, die weitere Feststellungen erfordert, noch nicht entscheidungsreif und deshalb zurückzuverweisen.
Bei der Bemessung der Ausgleichszahlung geht die Schätzung des Klägers bisher von dem zu erwartenden Gewinn der Beklagten, hilfsweise von einem Baulandpreis des Leitungsweges aus. Dies ist aber nicht der richtige Ansatz für die Höhe des Ausgleichs. Als Bemessungsgrundlage kommt vielmehr in erster Linie die Höhe des Entgelts in Betracht, das nach den jeweiligen Marktverhältnissen für die Einräumung eines Nutzungsrechts zu Telekommunikationszwecken gezahlt wird (vgl. ferner BGH, aaO, 3211).
Wenzel Tropf Schneider Klein Lemke

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Bundesgerichtshof Urteil, 14. Mai 2004 - V ZR 292/03

bei uns veröffentlicht am 14.05.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 292/03 Verkündet am: 14. Mai 2004 K a n i k, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGH

Referenzen

(1) Für die Zuteilung von Frequenzen zur Übertragung von Rundfunk im Zuständigkeitsbereich der Länder ist neben den Voraussetzungen des § 55 auf der Grundlage der rundfunkrechtlichen Festlegungen das Benehmen mit der zuständigen Landesbehörde herzustellen. Die jeweilige Landesbehörde teilt den Versorgungsbedarf für Rundfunk im Zuständigkeitsbereich der Länder der Bundesnetzagentur mit. Die Bundesnetzagentur setzt diese Bedarfsanmeldungen bei der Frequenzzuteilung nach § 55 um. Näheres zum Verfahren legt die Bundesnetzagentur auf der Grundlage rundfunkrechtlicher Festlegungen der zuständigen Landesbehörden fest. Die dem Rundfunkdienst im Frequenzplan zugewiesenen Frequenzen können für andere Zwecke als der Übertragung von Rundfunk im Zuständigkeitsbereich der Länder genutzt werden, wenn dem Rundfunk die auf der Grundlage der rundfunkrechtlichen Festlegungen zustehende Kapazität zur Verfügung steht. Die Bundesnetzagentur stellt hierzu das Benehmen mit den zuständigen Landesbehörden her. Hat die zuständige Landesbehörde die inhaltliche Belegung einer analogen oder digitalen Frequenznutzung zur Übertragung von Rundfunk im Zuständigkeitsbereich der Länder einem Inhalteanbieter zur alleinigen Nutzung zugewiesen, so kann dieser einen Vertrag mit einem Sendernetzbetreiber seiner Wahl abschließen, soweit dabei gewährleistet ist, dass den rundfunkrechtlichen Festlegungen entsprochen wurde. Sofern der Sendernetzbetreiber die Zuteilungsvoraussetzungen erfüllt, teilt ihm die Bundesnetzagentur die Frequenz auf Antrag zu. Die Frequenzzuteilung ist auf die Dauer der rundfunkrechtlichen Zuweisung der zuständigen Landesbehörde zu befristen und kann bei Fortdauern dieser Zuweisung verlängert werden.

(2) Frequenznutzungen des Bundesministeriums der Verteidigung bedürfen in den ausschließlich für militärische Nutzungen im Frequenzplan ausgewiesenen Frequenzbereichen keiner Frequenzzuteilung.

(3) Als zugeteilt gelten Frequenzen, die für die Seefahrt und die Binnenschifffahrt sowie die Luftfahrt ausgewiesen sind und die auf fremden Wasser- oder Luftfahrzeugen, die sich im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhalten, zu den entsprechenden Zwecken genutzt werden. Dies gilt nur für Frequenzen, die auf Grund einer gültigen nationalen Erlaubnis des jeweiligen Landes, in dem das Fahrzeug registriert ist, genutzt werden.

(4) Für Frequenzen, die für den Funk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS-Funk) ausgewiesen sind, legt das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat im Benehmen mit den zuständigen obersten Landesbehörden in einer Richtlinie fest

1.
die Zuständigkeiten der beteiligten Behörden,
2.
das Verfahren zur Anerkennung als Berechtigter zur Teilnahme am BOS-Funk,
3.
das Verfahren und die Zuständigkeiten bei der Bearbeitung von Anträgen auf Frequenzzuteilung innerhalb der BOS,
4.
die Grundsätze zur Frequenzplanung und die Verfahren zur Frequenzkoordinierung innerhalb der BOS sowie
5.
die Regelungen für den Funkbetrieb und für die Zusammenarbeit der Frequenznutzer im BOS-Funk.
Die Richtlinie ist, insbesondere die Nummern 4 und 5 betreffend, mit der Bundesnetzagentur abzustimmen. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat bestätigt im Einzelfall nach Anhörung der jeweils sachlich zuständigen obersten Bundes- oder Landesbehörden die Zugehörigkeit eines Antragstellers zum Kreis der nach Satz 1 anerkannten Berechtigten.

(5) Die Bundesnetzagentur teilt Frequenzen für die Nutzung des Flugfunkdienstes zu, wenn die nach dem Luftverkehrsrecht erforderlichen Entscheidungen des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung vorliegen. Die nach § 55 festgelegte Zuständigkeit der Bundesnetzagentur und deren Eingriffsmöglichkeiten bleiben unberührt.

(6) Frequenzen für die Nutzung durch Küstenfunkstellen des Revier- und Hafenfunkdienstes werden nur dann zugeteilt, wenn die Zustimmung der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes vorliegt.

(1) Hat ein Anbieter öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste sich durch Allgemeine Geschäftsbedingungen vorbehalten, einen Vertrag einseitig zu ändern und ändert er die Vertragsbedingungen einseitig, kann der Endnutzer den Vertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist und ohne Kosten kündigen, es sei denn, die Änderungen sind

1.
ausschließlich zum Vorteil des Endnutzers,
2.
rein administrativer Art und haben keine negativen Auswirkungen auf den Endnutzer oder
3.
unmittelbar durch Unionsrecht oder innerstaatlich geltendes Recht vorgeschrieben.
Die Kündigung kann innerhalb von drei Monaten ab dem Zeitpunkt erklärt werden, in dem die Unterrichtung des Anbieters über die Vertragsänderung, die den Anforderungen des Absatzes 2 Satz 1 entspricht, dem Endnutzer zugeht. Der Vertrag kann durch die Kündigung frühestens zu dem Zeitpunkt beendet werden, zu dem die Vertragsänderung wirksam werden soll. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden auf Verträge, die nur nummernunabhängige interpersonelle Telekommunikationsdienste zum Gegenstand haben.

(2) Anbieter öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste müssen Endnutzer mindestens einen Monat, höchstens zwei Monate, bevor eine Vertragsänderung nach Absatz 1 Satz 1 wirksam werden soll, klar und verständlich auf einem dauerhaften Datenträger über Folgendes unterrichten:

1.
den Inhalt und den Zeitpunkt der Vertragsänderung und
2.
ein bestehendes Kündigungsrecht des Endnutzers nach Absatz 1 Satz 1 bis 3.
Die Bundesnetzagentur kann das Format für die Unterrichtung über Vertragsänderungen und zum Kündigungsrecht nach Absatz 1 Satz 1 bis 3 festlegen.

(3) Anbieter beraten die Endnutzer hinsichtlich des für den jeweiligen Endnutzer besten Tarifs in Bezug auf ihre Dienste. Sie berücksichtigen hierbei insbesondere den Umfang der vom Endnutzer aktuell vertraglich vereinbarten Dienste, insbesondere in Bezug auf das enthaltene Datenvolumen. Anbieter erteilen Endnutzern Informationen über den hiernach ermittelten besten Tarif mindestens einmal pro Jahr.

(4) Im Falle von

1.
erheblichen, kontinuierlichen oder regelmäßig wiederkehrenden Abweichungen bei der Geschwindigkeit oder bei anderen Dienstequalitätsparametern zwischen der tatsächlichen Leistung der Internetzugangsdienste und der vom Anbieter der Internetzugangsdienste gemäß Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a bis d der Verordnung (EU) 2015/2120 angegebenen Leistung, die durch einen von der Bundesnetzagentur bereitgestellten oder von ihr oder einem von ihr beauftragten Dritten zertifizierten Überwachungsmechanismus ermittelt wurden, oder
2.
anhaltenden oder häufig auftretenden erheblichen Abweichungen zwischen der tatsächlichen und der im Vertrag angegebenen Leistung eines Telekommunikationsdienstes mit Ausnahme eines Internetzugangsdienstes,
ist der Verbraucher unbeschadet sonstiger Rechtsbehelfe berechtigt, das vertraglich vereinbarte Entgelt zu mindern oder den Vertrag außerordentlich ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen. Bei der Minderung ist das vertraglich vereinbarte Entgelt in dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem die tatsächliche Leistung von der vertraglich vereinbarten Leistung abweicht. Ist der Eintritt der Voraussetzungen von Satz 1 Nummer 1 oder 2 unstreitig oder vom Verbraucher nachgewiesen worden, besteht das Recht des Verbrauchers zur Minderung so lange fort, bis der Anbieter den Nachweis erbringt, dass er die vertraglich vereinbarte Leistung ordnungsgemäß erbringt. Im Falle des vollständigen Ausfalls eines Dienstes ist eine erhaltene Entschädigung nach § 58 Absatz 3 auf die Minderung anzurechnen. Für eine Kündigung nach Satz 1 ist § 314 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend anzuwenden. Für die Entschädigung des Anbieters im Falle einer Kündigung nach Satz 1 gilt § 56 Absatz 4 Satz 2 bis 4 entsprechend.

(5) Die Bundesnetzagentur kann die unbestimmten Begriffe der erheblichen, kontinuierlichen oder regelmäßig wiederkehrenden Abweichung bei der Geschwindigkeit nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 sowie der anhaltenden oder häufig auftretenden erheblichen Abweichungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 nach Anhörung der betroffenen Kreise durch Allgemeinverfügung konkretisieren.