Bundesgerichtshof Urteil, 14. Mai 2009 - IX ZR 141/06

bei uns veröffentlicht am14.05.2009
vorgehend
Landgericht München I, 12 O 7161/03, 14.05.2004
Oberlandesgericht München, 18 U 3567/04, 21.02.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 141/06
Verkündet am:
14. Mai 2009
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Mai 2009 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter und die Richter
Prof. Dr. Gehrlein, Vill, Dr. Fischer und Grupp

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 21. Februar 2006 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 14. Mai 2004 wird zurückgewiesen. Soweit in der Berufungsinstanz die Klage um 23.893,64 € erweitert worden ist, wird sie abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten beider Rechtsmittelzüge zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin macht gegen den beklagten Steuerberater Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Grundstücks von insgesamt 7,6107 ha geltend.
2
Die Klägerin hatte den Beklagten bei dem Verkauf eines ererbten Hauses eingeschaltet, bei dem sie ca. 2,4 Mio. DM erlöste. Der Beklagte empfahl ihr, den Erlös unter anderem in einer Immobilie anzulegen und teilte ihr mit, dass er Jemanden kenne, der ein Grundstück verkaufen wolle, das unmittelbar an die Stadt B. grenze. Es handele sich um ein Spekulationsobjekt; das Grundstück werde eine Wertsteigerung erfahren, wenn es Bauland werde.
3
Der Beklagte wies die Klägerin nicht darauf hin, dass der damalige Wert des Grundstücks niedriger sein könne als der verlangte Kaufpreis. Er zog weder Erkundigungen über den tatsächlichen Wert des Grundstücks ein noch informierte er die Klägerin darüber, dass er keine objektivierbaren Erkenntnisse bezüglich des Grundstückswertes besaß.
4
In der Folgezeit verhandelte er für die Klägerin mit dem Verkäufer, auch über den Preis. Mit notariellem Kaufvertrag vom 24. Juni 1996 kaufte die Klägerin zunächst ein Viertel des Grundstücks für 142.500 DM, mit notariellem Kaufvertrag vom 27. Dezember 1996 den Rest für 427.500 DM. Bei einem Gesamtkaufpreis von 570.000 DM ergab sich damit ein Preis von ca. 7,49 DM pro Quadratmeter.
5
Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe sie mangelhaft beraten und nicht ordnungsgemäß auf die Risiken des Geschäfts hingewiesen. Der tatsächliche Wert des Grundstücks habe nur 0,25 € pro Quadratmeter betragen. Das Grundstück sei weder Bauland noch Bauerwartungsland geworden, obwohl der Beklagte von einer Frist von fünf Jahren gesprochen habe. Der Beklagte habe auf den viel zu hohen Kaufpreis und das hohe Risiko aufmerksam machen müssen. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte sie sich auf das Geschäft nicht eingelassen. Der Beklagte habe schon damals den tatsächlichen Wert des Grundstücks und die Unwahrscheinlichkeit seiner Entwicklung zu Bauland in Erfahrung bringen können.

6
Der Beklagte erhebt insbesondere die Einrede der Verjährung.
7
Das Landgericht hat die auf Schadensersatz in Höhe von 345.148,67 € gerichtete Klage als verjährt abgewiesen. Die Klägerin hat hiergegen Berufung eingelegt und die Klage um 23.893,64 € erhöht. Die Berufung hatte in Höhe von 278.585,43 € nebst Zinsen Erfolg.
8
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:


9
Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils , zur Zurückweisung der Berufung der Klägerin und zur Abweisung des in der Berufungsinstanz im Wege der Klageerweiterung zusätzlich geltend gemachten Anspruchs.

I.


10
Berufungsgericht Das hat gemeint, zwischen den Parteien habe seit 30. April 1996 ein steuerberatendes Mandatsverhältnis bestanden. Der Beklagte habe die ihm der Klägerin gegenüber obliegenden Informations- und Beratungspflichten verletzt. Er sei verpflichtet gewesen, Erkundigungen zu dem tatsächlichen Wert des Grundstücks einzuholen, damit die Klägerin eine angemessene Risikoabschätzung hätte vornehmen können. Das eingeholte Sach- verständigengutachten habe einen damaligen Wert des Grundstücks von 0,60 € pro Quadratmeter ergeben, während die Klägerin einen sechsmal höheren Kaufpreis entrichtet habe.
11
Hinsichtlich des Kaufvertrages vom 24. Juni 1996 sei Verjährung eingetreten , nicht jedoch hinsichtlich des Kaufvertrages vom 27. Dezember 1996. Die Verjährung habe insoweit mit Abschluss des Kaufvertrages am 27. Dezember 1996 begonnen, da bereits dieser zu einer Verschlechterung der Vermögenslage der Klägerin geführt habe. Es sei nicht von einer einheitlichen Verjährungsfrist für beide Kaufverträge auszugehen, weil zwei gesonderte Pflichtverletzungen des Beklagten vorgelegen hätten, wenngleich bei jedem Kaufvertrag die gleiche Pflicht verletzt worden sei.
12
reguläre Die Verjährungsfrist des § 68 StBerG habe mit Ablauf des 27. Dezember 1999 geendet. Sie habe sich jedoch wegen der Sekundärhaftung des Beklagten bis zum 27. Dezember 2002 verlängert. Aufgrund verschiedener Umstände habe der Beklagte vor Ablauf der Primärverjährung Anlass gehabt, die Klägerin auf die Möglichkeit einer Regresshaftung und die dafür maßgebliche Verjährungsregelung hinzuweisen. Ein entsprechender Hinweis sei nicht erfolgt. Der am 19. Dezember 2002 beantragte Mahnbescheid habe somit die Verjährung unterbrochen.

II.


13
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand. Ein möglicher Anspruch der Klägerin wäre auch im Hinblick auf den Kaufvertrag vom 27. Dezember 1996 verjährt, weil die Voraussetzun- gen eines Sekundäranspruches nicht vorliegen. Deshalb kann dahinstehen, ob insoweit eine Pflichtverletzung des Beklagten vorlag und die schadensausfüllende Kausalität für die geltend gemachten Schäden zu bejahen ist.
14
1. Wie das Berufungsgericht zutreffend gesehen hat, richtet sich die Verjährung des von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruches nach dem zum 15. Dezember 2004 aufgehobenen § 68 StBerG, weil die Verjährung vor dem 15. Dezember 2004 eingetreten ist (Art. 229 § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13, Satz 2 i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 1, 3 EGBGB; vgl. hierzu BGH, Urt. v. 29. Mai 2008 - IX ZR 222/06, WM 2008, 1416 Rn. 12; v. 5. März 2009 - IX ZR 172/05, WM 2009, 863 Rn. 7).
15
Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass zwischen den Parteien ab dem 30. April 1996 ein steuerberatendes Mandatsverhältnis bestand. Dies ist zutreffend und wird von der Klägerin nicht mehr in Frage gestellt.
16
2. Nach § 68 StBerG a.F. verjährte der Anspruch des Auftraggebers auf Schadensersatz aus dem zwischen ihm und dem Steuerberater bestehenden Vertragsverhältnis in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist.
17
Entstanden ist der Anspruch im Allgemeinen, wenn der Schaden wenigstens dem Grunde nach erwachsen ist, mag seine Höhe auch noch nicht beziffert werden können, ferner wenn durch die Verletzungshandlung eine als Schaden anzusehende Verschlechterung der Vermögenslage eingetreten ist, ohne dass feststehen muss, ob ein Schaden bestehen bleibt und damit endgültig wird, oder wenn eine solche Verschlechterung der Vermögenslage oder auch ein endgültiger Teilschaden entstanden und mit der nicht fern liegenden Mög- lichkeit weiterer, noch nicht erkennbarer, adäquat verursachter Nachteile bei verständiger Würdigung zu rechnen ist (BGHZ 114, 150, 152 f; 119, 69, 70 f; 129, 386, 388); Unkenntnis des Schadens und damit des Ersatzanspruchs hindert den Verjährungsbeginn nicht (BGHZ 119, 69, 71). Ist dagegen - objektiv betrachtet - noch offen, ob ein pflichtwidriges, mit einem Risiko behaftetes Verhalten zu einem Schaden führt, ist ein Ersatzanspruch noch nicht entstanden, so dass eine Verjährungsfrist nicht in Lauf gesetzt wird (BGHZ 119, 69, 71; vgl. zum Ganzen zuletzt BGH, Urt. v. 5. März 2009 aaO Rn. 8).
18
Als Teil ihres Schadens, den das Berufungsgericht auch zuerkannt hat, macht die Klägerin den Betrag geltend, zu dessen Bezahlung sie sich in dem Kaufvertrag vom 27. Dezember 1996 über den objektiven Verkehrswert hinaus verpflichtete. Mit rechtswirksamem Abschluss dieses Vertrages war die Klägerin zur Zahlung dieses Kaufpreises verpflichtet. Damit war der erste von der Klägerin geltend gemachte Teilschaden eingetreten. Die reguläre Verjährungsfrist des § 68 StBerG begann deshalb mit Ablauf des 27. Dezember 1996 und endete am 27. Dezember 1999.
19
3. Die Verjährungsfrist hat sich jedoch entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht durch eine Sekundärhaftung des Beklagten verlängert.
20
Hat der Steuerberater vor Ablauf der Verjährung des Primäranspruchs begründeten Anlass zu prüfen, ob er dem Mandanten durch einen Fehler Schaden zugefügt hat, und muss er dabei eine entsprechende Pflichtverletzung erkennen , so hat er - nicht anders als ein Rechtsanwalt - hierauf und auf die kurze Verjährung hinzuweisen (BGHZ 94, 380, 385 f; BGH, Urt. v. 14. November 1991 - IX ZR 31/91, NJW 1992, 836, 837; v. 21. September 1995 - IX ZR 228/94, NJW 1996, 48, 50; v. 14. Dezember 2000 - IX ZR 332/99, NJW 2001, 826, 828; v. 23. September 2004 - IX ZR 137/03, NJW-RR 2005, 494, 497 Rn. 27; Zugehör in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung , 2. Aufl. Rn. 1384).
21
Sind diese Voraussetzungen gegeben und unterlässt er den gebotenen Hinweis, stellt dies eine neue Pflichtverletzung im Rahmen des Steuerberatervertrages dar. Der daraus resultierende Ersatzanspruch entsteht mit Eintritt der Verjährung des ursprünglichen (primären) Regressanspruches gemäß § 68 StBerG (Zugehör, aaO Rn. 1404).
22
Diese Rechtsprechung hat das Berufungsgericht nicht verkannt. Die von ihm genannten Umstände genügen aber danach nicht als Anlass, damit ein rechtlicher oder steuerlicher Berater zu prüfen hat, ob er dem Mandanten durch einen Fehler Schaden zugefügt hat.
23
Beklagte Der hätte möglicherweise allgemein erkennen können, dass seine Beratung im Zusammenhang mit dem zweiten Grundstückskauf fehlerhaft war. Daraus ergibt sich aber noch kein Anlass für den Beklagten, in eine solche Überprüfung überhaupt einzutreten.
24
Dass die Klägerin für den Kauf einer Eigentumswohnung eine Finanzierung in Anspruch nehmen musste, gab dem Beklagten ebenfalls keinen Anlass zu überprüfen, ob er der Klägerin zum Kauf einer überteuerten Immobilie geraten hatte. Denn der Finanzierungsbedarf wäre genauso entstanden, wenn die beiden (Teil-)Grundstücke ihren Preis wert gewesen wären.
25
Auch der zwischen dem Verkäufer und dem Land Brandenburg (das sich aufgrund des Vermögensgesetzes eines besseren Rechts als der Verkäufer berühmte) geführte Prozess gab dem Beklagten keinen Anlass anzunehmen, die Klägerin habe die streitbefangene Immobilie überteuert gekauft. Denn in dem Vergleich, der diesen Prozess beendete, ist der zwischen der Klägerin und dem Verkäufer vereinbarte Kaufpreis zugrunde gelegt worden; das Land hat lediglich - mit Erfolg - an dem Kaufpreis partizipieren und insoweit an die Stelle des Verkäufers treten wollen.
26
Soweit die Klägerin noch weitere Umstände genannt hat, auf die das Berufungsgericht nicht eingegangen ist, ist in diesem Zusammenhang allenfalls der Gesichtspunkt erwähnenswert, dass die gescheiterte Volksabstimmung über die Fusion von Berlin und Brandenburg dem Beklagten Anlass zur Prüfung hätte sein können. Die Volksabstimmung war aber bereits am 5. Mai 1996, also vor Abschluss der beiden Kaufverträge, und scheidet schon deshalb als begründeter Anlass für eine nachträgliche Überprüfung aus.
27
4. Der Schaden aus einem bestimmten schädigenden Ereignis - also aus ein und derselben pflichtwidrigen Handlung oder Unterlassung - ist ein einheitliches Ganzes (Grundsatz der Schadenseinheit). Deshalb läuft für den einheitlichen Anspruch auf Ersatz des Gesamtschadens einschließlich aller voraussehbarer Nachteile eine einheitliche Verjährungsfrist.
28
Die vom Berufungsgericht zuerkannten Schadenspositionen betreffen die angenommene Pflichtverletzung hinsichtlich des Kaufvertrages vom 27. Dezember 1996. Diese sind somit, auch soweit sie später entstanden sind, insgesamt verjährt.
Ganter Gehrlein Vill
Fischer Grupp
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 14.05.2004 - 12 O 7161/03 -
OLG München, Entscheidung vom 21.02.2006 - 18 U 3567/04 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 14. Mai 2009 - IX ZR 141/06

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 14. Mai 2009 - IX ZR 141/06

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 14. Mai 2009 - IX ZR 141/06 zitiert 2 §§.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 14. Mai 2009 - IX ZR 141/06 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 14. Mai 2009 - IX ZR 141/06 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 05. März 2009 - IX ZR 172/05

bei uns veröffentlicht am 05.03.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL IX ZR 172/05 Verkündet am: 5. März 2009 Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja StBerG § 68 a.F

Bundesgerichtshof Urteil, 29. Mai 2008 - IX ZR 222/06

bei uns veröffentlicht am 29.05.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 222/06 Verkündet am: 29. Mai 2008 Preuß, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 14. Dez. 2000 - IX ZR 332/99

bei uns veröffentlicht am 14.12.2000

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄ UMNISURTEIL IX ZR 332/99 Verkündet am: 14. Dezember 2000 Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: n

Referenzen

12
1. Das Berufungsgericht hat auf die Verjährung die mit Wirkung vom 15. Dezember 2004 aufgehobene Vorschrift des § 68 StBerG angewendet. Dies ist zutreffend, weil die Verjährung vor dem 15. Dezember 2004 eingetreten ist (Art. 229 § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13, Satz 2 i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 1, 3 EGBGB).
7
Der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts trifft allerdings zu. Die Verjährung richtet sich nach dem zum 15. Dezember 2004 aufgehobenen § 68 StBerG (Art. 229 § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13, Satz 2 i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 1, 3 EGBGB, vgl. BGH, Urt. v. 29. Mai 2008 - IX ZR 222/06, WM 2008, 1416 Rn. 12). Danach verjährt der Anspruch des Auftraggebers auf Schadensersatz aus dem zwischen ihm und dem Steuerberater bestehenden Vertragsverhältnis in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist. Macht sich ein Steuerberater schadensersatzpflichtig, weil der Mandant Säumniszuschläge (§ 240 Abs. 1 Satz 1 AO) entrichten muss, so beginnt die Verjährung des Schadensersatzanspruchs jedoch erst mit der Bekanntgabe der Finanzbehörde , sie werde Säumniszuschläge erheben.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄ UMNISURTEIL
IX ZR 332/99 Verkündet am:
14. Dezember 2000
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zum Wegfall des verjährungsrechtlichen Sekundäranspruchs, wenn der geschädigte
Mandant rechtzeitig vor Eintritt der Primärverjährung einen Rechtsanwalt mit der
Prüfung des Regreßanspruchs beauftragt.
BGH, Urteil vom 14. Dezember 2000 - IX ZR 332/99 - OLG Düsseldorf
LG Kleve
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Dezember 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die
Richter Stodolkowitz, Dr. Zugehör, Dr. Ganter und Raebel

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das "Grundurteil" des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 2. September 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Im Jahre 1980 erwarb die Klägerin ein unbebautes Grundstück, um es zu parzellieren und zu bebauen sowie die so entstehenden bebauten Einzelgrundstücke zu verkaufen. In der "Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG", die der Beklagte als Steuerberater der Klägerin und ihres Ehemannes zur Ermittlung der Einkünfte aus den Grundstücksgeschäften mit der Steuererklärung
für 1980 beim Finanzamt einreichte, waren die Anschaffungskosten für das Grundstück nicht berücksichtigt. Auch die im Jahre 1985 aufgewandten Kosten für den Bau von Eigentumswohnungen zog der Beklagte bei der Gewinnermittlung für dieses Jahr nicht als Betriebsausgaben ab. Er setzte diese Kosten sowie einen Teil der Grundstücksanschaffungskosten erst für 1986 als Betriebsausgaben an, als ein Teil der bis dahin hergestellten Eigentumswohnungen veräußert und ein anderer Teil ins Privatvermögen überführt wurden. Nach einer im Jahre 1990 durchgeführten Betriebsprüfung erkannte das Finanzamt diesen Abzug in einem geänderten Steuerbescheid vom 14. September 1990 mit der Begründung nicht an, bei der gewählten Gewinnermittlungsart seien die genannten Kosten im Jahr ihrer jeweiligen Entstehung anzusetzen gewesen. Die Einkommensteuer für das Jahr 1986 wurde für die Klägerin und ihren Ehemann auf 222.522 DM festgesetzt. Ein dagegen v om Beklagten eingelegter Einspruch wurde mit Bescheid vom 27. Januar 1993 zurückgewiesen; die dagegen - wiederum vom Beklagten - erhobene Klage wies das Finanzgericht Düsseldorf durch Urteil vom 4. Februar 1997 ab.
Die Klägerin, die sich die Ansprüche ihres Ehemannes hat abtreten lassen , wirft dem Beklagten vor, er hätte, da es in den Jahren der Entstehung der Anschaffungs- und Herstellungskosten an ausreichenden Einnahmen und sonstigen Einkünften gefehlt habe, mit denen jene Ausgaben hätten verrechnet werden können, die Voraussetzungen für eine Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG schaffen müssen. Sie verlangt von ihm Ersatz des Schadens, der ihr und ihrem Ehemann durch eine auf 160.000 DM errechnete Steuermehrbelastung in den Jahren 1980 bis 1986 entstanden sein soll, sowie Feststellung der Pflicht zum Ersatz von dadurch verursachten Zinsschäden. Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung der Klageansprü-
che abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr dem Grunde nach stattgegeben. Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung. Da die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, ist durch Versäumnisurteil , jedoch unter umfassender Prüfung der Sach- und Rechtslage zu entscheiden (vgl. BGHZ 37, 79, 81 ff).

I.


Das Berufungsgericht hat den Klageanspruch "dem Grunde nach (für) berechtigt" erklärt und am Ende der Entscheidungsgründe bemerkt, über die Höhe des Schadens sei im Betragsverfahren zu entscheiden. Zu dem neben dem Zahlungsantrag gestellten Feststellungsantrag hat es sich nicht geäußert.
Das Revisionsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob der Erlaß eines Grundurteils durch das Berufungsgericht zulässig war (BGH, Urt. v. 17. Februar 2000 - IX ZR 436/98, WM 2000, 1345, 1346 m.w.N.). Das ist im vorliegenden Fall zweifelhaft, soweit sich das Grundurteil jedenfalls seinem Wortlaut nach auch auf den Feststellungsanspruch bezieht. Bei einer unbezifferten Feststellungsklage kommt eine auf den Grund des Anspruchs be-
schränkte Entscheidung nicht in Betracht (BGH, Urt. v. 27. Januar 2000 - IX ZR 45/98, WM 2000, 966, 967). Es ist freilich denkbar, daß das Berufungsgericht mit dem Ausspruch zum Grund des Anspruchs gleichzeitig abschließend dem Feststellungsantrag stattgeben wollte. Ob sich in dem Urteil ausreichende Anhaltspunkte für eine solche Auslegung finden lassen, mag offenbleiben, weil das Berufungsurteil bereits aus anderen Gründen aufgehoben werden muß.

II.


Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, die Voraussetzungen für eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG durch Aufstellung einer Eröffnungsbilanz und Einrichtung einer ordnungsmäßigen kaufmännischen Buchführung zu schaffen. Durch die für die Klägerin und deren Ehemann ungünstige Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG sei ihnen mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Schaden entstanden, dessen Höhe im Betragsverfahren noch ermittelt werden müsse. Gegen diese Ausführungen wendet sich die Revision nicht. Sie lassen auch keinen Rechtsfehler erkennen.

III.


Das Berufungsurteil beruht jedoch auf Verfahrensfehlern, soweit das Berufungsgericht gemeint hat, der Schadensersatzanspruch sei nicht verjährt.
1. Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, die Verjährung habe mit Ablauf des 17. September 1990 begonnen; denn an diesem Tag sei der Klägerin und ihrem Ehemann der Ä nderungsbescheid vom 14. September 1990 zugegangen. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 68 StBerG sei jedoch alsbald danach gehemmt gewesen, denn die Parteien hätten nach Erlaß des Bescheids im September 1990 vereinbart, daß der Anspruch gegen den Beklagten bis zum Abschluß des finanzgerichtlichen Verfahrens nicht habe geltend gemacht werden sollen. Diese Feststellung hat das Berufungsgericht auf der Grundlage der Aussagen des in beiden Vorinstanzen vernommenen Ehemannes der Klägerin, des Zeugen Sch., sowie nach Anhörung des Beklagten persönlich getroffen. In jener Vereinbarung, so hat das Berufungsgericht gemeint, liege ein Stillhalteabkommen. Die Verjährung sei danach erst nach Erlaß des finanzgerichtlichen Urteils vom 4. Februar 1997 weitergelaufen und jedenfalls bei Einreichung der Klage am 30. Dezember 1997 noch nicht vollendet gewesen.
2. Die Revision macht geltend, die Annahme eines Stillhalteabkommens werde von den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht getragen. Bei der Absprache der Parteien müsse es sich nicht um eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung gehandelt, sondern sie könne sich auch in der Zusage des Beklagten erschöpft haben, sich bis zum Abschluß des finanzgerichtlichen Verfahrens nicht auf Verjährung zu berufen. Im letzteren Fall hätte der Beklagte nach dem Urteil des Finanzgerichts nicht noch mehr als zehn Monate mit der Klageerhebung warten dürfen.
Dieser Revisionsangriff ist unbegründet. Ein die Hemmung der Verjährung nach § 202 Abs. 1 BGB auslösendes Stillhalteabkommen setzt allerdings
- darin hat die Revision recht - voraus, daß der Schuldner aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung berechtigt sein soll, vorübergehend die Leistung zu verweigern, und der Gläubiger sich umgekehrt der Möglichkeit begibt, seine Ansprüche während dieses Zeitraums weiterzuverfolgen (BGH, Urt. v. 6. Juli 2000 - IX ZR 134/99, WM 2000, 1812, 1813 m.w.N.). Das hat das Berufungsgericht jedoch nicht verkannt. Es ist in rechtlicher Hinsicht ausdrücklich davon ausgegangen, daß bei einem Stillhalteabkommen der Schuldner "vorübergehend zur Leistungsverweigerung berechtigt" ist. Ein solches Recht hat das Berufungsgericht der zwischen den Parteien getroffenen Absprache entnommen. Ein Rechtsfehler läßt sich darin nicht erkennen.
3. Die Revision hat jedoch mit ihrer Verfahrensrüge Erfolg, die sich gegen die Feststellung des Berufungsgerichts richtet, jene Vereinbarung sei alsbald nach dem Erlaß des Steuerbescheids vom 14. September 1990 getroffen worden.

a) Der Ehemann der Klägerin hat als Zeuge ausweislich des Protokolls vom 16. Juli 1998 vor dem Landgericht ausgesagt, nach der Betriebsprüfung habe er die Sache mit dem Beklagten durchgesprochen; dieser habe ihm seinerzeit gesagt, er wolle gegen den Bescheid Einspruch einlegen. Vor dem Berufungsgericht hat er am 17. Juni 1999 bekundet, bei jener Aussage müsse er bei der Vernehmung etwas mißverstanden haben. Es sei zwar bereits nach Eingang des Betriebsprüfungsberichts zu einem Gespräch mit dem Beklagten gekommen; dabei sei es aber nur um die Richtigkeit dieses Berichts und noch nicht um Steuernachforderungen gegangen. Die Themen "Steuernachforderung" und "Regreß" hätten erst angestanden, als die "Steuerbescheide" vorgelegen hätten.

Das Berufungsgericht hat, wie es im einzelnen dargelegt hat, aus diesen Bekundungen des Zeugen die Überzeugung gewonnen, daß das Gespräch zwischen dem Ehemann der Klägerin und dem Beklagten, bei dem die Stillhaltevereinbarung getroffen wurde, nach Eingang des Steuerbescheids vom 14. September 1990 stattgefunden habe. Der Zeuge sei, so hat es ausgeführt, bei der Vernehmung vom 17. Juni 1999 darauf hingewiesen worden, daß es wichtig sei, die Gespräche zeitlich genau einzuordnen. Das habe zu der Ä ußerung des Zeugen geführt, daß das Thema "Steuernachforderungen" noch nicht nach dem Betriebsprüfungsbericht, sondern erst nach Eingang der "Bescheide" Gegenstand der Erörterung gewesen sei. Hiermit seien "eindeutig" die Steuerbescheide vom 14. September 1990 gemeint gewesen; denn zusammen mit dem Bescheid für 1986 sei damals auch der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1985 erlassen worden.
In dieser Beurteilung liegt, wie die Revision zu Recht rügt, eine unvollständige Würdigung des Beweisergebnisses. Der in der Beweisaufnahme dem Zeugen erteilte Hinweis auf die Notwendigkeit der genauen zeitlichen Einordnung der Gespräche sollte offenbar der Klärung dienen, ob mit ihnen nicht etwa Erörterungen im unmittelbaren Anschluß an den Betriebsprüfungsbericht und damit noch vor der Entstehung des mit dem Erlaß des Steuerbescheids für 1986 eingetretenen Schadens, d.h. vor Beginn der Verjährung gemeint waren. Von solchen Besprechungen in zeitlichem Zusammenhang mit dem Betriebsprüfungsbericht hatte der Zeuge bei seiner erstinstanzlichen Vernehmung berichtet. Dieser stellte nunmehr vor dem Berufungsgericht klar, daß es damals weder um Steuernachforderungen noch um die Regreßfrage gegangen sei. Diese sei erst zum Thema geworden, als die "Bescheide" eingegangen seien.
Der Schluß des Berufungsgerichts, damit seien "eindeutig" die Bescheide vom 14. September 1990 gemeint gewesen, berücksichtigt, wie die Revision zutreffend beanstandet, nicht, daß der Zeuge bei der Fragestellung, der er sich gegenüber sah, möglicherweise nur die Alternative zwischen dem Betriebsprüfungsbericht und den späteren "Bescheiden" im Auge hatte, in denen sich das steuerliche Ergebnis niederschlug. Mit diesen Bescheiden müssen nicht zwingend die unter dem gleichen Datum ergangenen Einkommensteuerbescheide für verschiedene Jahre, sondern damit können auch zusammengefaßt die allein das Jahr 1986 betreffenden "Bescheide", nämlich der Steuerbescheid vom 14. September 1990 und der spätere Einspruchsbescheid vom 27. Januar 1993 gemeint gewesen sein. Zu einer solchen Deutung könnte der weitere Inhalt der Aussage des Zeugen vor dem Landgericht Anlaß geben. Ausweislich des Protokolls vom 16. Juli 1998 hat der Zeuge im Anschluß an die Erwähnung der Besprechung nach der Betriebsprüfung gesagt: "Er (der Beklagte) sagte mir seinerzeit, er wolle gegen den Bescheid Einspruch einlegen. Das hat er dann auch getan. Nachdem - ich meine es war 1993 - der ablehnende Bescheid auf den Einspruch kam, habe ich den Beklagten nochmals angesprochen. Zu der Zeit wurde mir klar, daß es nun ernst würde mit der Steuernachforderung. Ich habe den Beklagten damals gefragt, wie es denn nun weitergehen solle. Er sagte mir, er könne das auch noch nicht ganz beurteilen, ich solle mir aber keine Sorgen machen. Mir sollten keine Schäden entstehen. Der Beklagte forderte mich auf, ihn für solche Schäden haftbar zu machen." Diese Darstellung des Zeugen legt das Verständnis nahe, über die Regreßfrage sei erst gesprochen worden, als sich herausstellte, daß der gegen den Steuerbescheid eingelegte Einspruch erfolglos geblieben war. Das würde auch zu der bei der Vernehmung durch das Berufungsgericht gebrauchten Formulierung des Zeugen passen, "letztlich zur Sache gehen sollte es ... erst nach Abschluß eines möglichen fi-
nanzgerichtlichen Verfahrens". Denn erst nach Erlaß des Einspruchsbescheids stand die Frage einer Klage vor dem Finanzgericht im Raum. Daß die Absprache , den Ausgang des Finanzgerichtsprozesses abzuwarten, schon getroffen worden ist, bevor überhaupt der Einspruch eingelegt und das Ergebnis des Einspruchsverfahrens abzusehen war, erscheint demgegenüber eher fernliegend.
Die Frage, ob die Absprache, die Geltendmachung eines etwaigen Schadensersatzanspruchs gegen den Beklagten bis zur Erledigung des Finanzgerichtsrechtsstreits zurückzustellen, tatsächlich bereits im September 1990 getroffen worden ist, kann nur im Wege einer Gesamtwürdigung aller Umstände beantwortet werden. Das Berufungsgericht hat eine solche umfassende Würdigung unter Berücksichtigung der soeben genannten Gesichtspunkte unterlassen. Wären dabei Zweifel verblieben, so hätte es den Zeugen fragen müssen, was er mit den "Bescheiden", nach deren Erlaß es zur Erörterung der Regreßfrage kam, gemeint habe. Das Berufungsgericht hat sich dies alles durch die unzutreffende Annahme, die Aussage des Zeugen sei insoweit eindeutig, unmöglich gemacht.

b) Unter den gegebenen Umständen hätte das Berufungsgericht - diese Rüge der Revision ist ebenfalls begründet - jedenfalls der Klage nicht stattgeben dürfen, ohne auf den nachgereichten Schriftsatz des Beklagten vom 20. Juli 1999 die mündliche Verhandlung erneut zu eröffnen. In dem Schriftsatz hat der Beklagte auf die Doppeldeutigkeit des vom Zeugen gebrauchten Ausdrucks "Bescheide" hingewiesen und zum Beleg dafür, daß dieser die Zeit nach Erlaß des Einspruchsbescheids im Auge gehabt habe, ein Schreiben der Klägerin an ihn, den Beklagten, vom 30. April 1993 und ein von ihm verfaßtes
Schreiben an seinen Haftpflichtversicherer vom 12. August 1993 vorgelegt. In dem Schreiben der Klägerin heißt es, sie beabsichtige, den Beklagten, wie sie ihm bereits mündlich mitgeteilt habe, im Fall einer negativen Entscheidung des Finanzgerichts "wegen fehlerhafter Beratung haftbar zu machen". Diese Absicht teilte der Beklagte in seinem Schreiben vom 12. August 1993 unter Darlegung des Sachverhalts dem Haftpflichtversicherer mit. Das hätte den Blick des Berufungsgerichts darauf lenken müssen, daß der Zeuge am 17. Juni 1999 weiter bekundet hatte, die "Verabredung" mit dem Beklagten sei dahin gegangen , daß er, der Zeuge, den Schaden habe "geltend machen" sollen, "damit der Beklagte an seine Versicherung herantreten" könne, daß es letztlich aber erst nach Abschluß des finanzgerichtlichen Verfahrens habe "zur Sache gehen" sollen. Die dieser Abrede entsprechenden Schreiben vom 30. April und 12. August 1993 waren geeignet, zusätzliche Zweifel darüber aufkommen zu lassen, ob die Vereinbarung selbst tatsächlich schon rund drei Jahre zuvor getroffen worden war. Das unterstrich die verfahrensrechtliche Notwendigkeit, den Zeugen notfalls zu einer Präzisierung seiner Aussage zu veranlassen. Zeigt es sich, daß die bisherige Verhandlung lückenhaft war, dann muß sie gemäß § 156 ZPO wieder eröffnet werden (BGHZ 53, 245, 262; BGH, Urt. v. 7. Oktober 1992 - VIII ZR 199/91, NJW 1993, 134).

c) Schließlich weist die Revision zutreffend darauf hin, daß der Ehemann der Klägerin trotz Abtretung seines eigenen Anspruchs an diese am Ausgang des Rechtsstreits kaum weniger interessiert ist, als die Klägerin selbst. Das nimmt der Abtretung zwar nicht wegen der damit erreichten Zeugenstellung des Ehemannes die Wirksamkeit. In einem solchen Fall ist aber das starke Eigeninteresse des Zeugen bei der Beweiswürdigung nach § 286 ZPO zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 8. Januar 1976 - III ZR 148/73,
WM 1976, 424). Die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils, in denen jeder Hinweis auf diesen Gesichtspunkt fehlt, deuten darauf hin, daß das Berufungsgericht ihn bei seiner Beweiswürdigung nicht in Betracht gezogen hat.
4. Die Frage, ob die vom Berufungsgericht festgestellte Vereinbarung, den Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten bis zur Beendigung des Finanzgerichtsrechtsstreits zurückzustellen, schon im September 1990 oder erst nach Erlaß des Einspruchsbescheids vom 27. Januar 1993 getroffen worden ist, kann entscheidungserheblich sein. War letzteres der Fall, dann waren zu diesem Zeitpunkt von der am 18. September 1990 beginnenden dreijährigen Primärverjährungsfrist bereits mehr als zwei Jahre und vier Monate abgelaufen. Da die Hemmung der Verjährung mit der Zustellung des Urteils des Finanzgerichts vom 4. Februar 1997 endete - nach dem Vortrag des Beklagten war das am 23. Februar 1997 -, wäre der noch verbleibende Teil der Verjährungsfrist verstrichen gewesen, als die Klage am 30. Dezember 1997 beim Gericht eingereicht wurde.

IV.


Das Berufungsurteil ist nicht aus anderen Gründen richtig (§ 563 ZPO). Das Berufungsgericht konnte sich von seinem Standpunkt aus nicht mit der Frage befassen, ob die Verjährung unter dem Gesichtspunkt eines Sekundäranspruchs gegen den Beklagten bei Klageeinreichung noch nicht eingetreten war.
1. Ein Steuerberater ist - ebenso wie ein Rechtsanwalt - verpflichtet, den Auftraggeber auf die Möglichkeit einer eigenen Regreßhaftung und die dafür geltende Verjährungsfrist nach § 68 StBerG hinzuweisen, wenn sich für ihn während des Mandats ein begründeter Anlaß zur Überprüfung seiner Tätigkeit ergibt und er erkennt oder bei gehöriger Sorgfalt erkennen muß, daß er durch einen Fehler dem Mandanten einen Schaden zugefügt hat (BGHZ 94, 380, 386; BGH, Urt. v. 20. Juni 1996 - IX ZR 100/95, WM 1996, 2066, 2068). Verletzt er diese Pflicht, dann beginnt mit Eintritt der Primärverjährung die dreijährige Verjährungsfrist von neuem zu laufen.
Begründeten Anlaß zur Überprüfung seiner Beratungstätigkeit hatte der Beklagte sowohl bei Eingang des Einspruchsbescheids vom 27. Januar 1993 als auch nach Erlaß des Finanzgerichtsurteils vom 4. Februar 1997. Tatsächlich hat er die Klägerin und ihren Ehemann - offenbar mehrfach - auf die Möglichkeit eines Regreßanspruchs gegen sich hingewiesen. Über die Verjährung eines solchen Anspruchs scheint er sie aber nicht belehrt zu haben; er selbst hat jedenfalls schriftsätzlich vorgetragen, die Möglichkeit der Verjährung sei nie erwähnt worden. Feststellungen des Berufungsgerichts hierzu fehlen.
2. Trotz unterlassener Belehrung über den etwaigen Regreßanspruch und dessen Verjährung entfallen der Sekundäranspruch und damit die Verlängerung der Verjährungsfrist, wenn der Mandant rechtzeitig vor Ablauf der Primärverjährung anderweitig anwaltlich zum Zweck der Prüfung des Regreßanspruchs beraten wird. In diesem Fall treten die Hinweispflichten des mit dieser Prüfung betrauten Rechtsanwalts an die Stelle derjenigen des ursprünglichen Beraters; der Mandant ist durch die Haftung des (neuen) Anwalts hinreichend gesichert (BGH, Urt. v. 14. November 1991 - IX ZR 31/91, WM 1992, 579,
581 f; v. 28. September 1995 - IX ZR 227/94, WM 1996, 33, 34). Diese Einschränkung der Sekundärhaftung rechtfertigt sich aus dem Gedanken, daß die nachrangige Hinweispflicht des Rechtsanwalts oder Steuerberaters den Auftraggeber gegen die Gefahr des unwissentlichen Anspruchsverlusts schützen soll, daß es eines solchen Schutzes durch den Anspruchsgegner selbst aber nicht mehr bedarf, wenn der Mandant die Wahrnehmung seiner Interessen in der Regreßfrage einem (anderen) Rechtsanwalt übertragen hat, der insoweit eine primäre Vertragspflicht übernimmt. Das gilt unabhängig davon, ob bei Eintritt einer dieser Voraussetzungen das Mandat des in Anspruch genommenen Rechtsberaters noch fortbestand oder bereits beendet war.
Bislang fehlt es an einer Feststellung dazu, wann die Klägerin sich erstmals in der Frage eines Regreßanspruchs gegen den Beklagten anwaltlich hat beraten lassen.

V.


Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses - gegebenenfalls nach nochmaliger Vernehmung des Ehemannes der Klägerin - die noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen treffen kann. Die
Parteien erhalten durch die Zurückverweisung Gelegenheit, ihr Vorbringen unter dem Gesichtspunkt der Sekundärverjährung zu ergänzen.
Kreft Stodolkowitz Zugehör
Ganter Raebel