Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Sept. 2005 - I ZB 25/03

bei uns veröffentlicht am15.09.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 25/03 Verkündet am:
15. September 2005
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend die Anmeldung (als geographische Angabe) Nr. 300 99 011.1
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Königsberger Marzipan
Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 Art. 2 Abs. 2 lit. b
Eine sog. betriebsbezogene Herkunftsangabe (hier: "Königsberger Marzipan")
kann nicht als geographische Angabe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 lit. b der Verordnung
(EWG) Nr. 2081/92 des Rates vom 14. Juli 1992 zum Schutz von geographischen
Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und
Lebensmittel geschützt werden. Der durch die Verordnung gewährte Schutz
einer geographischen Angabe knüpft an die räumliche Zuordnung der Erzeugnisse
zu dem so bezeichneten Gebiet an. Eine traditionell oder firmengeschichtlich
begründete Verbundenheit andernorts herstellender Betriebe zu einem bestimmten
Ort genügt deshalb nicht.
BGH, Beschl. v. 15. September 2005 - I ZB 25/03 - Bundespatentgericht
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. September 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann
und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Bergmann

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den am 15. August 2003 an Verkündungs Statt zugestellten Beschluss des 30. Senats (MarkenBeschwerdesenats ) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten des Anmelders zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe:


1
I. Der Verein zum Schutz der geographischen Angabe Königsberger Marzipan e.V. hat beim Deutschen Patent- und Markenamt beantragt, die Bezeichnung "Königsberger Marzipan" für die Ware "Marzipanprodukte" als geographische Angabe in das Verzeichnis der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geographischen Angaben einzutragen, das von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates vom 14. Juli 1992 zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. EG Nr. L 208 vom 24.7.1992 S. 1) geführt wird.
2
Der Anmelder hat vorgetragen, die Bezeichnung "Königsberger Marzipan" sei nach Sinn und Zweck der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 als geographische Angabe anzusehen. Die Bezeichnung weise darauf hin, dass das betreffende Produkt in besonderen Betrieben in Deutschland hergestellt werde. Sie sei aufgrund der politischen Umstände zu einer betriebsbezogenen Herkunftsangabe geworden, ohne aber den Bezug zu Königsberg zu verlieren. Die bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs in Königsberg (heute Kaliningrad) ansässigen Hersteller von "Königsberger Marzipan" hätten sich nach der Vertreibung vor allem im süddeutschen Raum angesiedelt und hier die Produktion nach alter Tradition (hinsichtlich der Rezeptur, des Verfahrens, der Qualität und der Bezeichnung) fortgesetzt. Die Bezeichnung "Königsberger Marzipan" beziehe sich auf ein abgrenzbares Herstellungsgebiet. Keiner der früher in Königsberg ansässigen Hersteller habe ein Produktionsunternehmen außerhalb Deutschlands gegründet. "Königsberger Marzipan" sei eine qualifizierte Herkunftsangabe, die nicht zu einer Gattungsbezeichnung geworden sei.
3
Die Markenabteilung hat den Eintragungsantrag zurückgewiesen.
4
Der Anmelder hat gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht hat der Anmelder das geographische Gebiet, das für die einzutragende Angabe maßgeblich sein soll, auf die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg und Hessen beschränkt.
5
Das Bundespatentgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen (BPatG GRUR 2004, 66).
6
Mit seiner (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt der Anmelder seinen Eintragungsantrag weiter.
7
II. Das Bundespatentgericht hat angenommen, die Bezeichnung "Königsberger Marzipan" könne nicht nach der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 geschützt werden, weil sie keine geographische Angabe im Sinne dieser Verordnung sei. Die Verordnung gelte für sog. qualifizierte Herkunftsangaben, die sich aus der Sicht der angesprochenen Verbraucher auf einen bestimmten Ort bezögen , der im Gebiet des für die Anmeldung zuständigen Staates liege. Der Ort müsse den entsprechenden Namen tragen oder jedenfalls mit der Angabe lokalisiert werden können. Diese Voraussetzungen seien bei "Königsberger Marzipan" nicht gegeben.
8
Es lasse sich nicht feststellen, dass "Königsberger" nicht (mehr) auf eine örtliche Herkunft aus dem heutigen Kaliningrad oder aus einem der drei Orte in der Bundesrepublik Deutschland mit dem Namen "Königsberg" hinweisen könne. Es sei daher kein Raum für eine Prüfung, ob der Verbraucher "Königsberger" bei Marzipan als Fantasiebezeichnung mit bestimmten Orten im Bundesgebiet verbinde und ob die Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 auch einen solchen Fall erfasse.
9
Sollten einzelne Verbraucher aufgrund der Bezeichnung "Königsberger Marzipan" einen gedanklichen Bezug zu Königsberg in dem Sinn herstellen, dass verschiedene Hersteller gleichsam ein Stück ihrer Stadt in ihre jetzigen Herkunftsstätten verlagert hätten, wäre diese Vorstellung nicht nach der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 schützbar. Darin läge allenfalls eine Anspielung auf die historische Rolle der ehemaligen Stadt Königsberg und damit nur eine einfache geographische Herkunftsangabe. Der Annahme des Anmelders, das angesprochene Publikum deute diese ursprüngliche Herkunftsangabe zwanglos um in eine Herkunft aus bestimmten Betriebsstätten im süddeutschen Raum, könne nicht zugestimmt werden. Sie werde auch nicht durch das vorgelegte demoskopische Gutachten belegt. Herkunftsbezeichnungen seien nur dann qualifiziert , wenn sie als solche auf einen Zusammenhang mit einer in einem bestimmten geographischen Gebiet liegenden Produktionsstätte schließen ließen, nicht schon dann, wenn sich dies nur durch mehrere Gedankenschritte ergebe. Die Bezeichnung "Königsberger Marzipan" weise nicht auf eine tatsächliche örtliche Herkunft hin, sondern allenfalls darauf, dass die Hersteller oder ihre Rechtsvorgänger vor 1945 in Königsberg eine Produktionsstätte gehabt hätten.
10
Erhebliche Gründe sprächen im Übrigen dafür, dass "Königsberger Marzipan" eine Gattungsbezeichnung geworden sei.
11
III. Die zulässige Rechtsbeschwerde (§ 133 MarkenG a.F.) hat keinen Erfolg.
12
Der Antrag auf Eintragung gemäß § 130 MarkenG ist zu Recht abgelehnt worden. Die Bezeichnung "Königsberger Marzipan" kann nicht nach der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 geschützt werden, weil sie keine geographische Angabe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 lit. b dieser Verordnung ist.
13
1. Nach dem klaren Wortlaut des Art. 2 Abs. 2 lit. b der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 kann der Name eines bestimmten Ortes nur dann eine geographische Herkunftsangabe für ein Lebensmittel sein, wenn das Lebensmittel aus diesem Ort stammt. Dieses Erfordernis wird noch dadurch unterstrichen, dass eine geographische Angabe im Sinne dieser Vorschrift nur dann angenom- men werden kann, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen einer bestimmten Qualität, dem Ansehen oder einer anderen Eigenschaft des Erzeugnisses mit seinem spezifischen geographischen Ursprung besteht (vgl. EuGH, Urt. v. 7.11.2000 - Rs. C-312/98, GRUR 2001, 64, 66 Tz. 43, 44 = WRP 2000, 1389 - Warsteiner; dazu auch BGH, Urt. v. 18.4.2002 - I ZR 72/99, GRUR 2002, 1074, 1075 = WRP 2002, 1286 - Original Oettinger).
14
2. Der anmeldende Verein macht selbst nicht geltend, dass die angesprochenen Verkehrskreise in der Bezeichnung "Königsberger Marzipan" einen Hinweis auf die Herkunft der so bezeichneten Erzeugnisse aus einem bestimmten Ort sähen, etwa dem heutigen Kaliningrad oder einem der kleinen inländischen Orte mit dem Namen "Königsberg". Nach seiner Darstellung wird die Bezeichnung vom Verkehr vielmehr als sog. betriebsbezogene Herkunftsangabe verstanden und zwar als Hinweis auf eine Gruppe von Herstellern, die selbst oder deren Rechtsvorgänger vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Königsberg Marzipan hergestellt haben und ihre dort gepflegte Herstellungstradition an Orten in den Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg und Hessen fortsetzen.
15
Bei einem solchen Verkehrsverständnis ist die Bezeichnung "Königsberger Marzipan" jedoch keine geographische Angabe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 lit. b der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92, die auf die Herkunft des Erzeugnisses aus einem bestimmten geographischen Gebiet hinweist. Einen allenfalls mittelbaren geographischen Bezug erhält die Bezeichnung dann vielmehr nur auf dem Weg über mehrere (keineswegs naheliegende) Denkschritte, die Kenntnisse über die historischen Zusammenhänge voraussetzen. Der durch die Verordnung gewährte Schutz einer geographischen Angabe knüpft dagegen an die räumliche Zuordnung der Produkte zu dem so bezeichneten Gebiet an. Eine traditionell oder firmengeschichtlich begründete Verbundenheit andernorts herstellender Betriebe zu einem bestimmten Ort genügt deshalb nicht.

16
3. Die Auslegung des Begriffs der geographischen Herkunftsangabe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 lit. b der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 erfordert entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde kein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 234 EG, weil insoweit keine vernünftigen Zweifel an der Auslegung der Verordnung bestehen (vgl. EuGH, Urt. v. 30.9.2003 - Rs. C-224/01, Slg. 2003, I-10239 = NJW 2003, 3539, 3544 Tz. 118 - Köbler).

17
IV. Danach war die Rechtsbeschwerde auf Kosten des Anmelders zurückzuweisen (§ 90 Abs. 2 MarkenG).
Ullmann v. Ungern-Sternberg Pokrant
Büscher Bergmann

Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 15.08.2003 - 30 W(pat) 112/02 -

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Markengesetz - MarkenG | § 90 Kostenentscheidung


(1) Sind an dem Verfahren mehrere Personen beteiligt, so kann der Bundesgerichtshof bestimmen, daß die Kosten des Verfahrens einschließlich der den Beteiligten erwachsenen Kosten, soweit sie zur zweckentsprechenden Wahrung der Ansprüche und Rechte no

Markengesetz - MarkenG | § 130 Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt; nationales Einspruchsverfahren


(1) Anträge auf Eintragung einer geographischen Angabe oder einer Ursprungsbezeichnung in das Register der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geographischen Angaben, das von der Europäischen Kommission nach Artikel 11 der Verordnu

Markengesetz - MarkenG | § 133 Rechtsmittel


Gegen Entscheidungen, die das Deutsche Patent- und Markenamt nach den Vorschriften dieses Abschnitts trifft, findet die Beschwerde zum Bundespatentgericht und die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof statt. Gegen eine Entscheidung nach § 130 Abs. 5

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Bundesgerichtshof Urteil, 18. Apr. 2002 - I ZR 72/99

bei uns veröffentlicht am 18.04.2002

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 72/99 Verkündet am: 18. April 2002 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ : nein BGHR :

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Gegen Entscheidungen, die das Deutsche Patent- und Markenamt nach den Vorschriften dieses Abschnitts trifft, findet die Beschwerde zum Bundespatentgericht und die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof statt. Gegen eine Entscheidung nach § 130 Abs. 5 Satz 1 steht die Beschwerde denjenigen Personen zu, die gegen den Antrag fristgerecht Einspruch eingelegt haben oder die durch den stattgebenden Beschluss auf Grund der nach § 130 Abs. 5 Satz 4 veröffentlichten geänderten Angaben in ihrem berechtigten Interesse betroffen sind. Im Übrigen sind die Vorschriften dieses Gesetzes über das Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht (§§ 66 bis 82) und über das Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesgerichtshof (§§ 83 bis 90) entsprechend anzuwenden.

(1) Anträge auf Eintragung einer geographischen Angabe oder einer Ursprungsbezeichnung in das Register der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geographischen Angaben, das von der Europäischen Kommission nach Artikel 11 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. L 343 vom 14.12.2012, S. 1) in ihrer jeweils geltenden Fassung geführt wird, sind beim Deutschen Patent- und Markenamt einzureichen.

(2) Für die in diesem Abschnitt geregelten Verfahren sind die im Deutschen Patent- und Markenamt errichteten Markenabteilungen zuständig.

(3) Bei der Prüfung des Antrags holt das Deutsche Patent- und Markenamt die Stellungnahmen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, der zuständigen Fachministerien der betroffenen Länder, der interessierten öffentlichen Körperschaften sowie der interessierten Verbände und Organisationen der Wirtschaft ein.

(4) Das Deutsche Patent- und Markenamt veröffentlicht den Antrag. Gegen den Antrag kann innerhalb von zwei Monaten seit Veröffentlichung von jeder Person mit einem berechtigten Interesse, die im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland niedergelassen oder ansässig ist, beim Deutschen Patent- und Markenamt Einspruch eingelegt werden.

(5) Entspricht der Antrag den Anforderungen der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 und den zu ihrer Durchführung erlassenen Vorschriften, stellt das Deutsche Patent- und Markenamt dies durch Beschluss fest. Andernfalls wird der Antrag durch Beschluss zurückgewiesen. Das Deutsche Patent- und Markenamt veröffentlicht den stattgebenden Beschluss. Kommt es zu wesentlichen Änderungen der nach Absatz 4 veröffentlichten Angaben, so werden diese zusammen mit dem stattgebenden Beschluss veröffentlicht. Der Beschluss nach Satz 1 und nach Satz 2 ist dem Antragsteller und denjenigen zuzustellen, die fristgemäß Einspruch eingelegt haben.

(6) Steht rechtskräftig fest, dass der Antrag den Anforderungen der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 und den zu ihrer Durchführung erlassenen Vorschriften entspricht, so unterrichtet das Deutsche Patent- und Markenamt den Antragsteller hierüber und übermittelt den Antrag mit den erforderlichen Unterlagen dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Ferner veröffentlicht das Deutsche Patent- und Markenamt die Fassung der Spezifikation, auf die sich die positive Entscheidung bezieht. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz übermittelt den Antrag mit den erforderlichen Unterlagen an die Europäische Kommission.

(7) Sofern die Spezifikation im Eintragungsverfahren bei der Europäischen Kommission geändert worden ist, veröffentlicht das Deutsche Patent- und Markenamt die der Eintragung zugrunde liegende Fassung der Spezifikation.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 72/99 Verkündet am:
18. April 2002
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Original Oettinger
Gegenüber dem auf § 127 Abs. 1 MarkenG gestützten Kennzeichnungsverbot
können bei einer Gesellschaft, die mit dem Stammunternehmen durch Beteiligungs
- und Geschäftsführungsverhältnisse eng verbunden ist, wichtige Interessen
bestehen, ein wertvolles Zeichen des Stammunternehmens zur Kennzeichnung
von Waren zu nutzen, die die Gesellschaft an einer von der geographischen
Herkunftsangabe abweichenden Stätte produziert. Davon ist auszugehen
, wenn der Einsatz des wertvollen Kennzeichens des Stammunternehmens
für die Fortentwicklung der eng verflochtenen Unternehmensgruppe wirtschaftlich
geboten ist, auf der Ware durch entlokalisierende Zusätze einer Irreführung
des Verkehrs in ausreichendem Maße entgegengewirkt wird und verbleibende
Fehlvorstellungen des Verkehrs nicht ins Gewicht fallen.
BGH, Urt. v. 18. April 2002 - I ZR 72/99 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 18. April 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann
und die Richter Prof. Starck, Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und Dr. Büscher

für Recht erkannt:
Die Klägerin wird, soweit sie die Revision in bezug auf den Antrag zu I 2a zurückgenommen hat, dieses Rechtsmittels für verlustig erklärt.
Die Revision gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 3. Zivilsenat, vom 11. Februar 1999 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist eine Brauerei mit Sitz in Leipzig.
Die vormalige Beklagte zu 1 (nachfolgend Beklagte) war eine Brauerei in Gotha. Ihre Rechtsvorgängerin vertrieb in der DDR das von ihr gebraute Bier unter der Bezeichnung "Gothaer Bier". Die Beklagten zu 2 und zu 3 waren als Geschäftsführer für die Beklagte tätig.

Im Jahre 2000 wurde die frühere Beklagte, die Brauerei Gotha GmbH, auf die jetzige Beklagte zu 1, die Oettinger Brauerei GmbH, verschmolzen. Diese ist hervorgegangen aus dem früheren - in Oettingen/Bayern ansässigen - Fürstlichen Brauhaus Oettingen. Seit Anfang der 80er Jahre verwendet die jetzige Beklagte zu 1, die von 1982 bis 2000 die Unternehmensbezeichnung "Oettinger Bier Brauhaus Oettingen GmbH" führte, das Kennzeichen "Original Oettinger". Mit Priorität vom 19. Mai 1993 ist für dieses Unternehmen die Wortmarke Nr. 205 99 04 "Marke Original Oettinger" eingetragen.
In den Jahren 1991 und 1992 erwarb die Familie K. über die Treuhand die vormalige Beklagte und die "Brauerei Dessow GmbH" in Dessow/ Brandenburg. Die Geschäftsanteile der früheren Beklagten wurden von der jetzigen Beklagten zu 1 und ihren Gesellschaftern gehalten. Gesellschafter der Brauerei Dessow GmbH, die ebenfalls im Jahre 2000 auf die jetzige Beklagte zu 1 verschmolzen wurde, waren die frühere Beklagte, der Beklagte zu 2, Günther K. und die jetzige Beklagte zu 1. Die frühere Beklagte und die Brauerei in Dessow brauten Bier nach den Rezepten des Oettinger Unternehmens und brachten es mit dessen Erlaubnis und einer entsprechenden Aufmachung als "Original Oettinger" in den Verkehr.
Die Klägerin sieht die Bezeichnung "Oettinger" und den Vertrieb mit den nachstehend wiedergegebenen Aufmachungen für in Gotha und Dessow gebrautes Bier als irreführend an. Hierzu hat sie vorgetragen, Oettingen stehe als bayerischer Ort für eine besondere Bierqualität. Das in Gotha gebraute Bier sei als bayerisches Bier, das einen besonderen Ruf genieße, vermarktet worden. Der Zusatz "Original" verstärke die Irreführung.
Die Klägerin hat beantragt,
I. die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr ein in Gotha und/oder in Dessow gebrautes und abgefülltes Bier anzubieten und/oder anzukündigen und/oder zu vertreiben
1. in Bierkästen, die auf den Seitenflächen mit folgenden Angaben versehen sind:

a) Auf den beiden großen Seitenflächen
"Original Oettinger"

b) auf den beiden Stirnflächen
"Original Oettinger"
mit der graphischen Darstellung einer münzartigen Plakette mit der Inschrift
"FELIX BAVARIA HAC CEREVISIA MDCCXXXI"
und der wappenartigen Darstellung der bayerischen (weißblauen ) Raute in einem Oval mit einer Königskrone oberhalb und zwei aufrechtstehenden Löwen links und rechts des Ovals;
2. a) in Flaschen, die mit folgender Bezeichnung versehen sind:
"Marke Original Oettinger Pils"
oder
"Marke Original Oettinger Export";

b) in Flaschen, die mit Vorderetiketten den vorstehend zu Ziffer 2a) genannten Bezeichnungen und einem Zusatz am unteren Rand des Vorderetiketts "Original Oettinger Bier, hergestellt durch die Brauerei Gotha GmbH, Gotha" versehen sind gemäß dem mit diesem Urteil als Anlage verbundenen Etikett:

3. in Flaschen, die mit folgenden Etiketten versehen sind:
a)
b)

II. die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft über den erzielten Umsatz mit in Gotha und/oder in Dessow gebrauten und unter den Bezeichnungen gemäß Ziffer I vertriebenen Bieren zu erteilen, und zwar aufgeschlüsselt nach Biersorten, Kalendervierteljahren und Bundesländern;
III. festzustellen, daß die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus den vorstehend zu Ziffer I beschriebenen Handlungen entstanden ist und künftig entstehen wird.
Die Beklagten sind dem entgegengetreten. Sie haben geltend gemacht, Verbraucher brächten Oettingen keineswegs zwangsläufig mit Bayern in Verbindung. Bayerisches Bier erfreue sich auch nicht schlechthin eines hervorra-
genden Rufs. Unter den zehn meistverkauften Biermarken befinde sich aus Bayern nur "Oettinger".
Das Landgericht hat nach Einholung eines demoskopischen Gutachtens die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben (OLG Hamburg GRUR 2000, 1071).
Nachdem die frühere Beklagte während des Revisionsverfahrens am 24. Oktober 2000 auf die jetzige Beklagte zu 1 verschmolzen worden ist, hat die Klägerin den Revisionsantrag hinsichtlich des Unterlassungsantrags zu I 2a zurückgenommen und in bezug auf die Unterlassungsanträge zu I 1 und 2b sowie 3a und b für die Zeit nach dem 24. Oktober 2000 in der Hauptsache für erledigt erklärt. Im übrigen verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagten haben der Erledigungserklärung nicht zugestimmt und beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat die Klageansprüche für unbegründet erachtet. Hierzu hat es ausgeführt:
Die Vorschrift des § 127 Abs. 1 MarkenG sei ihrem Wortlaut nach erfüllt. Der Verkehr verstehe die Bezeichnung "Marke Original Oettinger Pils" oder "Marke Original Oettinger Export" als geographische Herkunftsangabe. Wenn die Bezeichnung für ein in Gotha oder Dessow gebrautes Bier verwendet werde , bestehe die Gefahr der Irreführung des Verkehrs. Hierauf könne das Verbot jedoch nicht gestützt werden, wenn gewichtige Interessen des Benutzers ent-
gegenstünden und eine Abwägung aller Umstände zu seinen Gunsten ausfalle. Eine isolierte Verwendung der mit dem Klageantrag zu I 2 a) angegriffenen Bezeichnung durch die vormalige Beklagte habe die Klägerin nicht vorgetragen. Es fehle daher an einer einen Unterlassungsanspruch begründenden Begehungsgefahr.
Ein Verbot, in Gotha oder Dessow gebrautes Bier in Flaschen mit dem in dem Klageantrag zu I 2b) wiedergegebenen Etiketten zu vertreiben, komme nicht in Betracht, weil dagegen gewichtige Interessen der Beklagten sprächen. In Oettingen gebrautes Bier unterscheide sich nicht durch irgendwelche örtlich bedingten Eigenarten von anderen Bieren. Auf eine davon abweichende Verkehrsvorstellung komme es nicht an. Ein Verbot, die angegriffene Aufmachung für in Gotha oder Dessow gebrautes Bier zu verwenden, sei unverhältnismäßig. Die vormalige Beklagte habe ebenso wie das Unternehmen in Oettingen (jetzige Beklagte zu 1) ein erhebliches Interesse, sich mit der angegriffenen Bezeichnung auf dem Markt als einheitliches Gebilde zu präsentieren. Die vormalige Beklagte weise durch entlokalisierende Zusätze auf die Produktionsstätte in Gotha hin. Verbleibende Fehlvorstellungen des Verkehrs fielen daneben nicht ins Gewicht. Auch die in den Klageanträgen zu I 3a) und b) wiedergegebenen Aufmachungen wiesen deutlich entlokalisierende Zusätze auf.
Schließlich sei den Beklagten die Benutzung der Bierkästen nicht zu verbieten. Diese seien neutrales Transport- und Lagerungsmittel, dem der Verkehr keine Eignung zuerkenne, erschöpfend Auskunft über das darin transportierte Bier zu geben.
II. Die Revision hat keinen Erfolg.
Die Klägerin hat in der Revisionsinstanz die Unterlassungsanträge zu I 1 und 2b sowie 3a und b für die Zeit nach dem 24. Oktober 2000 in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Erklärung in der Revisionsinstanz, der Rechtsstreit sei in der Hauptsache erledigt, ist jedenfalls zu berücksichtigen, wenn das erledigende Ereignis - wie hier - außer Streit steht, ohne daß es darauf ankommt, ob der Beklagte sich der Erledigung angeschlossen hat (vgl. BGHZ 106, 359, 368; 141, 307, 316). Bei der im Streitfall gegebenen einseitigen (Teil-)Erledigungserklärung setzt die Feststellung der (teilweisen) Erledigung der Hauptsache eines Rechtsstreits neben dem Eintritt eines erledigenden Ereignisses voraus , daß die Klage in diesem Zeitpunkt zulässig und begründet war (vgl. BGH, Urt. v. 27.2.1992 - I ZR 35/90, GRUR 1992, 474, 475 = WRP 1992, 757 - BtxWerbung II). Diese Voraussetzungen für die Feststellung der teilweisen Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache liegen nicht vor. Die Klage war sowohl hinsichtlich des für erledigt erklärten als auch des von der Klägerin weiterverfolgten Teils von Anfang an unbegründet.
Es verbleibt daher, auch soweit die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hat, bei der Abweisung der Klage.
Das Berufungsgericht hat zu Recht entschieden, daß der Klägerin gegen die Beklagten kein Unterlassungsanspruch nach § 127 Abs. 1, § 128 Abs. 1 MarkenG zusteht.
1. Unterlassungsanträge zu I 2b) und I 3a) und b)

a) Das Berufungsgericht hat die mit den Klageanträgen zu I 2b) und I 3 verfolgten Unterlassungsansprüche zutreffend verneint.
Gemäß § 128 Abs. 1 i.V. mit § 127 Abs. 1 MarkenG ist zur Unterlassung verpflichtet, wer geographische Herkunftsangaben im geschäftlichen Verkehr für Waren benutzt, die nicht aus dem Ort stammen, der durch die geographische Herkunftsangabe bezeichnet wird, wenn bei der Benutzung eine Gefahr der Irreführung über die geographische Herkunftsangabe besteht.
Die Vorschrift des § 127 Abs. 1 MarkenG betrifft den Schutz (einfacher) geographischer Herkunftsangaben (vgl. BGH, Urt. v. 25.1.2001 - I ZR 120/98, GRUR 2001, 420, 421 = WRP 2001, 546 - SPA).
Bei der Bezeichnung "Oettinger" handelt es sich um eine geographische Herkunftsangabe i.S. des § 126 Abs. 1 MarkenG. Sie nimmt in adjektivischer Form auf den Ort "Oettingen" Bezug.
Die (einfache) geographische Herkunftsangabe gemäß § 127 Abs. 1 MarkenG setzt nicht voraus, daß der Verbraucher mit ihr eine besondere, auf regionale oder örtliche Eigenheiten zurückzuführende Qualitätsvorstellung verbindet (vgl. BGHZ 139, 138, 140 - Warsteiner II; BGH, Urt. v. 19.9.2001 - I ZR 54/96, GRUR 2002, 160, 161 = WRP 2001, 1450 - Warsteiner III). Die nationalen Bestimmungen zum Schutz (einfacher) geographischer Herkunftsangaben werden durch die Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel vom 14. Juli 1992 (ABl. EG Nr. L 208 v. 24.7.1992 S. 1 = GRUR Int. 1992, 750 ff.) nicht ausgeschlossen (vgl. EuGH, Urt. v. 7.11.2000 - Rs. C-312/98, GRUR 2001, 64, 66 - Warsteiner; BGH GRUR 2001, 420, 421 - SPA; GRUR 2002, 160, 161 - Warsteiner III). Nach Art. 2 Abs. 2 lit. b der Verordnung Nr. 2081/92, die gemäß Art. 1 Abs. 1 i.V. mit dem Anhang I auch Bier umfaßt, betrifft diese nur die geographischen Angaben, bei denen sich ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen einer bestimmten Qua-
lität, dem Ansehen oder einer anderen Eigenschaft des Erzeugnisses und seinem spezifischen geographischen Ursprung ergibt. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben.
Ob der Verbraucher, wie die Klägerin geltend gemacht und das Berufungsgericht offengelassen hat, mit der Herkunft des Bieres aus Bayern bestimmte Qualitätserwartungen verbindet, kann dahinstehen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts unterscheidet in Oettingen gebrautes Bier sich jedenfalls nicht durch örtlich bedingte Eigenarten von anderen Bieren.

b) Das Berufungsgericht ist unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Landgerichts davon ausgegangen, daß die angesprochenen Verkehrskreise über die geographische Herkunft irregeführt werden, wenn ein in Gotha oder Dessow gebrautes Bier mit der Bezeichnung "Oettinger" versehen wird. Das Landgericht hat aufgrund des Ergebnisses des von ihm eingeholten demoskopischen Gutachtens festgestellt, 41,4 % der Verbraucher gingen davon aus, daß das Bier in dem Ort Oettingen gebraut wird, und diese Verbraucher würden daher irregeführt, wenn dies nicht der Fall sei. Diese Feststellungen, gegen die die Revision und die Revisionserwiderung keine Bedenken erheben, sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Das Berufungsgericht ist nicht darauf eingegangen, ob es bei § 127 Abs. 1 MarkenG wie bei § 3 UWG auf eine für die Kaufentscheidung relevante Irreführung ankommt.
Der Senat hat die Frage verneint, ob der Schutz der (einfachen) geographischen Herkunftsangabe nach § 127 Abs. 1 MarkenG voraussetzt, daß die Herkunft der Ware für die Kaufentscheidung des Verbrauchers relevant i.S. des § 3 UWG ist (BGHZ 139, 138, 140 - Warsteiner II; BGH GRUR 2001, 420, 421
- SPA; so auch Helm, Festschrift für Vieregge, S. 335, 349; Fezer, Markenrecht, 3. Aufl., § 127 Rdn. 3 und 6 a; Althammer/Klaka, Markengesetz, 6. Aufl., § 127 Rdn. 3; Ullmann, GRUR 1999, 666, 667; a.A. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 127 Rdn. 3). Er hat diese Frage in einer weiteren Entscheidung nunmehr offengelassen (vgl. hierzu BGH GRUR 2002, 160, 162 - Warsteiner III). Sie kann auch im vorliegenden Fall dahinstehen.

c) Ein Unterlassungsanspruch nach § 128 Abs. 1 MarkenG besteht nicht, weil das Verbot des § 127 Abs. 1 MarkenG unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit steht (vgl. BGHZ 139, 138, 145 - Warsteiner II; BGH GRUR 2002, 160, 162 - Warsteiner III; Fezer aaO § 127 Rdn. 6 a; Althammer/Klaka aaO § 127 Rdn. 5; zur Interessenabwägung vgl. auch Helm aaO S. 335, 352). Dies erfordert eine Abwägung des Interesses der Verbraucher und der Mitbewerber, nicht über die Herkunft des Produkts irregeführt zu werden, mit dem Interesse der Beklagten an der Nutzung der Marke "Marke Original Oettinger".
Ausgangspunkt dieser Abwägung ist, daß im allgemeinen kein schutzwürdiges Interesse Dritter besteht, eine unrichtige geographische Herkunftsangabe zu verwenden (vgl. BGH, Urt. v. 6.6.1980 - I ZR 97/78, GRUR 1981, 71, 72 = WRP 1981, 18 - Lübecker Marzipan; BGH GRUR 2002, 160, 162 - Warsteiner III; Gloy, Festschrift für Piper, S. 543, 559; Großkomm.UWG/Lindacher, § 3 Rdn. 573).
Zu Recht hat das Berufungsgericht im vorliegenden Fall gleichwohl das von der Klägerin beantragte Verbot unter Heranziehung der vom Senat in der Entscheidung Warsteiner II angeführten Grundsätze (vgl. BGHZ 139, 138, 144 f.) als unverhältnismäßig angesehen. Es ist davon ausgegangen, die Beklagte und das Unternehmen in Oettingen hätten ein überragendes Interesse daran, sich mit dem Kennzeichen des Oettinger Unternehmens als einheitliches
wirtschaftliches Gebilde auf dem Markt zu präsentieren, ohne daß es auf die rechtliche Form der Ausgestaltung ankomme. Die frühere Beklagte habe durch ausreichende entlokalisierende Zusätze auf den Brauort hingewiesen. Es verblieben keine Fehlvorstellungen des Verkehrs von Gewicht, weil nur bei 5 % der Verbraucher der Brauort für die Kaufentscheidung von Bedeutung sei.
Entgegen der Ansicht der Revision kommt es für die Interessenabwägung nicht entscheidend darauf an, daß das Zeichen "Marke Original Oettinger" nicht für die vormalige Beklagte, sondern für das Stammhaus in Oettingen (jetzige Beklagte zu 1) geschützt ist und die vormalige Beklagte - anders als in dem der Entscheidung Warsteiner II zugrundeliegenden Sachverhalt (vgl. hierzu BGHZ 139, 138) - eine selbständige Kapitalgesellschaft war und nicht nur eine ausgelagerte Produktionsstätte vorlag.
Die vormalige Beklagte war aufgrund der Beteiligungs- und Geschäftsführungsverhältnisse derart eng mit der jetzigen Beklagten zu 1 verbunden, daß es für die Interessenabwägung nach § 127 Abs. 1 MarkenG keinen Unterschied macht, ob die Braustätte in Gotha durch eine juristisch selbständige, aufgrund der Beteiligungsverhältnisse aber eng verbundene Gesellschaft oder durch das Unternehmen in Oettingen (jetzige Beklagte zu 1) betrieben wurde. Denn auch bei einer Unternehmensgruppe, zu der die vormalige Beklagte gehörte, erweist es sich als wirtschaftlich vernünftig, das wertvolle Kennzeichen "Oettinger", das auch Unternehmensbezeichnung des Stammhauses in Oettingen ist, für die Fortentwicklung der eng verflochtenen Unternehmen einzusetzen.
Mit Recht hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang nicht auf den von den Beklagten behaupteten und von der Klägerin bestrittenen Abschluß eines Lizenzvertrages zwischen der früheren Beklagten und der jetzigen Beklagten zu 1 abgestellt. Nicht der Abschluß eines Lizenzvertrages ist dafür
entscheidend, gewichtige Interessen der früheren Beklagten an der Nutzung des Kennzeichens "Marke Original Oettinger" anzunehmen, sondern die über die Beteiligungsverhältnisse bestehende enge Anbindung der vormaligen Beklagten an das Unternehmen in Oettingen (jetzige Beklagte zu 1).
Diese gewichtigen Interessen der früheren Beklagten gegenüber dem Kennzeichnungsverbot des § 127 Abs. 1 i.V. mit § 128 Abs. 1 MarkenG können jedoch nur dann durchgreifen, wenn die vormalige Beklagte bei der Verwendung der Marke durch deutlich entlokalisierende Zusätze auf die Besonderheiten der Produktionsstätte in Gotha hingewiesen hat und verbleibende Fehlvorstellungen des Verkehrs, soweit sie für seine Kaufentscheidung relevant sein konnten, daneben nicht ins Gewicht fielen (vgl. BGHZ 139, 138, 145 - Warsteiner II; BGH GRUR 2002, 160, 162 - Warsteiner III). Dabei sind an den Ausschluß der Irreführung des Verkehrs durch entlokalisierende Zusätze (vgl. § 127 Abs. 4 Nr. 1 MarkenG) strenge Anforderungen zu stellen, weil geographischen Herkunftsangaben ein möglichst wirksamer Schutz gegen unrichtige Verwendung gewährt werden soll und im allgemeinen kein schutzwürdiges Interesse Dritter besteht, unrichtige Angaben über die Herkunft zu verwenden (vgl. BGH GRUR 1981, 71, 72 - Lübecker Marzipan).
Im Streitfall bestehen jedoch Besonderheiten, die eine Abweichung von dem Regelfall rechtfertigen. Die vormalige Beklagte konnte sich auf erhebliche Interessen berufen, während dem Schutzbedürfnis der Verbraucher sowie den Interessen möglicher Mitbewerber nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts kein besonderes Gewicht zukam.
Die frühere Beklagte hat bei den durch die Klageanträge zu I 2b) und I 3 beanstandeten Aufmachungen bereits mit dem auf den Vorderetiketten angebrachten Zusatz "Original Oettinger Bier, hergestellt durch die Brauerei Gotha
GmbH, Gotha" am unteren Rand hinreichend deutlich auf die Braustätte in Gotha hingewiesen. Zwar ist dieser Hinweis in kleiner Schrift gehalten. Der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher, auf den es für die Beurteilung der Verkehrsauffassung ankommt (vgl. BGH GRUR 2002, 160, 162 - Warsteiner III, m.w.N.), weiß jedoch, daß er nähere Angaben zu einem bestimmten Bier auf den Flaschenetiketten findet. Der Senat hat daher einen Hinweis auf eine von der (einfachen) geographischen Herkunftsangabe abweichende Braustätte auf dem Rücketikett genügen lassen (vgl. BGH GRUR 2002, 160, 162 - Warsteiner III). Im Streitfall war für den durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher, wenn er an diesen Informationen interessiert war, der Hinweis auf die Braustätte in Gotha - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - nicht zu übersehen.
Dies gilt um so mehr für die in den Unterlassungsanträgen zu I 3a) und
b) angeführten Etiketten, die zusätzlich an hervorgehobener Stelle den Hinweis auf die Braustätte in Gotha enthielten.
Die entlokalisierenden Zusätze wurden in ihrer Wirkung verstärkt durch die Bezeichnung von "Original Oettinger" als Marke (vgl. hierzu BGHZ 139, 138, 146 - Warsteiner II), was entgegen der Annahme der Revision durch die Anführung des Bestandteils "Original" nicht wieder aufgehoben wird.
Verbleibende Fehlvorstellungen der Verbraucher, soweit sie für die Kaufentscheidung von Bedeutung sein konnten, sind bei ausreichend deutlichen Hinweisen auf die Herkunft zu vernachlässigen. Der Senat hat dabei angenommen , daß die Fehlvorstellung des Verkehrs im Hinblick auf die Kaufentscheidung im Rahmen der Interessenabwägung Bedeutung haben kann (vgl. BGHZ 139, 138, 146 - Warsteiner II; BGH GRUR 2002, 160, 162 f. - Warsteiner III). Zwischen der Relevanz und den Anforderungen an den entlokalisieren-
den Zusatz kann eine Wechselwirkung bestehen. Bei erheblicher Relevanz sind auch hohe Anforderungen an die Klarheit und Deutlichkeit aufklärender Hinweise zu stellen und umgekehrt.
Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß im Rahmen der Interessenabwägung den relevanten Fehlvorstellungen des Verkehrs kein besonderes Gewicht zukommt, weil nach den auf der Grundlage der erstinstanzlich durchgeführten Meinungsumfrage vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nur etwa 5 % dem Brauort Bedeutung beimessen. Diese Beurteilung läßt ebensowenig einen Rechtsfehler erkennen wie der Umstand, daß das Berufungsgericht den nur für Thüringen im Jahre 1994 ermittelten höheren Prozentsatz (17,4 %) nicht als ausschlaggebend angesehen hat. Abweichendes ergäbe sich auch dann nicht, wenn im Streitfall bei der Interessenabwägung - wie die Revision geltend macht - von einem Anteil von 11 % der maßgeblichen Verkehrskreise auszugehen wäre, für die die Angabe des Brauorts für die Kaufentscheidung relevant ist.
2. Unterlassungsantrag zu I 1
Ein Unterlassungsanspruch nach § 127 Abs. 1 i.V. mit § 128 Abs. 1 MarkenG hinsichtlich der Verwendung der mit "Original Oettinger" gekennzeichneten Bierkästen für ein in Gotha oder Dessow gebrautes und abgefülltes Bier besteht ebenfalls nicht. Die Bierkästen dienen vornehmlich dem Transport und der Lagerung von Flaschenbier. Der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher wird sich daher unabhängig von der Biersorte nicht von dem Aufdruck auf den Bierkästen leiten lassen. Er wird nicht erwarten, auf dem Bierkasten Hinweise auf die Braustätte vorzufinden, sondern wird sich vielmehr anhand des Flaschenetiketts über den Brau- und Abfüllort informieren, soweit er an diesen Angaben interessiert ist. Deshalb steht es außer Verhältnis, zum
Schutz des Wettbewerbs oder der Verbraucher zu verlangen, daß Bierkästen nach der Braustätte und dem Abfüllort gekennzeichnet werden (vgl. BGHZ 139, 138, 146 f. - Warsteiner II).
3. Auskunfts- und Feststellungsantrag zu II und III
Die auf Verurteilung zur Auskunftserteilung und auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung gerichteten Anträge zu II und III bestehen mangels Unterlassungsgebots ebenfalls nicht.
III. Danach war die Revision zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, §§ 566, 515 Abs. 3 ZPO a.F. (jetzt §§ 565, 516 Abs. 3 ZPO).
Erdmann Starck Bornkamm
Pokrant Büscher

(1) Sind an dem Verfahren mehrere Personen beteiligt, so kann der Bundesgerichtshof bestimmen, daß die Kosten des Verfahrens einschließlich der den Beteiligten erwachsenen Kosten, soweit sie zur zweckentsprechenden Wahrung der Ansprüche und Rechte notwendig waren, einem Beteiligten ganz oder teilweise zur Last fallen, wenn dies der Billigkeit entspricht. Die Bestimmung kann auch getroffen werden, wenn der Beteiligte die Rechtsbeschwerde, die Anmeldung der Marke, den Widerspruch oder den Antrag auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit ganz oder teilweise zurücknimmt oder wenn die Eintragung der Marke wegen Verzichts oder wegen Nichtverlängerung der Schutzdauer ganz oder teilweise im Register gelöscht wird. Soweit eine Bestimmung über die Kosten nicht getroffen wird, trägt jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst.

(2) Wird die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen oder als unzulässig verworfen, so sind die durch die Rechtsbeschwerde veranlaßten Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen. Hat ein Beteiligter durch grobes Verschulden Kosten veranlaßt, so sind ihm diese aufzuerlegen.

(3) Dem Präsidenten oder der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts können Kosten nur auferlegt werden, wenn er oder sie die Rechtsbeschwerde eingelegt oder in dem Verfahren Anträge gestellt hat.

(4) Im Übrigen gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) entsprechend.