Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Apr. 2002 - BLw 36/01

published on 26/04/2002 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Apr. 2002 - BLw 36/01
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
BLw 36/01
vom
26. April 2002
in der Landwirtschaftssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Bei einem groben Mißverhältnis zwischen Eigenland und Pachtland dient ein Zuerwerb
auch dann der Verbesserung der Agrarstruktur, wenn dadurch der Eigenlandanteil
prozentual nur in geringem Maße erhöht wird.
BGH, Beschluß v. 26. April 2002 - BLw 36/01 - OLG Rostock
AG Stralsund
Der Bundesgerichtshof, Senat für Landwirtschaftssachen, hat am 26. April
2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter
Prof. Dr. Krüger und Dr. Lemke sowie die ehrenamtlichen Richter Siebers und
Gose

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 6 wird der undatierte , auf mündliche Verhandlung vom 4. September 2001 ergangene Beschluû des 12. Zivilsenats - Senat für Landwirtschaftssachen - des Oberlandesgerichts Rostock aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 15.338,76 ?.

Gründe:

I.


Mit notariellem Vertrag vom 7. Dezember 1998 verkauften die Beteiligten zu 1 bis 3 landwirtschaftlichen Grundbesitz in einer Gröûe von rund 9 ha an die Beteiligte zu 4. Mit Bescheid vom 23. März 1999 übte die Beteiligte zu 5 das Vorkaufsrecht nach dem Reichssiedlungsgesetz aus, um den Ankauf der Grundstücke durch die D. A. GmbH zu ermöglichen, die die Flächen gepachtet hat. Die dem Beteiligten zu 6 nachgeordnete Behörde versagte
die Genehmigung des Vertrages vom 7. Dezember 1998. Den Antrag der Beteiligten zu 4 auf gerichtliche Entscheidung hat das Landwirtschaftsgericht zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die beantragte Genehmigung erteilt. Hiergegen richtet sich die - nicht zugelassene - Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 6, der die Wiederherstellung der Entscheidung des Landwirtschaftsgerichts erstrebt.

II.


1. Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 6 ist zulässig. Da das Beschwerdegericht sie nicht zugelassen hat und der Senat hieran gebunden ist (vgl. nur Senatsbeschl. v. 3. Mai 1996, BLw 39/95, NJW 1996, 2229) ist sie nur unter den Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Nr. 1 LwVG als Abweichungsrechtsbeschwerde zulässig. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Das Beschwerdegericht geht von der Rechtsprechung des Senats aus, daû eine ungesunde Verteilung von Grund und Boden, die der Genehmigung des Vertrages zwischen den Beteiligten zu 1 bis 3 und der Beteiligten zu 4 nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG entgegenstehen kann, dann gegeben ist, wenn ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück an einen Nichtlandwirt veräuûert wird, obwohl ein Landwirt die Fläche zur Aufstockung seines Betriebs dringend benötigt und bereit und in der Lage ist, das Land zu den Bedingungen des Kaufvertrages zu erwerben (BGHZ 75, 81, 83 f; 94, 292, 294 f; 112, 86, 88). Es legt an sich auch die Rechtsprechung des Senats zugrunde, wonach bei einem groben Miûverhältnis zwischen Eigenland und Pachtland die Vergröûerung des Eigenlandanteils der wirtschaftlichen Stärkung des Betriebs und damit der Ver-
besserung der Agrarstruktur dient (Beschl. v. 29. November 1996, BLw 10/96, NJW 1997, 1073, 1075). Es meint aber, dieser Gesichtspunkt vermöge im konkreten Fall die Annahme eines dringenden Aufstockungsbedarfs nicht zu begründen , weil es lediglich um eine landwirtschaftlich nutzbare Fläche von ca. 9 ha gehe, die nur zu einer Erhöhung des Eigenlandanteils von - unterstellt - 9,2 % auf 9,6 % führe. Darin liegt ein abstrakter Rechtssatz, der dem Rechtssatz , den der Senat in seiner Entscheidung vom 29. November 1996 (BLw 10/96, aaO) aufgestellt hat, widerspricht. Das Beschwerdegericht schränkt nämlich diesen Rechtssatz ein, indem es den Standpunkt vertritt, ein grobes Miûverhältnis zwischen Eigenland und Pachtland spiele für die Frage der Verbesserung der Agrarstruktur dann keine Rolle, wenn der mögliche Zuerwerb lediglich eine geringe prozentuale Erhöhung des Eigenlandanteils zur Folge habe.
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht. Unterstellt man - wozu bindende Feststellungen fehlen -, daû die Beteiligte zu 4 einem Landwirt nicht gleichgestellt werden kann, so sind die Voraussetzungen für eine Versagung der Grundstücksverkehrsgenehmigung erfüllt. Die D. A. GmbH ist als landwirtschaftlicher Betrieb dringend zur Vergröûerung des Eigenlandanteils auf den Erwerb der an die Beteiligte zu 4 verkauften Fläche angewiesen. Dies führt zu einer Verbesserung der Agrarstruktur auch dann, wenn - wie hier - der Zuerwerb den Eigenlandanteil nur in geringem Maûe zu erhöhen vermag. Auch eine geringe Vergröûerung des Eigenlandanteils dient der wirtschaftlichen Stärkung eines Betriebes. Die gegenteilige Auffassung des Beschwerdegerichts verkennt, daû jeder Schritt auf dem Weg zu einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Eigenland und Pachtland eine strukturelle
Verbesserung darstellt und eine Beschränkung auf solche Erwerbsmöglichkeiten , die nur verhältnismäûig groûe Flächen betreffen, dem Zweck, eine ungesunde Bodenverteilung zu vermeiden, zuwiderläuft. Im konkreten Fall wird das Bedürfnis der D. A. GmbH an einer Aufstockung des Eigenlandanteils besonders greifbar, da es sich bei der an die Beteiligte zu 4 verkauften Fläche um eine von ihr zur Zeit aufgrund Pachtvertrages genutzte Fläche handelt , die - wie das Beschwerdegericht zugrunde legt - inmitten gut arrondierter und von ihr bewirtschafteter Flächen liegt.
Daû die D. A. GmbH eine langfristige Weiterbewirtschaftung dieser Fläche möglicherweise auch durch Pflugtausch mit der Beteiligten zu 4 (falls deren Erwerb genehmigt würde) sicherstellen könnte, läût das Bedürfnis nach einem Erwerb nicht entfallen. Es würde an dem Miûverhältnis zwischen Eigenland und Pachtlandanteil nichts ändern.
3. Da die Erwägungen des Beschwerdegerichts die angefochtene Entscheidung nicht tragen, ist der Beschluû aufzuheben. Das Beschwerdegericht wird prüfen müssen, ob die Beteiligte zu 4 wie ein Nichtlandwirt zu behandeln ist, bei dem auch konkrete und in absehbarer Zeit zu verwirklichende Absichten und Vorkehrungen zur Übernahme einer mindestens leistungsfähigen Nichter-
werbslandwirtschaft nicht festzustellen sind (BGHZ 116, 348, 351). Dabei begegnen die bisherigen Erwägungen des Beschwerdegerichts aus Rechtsgründen keinen Bedenken.
Wenzel Krüger Lemke
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Annotations

(1) Die Genehmigung darf nur versagt oder durch Auflagen (§ 10) oder Bedingungen (§ 11) eingeschränkt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, daß

1.
die Veräußerung eine ungesunde Verteilung des Grund und Bodens bedeutet oder
2.
durch die Veräußerung das Grundstück oder eine Mehrheit von Grundstücken, die räumlich oder wirtschaftlich zusammenhängen und dem Veräußerer gehören, unwirtschaftlich verkleinert oder aufgeteilt würde oder
3.
der Gegenwert in einem groben Mißverhältnis zum Wert des Grundstücks steht.

(2) Eine ungesunde Verteilung des Grund und Bodens im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 liegt in der Regel dann vor, wenn die Veräußerung Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur widerspricht.

(3) Eine unwirtschaftliche Verkleinerung oder Aufteilung im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 liegt in der Regel dann vor, wenn durch Erbauseinandersetzung, Übergabevertrag oder eine sonstige rechtsgeschäftliche Veräußerung

1.
ein selbständiger landwirtschaftlicher Betrieb seine Lebensfähigkeit verlieren würde;
2.
ein landwirtschaftliches Grundstück kleiner als ein Hektar wird;
3.
ein forstwirtschaftliches Grundstück kleiner als dreieinhalb Hektar wird, es sei denn, daß seine ordnungsgemäße forstliche Bewirtschaftung gewährleistet erscheint;
4.
in einem Flurbereinigungsverfahren zugeteilte oder anläßlich einer mit öffentlichen Mitteln geförderten Aufstockung oder Aussiedlung eines landwirtschaftlichen Betriebes erworbene Grundstücke in der Weise geteilt werden, daß die Teilung diesen Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur widerspricht.

(4) Wird das Grundstück für andere als land- oder forstwirtschaftliche Zwecke veräußert, so darf die Genehmigung aus Absatz 1 Nr. 3 nicht versagt werden.

(5) Liegen die Voraussetzungen vor, unter denen das Vorkaufsrecht nach dem Reichssiedlungsgesetz ausgeübt werden kann, so darf, wenn das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt wird, die Genehmigung aus Absatz 1 Nr. 1 nur versagt oder durch Auflagen oder Bedingungen eingeschränkt werden, falls es sich um die Veräußerung eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes handelt.

(6) Bei der Entscheidung über den Genehmigungsantrag muß auch allgemeinen volkswirtschaftlichen Belangen Rechnung getragen werden, insbesondere wenn Grundstücke zur unmittelbaren Gewinnung von Roh- und Grundstoffen (Bodenbestandteile) veräußert werden.

(7) Die Genehmigung soll, auch wenn ihr Bedenken aus den in Absatz 1 aufgeführten Gründen entgegenstehen, nicht versagt werden, wenn dies eine unzumutbare Härte für den Veräußerer bedeuten würde.