Bundesgerichtshof Beschluss, 19. März 2013 - 5 StR 60/13

bei uns veröffentlicht am19.03.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 60/13

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 19. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. März 2013

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 13. November 2012 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit
a) eine Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung abgelehnt worden ist,
b) eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Waffen) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Revision des Angeklagten ist im Umfang der Beschlussformel begründet; im Übrigen ist sie unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen konsumiert der Angeklagte seit seinem 15. Lebensjahr Cannabis. Zur Tatzeit rauchte er täglich fünf Gramm. An den Wochenenden nahm er außerdem regelmäßig Kokain. Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung konsumierte er kein Kokain mehr und hatte seinen Cannabisverbrauch auf ein Gramm pro Tag beschränkt. In seiner Wohnung verwahrte er zwei Beutel mit Kokaingemisch (Wirkstoffgehalt insgesamt 17,5 g KHC), außerdem Cannabiskraut (Wirkstoffgehalt insgesamt 70,5 g THC). Der größte Teil der Rauschmittel diente dem Eigenkonsum des Angeklagten, der Rest sollte – zur Finanzierung seines Eigenkonsums – verkauft werden. Im Wohnungsflur bewahrte der Angeklagte ein Reizstoffsprühgerät auf.
3
Das Landgericht hat einen minder schweren Fall des bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 3 BtMG bejaht und dabei insbesondere die Persönlichkeit des Angeklagten gewürdigt (keine einschlägigen Vorstrafen, Geständnis, kooperatives Verhalten bei seiner Festnahme). Eine Strafaussetzung zur Bewährung hat es ihm indes mangels positiver Kriminalprognose verwehrt.
4
2. Die Begründung, mit der das Landgericht eine positive Kriminalprognose verneint hat, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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Das Landgericht sieht zwar Umstände, die „auf eine eher geringe künftige Gefährlichkeit des Angeklagten“ hindeuteten (UA S. 9). Maßgeblich gegen eine positive Prognose spreche allerdings, dass die wesentliche Ursache für die Tat in der eigenen langjährigen Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten gelegen habe und diese weiter fortbestehe. Eine Motivation für eine Drogentherapie oder die Bereitschaft, sich ernsthaft mit der eigenen Drogenproblematik auseinanderzusetzen, sei beim Angeklagten nicht vorhanden. Eine Therapieweisung verspreche keinen Erfolg, da begründete Zweifel am Durchhaltewillen des Angeklagten bestünden. Diese Zweifel stützt das Landgericht darauf, dass der Angeklagte den Besuch des Gymnasiums – nach Erwerb des Realschulabschlusses – abgebrochen hat, obwohl er ursprünglich das Abitur erlangen wollte, ebenso später eine Ausbildung nach einer aus seiner Sicht ungerechtfertigten Anschuldigung durch einen Ausbilder; auch eine gerichtliche Zahlungsauflage habe er nicht erfüllt.
6
Die Strafkammer berücksichtigt dabei nicht hinreichend, dass es dem Angeklagten entsprechend den Feststellungen immerhin gelungen ist, seit Entdeckung der Tat seinen Rauschmittelkonsum trotz „langjähriger Betäu- bungsmittelabhängigkeit“ maßgeblich zu reduzieren. Soweitsie auf eine feh- lende Motivation des Angeklagten zur Durchführung einer Drogentherapie abstellt, berücksichtigt sie nicht den Motivationsdruck, der von einer zur Bewährung ausgesetzten – nicht unerheblichen – Freiheitsstrafe, zumal für den noch haftunerfahrenen Angeklagten, ausgeht. Dieser Motivationsdruck ist auch bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Therapieweisung in Rechnung zu stellen. Im Übrigen kann aus dem Abbruch der Schulausbildung vor Erreichen des Abiturs und dem Abbruch einer Ausbildung nicht ohne weiteres auf einen fehlenden Durchhaltewillen des Angeklagten bei einer Drogentherapie geschlossen werden.
7
3. Jedenfalls sofern das neue Tatgericht eine positive Kriminalprognose wiederum mit Blick auf das Bestehen einer langjährigen, durch ambulante Therapie nicht erfolgreich behandelbaren Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten verneinen sollte, wird es sich mit der Frage seiner Unterbringung nach § 64 StGB auseinanderzusetzen haben. Auch kommt neben Strafaussetzung eine solche ebenfalls ausgesetzte Maßregel in Betracht.
Basdorf Sander Schneider Dölp Bellay

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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. März 2013 - 5 StR 60/13 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande han

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.