Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2012 - 5 StR 580/12

bei uns veröffentlicht am12.12.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 580/12

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 12. Dezember 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchten besonders schweren Raubes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Dezember 2012

beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten K. gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 25. Juni 2012 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dadurch dem Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
2. Auf die Revision des Angeklagten P. wird das vorgenannte Urteil nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben, soweit die Anordnung der Unterbringung in der Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückgegeben.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt, den Angeklagten K. zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten, den Angeklagten P. zu einer solchen von drei Jahren und zwei Monaten. Die Revision des Angeklagten K. , der die Nichtanordnung der Unterbringung nach § 64 StGB vom Rechtsmittelangriff ausgenommen hat, ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Die Revision des Angeklagten P. ist im Umfang der Beschlussformel erfolgreich und im Übrigen unbegründet.
2
Die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hält für den Angeklagten P. rechtlicher Überprüfung nicht stand. Nach den Urteilsfeststellungen besteht bei dem Angeklagten zumindest eine Abhängigkeit von Cannabis. Die Tat wurde begangen, um Rauschmittel zu erlangen. Die nicht weiter begründete Behauptung des Landgerichts, es mangele an einer solchen Gefahr weiterer Straftaten, lässt unbeachtet, dass die von § 64 Abs. 1 StGB geforderte Gefahr allein durch die Anlasstat begründet werden kann und durch eine hangbedingte schwere Gewalttat regelmäßig hinreichend belegt wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Februar 2006 – 5StR 31/06, NStZ-RR 2006, 204, und vom 18. Juli 2000 – 5 StR 289/00, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Gefährlichkeit 7).
3
Zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts wird auf den Beschluss des Senats vom 26. November 2012 – 5 StR 548/12 verwiesen.
Basdorf Schaal Schneider Dölp König

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

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Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Nov. 2012 - 5 StR 548/12

bei uns veröffentlicht am 26.11.2012

5 StR 548/12 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 26. November 2012 in der Strafsache gegen wegen besonders schweren Raubes Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. November 2012 beschlossen: Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Juli 2000 - 5 StR 289/00

bei uns veröffentlicht am 18.07.2000

5 StR 289/00 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 18. Juli 2000 in der Strafsache gegen wegen Totschlags Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Juli 2000 beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Che

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

5 StR 289/00

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 18. Juli 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Juli 2000

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 7. März 2000 nach § 349 Abs. 4 StPO im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten ist, soweit sie den Schuldspruch betrifft, unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Beweiswürdigung, auf deren Grundlage das Schwurgericht eine Notwehrlage des Angeklagten bei Beginn der gewalttätigen Einwirkung auf sein Opfer ausgeschlossen und eine alkoholbedingte erhebliche Verminderung, nicht indes einen Ausschluß der Schuldfähigkeit des Angeklagten angenommen hat, hält nach dem Gesamtzusam- menhang der Urteilsgründe sachlichrechtlicher Prüfung stand. Anders verhält es sich mit dem Rechtsfolgenausspruch.
Die Begründung, mit welcher das Landgericht die Anordnung einer Maßregel der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgelehnt hat, erweist sich als rechtsfehlerhaft. Der – wie vom psychiatrischen Sachverständigen zweifelsfrei festgestellt – alkoholkranke Angeklagte hat ohne jeden verständlichen Anlaß im Zustand alkoholbedingter erheblicher Enthemmung im Sinne von § 21 StGB eine besonders schwere Gewalttat begangen. Danach ist die vom Schwurgericht gebilligte Wertung des Sachverständigen, es fehle an einer Gefahr künftiger erheblicher Straftaten des Angeklagten infolge seines Hanges, nicht verständlich. Die von § 64 Abs. 1 StGB geforderte Gefahr kann allein durch die Anlaßtat begründet werden (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 – Gefährlichkeit 2; BGH, Beschluß vom 11. März 1997 – 5 StR 29/97 – ; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 64 Rdn. 6); durch eine hangbedingte schwere Gewalttat als Anlaßtat wird sie regelmäßig hinreichend belegt. In Ermangelung jeglichen nachvollziehbaren Tatmotivs war hier auch aus dem eher unauffälligen Vorleben des Angeklagten nichts anderes herzuleiten. Der weitere Hinweis des Sachverständigen, der Angeklagte biete “noch keine nachvollziehbare innere Motivation” für eine Entziehungskur, ist – auch im Blick auf zu erwägende Möglichkeiten einer maßgeblichen Motivationsstärkung im Rahmen der Behandlung – zu vage, um das Fehlen der für eine Unterbringung gemäß § 64 StGB erforderlichen hinreichend konkreten Aussicht eines Behandlungserfolges (BVerfGE 91, 1) ausreichend zu belegen und die Nichtanordnung der Maßregel allein zu tragen.
Der Senat kann nicht ausschließen, daß die Strafe bei Anordnung einer Unterbringung nach § 64 StGB niedriger hätte ausfallen können. Das gilt insbesondere angesichts dessen, daß der Strafausspruch – trotz des gravierenden Tatbildes – seiner Begründung wegen nicht unbedenklich ist.
Einem Täter wie dem Angeklagten, dem eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) zugute zu halten ist, darf die bei Begehung der Tat bewiesene Handlungsintensität, die auf diesen Zustand zurückgeht, nur eingeschränkt angelastet werden (vgl. BGHR StGB § 21 – Strafzumessung 17; Tröndle/Fischer aaO § 46 Rdn. 19 und 22; jeweils m.w.N.). Eine wesentliche Strafschärfung wegen besonderen Leidens des Opfers setzt – wenn nicht etwa entsprechend gezieltes Verhalten des Täters in Frage steht – regelmäßig voraus, daß das Opfer dabei mindestens teilweise bei Bewußtsein gewesen ist, was sich hier ohne näheren Beleg nicht von selbst versteht.
Bei dieser Sachlage muß über Strafhöhe und Maßregel – wiederum unter Zuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StGB) – erneut tatrichterlich verhandelt werden.
Harms Basdorf Tepperwien Gerhardt Brause

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

5 StR 548/12

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 26. November 2012
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. November 2012

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 29. Mai 2012 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat folgendes: Zwar beschwert die Nichtanordnung der Maßregel nach § 64 StGB einen Angeklagten nach bisheriger Rechtsprechung nicht; dies führt indes lediglich zur Unzulässigkeit eines Rechtsmittels, mit dem dieser allein die Nichtanordnung der Maßregel beanstandet. Hingegen ist das Revisionsgericht gehalten, auf eine zulässig erhobene – die Nichtanwendung des § 64 StGB nicht ausdrücklich vom Angriff ausnehmende (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362f.) – Revision des Angeklagten das Urteil aufzuheben, wenn es nach den Feststellungen nahe liegt, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringungsanordnung gegeben sind (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 1990 – 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5; Beschlüsse vom 7. Januar 2009 – 3 StR 458/08, BGHR StGB § 64 Ablehnung 11; vom 19. Dezember 2007 – 5 StR 485/07, NStZ-RR 2008, 107; vom 9. November 2011 – 2StR 427/11, StV 2012, 282, und vom 7. Oktober 2008 – 4 StR 257/08). Aus dem Beschluss des 1. Strafsenats vom 14. Januar 2010 (1 StR 587/09, in NStZ-RR 2011, 25 insoweit nicht abgedruckt), in dem im Ergebnis ein Rechtsfehler in der Sache verneint worden ist, ergibt sich nichts Gegenteiliges.
Im vorliegenden Fall hat das sachverständig beratene Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt allerdings mangels Erfolgsaussicht mit noch tragfähiger Begründung abgelehnt.
Basdorf Schaal Schneider Dölp Bellay