Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Mai 2012 - 5 StR 41/12

bei uns veröffentlicht am09.05.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 41/12

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 9. Mai 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Mai 2012

beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 3. März 2011 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren und neun Monaten (P. ) bzw. zwei Jahren und sechs Monaten (A. ) verurteilt. Die gegen dieses Urteil gerichteten, auf die Rüge formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts trafen die Angeklagten im Sommer 2008 mit einem Vertrauensmann des Zollfahndungsamts Ham- burg namens „R. “ auf dessen Initiative bei verschiedenen Zusammen- künften eine Vereinbarung über den Verkauf von einem Kilogramm Kokain an „R. “. Bereits nach dem ersten diesbezüglichen Gespräch unterrichtete „R. “ die als VP-Führer tätigen Beamten S. und K. vom Zoll- fahndungsamt Hamburg von dem Angebot und handelte fortan auf deren Weisung, um bezüglich des von P. angebotenen Kokains einen Scheinkauf durchzuführen. Trotz konkreter Verabredungen und eines Treffens mit P. , bei dem eine verdeckt ermittelnde Zollbeamtin 38.000 € Scheinkauf- geld mitgebracht hatte, scheiterte das Geschäft letztlich, da P. das Kokain nicht beschaffte.
3
2. Auf die lediglich vom Angeklagten A. mit der Verfahrensrüge beanstandete Überschreitung der Frist des § 229 Abs. 1 StPO und die in der Sache offensichtlich fehlerhafte Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen des § 229 Abs. 3 StPO bezüglich einer zum anberaumten Termin bei Gericht erschienenen Schöffin kommt es nicht an. Die Revisionen beider Angeklagter führen mit der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils. Die den Fest- stellungen des Landgerichts zu einem von den Angeklagten mit „R. “ vereinbarten Kokaingeschäft zugrunde liegende Beweiswürdigung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
4
a) Das Landgericht stützt seine Überzeugung von der Täterschaft der Angeklagten maßgeblich auf die über die Vernehmungsbeamten in die Hauptverhandlung eingeführten früheren Angaben des „R. “, der nach den Urteilsgründen für seine Tätigkeit im Erfolgsfall entlohnt wird. Zwar hat die Strafkammer den deshalb bei der Bewertung seiner Angaben anzulegenden strengen Prüfungsmaßstab im Grundsatz nicht verkannt. Die Würdigung der Glaubhaftigkeit seiner Aussage ist dennoch lückenhaft und wird den in der gegebenen Konstellation geltenden besonderen Anforderungen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 7. Juni 2000 – 3 StR 84/00, NStZ 2000, 607 mwN) nicht gerecht.
5
Entgegen den pauschalen Ausführungen unter III. der Urteilsgründe erfahren die Angaben des „R. “ hinsichtlich der für die Abrede des Koka- ingeschäfts entscheidenden Gesprächsinhalte gerade keine Bestätigung durch die Aussagen der Zollbeamten oder sonstige Beweismittel. Auch die Erwägung der Strafkammer, die erfolgsabhängige Entlohnung der Vertrauensperson stelle deshalb kein Indiz für eine falsche Beschuldigung dar, weil letztere stets mit dem Risiko verbunden wäre, dass es den angeblichen Tätern gelingen könnte, sich zu entlasten, trägt nicht. Sie lässt außer Acht, dass ein Entlastungsbeweis, durch den die Angaben der Vertrauensperson widerlegt wären, bezüglich der Gesprächsinhalte der in Rede stehenden VierAugen -Gespräche nicht ohne weiteres erbracht werden kann und „R. “ somit nicht damit rechnen musste, einer falschen Aussage überführt zu werden. Vor dem Hintergrund des erheblichen Falschbelastungsmotivs setzt sich das Landgericht auch nicht in genügendem Maße mit der Einlassung des Angeklagten P. auseinander, „R. “ habe zwei Monate lang versucht, ihn zu dem Kokaingeschäft zu überreden, er habe aber immer wieder erklärt, „dass er es nicht könne“ (UA S. 20). Des Weiteren lässt die Strafkammer un- erörtert, weshalb sich aus der zugunsten des Angeklagten unterstellten Tat- sache, dass „R. “ kokainabhängig war und sich mit der Fälschung von Ausweispapieren befasste, trotz eines sich hieraus ergebenden erhöhten Geldbedarfs keine zusätzlichen Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit seiner mit der Aussicht auf Entlohnung verbundenen Angaben ergeben sollten.
6
b) Soweit das Landgericht seine Überzeugung vom Vorliegen der ernsthaften Verabredung des Kokaingeschäfts darauf stützt, dass der Angeklagte P. sich telefonisch bei einem „Ah. “ um die Erlangung von 500 Gramm Kokain bemüht habe, fehlt es an einer Erörterung der sich aufdrängenden Frage, weshalb P. , statt, wie von „Ah. “ verlangt, zum Steindamm zu kommen, nach Harburg gefahren ist und sich bei „Ah. “ of- fenbar nicht mehr gemeldet hat.
7
c) Darüber hinaus geht aus den Urteilsgründen nicht hervor, auf welcher Grundlage sich die Strafkammer davon überzeugt hat, dass die beiden Angeklagten das angenommene Kokaingeschäft als gemeinsames Geschäft mit beidseitiger maßgeblicher Gewinnbeteiligung geplant haben. Die Frage einer denkbaren Gehilfenstellung jedes der Angeklagten bleibt gänzlich unerörtert. Ebenso fehlt es an, bei dem gegebenen Sachverhalt unbedingt veranlassten , Erwägungen, ob einer der Angeklagten etwa bestrebt gewesen sein könnte, durch Scheinangebote oder Teillieferungen in Besitz des angebotenen Kaufgeldes zu gelangen.
8
3. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer tatgerichtlicher Aufklärung und Bewertung. Der Senat weist darauf hin, dass jenseits von den durchgreifenden Bedenken gegen die Schuldsprüche die Strafrahmenwahl des Landgerichts (Ablehnung des § 29a Abs. 2 BtMG) bei der Rolle des agent provocateur , dem letztlich gänzlich negativen Ausgang seiner Bemühungen, bei dem Angeklagten A. zudem angesichts seiner Unbestraftheit, schwer nachzuvollziehen ist.
9
4. Für eine vom Generalbundesanwalt angenommene rechtsstaatswidrige Verzögerung des Revisionsverfahrens ist nach Auffassung des Senats angesichts der erforderlichen zeitaufwändigen Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft in dieser Nichthaftsache nichts ersichtlich.
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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer1.als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder2.

Strafprozeßordnung - StPO | § 229 Höchstdauer einer Unterbrechung


(1) Eine Hauptverhandlung darf bis zu drei Wochen unterbrochen werden. (2) Eine Hauptverhandlung darf auch bis zu einem Monat unterbrochen werden, wenn sie davor jeweils an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat. (3) Hat eine Hauptverhandlun

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Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Juni 2000 - 3 StR 84/00

bei uns veröffentlicht am 07.06.2000

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 84/00 vom 7. Juni 2000 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Eine Hauptverhandlung darf bis zu drei Wochen unterbrochen werden.

(2) Eine Hauptverhandlung darf auch bis zu einem Monat unterbrochen werden, wenn sie davor jeweils an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat.

(3) Hat eine Hauptverhandlung bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden, so ist der Lauf der in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen gehemmt, solange

1.
ein Angeklagter oder eine zur Urteilsfindung berufene Person wegen Krankheit oder
2.
eine zur Urteilsfindung berufene Person wegen gesetzlichen Mutterschutzes oder der Inanspruchnahme von Elternzeit
nicht zu der Hauptverhandlung erscheinen kann, längstens jedoch für zwei Monate. Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen enden frühestens zehn Tage nach Ablauf der Hemmung. Beginn und Ende der Hemmung stellt das Gericht durch unanfechtbaren Beschluß fest.

(4) Wird die Hauptverhandlung nicht spätestens am Tage nach Ablauf der in den vorstehenden Absätzen bezeichneten Frist fortgesetzt, so ist mit ihr von neuem zu beginnen. Ist der Tag nach Ablauf der Frist ein Sonntag, ein allgemeiner Feiertag oder ein Sonnabend, so kann die Hauptverhandlung am nächsten Werktag fortgesetzt werden.

(5) Ist dem Gericht wegen einer vorübergehenden technischen Störung die Fortsetzung der Hauptverhandlung am Tag nach Ablauf der in den vorstehenden Absätzen bezeichneten Frist oder im Fall des Absatzes 4 Satz 2 am nächsten Werktag unmöglich, ist es abweichend von Absatz 4 Satz 1 zulässig, die Hauptverhandlung unverzüglich nach der Beseitigung der technischen Störung, spätestens aber innerhalb von zehn Tagen nach Fristablauf fortzusetzen. Das Vorliegen einer technischen Störung im Sinne des Satzes 1 stellt das Gericht durch unanfechtbaren Beschluss fest.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 84/00
vom
7. Juni 2000
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 7. Juni 2000 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 9. August 1999 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt und ein sichergestelltes Handy eingezogen. Mit der Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts wendet sich der Beschwerdeführer gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg, so daß es auf die Verfahrensrügen nicht ankommt.
I. Nach den Feststellungen gehörte der Angeklagte zu den Hintermännern eines gescheiterten Rauschgiftgeschäftes, bei dem 30 kg Heroin und 1 kg Kokain für 670.000 DM an die polizeiliche Vertrauensperson B. v erkauft werden sollten. Nach deren Angaben kam es zu zahlreichen Treffen, bei denen für die Verkäuferseite unterschiedliche Personen tätig wurden. Der Angeklagte soll an fünf solcher Treffen teilgenommen und dabei neben weiteren im einzelnen dargestellten Handlungen die Vertrauenswürdigkeit des Scheinaufkäufers
B. überprüft und seine Beteiligung an dem geplanten Geschäft mit zunächst 10 bis 12 kg, dann mit 8 kg Heroin angegeben haben.
II. Die Beweiswürdigung unterliegt durchgreifenden Bedenken. Das Landgericht stützt seine Überzeugung von der Täterschaft des nicht vorbestraften , die Tat bestreitenden Angeklagten auf die Angaben der Vertrauensperson , die diese gegenüber ihrem Führungsbeamten KHK E. in einer Vernehmung zwei Monate nach der Tat und in vier weiteren Nachvernehmungen während der Zeit der Hauptverhandlung gemacht und die dieser als Zeuge in der Hauptverhandlung wiedergegeben hat. Von der Glaubwürdigkeit der Vertrauensperson konnte sich die Strafkammer nicht unmittelbar selbst überzeugen , weil der zuständige Innenminister eine Sperrerklärung abgegeben hatte.
Das Urteil muß schon deshalb aufgehoben werden, weil der Tatrichter bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Vertrauensperson einen rechtlich fehlerhaften Maßstab angelegt hat. Die Strafkammer hat die bestreitende Einlassung des Angeklagten als widerlegt angesehen durch die Angaben der Vertrauensperson , die durch eine "Vielzahl von Kriterien" gestützt würden und bei denen "sich im Laufe der Hauptverhandlung in keinem einzigen Punkt das Gegenteil zu der Darstellung der Vertrauensperson herausgestellt" habe (UA S. 22). In den im Laufe der Hauptverhandlung erforderlich gewordenen Nachvernehmungen , die "zu Modifikationen der Schilderung und ihrer Ergänzung durch zahlreiche Details geführt" habe, sei die Vertrauensperson "in keinem Punkt völlig von ihrer ursprünglichen Aussage abgerückt" (UA S. 19). Die Beweisaufnahme habe ergeben, daß die Angaben der Vertrauensperson "nicht durch andere Beweismittel widerlegt worden" seien (u.a. UA S. 23, 25), andere
Beweismittel diesen ihren Angaben nicht entgegenstehen (UA S. 26, 27) oder ihre Richtigkeit in Frage stellten (UA S. 32). Damit ist den Anforderungen der Rechtsprechung an die Glaubwürdigkeitsüberprüfung einer Vertrauensperson nicht Genüge getan.
1. Zwar werden die Angaben der Vertrauensperson teilweise durch andere Beweismittel gestützt. Diese anderen Beweismittel betreffen jedoch nicht die Tatbeteiligung des Angeklagten, sondern Mitangeklagte und andere anderweitig verfolgte Tatverdächtige, die, so die früheren Mitangeklagten H. und Ha. , in Abrede gestellt haben, den Angeklagten zu kennen, oder bei denen dahinstehen könne (UA S. 31), ob sie den Angeklagten persönlich kennengelernt hätten.
Damit fehlt es an Beweismitteln, die die Aussage der Vertrauensperson einerseits in bezug auf seine Wahrnehmungen von der Tatbeteiligung des Angeklagten , andererseits von der Zugehörigkeit des Angeklagten zur Personengruppe der Verkäuferseite bestätigen.
2. In dieser besonderen Beweissituation darf die Strafkammer sich bei der Bildung ihrer Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten nicht darauf beschränken, festzustellen und im einzelnen zu begründen, daß und warum sie die Angaben der Vertrauensperson durch die Beweisaufnahme nicht für widerlegt erachtet. Vielmehr muß sie nachprüfbar darlegen, daß die nach ihrer Beurteilung glaubwürdigen Angaben der Vertrauensperson durch ein oder mehrere andere Beweismittel, die auf eine Tatbeteiligung des Angeklagten hinweisen, ihre Bestätigung finden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei der Beurteilung der Aussage eines Zeugen vom Hörensagen
besondere Vorsicht geboten. Handelt es sich bei den von dem Vetrauensperson -Führer bezeugten Angaben um diejenigen eines anonymen Gewährsmanns , so darf darauf eine Feststellung regelmäßig nur dann gestützt werden, wenn diese Angaben durch andere wichtige Beweisanzeichen bestätigt worden sind (BGHSt 42, 15, 25; 39, 141, 145 f.; 36, 159, 166 ff.; BVerfG NStZ 1995, 600 - jew. m. w. Nachw.).
III. Darüber hinaus leidet das Urteil an einem durchgreifenden Darstellungsmangel.
Das Urteil teilt nachvollziehbar mit, daß im Laufe der Hauptverhandlung Nachvernehmungen der Vertrauensperson erfolgen mußten, weil die Vertrauensperson bei ihrer Ursprungsvernehmung nicht wissen konnte, welche Punkte des sehr umfangreichen Sachverhalts, den sie schilderte, besondere Wichtigkeit erlangen könnten (UA S. 18). Im Anschluß daran heißt es: "Dies hat zu Modifikationen der Schilderung und ihrer Ergänzung durch zahlreiche weitere Details geführt, jedenfalls ist die Vertrauensperson in keinem Punkt völlig von ihrer ursprünglichen Aussage abgerückt" (UA S. 19). Sodann nimmt das Landgericht eine umfangreiche Beweiswürdigung vor, ohne indes deutlich zu machen , inwieweit es sich dabei um Modifikationen oder Ergänzungen handelte und welche Beweistatsache gemeint war, bei der die Vertrauensperson nicht völlig von ihrer ursprünglichen Aussage abgerückt ist. In diesem Zusammenhang verweist der Senat auf die in BGHSt 36, 159, 166, 167 niedergelegten Grundsätze. Angesichts der dargelegten Besonderheit der Beweisaufnahme kann das Revisionsgericht nicht nachprüfen, ob das Landgericht die Beweise rechtsfehlerfrei gewürdigt hat.
IV. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
1. Die Revision rügt einen Verstoß gegen §§ 249, 251 und 244 Abs. 2 StPO, weil der Vorsitzende die Einführung von Teilen der Vernehmung der Vertrauensperson im Selbstleseverfahren nach § 249 Abs. 2 StPO angeordnet hat, ohne - was sich aus der Sitzungsniederschrift auch nicht ergibt - zu kontrollieren , ob die Schöffen von dem Inhalt dieser Vernehmungsprotokolle auch tatsächlich Kenntnis genommen haben. Damit liegt ein Verstoß gegen § 249 Abs. 2 StPO vor, weil der Vorsitzende feststellen muß, daß die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Schriftstücke Kenntnis genommen haben. Diese Feststellung ist gemäß § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO im Protokoll zu vermerken. Dabei handelt es sich um eine wesentliche Förmlichkeit im Sinne des § 273 StPO. Da schon die Sachrüge durchgreift, kann der Senat die Frage offen lassen , ob auf diesem Verfahrensverstoß das Urteil beruht.
2. Das Landgericht hat das Beweisbegehren auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, daß es unmöglich ist, zwischen 21.07 Uhr und 23.58 Uhr am gleichen Abend die Strecke Neuss, Further Straße und Frankfurt-Innenstadt und zurück mit einem schnellen Auto unter optimalen Verkehrsbedingungen zurückzulegen, als Beweisantrag behandelt und diesen als ohne Bedeutung zurückgewiesen, da keine zureichenden Anhaltspunkte dafür vorlägen, daß das von der Vertrauensperson geschilderte Treffen in Frankfurt Innenstadt stattgefunden habe (Verfahrensrüge Nr. 17). Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift fehlt es bei diesem Antrag nicht schon an der erforderlichen Konnexität zwischen Beweismittel und Beweisbehauptung (vgl. dazu BGHSt 43, 321, 329 f. m.w.Nachw.), da dem Antrag entnommen werden kann, daß durch das Be-
weismittel bewiesen werden sollte, daß der Angeklagte in dem angegebenen Zeitraum nicht an einem Treffen in Frankfurt teilgenommen haben konnte.
Entsprechendes gilt für die Verfahrensrügen Nr. 18 und 19.
3. Der Senat teilt auch nicht die Auffassung des Generalbundesanwalts, daß die Verfahrensrügen Nr. 24 bis 29 - in denen die Nichtverwertung aufgezeichneter und in der Hauptverhandlung abgehörter Telefongespräche zwischen dem Angeklagten und der Vertrauensperson, aufgezeichnete und als Urkunden verlesene Telefonate und als Urkunden verlesene Aussagen der Vertrauensperson beanstandet wird - keine verfahrensrechtlichen Verstöße belegen, sondern im Rahmen der Überprüfung des Urteils aufgrund der erhobenen Sachrüge berücksichtigt werden müssen. Denn dem Revisionsführer darf nicht die Möglichkeit genommen werden, sein Rechtsmittel auf Verfahrensvorgänge zu stützen, die in den Urteilsgründen nicht behandelt werden.
4. Der Strafausspruch begegnet ebenfalls Bedenken. Die angesichts der gegen den nicht vorbestraften Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe von neun Jahren sehr knappen und meist formelhaften Strafzumessungsgründe lassen nicht erkennen, ob der Tatrichter alle wesentlichen für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte rechtsfehlerfrei gewürdigt und gegeneinander abgewogen hat. Im vorliegenden Fall hätte zudem ein Eingehen auf die Höhe der Strafen der Mitangeklagten nahegelegen, die trotz erheblich gewichtigerer Tatbeiträge, insbesondere trotz Fortführung des gescheiterten
Rauschgiftgeschäfts sowie weiterer Rauschgiftdelikte zu erheblich niedrigeren Freiheitsstrafen verurteilt worden sind (vgl. dazu BGHR StGB § 46 Zumessungsfehler 1; Wertungsfehler 23).
VRiBGH Kutzer ist krank RiBGH Dr. Rissing-van Saan ist Miebach und kann daher nicht in Urlaub und kann daher nicht unterschreiben. unterschreiben. Winkler Winkler Winkler von Lienen

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.