Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Aug. 2019 - 5 StR 257/19
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 13. August 2019 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Es wird davon abgesehen, dem Beschwerdeführer die Kosten des Rechtsmittels aufzuerlegen. Er hat die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu einer Jugendstrafe von neun Jahren verurteilt. Die hiergegen mit Verfahrensrügen und der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten ist unbegründet.
I.
- 2
- Nach den Feststellungen des Landgerichts identifizierte sich der zur Tatzeit 15 Jahre und drei Monate alte Angeklagte zunehmend mit der Figur des gewalttätigen Psychopathen „Joker“, einer Comic-Figur aus den „Batman“- Geschichten, die aus purer Freude tötet. Spätestens am 1. März 2018 beschloss er, seine 14 Jahre alte Mitschülerin K. G. zu töten. Er fand den Gedanken an die Tötung eines Menschen schon seit einiger Zeit „spannend“ und fragte sich, wie es sich „anfühle“, einen Menschen zu töten. Außerdem wollte er herausfinden, ob er die eigenhändige Tötung eines Menschen ertragen könne. Sein Opfer suchte er aus, weil er wusste, dass K. in ihn verliebt war und deshalb keinen Argwohn hegte.
- 3
- Am Nachmittag des Tattages nahm er einen zuvor gepackten Rucksack mit Wechselkleidung, einem Küchenmesser mit 11 cm langer Klinge, Handschuhen und Plastiküberziehern für Kopfhaare sowie Schuhe und ging zu K. . Die Tötung hatte er zuvor seiner besten Freundin gegenüber angekündigt und mit ihr eine „Alibi-Absprache“ getroffen. Die Freundin ging darauf ein, weil sie die Ankündigung nicht ernstnahm. In K. s Wohnung versetzte der Angeklagte seinem Opfer mindestens 23 Messerstiche und brachte ihr darunter drei tödliche Stichverletzungen bei. Anschließend umwickelte er mit einem Schal fest ihren Kopf. Unter Mitnahme von K. s Mobiltelefon verließ er die Wohnung. Kurz darauf schilderte er die Tat seiner besten Freundin gegenüber, am Folgetag auch einer weiteren engen Freundin. Das Tatmesser brachte er zurück in die Küche und stellte den Rucksack mit den übrigen Tatutensilien in sein Zimmer.
- 4
- Der Angeklagte hat gestanden, K. getötet zu haben. Er hat allerdings angegeben, sie habe ihn zur Tat genötigt, weil sie habe sterben wollen. Diese Einlassung hat die Strafkammer als widerlegt angesehen und auf sein Motiv u.a. auch aufgrund seiner Angaben in einer Beschuldigtenvernehmung geschlossen.
II.
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- Die Revision ist unbegründet. Über die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift hinaus bedarf Folgendes der Erörterung:
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- 1. Die Verfahrensrüge, Angaben aus der Beschuldigtenvernehmung seien zu Unrecht verwertet worden, versagt.
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- a) Folgendes Geschehen liegt zugrunde:
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- Der Angeklagte wohnte bei seiner Mutter, die das alleinige Sorgerecht besitzt. Wenige Tage nach der Tat war der Angeklagte in Verdacht geraten. Mit einem richterlichen Durchsuchungsbeschluss suchten Polizeibeamte die Wohnung des Angeklagten am Sonntagmorgen auf, wo sie ihn und seine Mutter antrafen. Der Mutter wurde in der Küche der Tatverdacht gegen ihren Sohn erklärt , sie wurde über ihr Zeugnisverweigerungsrecht belehrt. Schockiert rannte sie sogleich ins Zimmer ihres Sohnes und konfrontierte ihn in Anwesenheit eines Polizeibeamten mit dem Tatvorwurf. Sie fragte ihn, ob er die Tat begangen habe, woraufhin er schwieg. Sie rief ihm zu: „Wenn du das warst, will ich, dass du das sagst. Das hat K. s Mama verdient!“ Der Angeklagte erwiderte nichts. Nachdem seine Mutter das Zimmer verlassen hatte signalisierte er jedoch, dass er Angaben machen wolle, dies aber nicht in Gegenwart seiner Mutter. Anschließend wurden Mutter und Sohn in getrennten Fahrzeugen zur Mordkommission gefahren. Während der Fahrt äußerte sie den Wunsch, bei der Vernehmung anwesend zu sein. Im Kommissariat ging sie in das Vernehmungszimmer , wo ihr Sohn in Gegenwart mehrerer Beamter saß. Sie fragte ihn, ob er die Vernehmung tatsächlich allein machen wolle, was er mit der Bemerkung bejahte, es sei ihm „zu peinlich“. Daraufhin verließ sie den Raum.
- 9
- Die anschließende Vernehmung des Angeklagten begann mit einer Be- lehrung, in der es u.a. hieß: „Ich habe dich bereits in der Wohnung darüber be- lehrt, dass du nichts sagen musst, aber das Recht hast, dich zu äußern. Du darfst jederzeit einen Rechtsanwalt zu Vernehmungen hinzuziehen oder zumindest kontaktieren. Deine Mutter ist auch hier. Du sagtest mir, dass du nicht möchtest, dass deine Mutter bei der Vernehmung dabei ist. Das kannst du dir jederzeit anders überlegen. Deine Mutter weiß Bescheid und ist damit einver- standen, vorerst draußen zu warten.“ Anschließend äußerte sich der Angeklag- te zur Tat und zu seinem Motiv. In der Hauptverhandlung hat der Verteidiger des Angeklagten der Verwertung widersprochen.
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- Der Beschwerdeführer rügt, dass weder er noch seine Mutter hinreichend über ein sogenanntes Elternkonsultationsrecht belehrt worden seien und keine Gelegenheit gehabt hätten, sich unter vier Augen zu besprechen.
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- b) Die Verfahrensrüge ist unbegründet.
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- Es kann dahinstehen, ob sich aus § 67 JGG ein „Elternkonsultations- recht“ und eine dahingehende Belehrungspflicht herleiten lässt (so OLG Celle, StraFo 2010, 114; Ludwig, NStZ 2019, 123, 125 mwN; offengelassen ebenso von BGH, Urteil vom 18. Juni 2019 – 5 StR 2/19). Denn jedenfalls wäre eine zu einem Beweisverwertungsverbot führende Rechtsverletzung nicht ersichtlich. Die Mutter des Angeklagten konnte mit ihm vor der Vernehmung sprechen und ihr Anliegen – er solle gestehen, wenn er die Tat begangen habe – deutlich formulieren. Dass sie nicht an der Vernehmung des Angeklagten teilnehmen sollte, entsprach seinem ausdrücklichen Wunsch. Dem Angeklagten war – auch aufgrund der Belehrung und der Anwesenheit seiner Mutter im Nebenraum – klar, dass er auf ihrer Anwesenheit hätte bestehen können; die Mutter des An- geklagten war zudem damit einverstanden, vorerst draußen zu warten. Auch nach der Vernehmung hatte sie erneut Gelegenheit, mit ihm zu sprechen.
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- Selbst wenn in diesem Vorgehen keine bestmögliche Gewährleistung ei- nes etwaigen „Elternkonsultationsrechts“ zu sehen sein sollte, läge ein Beweis- verwertungsverbot fern. In Frage käme ohnehin nur ein relatives Beweisverwertungsverbot , bei dem es einer Abwägung der widerstreitenden Interessen nach den Umständen des Einzelfalls bedarf (ausführlich dazu Ludwig, aaO, S. 125 f. mwN; aA OLG Celle, StraFo 2010, 114; LG Saarbrücken NStZ 2012, 167). Dabei ist vorliegend zu bedenken, dass sich der Angeklagte mit seiner Mutter vor der Vernehmung kurz besprechen konnte, sie ihren Rat, was aus ihrer Sicht zu tun sei, eindeutig formuliert hat und ihre spätere Abwesenheit bei der Vernehmung dem ausdrücklichen Wunsch des Angeklagten entsprach, der zudem darüber belehrt war, sich jederzeit anders entscheiden zu können. Damit wurde im Kern das elterliche Erziehungsrecht gewahrt und dem Schutzbedürfnis des jugendlichen Angeklagten Rechnung getragen. Dass die Mutter den Angeklagten bei einer vertraulichen Unterredung zu einem anderen Verhalten bei seiner Vernehmung geraten hätte, als sie dies in Anwesenheit der Polizeibeamten getan hat, schließt der Senat zudem aus. Einem demnach allenfalls wenig gewichtigen Verfahrensverstoß stünde die Schwere des Tatvorwurfs als Abwägungskriterium entgegen, was insgesamt für die Verwertbarkeit der Angaben spricht.
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- 2. Die Beweiswürdigung ist rechtsfehlerfrei; die Feststellungen tragen den Schuldspruch.
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- Dies gilt insbesondere für die Annahme des Mordmerkmals der Mordlust, das auch ein Jugendlicher verwirklichen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 16. April 2007 – 5 StR 335/06, NStZ 2007, 522). Aus Mordlust handelt, wem es darauf ankommt, einen Menschen sterben zu sehen, wer aus Mutwillen, Angebe- rei, aus Freude an der Vernichtung eines Menschenlebens oder aus Zeitvertreib tötet, die Tötung als nervliche Stimulans oder „sportliches Vergnügen“ betrach- tet (vgl. Fischer, StGB, 66. Aufl., § 211 Rn. 8; MüKo-StGB/Schneider, 3. Aufl., § 211 Rn. 49 ff., je mwN).
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- All dies trifft auf den Angeklagten zu. Er handelte nach den Feststellungen mit Tötungsabsicht allein aus dem Motiv, sein Opfer sterben zu sehen und sich durch diese mutwillige, anlasslose Tat zu stimulieren. Andere Motive hat das Landgericht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen.
Berger Mosbacher
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 67 Stellung der Erziehungsberechtigten und der gesetzlichen Vertreter
(1) Soweit der Beschuldigte ein Recht darauf hat, gehört zu werden oder Fragen und Anträge zu stellen, steht dieses Recht auch den Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen Vertretern zu.
(2) Die Rechte der gesetzlichen Vertreter zur Wahl eines Verteidigers und zur Einlegung von Rechtsbehelfen stehen auch den Erziehungsberechtigten zu.
(3) Bei Untersuchungshandlungen, bei denen der Jugendliche ein Recht darauf hat, anwesend zu sein, namentlich bei seiner Vernehmung, ist den Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen Vertretern die Anwesenheit gestattet, soweit
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dies dem Wohl des Jugendlichen dient und - 2.
ihre Anwesenheit das Strafverfahren nicht beeinträchtigt.
(4) Das Jugendgericht kann die Rechte nach den Absätzen 1 bis 3 Erziehungsberechtigten und gesetzlichen Vertretern entziehen, soweit sie verdächtig sind, an der Verfehlung des Beschuldigten beteiligt zu sein, oder soweit sie wegen einer Beteiligung verurteilt sind. Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 bei einem Erziehungsberechtigten oder einem gesetzlichen Vertreter vor, so kann der Richter die Entziehung gegen beide aussprechen, wenn ein Mißbrauch der Rechte zu befürchten ist. Stehen den Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen Vertretern ihre Rechte nicht mehr zu, so bestellt das Familiengericht einen Pfleger zur Wahrnehmung der Interessen des Beschuldigten im anhängigen Strafverfahren. Die Hauptverhandlung wird bis zur Bestellung des Pflegers ausgesetzt.
(5) Sind mehrere erziehungsberechtigt, so kann jeder von ihnen die in diesem Gesetz bestimmten Rechte der Erziehungsberechtigten ausüben. In der Hauptverhandlung oder in einer sonstigen gerichtlichen Verhandlung werden abwesende Erziehungsberechtigte als durch anwesende vertreten angesehen. Sind Mitteilungen oder Ladungen vorgeschrieben, so genügt es, wenn sie an eine erziehungsberechtigte Person gerichtet werden.
BUNDESGERICHTSHOF
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Juni 2019, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer,
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider, die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. König, Dr. Berger als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- Von Rechts wegen -
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagte L. N. und den Mitangeklagten S. wegen Körperverletzung mit Todesfolge sowie die Mitangeklagten M. N. und B. wegen Totschlags schuldig gesprochen. Die Mitangeklagten M. N. , S. und B. hat es jeweils zu langjährigen Freiheits- bzw. Jugendstrafen, die Angeklagte L. N. zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Revisionen der Mitangeklagten hat der Senat durch Beschluss vom 2. April 2019 verworfen. Auch die Revision der Angeklagten L. N. hat keinen Erfolg.
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- 1. Das Landgericht hat festgestellt: Die zur Tatzeit 15-jährige Angeklagte L. N. ist die Toch3 ter der Mitangeklagten M. N. . Ihr Vater, der Zeuge V. , war für sie allein sorgeberechtigt. Alle Angeklagten hielten sich am Tattag, dem 11. Oktober 2017, in der Wohnung der M. N. auf, wo sie dem Alkohol zusprachen und Drogen konsumierten. In die Wohnung war auch die später getötete 65 Jahre alte Nachbarin gerufen worden, die zu M. N. in einem Abhängigkeitsverhältnis stand und von ihr in der Vergangenheit wiederholt körperlich misshandelt worden war.
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- Im Laufe des Nachmittags misshandelten auf Aufforderung der M. N. alle Angeklagten die Geschädigte. M. N. nahm den Stiel einer Schaufel, der am unteren Ende ein scharfkantiges Metallrohr aufwies, und schlug die Geschädigte mit dem Metallende. Der Stiel wurde von einem zum anderen weitergegeben und auch die anderen drei Angeklagten schlugen damit die Geschädigte, die aufgrund der Misshandlungen mehrfach zusammenbrach. Die Übergriffe erstreckten sich über den gesamten Nachmittag bis in den Abend. Mit fortschreitender Dauer nahm die Intensität der Gewalthandlungen zu. Gegen Ende beteiligte sich die Angeklagte L. N. nicht mehr aktiv an den Übergriffen. Im weiteren Verlauf forderte sie die anderen erfolglos auf, die Gewalttätigkeiten einzustellen. Die Geschädigte verstarb im Laufe der Nacht an der Vielzahl der erlittenen Verletzungen.
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- 2. Die Revision der Angeklagten L. N. hat aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg. Der Erörte- rung bedarf nur die Verfahrensrüge einer „Verletzungvon § 67 JGG i.V.m. ei- nem Beweisverwertungsverbot“. Die Revision rügt insoweit einen Verstoß ge- gen eine Pflicht zur Belehrung der Angeklagten über das Recht, sich vor ihrer ersten Vernehmung als Beschuldigte durch ihren erziehungsberechtigten Vater beraten zu lassen (sogenanntes Elternkonsultationsrecht).
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a) Folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde:
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- Die in der Hauptverhandlung schweigende Angeklagte L. N. hatte in ihrer polizeilichen Vernehmung vom 13. Oktober 2017 Angaben zum Tatgeschehen gemacht. Der Vernehmung des polizeilichen Ermittlungsführers sowie der Verwertung seiner Bekundungen hatte die Verteidigung mit der Begründung widersprochen, dass ein Verwertungsverbot bestehe, weil die Angeklagte und ihr Vater bewusst nicht über ein aus § 67 JGG folgendes „Elternkonsultationsrecht“ belehrt worden seien. Das Landgericht hat die Bean- standung zurückgewiesen und ausgeführt, dass der Beamte vor der Vernehmung der Angeklagten telefonisch Kontakt zum Vater aufgenommen, ihm den Tatvorwurf gegen seine Tochter eröffnet und erklärt habe, dass sie nunmehr als Beschuldigte vernommen werden solle und er ein Recht auf Anwesenheit habe. Daraufhin habe der Vater der Vernehmung seiner Tochter zugestimmt. Allerdings habe der Beamte die Beschuldigte nicht über ihr „Elternkonsultations- recht“ belehrt, weil er befürchtet habe, dass sie andernfalls mit ihrem Vater tele- fonieren und dieser dann mit ihrer mitangeklagten Mutter sprechen würde. Hierdurch hätte diese Kenntnis davon erhalten, dass auch gegen sie wegen eines Tötungsdelikts ermittelt werde. Das Telefonat habe man aber im Rahmen der – aus zeitlichen Gründen noch nicht eingerichteten – Telekommunikationsüberwachung mithören wollen. Im Urteil hat das Landgericht die Angaben des Vernehmungsbeamten auch zulasten der Angeklagten verwertet.
- 8
- b) Es kann dahingestellt bleiben, ob sich aus § 67 JGG ein „Elternkonsultationsrecht“ herleiten lässt (so OLG Celle, StraFo 2010, 114; Ludwig, NStZ 2019, 123, 125 mwN). Denn die Verfahrensrüge genügt bereits nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
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- Für die Beurteilung, ob in der unstreitig unterlassenen Belehrung der Angeklagten über ihr – etwa bestehendes – Recht, sich mit ihrem Vater zu beraten , ein Verfahrensfehler liegt und welche rechtlichen Folgen sich hieran knüpfen , hätte es näheren Vortrags zum Geschehen vor und zu Beginn der polizeilichen Vernehmung der Angeklagten bedurft. Hierzu hätten der durch den ermittlungsführenden Polizeibeamten Bu. erstellte Vermerk vom 6. November 2017, auf den die Verteidigung in ihrem Widerspruch gegen dessen Vernehmung Bezug genommen hat, sowie der im Ablehnungsbeschluss des Landgerichts erwähnte Vermerk des Polizeibeamten Ba. vom 14. Oktober 2017 vorgelegt werden müssen, die sich mit diesem Geschehen befassen. Sie haben Verlauf und Inhalt des Telefonats des Polizeibeamten Bu. mit dem Vater der Angeklagten sowie die Frage zum Gegenstand, ob und inwieweit sie jedenfalls davon wusste, dass ihr Vater über ihre Vernehmung informiert worden war, und ihr bekannt war, dass er nicht erscheinen wollte. Informationen hierzu gehen auch aus der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft zu einem Antrag auf Aufhebung des gegen die Angeklagte bestehenden Haftbefehls vom 15. Juni 2018 und den hierauf ergangenen Beschluss des Landgerichts vom 22. Juni 2018 hervor, die die Revision ebenfalls nicht vorgelegt hat.
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- Aus all diesen Dokumenten sind darüber hinaus der Ermittlungsstand zum Zeitpunkt der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung sowie die damals ergriffenen Ermittlungsmaßnahmen ersichtlich. Diese Informationen sind notwendig , um den Senat zur Beurteilung in die Lage zu versetzen, ob die Belehrung gegebenenfalls analog § 67a Abs. 4 Satz 1 oder analog § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 JGG unterbleiben durfte (vgl. Eisenberg, JGG, 20. Aufl., § 67 Rn. 11b; Diemer/Schatz/Sonnen-Schatz, JGG, 7. Aufl. § 67, Rn. 27; Brunner/Dölling, JGG, 13. Aufl., § 67 Rn. 27; MüKo-StPO/Kaspar, 2018, § 67 Rn. 18; anders Ostendorf, JGG, 10. Aufl., § 67 Rn. 10). Darauf, dass dies der Fall sein kann, weist bereits der Inhalt des Beschlusses des Landgerichts vom 2. Mai 2018 hin, mit dem es den Widerspruch der Angeklagten gegen die Vernehmung des Polizeibeamten Bu. zurückgewiesen hat.
König Berger