Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Aug. 2012 - 4 StR 277/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Urteils.
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- 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten, seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau, zu einem Streit, in dessen Verlauf sie ihm ein Glas Wodka ins Gesicht schüttete. Der Angeklagte wurde wütend, sprang auf und prügelte auf die Geschädigte ein, so dass ihr Gesicht stark anschwoll und sie aus der Nase blutete. Der Angeklagte schleppte sie in die Küche und drohte ihr mit einem Küchenmesser, sie zu erstechen. Bei Abwehrbewegungen zog sich die Geschädigte Schnittverletzungen an der rechten Hand zu. Der Angeklagte warf das Messer in die Spüle und schubste die Geschädigte ins Schlafzimmer. Er warf sie aufs Bett und führte den vaginalen Geschlechtsverkehr aus. Die Geschädigte war, was der Angeklagte erkannt hatte, aufgrund ihrer Verletzungen und der Schmerzen nicht in der Lage, sich zu wehren. Sie verlor während des Geschlechtsverkehrs das Bewusstsein, als sie erwachte, erbrach sie mehrfach Blut. Der Angeklagte zog ihr ein sauberes T-Shirt an und begann, die Wohnung zu reinigen. Als der gemeinsame Sohn aus der Schule nach Hause kam, verließ er die Wohnung.
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- Das Landgericht hat die Qualifikation des § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB verneint , weil der Angeklagte das Messer nicht "bei der Tat" verwendet habe, hingegen die Qualifikation nach § 177 Abs. 4 Nr. 2a StGB ohne nähere Begründung bejaht.
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- 2. Die Feststellungen tragen die Verurteilung wegen besonders schwerer Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 2a StGB nicht.
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- Die Urteilsgründe belegen zwar, dass der Angeklagte die Geschädigte körperlich schwer misshandelt hat. Sie lassen jedoch nicht ausreichend erkennen , dass die schwere körperliche Misshandlung der Geschädigten "bei der Tat" erfolgt ist. Der Angeklagte hat die Geschädigte aus Wut zusammengeschlagen ; dass er schon zu diesem Zeitpunkt die Vornahme sexueller Handlungen beabsichtigte, ist nicht festgestellt. Ist aber der Entschluss zur Durchführung des Geschlechtsverkehrs erst nach Abschluss der Gewalthandlungen entstanden , ist die schwere körperliche Misshandlung nicht während der Vergewaltigung erfolgt, was die Anwendung des Qualifikationstatbestandes ausschließt (vgl. BGH, Urteile vom 23. März 2006 - 3 StR 373/05 Rn. 5, StV 2006, 418 und vom 23. Juni 2009 - 5 StR 195/09; Beschluss vom 16. Juli 2009 - 4 StR 241/09 Rn. 4 ff., NStZ 2010, 150).
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- 3. Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, die Verwertbarkeit der ausländischen Vorverurteilungen des Angeklagten näher darzulegen (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Oktober 2011 - 4 StR 425/11, StV 2012, 149).
Schmitt Quentin
Annotations
(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
- 1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern, - 2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert, - 3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt, - 4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder - 5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.
(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet, - 2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder - 3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.
(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
- 1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder - 2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - 2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder - 3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder - 2.
das Opfer - a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.