Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Jan. 2009 - 3 StR 581/08

bei uns veröffentlicht am20.01.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 581/08
vom
20. Januar 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 1. auf dessen Antrag - am
20. Januar 2009 einstimmig beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kleve vom 15. Oktober 2008 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
2. Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten wird die Entscheidung des Landgerichts nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen aufgehoben.
Der Angeklagte ist für die über die verhängte Freiheitsstrafe von drei Monaten hinaus erlittene Untersuchungshaft zu entschädigen.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt die Staatskasse.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Außerdem hat es entschieden, dass er für die über die verhängte Strafe hinaus erlittene Untersuchungshaft nicht zu entschädigen ist. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seinen Rechtsmitteln.
2
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
Die Versagung einer Entschädigung für die über die verhängte Freiheitsstrafe von drei Monaten hinaus erlittene Untersuchungshaft von zwei Monaten und zehn Tagen hat keinen Bestand. Die Dauer der Untersuchungshaft übersteigt die verhängte Freiheitsstrafe erheblich, sodass die Gewährung einer Entschädigung der Billigkeit entspricht (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 StrEG).
4
Entgegen der Meinung des Landgerichts hat der Angeklagte durch die Einfuhr der 3,7 Gramm Marihuana in die Bundesrepublik Deutschland die Strafverfolgungsmaßnahme nicht grob fahrlässig verursacht (§ 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG). Trotz seiner erheblichen einschlägigen Vorstrafen musste er nicht damit rechnen, wegen dieser zum Eigenkonsum mitgeführten geringen Menge einer weichen Droge über drei Monate hinaus Untersuchungshaft erleiden zu müssen. Die Einfuhr der weiteren Betäubungsmittel, die in unmittelbarer räumlicher Nähe zu seinem Sitzplatz aufgefunden wurden, konnte ihm das Landgericht nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit nachweisen. Für den positiven Drug-Wipe-Test und seine Fingerspuren auf der Plastiktüte, in welcher sich das Amphetamin befand, hat der Angeklagte eine nach Ansicht des Landgerichts unwiderlegbare Erklärung abgegeben, die ein Verschulden ausschließt.
Becker Miebach von Lienen
Sost-Scheible Schäfer

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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Jan. 2009 - 3 StR 581/08 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen - StrEG | § 5 Ausschluß der Entschädigung


(1) Die Entschädigung ist ausgeschlossen 1. für die erlittene Untersuchungshaft, eine andere Freiheitsentziehung und für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, soweit deren Anrechnung auf die verhängte Strafe unterbleibt,2. für eine Freiheitsen

Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen - StrEG | § 4 Entschädigung nach Billigkeit


(1) Für die in § 2 genannten Strafverfolgungsmaßnahmen kann eine Entschädigung gewährt werden, soweit dies nach den Umständen des Falles der Billigkeit entspricht, 1. wenn das Gericht von Strafe abgesehen hat,2. soweit die in der strafgerichtlichen V

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Für die in § 2 genannten Strafverfolgungsmaßnahmen kann eine Entschädigung gewährt werden, soweit dies nach den Umständen des Falles der Billigkeit entspricht,

1.
wenn das Gericht von Strafe abgesehen hat,
2.
soweit die in der strafgerichtlichen Verurteilung angeordneten Rechtsfolgen geringer sind als die darauf gerichteten Strafverfolgungsmaßnahmen.

(2) Der strafgerichtlichen Verurteilung im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 steht es gleich, wenn die Tat nach Einleitung des Strafverfahrens nur unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit geahndet wird.

(1) Die Entschädigung ist ausgeschlossen

1.
für die erlittene Untersuchungshaft, eine andere Freiheitsentziehung und für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, soweit deren Anrechnung auf die verhängte Strafe unterbleibt,
2.
für eine Freiheitsentziehung, wenn eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet oder von einer solchen Anordnung nur deshalb abgesehen worden ist, weil der Zweck der Maßregel bereits durch die Freiheitsentziehung erreicht ist,
3.
für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und das vorläufige Berufsverbot, wenn die Entziehung der Fahrerlaubnis oder das Berufsverbot endgültig angeordnet oder von einer solchen Anordnung nur deshalb abgesehen worden ist, weil ihre Voraussetzungen nicht mehr vorlagen,
4.
für die Beschlagnahme und den Vermögensarrest (§§ 111b bis 111h der Strafprozeßordnung), wenn die Einziehung einer Sache angeordnet ist.

(2) Die Entschädigung ist auch ausgeschlossen, wenn und soweit der Beschuldigte die Strafverfolgungsmaßnahme vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat. Die Entschädigung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Beschuldigte sich darauf beschränkt hat, nicht zur Sache auszusagen, oder daß er unterlassen hat, ein Rechtsmittel einzulegen.

(3) Die Entschädigung ist ferner ausgeschlossen, wenn und soweit der Beschuldigte die Strafverfolgungsmaßnahme dadurch schuldhaft verursacht hat, daß er einer ordnungsgemäßen Ladung vor den Richter nicht Folge geleistet oder einer Anweisung nach § 116 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, Abs. 3 der Strafprozeßordnung zuwidergehandelt hat.