Amtsgericht Traunstein Beschluss, 08. Juni 2015 - XVII 673/14

bei uns veröffentlicht am08.06.2015

Gericht

Amtsgericht Traunstein

Tenor

Die Betreuung wird angeordnet.

Die Betreuung umfasst folgende Aufgabenkreise:

- Vermögenssorge

- Gesundheitsfürsorge

- Aufenthaltsbestimmung

- Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung eines Heim-Pflegevertrages

- Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen der übertragenen Aufgabenkreise

- Haus- und Grundstücksangelegenheiten

- Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern

Zum Betreuer wird bestellt:

... geboren ...

- als Berufsbetreuer -

Das Gericht wird spätestens bis zum 02.06.2022 über die Aufhebung oder Verlängerung der Betreuung entscheiden.

Bis zu einer erneuten Entscheidung gelten die getroffenen Regelungen fort.

Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird angeordnet.

Gründe

Die Voraussetzungen für die Bestellung des Betreuers sind gegeben.

Die Betreute ist aufgrund einer der in § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB aufgeführten Krankheiten bzw. Behinderungen, nämlich einem demenzielles Syndrom, nicht in der Lage, die Angelegenheiten ausreichend zu besorgen, die zu den genannten Aufgabenkreisen gehören.

Dies folgt aus dem Ergebnis der gerichtlichen Ermittlungen, insbesondere aus

- dem ärztlichen Gutachten des Sachverständigen ... vom 17.12.2014 und der ergänzenden Stellungnahme vom 02.04.2015,

- der Berichte der Betreuungsbehörde Landratsamt … - Betreuungsstelle - vom 04.11.2014 und 11.05.2015 und

- dem unmittelbaren Eindruck des Gerichts, den sich dieses bei der Anhörung der Betreuten in deren üblicher Umgebung am 26.11.2014 verschafft hat.

Die Betreuerbestellung ist erforderlich, weil die Regelung der Angelegenheiten der Betreuten anderweitig nicht erfolgen kann. Insbesondere kann die Betreute krankheitsbedingt keine Vorsorgevollmacht mehr erteilen, die eine Betreuung entbehrlich machen würde.

Die erteilte notarielle Vollmacht vom 08.07.2014 an den Enkelsohn P. H. ist unwirksam. Die im Dezember 2012 erteilte Vollmacht an die Tochter D. P1, die im Mai 2014 (möglicherweise unwirksam) widerrufen wurde, wird von dieser jedenfalls nicht mehr ausgeübt.

Die am ... geborene Betroffene ... hat zwei Töchter, nämlich ... und .... Mit Schriftsatz vom 25.08.2014 hat sich die Tochter ... an das Amtsgericht Traunstein gewandt, mit der Anregung für die Betroffene einen neutralen anwaltlichen Berufsbetreuer zu bestellen.

Zur Begründung trägt sie vor, dass die Betroffene im Mai 2013 und im September 2013 in ihrem Haus in T. stürzte. Nach dem zweiten Sturz musste die Betroffene zwei Monate ins Krankenhaus bzw. in die Kurzzeitpflege und in geriatrische Rehabilitation. Anschließend bezog sie ein Zimmer im ...

Im Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik in T1 vom 05.11.2013 wird als funktionell führende Erkrankung unter anderem Demenz angegeben. Bereits am 13.08.2013 hat der Facharzt für Neurologie ... fachärztlich bescheinigt, dass bei der Betroffenen ein fortgeschrittenes demenzielles Syndrom vorliegt und er die volle Geschäftsfähigkeit nicht als gegeben ansieht. Unter dem 21.05.2014 bescheinigte ... nochmals Geschäftsunfähigkeit.

Für die Betroffene hat sich im Verfahren Rechtsanwalt ... bestellt. Dieser ist der Auffassung, dass sich aus dem psychiatrischen Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie ... vom 05.06.2014 ergibt, dass die Betroffene allenfalls unter einer sogenannten leichten Hirnleistungsschwäche leide und aus psychiatrischer Sicht geschäftsfähig und auch testierfähig sei. Er ist weiter der Auffassung, dass eine Betreuung nicht erforderlich ist, weil die Betroffene wirksam unter dem 08.07.2014 eine notarielle Generalvollmacht an ihren Enkel ... erteilt habe.

Bei der Anhörung der Betroffenen durch das Gericht am 26.11.2014 hat sich ergeben, dass die Betroffene hinsichtlich der erteilten Vollmachten nicht orientiert ist. Das Pflegepersonal hat mitgeteilt, dass sich der Zustand der Betroffenen seit Beginn ihres Aufenthaltes im Heim (Dezember 2013) nicht wesentlich verändert habe. Das Gericht hat daher den Sachverständigen ... mit der Erstellung eines Gutachtens zur Überprüfung der Geschäftsfähigkeit der Betroffenen bei Erteilung der Generalvollmacht beauftragt. Dieser hat mit Gutachten vom 17.12.2014 festgestellt, dass die Betroffene zum Zeitpunkt der Vollmachtserstellung am 08.07.2014 wahrscheinlich nicht im vollem Umfang geschäftsunfähig war. In diesem Gutachten ist festgehalten, dass zum Zeitpunkt der Untersuchung die Betroffene sich situativ komplett desorientiert gezeigt hat und auch aus den Mitteilungen des Pflegepersonals zu entnehmen ist, dass die Betroffene häufig Dinge verlegt oder vergisst. Der Gutachter geht daher davon aus, dass die Betroffene mit komplexeren Sachverhalten wie Regelung schriftlicher Angelegenheiten oder auch die Finanzen überfordert ist. Sie sei krankheitsbedingt nur eingeschränkt in der Lage, die Tragweite ihrer Handlungen und die daraus resultierenden Konsequenzen zu überblicken. ... hat hierzu mit Schreiben vom 20.01.2015 noch einmal Stellung genommen und kam zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass sich Testierunfähigkeit nicht hinreichend beweisen lässt. Von den Beteiligten in dem Verfahren wurden anschließend noch weitere Stellungnahmen eingereicht, woraufhin der Sachverständige zu einer ergänzenden Stellungnahme aufgefordert wurde, die er unter dem 02.04.2015 abgegeben hat. Unter Berücksichtigung der ergänzenden Stellungnahmen ... und der weiteren vorgelegten Unterlagen, aus denen sich entnehmen lässt, dass der Betroffenen oftmals der Überblick fehlt und sie entscheidungsrelevante Sachverhalte nicht richtig einordnen kann, kommt der Sachverständige nunmehr zum Ergebnis, dass zum Zeitpunkt der Vollmachtserstellung die Betroffene mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr im vollem Umfang geschäftsfähig war.

Das Gericht ist aufgrund der ärztlichen Stellungnahmen und der sachverständigen Gutachtens sowie vor allen Dingen auch der Schilderungen des Personals aus dem Pflegeheim, nämlich, dass sich der Zustand der Betroffenen im Jahr 2014 nicht wesentlich verändert habe, der Überzeugung, dass die Betroffene bereits im Juli 2014 nicht mehr geschäftsfähig war. Die erteilte Generalvollmacht macht daher eine Betreuung nicht überflüssig. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Betroffene beim Widerruf der Vorsorgevollmacht für die Tochter ... geschäftsfähig war, da diese jedenfalls eine Berufsbetreuung angeregt hat und damit zum Ausdruck gebracht hat, dass sie die im Dezember 2012 erteilte Vorsorgevollmacht nicht ausüben will.

Bei der Auswahl des Betreuers ist das Gericht dem bedenkenfreien Vorschlag der Betreuungsbehörde gefolgt.

Bei der Festsetzung der Überprüfungsfrist hat das Gericht die Ausführungen des Sachverständigen berücksichtigt.

Die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit beruht auf § 287 Abs. 2 Satz 1 FamFG.

Von der Bestellung eines Verfahrenspflegers wird abgesehen, weil die Betreute von einem Verfahrensbevollmächtigen vertreten wird.

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Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 287 Wirksamwerden von Beschlüssen


(1) Beschlüsse über Umfang, Inhalt oder Bestand der Bestellung eines Betreuers, über die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts oder über den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 300 werden mit der Bekanntgabe an den Betreuer wirksam. (2)

Referenzen

(1) Beschlüsse über Umfang, Inhalt oder Bestand der Bestellung eines Betreuers, über die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts oder über den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 300 werden mit der Bekanntgabe an den Betreuer wirksam.

(2) Ist die Bekanntgabe an den Betreuer nicht möglich oder ist Gefahr im Verzug, kann das Gericht die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses anordnen. In diesem Fall wird er wirksam, wenn der Beschluss und die Anordnung seiner sofortigen Wirksamkeit

1.
dem Betroffenen oder dem Verfahrenspfleger bekannt gegeben werden oder
2.
der Geschäftsstelle zum Zweck der Bekanntgabe nach Nummer 1 übergeben werden.
Der Zeitpunkt der sofortigen Wirksamkeit ist auf dem Beschluss zu vermerken.

(3) Ein Beschluss, der die Genehmigung nach § 1829 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zum Gegenstand hat, wird erst zwei Wochen nach Bekanntgabe an den Betreuer oder Bevollmächtigten sowie an den Verfahrenspfleger wirksam.