Amtsgericht Hamburg-Wandsbek Urteil, 9. Aug. 1922 - 715C89/22
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Leitsätze des einreichenden
Das unberechtigte Abstellen eines Fahrzeugs auf einem Privatparkplatz stellt eine verbotene Eigenmacht dar und begründet einen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 823 II, 858 II, 398 BGB.
Der Halter eines Fahrzeugs, das unberechtigt auf einem Privatparkplatz abgestellt wurde, ist als Zustandsstörer für die durch die Besitzbeeinträchtigung entstandenen Kosten haftbar.
Die Kosten der Selbsthilfemaßnahmen, einschließlich Abschleppkosten und anderer Aufwendungen, sind als Schadensersatz zu erstatten, sofern sie im adäquaten Zusammenhang mit der verbotenen Eigenmacht stehen und die Grenzen der Wirtschaftlichkeit einhalten.
Ein Schadensersatzanspruch aus abgetretenem Recht kann wirksam sein, wenn der Geschädigte seine Ansprüche an einen Dritten abtritt und dieser die Ansprüche rechtmäßig geltend macht.
Die Abtretung von Schadensersatzansprüchen an Erfüllungs statt führt dazu, dass der Erfüllungsgehilfe (hier: die Parknotruf GmbH) die Ansprüche des Geschädigten gegen den Schädiger geltend machen kann.
Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch einen Dritten, der im Auftrag des Geschädigten handelt, stellt keine unzulässige Rechtsdienstleistung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes dar, sofern sie auf Risiko und Rechnung des Dritten erfolgt.
Die Kostenentscheidung und die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils richten sich nach den einschlägigen Vorschriften der Zivilprozessordnung.
Beglaubigte Abschrift
Amtsgericht Hamburg-Wandsbek
Az.: 715 C 89/22
Verkündet am 09.08.2022
Radman, JHSeköin
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Urteil
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
Parknotruf GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer Paul-Lukas Struck und Nicole Frömming, Andreas-Gayk-Straße 7-11, 24103 Kiel
- Klägerin -
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Lutz Schroeder, Andreas-Gayk-Straße 7-11, 24103 Kiel, Gz.:
gegen
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt
erkennt das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek - Abteilung 715 - durch die Richterin am Amtsgericht Landwehr auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 02.08.2022 für Recht:
1.
Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Schleswig vom 16.03.2022 - AZ.• 22-9712187-0-6 — wird aufrechterhalten.
2.
Die Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
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Entscheidungsgründe
Auf den zulässigen Einspruch der Beklagten war der Vollstreckungsbescheid gemäß SS 700 1, 343 ZPO aufrechtzuerhalten, denn die Klage ist begründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte der geltend gemachte Anspruch auf Schadenersatz aus abgetretenem Recht nach SS 823 Il, 858 Il, 398 BGB zu.
Das unberechtigte Abstellen des Fahrzeugs der Beklagten auf dem Privatparkplatz des Herrn stellte eine verbotene Eigenmacht im Sinne von S 858 1 BGB dar. Nach der
Rechtsprechung des BGH ist der Halter eines unberechtigt auf einem Privatparkplatz abgestellten
Fahrzeugs hinsichtlich der dadurch hervorgerufenen Beeinträchtigung des Besitzes des Parkplatzbetreibers Zustandsstörer (BGH, NJW 2012, 3781). Ihr war die Besitzbeeinträchtigung zuzurechnen. Indem sie ihr Fahrzeug freiwillig einer anderen Person zur Benutzung im Straßenverkehr überlassen hat, hat sie das Risiko übernommen, dass sich der Nutzer nicht an die allgemeinen Verhaltensregeln hält und das Fahrzeug unberechtigt auf fremdem Privatgrund abstellt. Da das Falschparken auf einem Privatgrundstück kein außergewöhnliches Verhalten eines Verkehrsteilnehmers darstellt, mit dem der Halter nicht zu rechnen hat, ist es sachgerecht, ihm als Halter die Verantwortung aufzuerlegen, wenn sich die mit der freiwilligen Fahrzeugüberlassung geschaffene Gefahr des unberechtigten Parkens tatsächlich realisiert (vgl. BGH, NJW 2012, 3781).
Wer schuldhaft verbotene Eigenmacht begeht, schuldet auch Schadensersatz nach SS 823 Il, 858 1 BGB. Die Selbsthilfekosten, die dem berechtigten Parkplatzinhaber dadurch entstehen, dass er sich der verbotenen Eigenmacht nach S 859 1 bzw. III BGB zulässigerweise erwehrt, indem er einen Umsetzauftrag für das Fahrzeug erteilte, sind als Schadensersatz zu ersetzen; denn Kosten der Selbsthilfe sind ersatzfähig, soweit sie mit der verbotenen Eigenmacht in adäquatem Zusammenhang stehen, vom Schutzbereich des S 858 1 BGB erfasst sind und die Grenzen der Wirtschaftlichkeit einhalten (BGH NJW 2014, 3727). Danach gehören zu den erstattungsfähigen Kosten nicht nur die reinen Abschleppkosten, sondern auch die Kosten, die im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Abschleppvorgangs entstanden sind, etwa durch die Überprüfung des unberechtigt abgestellten Fahrzeugs, um den Halter ausfindig zu machen, die Zuordnung des Fahrzeugs in eine bestimmte Fahrzeugkategorie und das Anfordern eines geeigneten Abschleppfahrzeugs (BGH, NJW 2012, 528 Rdnr. 11), auch wenn es wegen zwischenzeitlicher Entfernung des Fahrzeuges nach Anforderung des Abschleppfahrzeuges nicht mehr zur Umsetzung kommt. Auch Maßnahmen der Beweissicherung, um unberechtigte Schadensersatzansprüche wegen angeblicher Beschädigungen abwehren zu können, sind vom Schutzbereich der verletzten Norm (S 858 1 BGB) erfasst (BGH, NJW 2014, 3727).
Durch das unberechtigte Abstellen des Fahrzeugs der Beklagten auf dem Privatparkplatz des Zedenten sind die nunmehr von der Klägerin abgerechneten Kosten aufgrund des zwischen der Klägerin und Herrn geschlossenen Vertrages ausgelöst worden. Es handelt sich um ersatzpflichtige adäquate Selbsthilfekosten, die Herrn entstanden sind und die von der Beklagten als aus der von ihr zu verantwortenden verbotenen Eigenmacht entstandenen Schaden zu ersetzen sind. Diesen Anspruch hat Herr wirksam an die Klägerin abgetreten.
Die Abtretung ging nicht ins Leere. Der von der Beklagten zu ersetzende Schaden des Zedenten bestand in der gegenüber der Klägerin eingegangenen Entgeltverbindlichkeit bezüglich des Abschleppauftrages. Von ihr konnte er von der Beklagten gemäß S 257 1 BGB Freistellung verlangen. Durch die Abtretung dieses Befreiungsanspruchs an den Gläubiger der
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eingegangenen Verbindlichkeit, also an die Klägerin, hat sich der Befreiungsanspruch in einen Zahlungsanspruch umgewandelt (vgl. BGH, NJW 2010, 2197, Rdnr. 12).
Die Beklagte geht fehl in der Annahme, dass die Leistung der Klägerin gegenüber dem Zedenten unentgeltlich erbracht wurde. Aus der Auftrags- und Abtretungserklärung geht klar die Entgeltlichkeit der Abtretung hervor. In der Vereinbarung heißt es:
wird die Parknotruf GmbH auf eigenes Risiko bei dem Halter des entfernten Fahrzeuges geltend machen.
Hiermit trete ich daher alle Ansprüche, die mir gegen den Halter des Fahrzeuges mit dem unter „Kennzeichen" angegebenen amtlichen Kennzeichen aufgrund des rechtswidrigen Abstellens des Fahrzeuges auf dem oben genannten Grundstück zustehen, an die Parknotruf GmbH ab. Dies sind insbesondere die Ersatzansprüche wegen der Kosten für das Umsetzen des Fahrzeuges in den öffentlichen Verkehrsraum. Die Parknotruf GmbH akzeptiert diese Abtretung an Erfüllung statt.
Das bedeutet, dass mit dieser Abtretung a mich aufgrund dieses Auftrags als erfüllt betrachtet werden. Und zwar auch dann, wenn es der Parknotruf GmbH nicht gelingt, eine Zahlung von dem Falschparker zu erhalten" (Unterstreichungen durch das Gericht).
Daraus geht unmissverständlich hervor, dass die Umsetzung entgeltlich zu dem ortsüblichen Entgelt erfolgt. Wenn es in der Vereinbarung weiter heißt: „Ich muss aufgrund dieses Auftrags keine Zahlungen an die Parknotruf GmbH leisten", so heißt dies lediglich, dass der Zedent die Entgeltschuld nicht in Geld entrichten muss, sondern — und das ist gerade der Kerngehalt einer Abtretung an Erfüllungs statt — seine Schadensersatzansprüche an die Klägerin abtritt. Die Abtretung an Erfüllungs statt führt lediglich dazu, dass hinsichtlich der Werklohnforderung der Klägerin gegen den Zedenten die Erfüllungswirkung eintritt. Das ändert jedoch nichts an dem deliktischen Schadensersatzanspruch des Zedenten gegen die Beklagte, der nunmehr gemäß S 257 BGB auf Ersatz der Umsetzungs- und Vorbereitungskosten gerichtet ist.
Der Auffassung des AG Hamburg-Barmbek (Abteilung 818), Urteil vom 22.03.2021 — 818 C 36/20 — wird nicht gefolgt.
Auch ein Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz liegt nicht vor. Die Klägerin erbringt gegenüber dem Zedentin Abschleppdienste, nicht aber eine Inkassodienstleistung i. S. des S 2 Il RDG. Die Einziehung der von dem Zedenten an Erfüllungs statt abgetretenen Schadensersatzansprüche erfolgt auf Risiko und Rechnung der Klägerin. Mit der Geltendmachung der abgetretenen Forderung besorgt die Klägerin daher kein fremdes Geschäft (vgl. BGH NJW 2012, 528, Rdnr. 14).
Der Höhe nach ist die Forderung nicht zu beanstanden.
Die Nebenforderungen sind nach SS 286 1 , 291 BGB begründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus S 91 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf SS 708 Nr. I I , 713 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des S 511 IV ZPO nicht vorliegen. Die Entscheidung folgt der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung.
715 c 89122
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem
Landgericht Hamburg
Sievekingplatz 1
20355 Hamburg einzulegen.
Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung der Entscheidung.
Die Berufung muss mit Schriftsatz durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt eingelegt werden. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Berufung eingelegt werde.
Die Berufung muss binnen zwei Monaten mit Anwaltsschriftsatz begründet werden. Auch diese Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung.
Rechtsbehelfe können auch als elektronisches Dokument eingereicht werden. Eine einfache E-Mail genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht.
Rechtsbehelfe, die durch eine Rechtsanwältin, einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument einzureichen, es sei denn, dass dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. In diesem Fall bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, wobei die vorübergehende Unmöglichkeit bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen ist. Auf Anforderung ist das elektronische Dokument nachzureichen.
Elektronische Dokumente müssen mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden.
Ein elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen ist, darf wie folgt übermittelt werden: auf einem sicheren Übermittlungsweg oder an das für den Empfang elektronischer Dokumente eingerichtete Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) des Gerichts.
Wegen der sicheren Übermittlungswege wird auf S 130a Absatz 4 der Zivilprozessordnung verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen zur elektronischen Kommunikation mit den Gerichten wird auf die Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils geltenden Fassung sowie auf die Internetseite www.justiz.de verwiesen.
715 c 89/22- Seite
Landwehr
Richterin am Amtsgericht