Amtsgericht Ansbach Endurteil, 20. Juli 2017 - 3 C 254/17

bei uns veröffentlicht am20.07.2017
nachgehend
Landgericht Ansbach, 1 S 847/17, 22.11.2017

Gericht

Amtsgericht Ansbach

Tenor

1. Die Beklagten werden verurteilt, die Behauptung zu unterlassen, der Kläger habe ihnen mit Kraftfahrzeugen nach ihrem Leben getrachtet.

2. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 965,63 € außergerichtliche Rechtsanwaltskosten einschließlich der Kosten des Schlichtungsverfahrens zu zahlen.

3. Die Beklagten tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,- €.

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Unterlassungsanspruch.

In einem Rechtsstreit zwischen den Parteien im Zusammenhang mit einem vom Kläger gepachteten landwirtschaftlichen Grundstück ... behaupteten die Beklagten in einem an das Gericht gerichteten Schreiben vom 22.02.16 u.a.: „Die Säck haben schon 3× mit Kraftfahrzeugen nach meinem Leben getrachtet“. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben Anlage K1 sowie die Beiakte des Amtsgerichts ... Bezug genommen.

Das Schreiben wurde vom Gericht an den Kläger bzw. den Klägervertreter weitergeleitet.

Mit Schreiben vom 05.07.16 forderte der Kläger die Beklagten erfolglos zur Unterlassung dieser Behauptung auf.

Vor Klageerhebung wurde ein Schlichtungsverfahren (Anlage K2) durchgeführt.

Der Kläger trägt vor,

die streitgegenständliche unwahre Behauptung der Beklagten stelle eine Verleumdung dar und verletze sowohl die Ehre des Klägers als auch dessen Persönlichkeitsrecht. Die Beklagten seien deshalb zur Unterlassung verpflichtet.

Der Kläger beantragt:

I. Die Beklagten werden verurteilt, die Behauptung zu unterlassen, der Kläger habe ihnen mit Kraftfahrzeugen nach ihrem Leben getrachtet.

II. Die Beklagten werden ferner gesamtschuldnerisch verurteilt, die Kosten außergerichtlicher Rechtsverfolgung des Klägers und die Kosten des Schlichtungsverfahrens in Höhe von 965,63 € zu erstatten.

Die Beklagten beantragen:

Kostenpflichtige Klageabweisung.

Die Beklagten bestreiten die Aktivlegitimation des Klägers und tragen zur Sache vor, die streitgegenständliche Behauptung sei wahr, da es in der Vergangenheit mehrfach zu gefährlichen, vom Kläger herbeigeführten Situationen im Straßenverkehr bei Begegnungen zwischen den Parteien gekommen sei.

Die Beklagten sind zudem der Auffassung, dass ihnen das Verfahrensprivileg zugute komme, da die Äußerung in einem Gerichtsverfahren lediglich schriftlich dem Gericht mitgeteilt und nicht öffentlich bekannt gemacht worden sei. Zudem sei es im oben genannten Gerichtsverfahren zu wechselseitigen Vorwürfen gekommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die beigezogene Akte des Amtsgerichts ... wurde zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagten der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 1004, 823 I, II BGB i.V.m. Artikel 2 I GG und § 187 StGB zu.

1. Der Kläger ist aktivlegitimiert. Zwar wurde das streitgegenständliche Schreiben nicht an den Kläger persönlich gerichtet bzw. diesem Straftaten unterstellt, jedoch ist der Kläger als Familienangehöriger in den Sammelbegriff „die Stäck“ mit einbezogen.

2. Die Behauptung der Beklagten „die Stäck haben schon 3 × mit Kfz nach meinem Leben getrachtet“ ist zwischen den Parteien unstreitig.

Durch diese Äußerung mit dem Vorwurf einer versuchten Tötung wurde das Ehrgefühl des Klägers und damit das von § 823 BGB geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt.

Die erforderliche Widerrechtlichkeit der Verletzungshandlung sowie das Rechtsschutzinteresse des Klägers sind ebenfalls zu bejahen, da sich die Beklagten nicht auf das sogenannte Verfahrensprivileg bei Äußerungen im Rahmen eines Gerichtsverfahrens berufen können. Das streitgegenständliche Schreiben der Beklagten wurde zwar nur an das Gericht (zur Akte) gerichtet, jedoch mussten die Beklagten aufgrund ihrer Kenntnisse aus diversen vorausgegangenen Rechtsstreitigkeiten davon ausgehen, dass der Schriftsatz an den Klägervertreter bzw. den Kläger weitergeleitet wird. Der Umstand, dass die Äußerung nicht in öffentlicher Sitzung gefallen ist, ist insoweit unbeachtlich.

Die streitgegenständliche Äußerung unterfällt zwar grundsätzlich dem Schutz der Meinungsfreiheit nach Artikel 5 I GG, findet jedoch die Grenze an den allgemeinen Gesetzen, insbesondere im Bereich der §§ 823 I, 1004 I BGB. Nach der Rechtsprechung des BGH und des BVerfG sind bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer (ehrverletzenden) Äußerung grundsätzlich die betroffenen Interessen gegeneinander abzuwägen und dabei alle wesentlichen Umstände zu berücksichtigen.

Die Beklagten haben in diesem Zusammenhang weder den erforderlichen sachlichen Bezug zum Gerichtsverfahren in einer Landwirtschaftssache dargelegt, noch zum konkreten Kontext sowie den Begleitumständen vorgetragen (BVerfG NJW 09, 3016 ff).

Aus dem Akteninhalt der beigezogenen Akte ergeben sich weder wechselseitige, gleichgelagerte Vorwürfe noch ein Sachzusammenhang zwischen dem Pachtzinsstreit und der streitgegenständlichen Behauptung zu Tötungsversuchen des Klägers.

Es kann somit nicht zugunsten der Beklagten festgestellt werden, dass die Äußerung für den Anlass angemessen und sachbezogen im Sinne einer subjektiv redlichen Aussage war.

Die beweisbelasteten Beklagten haben zudem den Wahrheitsgehalt der Äußerung nicht nachgewiesen.

Beklagtenseits wurden erstmals im Schriftsatz vom 29.06.17 entsprechende Beweisangebote unterbreitet, obwohl Termin zur mündlichen Verhandlung bereits am 08.06.17 stattgefunden hat. Der Sachvortrag samt Beweisangeboten war deshalb als verspätet gemäß §§ 296 II, 282 II ZPO zurückzuweisen, da deren Zulassung eine Beweisaufnahme erforderlich gemacht und damit den Rechtsstreit verzögert hätte. Die Verspätung wurde zudem nicht entschuldigt.

Die erforderliche Wiederholungsgefahr resultiert aus dem Umstand, dass die Abgabe einer entsprechenden Unterlassungserklärung von den Beklagten unstreitig verweigert wurde.

Der Klage war deshalb stattzugeben.

3. Die geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren sind gemäß §§ 280 II, 286, 288 BGB begründet.

II.

Kosten: § 91 I ZPO.

III.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 5.000,- € festgesetzt.

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Referenzen - Gesetze

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Zivilprozessordnung - ZPO | § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung


Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur

Strafgesetzbuch - StGB | § 187 Verleumdung


Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird mit F

Referenzen

Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.