Corona: Bußgeldrecht
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Corona: Bußgeldrecht
Corona: Bußgeldrecht
Die SARS-CoV-2-Pandemie hat Menschen auf der ganzen Welt vor enorme Herausforderungen gestellt. Die durch das Virus ausgelöste Krankheit Covid-19 hat nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in den Jahren 2020 und 2021 mehr als 6.2 Millionen Menschen weltweit das Leben gekostet.
Um die Menschen vor einer möglichen Ansteckung zu schützen und die Ausbreitung von Varianten des Sars-CoV-2-Virus in der Bundesrepublik zu verhindern, haben nahezu alle Bundesländer, Corona-Verordnungen und Busßgeldkataloge für entsprechende Verstöße gegen diese, erlassen. Denjenigen Personen, die gegen geltende Coronavorschriften verstoßen haben, drohen Freiheitsstrafen und hohe Bußgelder. Die Bußgelder reichen von 50 Euro bis zu 25. 000 Euro, bei wiederholten Verstößen.
Dirk Streifler - Streifler&Kollegen - Rechtsawälte Berlin
Maßgebliche Vorschriften
Vor der Budesnotbremse war die maßgebliche Bußgeldnorm für die Ordnungswidrigkeiten der § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG in Verbindung mit den landesrechtlichen Corona-Schutzverordnungen, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verwiesen hat. Seit dem die sogenannte "Bundesnotbremse" am 23. 04. 2021 in Kraft getreten ist, sind auch die neuen Bußgeldtatbestände in § 73 Abs. 1a Nr. 11b-11m IfSG einschlägig.
Bundesnotbremse
Bei der sogenannten "Bundesnotbremse" handelte es sich um einen, vom 23. April bis 30. Juni 2021 bundesweit geltenden Corona-Maßnahmekatalog. Der Bund hatte 2021 beschlossen Corona-Maßnahmen einheitlicher zu regeln und hat eine bundeseinheitliche Notbremse im Infektionsschutzgesetz beschlossen. Überschritt die Sieben-Tage-Inzidenz in einem Landkreis oder einer kreifreien Stadt an drei Tagen hintereinander die Schwelle von 100, griffen schärfere Maßnahmen solande bis die Sieben-Tage-Inzidenz an fünf aufeinanderfolgenden Werktagen die Schwelle von 100 wieder unterschritt. Eine Inzidenz von 100 wird überschritten, wenn in einem Zeitraum von sieben aufeinanderfolgenden Tagen mehr als 100 Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 pro 100.000 Einwohner festzustellen sind.
Grundrechtseinschränkungen im Zuge der Coronapandemie
Schon zu Beginn der Pandemie haben Menschen die Besorgnis über mögliche Grundrechtseinschränkungen im Zusammenhang mit Corona geäußert und sie sollten Recht behalten: Die Grundrechte wurden im Zuge der Pandemie mehrmals massiv eingeschränkt.
Die Anordnung zur häußlichen Isolation verletzt Betroffene in ihrer Fortbewegungsfreiheit (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG), das Kontaktverbot tangiert das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG), das Verbot der Teilnahme an politischen Demonstrationen schränkt die Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) ein. Zuletzt ist durch die Bestimmungen im Zusammenhang mit dem Einzelhandel, die Berufsfreiheit der dort tätigen Personen eingeschänkt worden. Schließlich erfuhren auch Gläubige Personen eine Einschränkung ihrer Religionsfreiheit durch das Verbot des Abhaltens und des Besuchs von Gottesdiensten.
Tatgerichte zur Wirksamkeit der Normen
Mehrere Tatgerichte sind der Ansicht, dass diese Grundrechtseinschränkungen nicht immer rechtmäßig erfolgt sind. So zum Beispiel etwaige Amtsgerichte, die aufgrund der besagten Grundrechtseinschränkungen, einige Vorschriften, die Grundlage für die Bußgeldahndung waren, für verfassungswidrig erachtet haben. Insbesondere das Versammlungsverbot wurde stark kritisiert. So hat das Amtsgericht Weimar das allgemeine Kontakt- und Ansammlungsverbot in Thüringen für verfassungswidrig erachtet. Dieser Ansicht folgte auch das Amtsgericht Ludwigsburg, welches das Ansammlungsverbot in Baden-Württemberg als unwirksam erachtete sowie das Amtsgericht Straubing, das die Ausgangsbeschränkung in Bayern als nicht mit der Verfassungs vereinbar ansah.
Die Oberlandesgerchte hingegen haben die Frage, ob Busgeldandrohungen auf Grundlage der Schutzvorschriften in den Corona-Schutzverordnungen verfassungsgemäß sind, fast durchgehend mit ja beantwortet und damit die Wirksamkeit der Einschränkungen in den landesrechtlichen Coronaschutzverordnungen bestätigt.
BVerfG: Maßnahmen mit Grundgesetz vereinbar
Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerden gegen die, während der Bundesnotbremse geltenden Vorschriften des § 73 Abs. 1a Nr. 11b-11m IfSG zurückgewiesen. Bereits zuvor lehnten die Richter mehrere Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnungen ab. Das höchste Gericht entschied am 30.11.2021 in einer Grundsatzentscheidung, dass die Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen, die im Zuge der Coronapandmie mit der Bundesnotbremse einhergingen, zulässig waren (Az. 1 BvR 781/21, 1 BvR 971/21 ua.). Zwar hätten die Normen als Einschränkungen erheblich in die Grundrechte eingegriffen, diese Eingriffe seien aber - nach Ansicht des Gerichts - in der äußersten Gefahrenslage der Pandemie mit dem Grundgesetz vereinbar gewesen: Die Normen sind zum Zwecke des Gesundheitssschutzes erlassen worden. Sie dienen dazu das Leben und die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen und eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern und verfolgen daher einen legitimen Zweck. Sie sind auch geeignet diesen Zweck zu erreichen: Dahingehend stehe dem Gesetzgeber ein gewisser und situationsabhängiger Spielraum zu, da der wissenschaftliche Kenntnissstand in Hinblick auf das Coronavirus noch nicht sehr weit fortgeschritten ist. Schließlich sind die Normen - so die Richter - auch erforderlich und in Hinblick auf die Bedeutung des Grundrechts auf Leben und Gesundheit aus Art. 2 GG, auch verhältnismäßig.
Rechtmäßigkeit des Bußgeldbescheides trotz Wegfall oder Änderung der Vorschriften in Coronaverordnung?
Die Schutzvorschriften der jeweiligen Corona-Verordnungen der Bundesländer sind während der Pandemie kurzfristig und oft geändert worden. Da diese Schutzvorschriften regelmäßig zeitlich beschränkt wurden und auch die zeitliche Geltungsdauer verlängert wurde, wird uns oft die Frage nach entsprechenden Auswirkungen auf die Bußgeldbescheide gestellt. Grundsätzlich ist nach § 4 Abs. 3 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) das "mildeste" Gesetz anzuwenden, wenn das Gesetz, das bei Beendigung der Tat noch galt, vor der Entscheidung in der Sache geändert worden ist. Dieses sogenannte "Meistbegünstigungsprinzip" gilt für die Schutzvorschriften der jeweiligen Verordnungen nicht. Vielmehr handelt es sich bei den besagten Vorschriften um Zeitgesetze. Gem. 4 Abs. 4 S. 1 OWiG ist ein Gesetz, das nur für einen bestimmten Zeitraum Geltung beanspruchen soll, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Das bedeutet, dass Änderungen der Vorschriften in Coronaverordnungen keine Auswirkungen auf die bereits ausgestellten Bußgeldbescheide haben.
Lesen Sie auf der folgenden Themenseite, was Sie tun sollten, wenn Sie einen Bußgeldbescheid erhalten, was die einschlägigen Bußgeldnormen sind und welche Rechtsprechung biseher dazu existiert.