Pflichtteilsergänzungsanspruch wegen lebzeitiger Schenkungen

published on 22/10/2019 14:19
Pflichtteilsergänzungsanspruch wegen lebzeitiger Schenkungen
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Rechtsanwalt

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Pflichtteilberechtigte können zusätzlich Ansprüche wegen Schenkungen des Erblassers zustehen 

Sofern pflichtteilsberechtigte Angehörigen, zum Beispiel Ehegatten, Abkömmlinge, aber auch unter Umständen die Eltern, ausdrücklich enterbt oder testamentarisch nicht bedacht wurden, können sie in der Regel nach dem Tod des Erblassers Pflichtteilsansprüche geltend machen. Der Pflichtteil beläuft sich auf die Hälfte dessen, was der Pflichtteilsberechtigte im Falle der sogenannten gesetzlichen Erbfolge – das heißt, wenn es keine testamentarische Verfügung gäbe- erhalten hätte.

Daneben können dem Pflichtteilsberechtigten gegebenenfalls Ansprüche gegen den Erben auf Pflichtteilsergänzung zustehen, wenn der hinterlassene Nachlass durch lebzeitige Schenkungen des Erblassers vermindert wurde. 

Pflichtteilsergänzungsanspruch ist eigenständiger Anspruch

Als selbständiger Anspruch besteht der Pflichtteilsergänzungsanspruch neben dem normalen Pflichtteilsanspruch am hinterlassenen Nachlass. Hierdurch soll dem Pflichtteilsberechtigten eine Teilhabe auch an dem Vermögen ermöglicht werden, das der Erblasser bis zu zehn Jahre vor seinem Ableben verschenkt hat.

Insbesondere soll der Pflichtteilsergänzungsanspruch einen Ausgleich für den Fall bieten, dass der Erblasser den Pflichtteil durch lebzeitige Schenkungen versucht hat, sein Vermögen zu reduzieren. Zu Lebzeiten kann man dem Erblasser nicht untersagen oder verbieten, sein Vermögen ganz oder in Teilen zu verschenken. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch kann nach dem Tod des Erblassers einen Schutz vor Nachteilen bieten, die durch solche lebzeitigen Schenkungen entstanden sind. Hat der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht kann der Pflichtteilsberechtigte nach § 2325 BGB in erster Linie vom Erben als Ergänzung seines Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird. Demnach wird unterstellt, dass sich der verschenkte Gegenstand beziehungsweise dessen Wert noch im Nachlass befindet. 

Unentgeltliche Verfügungen des Erblassers 

Berücksichtigt werden lebzeitige Schenkungen des Erblassers. Schenkungen liegen vor bei Zuwendungen, durch die eine Person aus seinem Vermögen einen Dritten bereichert und sich Schenker und Beschenkter sich über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung einig sind.

Unerheblich sind Benachteiligungsabsichten des Schenkers. Sofern der Beschenkte eine gleichwertige Gegenleistung oder zumindest teilweise eine solche schuldet, liegt keine bzw. eine gemischte Schenkung vor. 

Auch unentgeltliche Verfügungen jeder Art unter Ehegatten, auch sogenannte „ehebedingte Zuwendungen“ stellen Schenkungen im Sinne des § 2325 BGB dar. 

Verträge zu Gunsten Dritter, zum Beispiel Lebensversicherungen bzw. die Einräumung einer Bezugsberechtigung auf die Versicherungssumme, können je nach Art des Vertrages  pflichtteilsergänzungsrelevante Schenkungen darstellen.  

Die Gründung einer Stiftung und auch Zustiftungen können Schenkungen darstellen und Pflichtteilsergänzungsansprüche begründen.

Handelte es sich um sogenannte gemischte Schenkungen, also um eine teilweise Schenkung und teilweise um eine entgeltliche Verfügung (zum Beispiel einen unter dem Wert liegenden Kaufpreis oder um Pflegeleistungen), wird lediglich der unentgeltliche Teil der Verfügung für die Anspruchsbewertung berücksichtigt.

10 Jahres-Frist des § 2325 BGB

Für Pflichtteilsergänzungsansprüche kommen regelmäßig nur Schenkungen in Betracht, die der Erblasser in den letzten zehn Jahren vor seinem Tod vorgenommen hat.

Diese 10-Jahres-Frist beginnt – mit einigen Ausnahmen - in dem Zeitpunkt zu dem der Beschenkte die Zuwendung erhalten hat.

Der zu berücksichtigende Wert der Schenkung „schmilzt“ je seit der Schenkung verstrichenen Jahres nach der Schenkung um 10% ab. Erfolgte beispielsweise die Schenkung weniger als ein Jahr vor dem Erbfall, wird der Wert der Schenkung mit 100% berücksichtigt, nach 5 Jahren nur noch zur Hälfte. 

Nutzungsrechte können den Fristbeginn hindern

Diese Frist beginnt nur dann zu laufen beginnt, wenn der übertragene Vermögensgegenstand tatsächlich aus dem Vermögen des Schenkers ausgegliedert und der Schenker entreichert ist.

Behält sich der Erblasser mit der Schenkung weitgehend Nutzungsrechte oder Rückforderungsrechte an dem Schenkungsgegenstand vor, kann dieser Vorbehalt dazu führen, dass die Abschmelzungsfrist nicht zu laufen beginnt. Behält sich der Schenker und spätere Erblasser zum Beispiel den vollen Nießbrauch an einer Immobilie vor, wird die 10-Jahres-Frist nicht in Gang gesetzt. Der Beschenkte wird zwar Eigentümer, aber durch die mit dem Nießbrauch vorbehaltenen Nutzungsrechte für den Schenker, werden als nicht spürbare Ausgliederung  aus dem Vermögen des Schenkers gewertet. Das bedeutet, dass die Schenkung unter Nießbrauchvorbehalt auch noch mehr als 10 Jahre nach der Schenkung Pflichtteilsergänzungsansprüche und zwar mit dem vollen maßgeblichen Wert des geschenkten Gegenstandes auslösen kann. 

Hingegen kann ein Wohnrecht über einen Teil der Immobilie je nach Gestaltung als ausreichend entreichernde Verfügung angesehen werden, wodurch die Frist des § 2325 BGB zu laufen beginnen kann. 

Jedoch gilt für jede Art von unentgeltlichen Zuwendungen unter Eheleuten die Besonderheit, dass die 10-Jahres Frist des § 2325 BGB nicht zu laufen beginnt, solange die Ehegatten noch verheiratet sind. Das heißt, dass auch eine weit mehr als 10 Jahre zurückliegende Schenkung eines Ehepartners an den anderen für Pflichtteilsergänzungsansprüche mit dem vollen maßgeblichen Wert zu berücksichtigt ist. 

Maßgeblicher Schenkungswert

Für die Bewertung des Schenkungsgegenstands ist dessen Verkehrswert maßgeblich. Der Bewertungsstichtag ist abhängig von der Art des Schenkungsgegenstandes.

Soweit er sich um verbrauchbare Sachen (zum Beispiel Geld und Wertpapiere) handelt, werden diese kaufkraftbereinigt mit dem Wert zum Schenkungszeitpunkt angesetzt.

Sogenannte nicht verbrauchbare Sachen (zum Beispiel Immobilien) werden mit dem Wert in Ansatz gebracht, den sie zur Zeit des Erbfalls haben, sofern diese Gegenstände zum Zeitpunkt der Schenkung kaufkraftbereinigt einen geringeren Wert als zum Todestag hatte (sog. Niederstwertprinzip).  

Der Anspruch richtet sich zunächst gegen den Erben. Lediglich dann, wenn der Erbe aus Rechtsgründen zur Ergänzung nicht verpflichtet ist und der Nachlass nicht zur Auszahlung des Pflichtteilsergänzung ausreicht, kann auch der Beschenkte in Anspruch genommen werden, § 2329 BGB. Wichtig: Drei Jahr nach dem Tod verjähren die Ansprüche - auch wenn man Sie gar nicht kannte...

Mehr zum Pflichtteilsergänzungsanspruch: Kanzlei ROSE & PARTNER

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(1) Hat der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht, so kann der Pflichtteilsberechtigte als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird.

(1) Soweit der Erbe zur Ergänzung des Pflichtteils nicht verpflichtet ist, kann der Pflichtteilsberechtigte von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks zum Zwecke der Befriedigung wegen des fehlenden Betrags nach den Vorschriften über die Heraus

Annotations

(1) Hat der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht, so kann der Pflichtteilsberechtigte als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird.

(2) Eine verbrauchbare Sache kommt mit dem Werte in Ansatz, den sie zur Zeit der Schenkung hatte. Ein anderer Gegenstand kommt mit dem Werte in Ansatz, den er zur Zeit des Erbfalls hat; hatte er zur Zeit der Schenkung einen geringeren Wert, so wird nur dieser in Ansatz gebracht.

(3) Die Schenkung wird innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils ein Zehntel weniger berücksichtigt. Sind zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes verstrichen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt. Ist die Schenkung an den Ehegatten erfolgt, so beginnt die Frist nicht vor der Auflösung der Ehe.

(1) Soweit der Erbe zur Ergänzung des Pflichtteils nicht verpflichtet ist, kann der Pflichtteilsberechtigte von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks zum Zwecke der Befriedigung wegen des fehlenden Betrags nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Ist der Pflichtteilsberechtigte der alleinige Erbe, so steht ihm das gleiche Recht zu.

(2) Der Beschenkte kann die Herausgabe durch Zahlung des fehlenden Betrags abwenden.

(3) Unter mehreren Beschenkten haftet der früher Beschenkte nur insoweit, als der später Beschenkte nicht verpflichtet ist.