LG Berlin revidiert Einschätzung: Renate Künast wurde doch beleidigt

bei uns veröffentlicht am28.01.2020

Autoren

Rechtsanwalt

Bernfried Rose

Zusammenfassung des Autors

Doch noch ein Teilerfolg für Grünen-Politikerin Renate Künast im Streit um Beleidigungen auf der Social-Media-Plattform Facebook. Das Landgericht Berlin (LG) hat seine Einschätzung, wonach Kommentare in Bezug auf die Politikerin nicht beleidigend waren, teilweise revidiert.

Künast im Kampf gegen Beleidigungen im Internet

Nach der ersten Entscheidung des LG Berlin hatte es einen medialen Aufschrei gegeben. Nun hatten die Richter noch einmal die Gelegenheit, ihre Einschätzung über Kommentare zur Grünen-Politikerin Renate Künast zu revidieren. Im Ergebnis hat das Gericht nun zumindest für einen kleinen Teil der Kommentare doch eine Beleidigung angenommen.

Der ganze Streit dreht sich um mehrere Kommentare unterschiedlicher Verfasser auf Facebook. Deren Ursprung war ein Post, in dem von einem Facebook-Nutzer ein Zitat von Künast wiedergegeben worden war – allerdings teilweise falsch, wie sich später herausstellte. Dabei ging es um eine Aussage der Politikerin aus dem Jahr 1986, die im Zusammenhang mit der Strafandrohung wegen sexueller Handlungen an Kindern stand. Diese Aussage könnte den Schluss darauf zulassen, dass Künast damals eine liberalere Auffassung bezüglich einer solchen Strafandrohung vertrat. Künast allerdings stellte diese Aussage später richtig. Das Zitat war nun von dem Nutzer auf Facebook wieder aufgegriffen worden und sorgte unter den Lesern für Aufregung. In insgesamt 22 Kommentaren wurde, teils äußerst herabwürdigend, über Künast gesprochen. Es fielen Bezeichnungen wie „Pädophilen-Trulla" oder "Geisteskranke". Künast wollte daraufhin gegen die Verfasser der Kommentare vorgehen und verlangte von Facebook die Herausgabe der jeweiligen Nutzerdaten.

Ursprünglich keine Bewertung als Beleidigungen

Das LG hatte zunächst in keinem der 22 Kommentare eine Beleidigung festmachen wollen (Beschluss v. 09.09.2019; Az.: 27 AR 17/19). Nach Ansicht des Gerichtes seien die Aussagen Teil einer kritischen Auseinandersetzung. Der Politikerin wurde der Herausgabeanspruch daraufhin versagt. Doch womit das Landgericht wohl selbst nicht gerechnet hatte, war die mediale Aufmerksamkeit, die der Fall mittlerweile erlangt hatte. In einer von Künast eingelegten Beschwerde musste sich das Landgericht nun erneut mit der Bewertung der Kommentare auseinandersetzen.

Ganz wollte das Gericht dabei von seiner ursprünglichen Einschätzung natürlich nicht abweichen. Aber zumindest bei sechs Kommentaren handele es sich mittlerweile doch um Beleidigungen, wie das LG nun einräumt. Im Falle dieser Kommentare bestehe daher ein Herausgabeverlangen gegenüber Facebook auf Grundlage des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG).

Als Begründung führt das Gericht eine Neubewertung der Zusammenhänge an. Erst jetzt sei bekannt geworden, wer für den Ausgangspost bei Facebook verantwortlich sei. Dieser Nutzer soll Bezug zur politisch rechten Szene haben. Daraufhin seien die Nutzerkommentare erneut vor dem Hintergrund des Verfassers des Ausgangspost untersucht worden. Das Ergebnis: mittlerweile sei nicht mehr davon auszugehen, dass die Verfasser der fraglichen Kommentare annehmen durften, dass die im Ausgangspost wiedergegebene Äußerung so wie zitiert vollständig von der Grünen-Politikerin stammte. Vielmehr handele es sich teilweise um ein Falschzitat. Für die Social-Media-Nutzer hätten sich nach Ansicht des LG daher Zweifel an der Authentizität aufdrängen müssen. Im Ergebnis seien daher sechs der Kommentare als beleidigend zu bewerten. Diese könnten auch nicht mehr mit der Meinungsfreiheit der Verfasser gerechtfertigt werden. Vielmehr sei ein gezielter Angriff auf die Ehre der Politikerin anzunehmen (Beschluss v. 21.01.2020; Az.: 27 AR 17/19).

Beleidigung nur mit Hintergrundwissen?  

Hinsichtlich der übrigens sechzehn Kommentare bestätigten die Richter allerdings einen Sachbezug. Dabei handele es sich um eine kritische Auseinandersetzung mit dem Aussagegehalt der von Künast im Jahre 1986 getätigten Aussage. Eine persönliche Herabsetzung der Politikerin sei damit nicht verbunden gewesen, so die Einschätzung des Gerichtes.

Wer sich allerdings die Wortwahl der teilweise noch immer für zulässig erachteten Kommentare anschaut, der mag nicht ganz glauben, dass es sich dabei nicht um eine persönliche Herabwürdigung von Frau Künast handeln soll. Die Begründung des Gerichtes lässt einige Fragen offen. Mit Blick auf die Entscheidungsgründe erscheint fraglich, warum jemand, der derartige Kommentare bei Facebook verfasst, eine Art Hintergrundrecherche betreiben soll. Kommt es also bei der Bewertung einer Aussage darauf an, welche Recherche der Verfasser zu dem Thema angestellt hat bzw. hätte anstellen müssen? Kommt es darauf an, welche Authentizität und Seriosität von der Aussage eines anderen Verfassers ausgeht? Das scheint an dieser Stelle recht fraglich. Es wird sich zeigen, welchen weiteren Verlauf der Streit um die Beleidigungen von Renate Künast noch nehmen wird.

Weitere Informationen zum Social-Media-Recht erhalten Sie auch unter: https://www.rosepartner.de/social-media-recht.html

 

 

 

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